Linz, 04.07.2011
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Mag. X, Rechtsabteilung des X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, vom 31.5.2011, Zl. VerkR21-184/3-2011-Mau/Ec, wegen einer Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG 1997, zu Recht:
Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§§ 66 Abs.4, 67a AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010; §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2011.
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. Dem tritt die Rechtsvertreterschaft des Berufungswerbers in der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen entgegen:
3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte mangels gesonderten Antrages in Verbindung mit der niederschriftlichen Anhörung des Berufungswerbers unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z1 AVG).
3.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Beigeschafft wurde Luftbilder vom vorfallsbezogenen Kreuzungsbereich, sowie eine Aufnahme über die damaligen Tageslichtverhältnisse und durch eine Besichtigung der Örtlichkeit im Rahmen des Befahrens dieses Kreuzungsbereiches am 3.7.2011 (Foto).
Der Berufungswerber wurde in Kenntnis und gleichzeitiger Einladung der Behörde niederschriftlich befragt, wobei auch sein Führerschein zur Einschau vorgelegt und eine Kopie zum Akt genommen wurde. Vom Meldungsleger wurde eine Klarstellung zur sehr knappen und wenig aussagekräftigen Anzeigeinhalten angefordert, welche auf Grund des Arbeitsanfalls lt. Mitteilung der Polizeiinspektion St. erst zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt werden kann.
4. Eingangs ist hier zur Aktenlage festzustellen, dass als Grundlage für die Einleitung dieses Verfahrens auf der Einschätzung des Meldungslegers anlässlich einer Verkehrskontrolle fusst. Demnach soll der Berufungswerber bei der Amtshandlung verwirrt und das Innere seines Pkw ungewöhnlich ungepflegt gewirkt haben. Grund der Anhaltung war, dass er beim Rechtsabbiegen in der spitzwinkelig verlaufenden Kreuzung die Sperrlinie überfuhr, wobei in der Substanz lediglich die Fahrlinie "entschärft" wurde. Seine Verantwortung gegenüber dem Organ der Straßenaufsicht, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein, mangels anderer Fahrzeuge niemanden gefährdet oder behindert und sich durch die Amstandlung schickaniert gefühlt zu haben, scheint die Grundlage für die Mitteilung an die Behörde und diese nun angefochtene Bescheiderlassung darzustellen.
Der Berufungswerber wurde vor der Berufungsbehörde im Beisein seiner Rechtsvertreterin angehört.
Im Rahmen dieser niederschriftlichen Befragung schildert der ruhig und sachlich in Erscheinung tretende Berufungswerber den Sachverhalt aus seiner Sicht.
Er ist seit seinem 19. Lebensjahr im Besitz der Lenkberechtigung und befahre diese Strecke seit zwölf Jahren berufsbedingt – er ist in Linz als HTL-Lehrer tätig - fast täglich. Damals habe er den Rechtsabbiegevorgang in den besagten Straßenzug nächst dem Schloss H rechtzeitig angezeigt und sei dann mangels jeglichen Verkehrsaufkommens in einem größeren Bogen nach rechts abgebogen. Die Fahrlinie skizziert der Berufungswerber auf dem von diesem Kreuzungsbereich beigeschafften Luftbild.
Er vermeinte, dass dies fahrphysikalisch bedingt wohl 80 % aller Verkehrsteilnehmer wohl nicht anders gemacht hätten.
Aus diesem Grunde sei er von der in einem größeren Abstand hinter ihm fahrenden Besatzung eines Polizeifahrzeuges beanstandet worden, wobei der Polizist dies als "unsichere Fahrweise" qualifizierte. Seine Gegenfrage, ob er denn dadurch jemanden gefährdet oder sonst einen Schaden verursachte hätte, habe der Beamte gemeint, "er solle nicht ungehalten sein". Sodann wurde er mit einer Aufforderung zu einem Alkovortest konfrontiert. Da nicht sogleich ein Ergebnis zustande gekommen sei, sei ihm der Vorhalt gemacht worden, "ein Kind würde den Alkotest schneller begreifen." Dieser verlief negativ.
Als er sich schließlich weigerte eine Organmandatstrafe von 15 Euro zu bezahlen, folgte neben der hier verfahrensgegenständlichen Aufforderung u. a. ebenfalls eine Anzeige wegen des Überfahrens der Sperrlinie, des Rechtsfahrgebotes, nicht mehr tauglichen Bildes im Führerschein und einer deffekten Kennzeichenleuchte. Eine Kopie vom Führerschein wurde zum Akt genommen.
4.1. Dazu vertritt die Berufungsbehörde die Auffassung, dass dieses Bild im Führerschein, welches wohl den Berufungswerber in seiner Jugendzeit zeigt, diesen sehr wohl auch heute durchaus noch physiognomisch erkennen lässt.
Insgesamt beurteilt die Berufungsbehörde den Verlauf der Amtshandlung als ungewöhnlich, wobei weder das Fahrverhalten noch das geschilderte Verhalten des Berufungswerbers im Zuge der Amtshandlung, objektiv gesehen, keinen wie immer gearteten begründeten sachlich Rückschluss auf dessen gesundheitliche Nichteignung zulässt. Vielmehr lässt sich die vom Berufungswerber angesichts der freien Straße gewählte Fahrlinie fahrdynamisch durchaus als logisch bezeichnen, wenngleich dabei die in der in Fahrtrichtung des Berufungswerbers spitzwinkelig verlaufende Kreuzung die dort auf wenige Meter angebrachte Sperrlinie noch überfahren wurde. Zu Gunsten der Fahrphysik hat wohl der Berufungswerber einen Regelverstoß ohne jegliche nachteilige Auswirkung für Dritte in Kauf genommen. Ein strafwürdiges Verhalten ist darin aber nur schwer nachvollziehbar.
Davon konnte sich die Berufungsbehörde anlässlich der Anhörung des Berufungswerbers als auch im Rahmen eines Augenscheins vor Ort, den logischen Denkgesetzen folgend überzeugen. Daraus in Verbindung mit einer Schulduneinsichtigkeit eine gesundheitliche Nichteignung vermuten zu können qualifiziert sich selbst.
Das erstinstanzliche Verfahren stützte ihren Aufforderungsbescheid offenbar ausschließlich auf die sachlich nicht haltbare Einschätzung der Polizeibeamten. Deren Einschätzung erwies sich anlässlich der Anhörung des Berufungswerbers und des von seiner Persönlichkeit gewonnenen Eindrucks offenkundig als haltlos und unbegründet.
In diesem Zusammenhang ist auch noch zu bemerken, dass die mit Blick auf die Anzeigefakten eher wenig substanzvoll erscheinende und in den Motiven mit offenen Fragen behafteten Anzeige, erst vier Wochen nach dem Vorfall an die Behörde weitergeleitete wurde.
Insgesamt lassen die darin enthaltenen Fakten den Verdacht eines Gesundheitsmangel sachlich betrachtet wohl nicht zu.
4. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind für einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG jedenfalls begründete Bedenken in der Richtung notwendig, dass der Inhaber der Lenkerberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Es müssen hiefür zwar nicht Umstände vorliegen, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Überprüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. hiezu VwGH vom 25.5.2005, GZ. 2004/11/0016 und andere). Hiefür spricht auch der klare Wortlaut des § 24 Abs.4 1. Satz FSG, dessen Inhalt besagt, dass zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Diese Formulierung setzt jedenfalls ein aktuelles Ereignis voraus, das begründete Bedenken hinsichtlich des Wegfalls der – im Zweifel jedenfalls vorliegenden – gesundheitlichen Voraussetzungen bei der Behörde hervorruft.
Die Notwendigkeit begründeter Bedenken und deren Inhalte – auf medizinische Fakten gestützt - lassen sich aus der nachfolgenden Judikatur ableiten (VwGH 13.12.2005, 2005/11/0191, sowie auch zu § 75 Abs.1 KFG 1967 z.B. VwGH 20.9.2001, 99/11/0279 mit Hinweis auf VwGH 3.7.1990, Zl. 89/11/0224 und VwGH 17.3.2005, 2004/11/0014).
Die hier laut Anzeige an sich bereits sehr subjektiv anmutende Einschätzung des Meldungslegers erwies sich im Rahmen des Berufungsverfahrens als haltlos.
Als mit den Grundsätzen eines liberalen Rechtsstaates nur schwer vereinbar erschiene es im übrigen, gleichsam jedem Verkehrsteilnehmer auf Grund geringfügigster Auffassungsunterschiede im Verkehrsverhalten und das Vertreten einer abweichenden Rechtsüberzeugung bereits einem Arzt zur gesundheitlichen Eignungsuntersuchung zuführen.
Der angefochtene Bescheid war demnach ersatzlos zu beheben.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
VwSen-522887/9/Br/Eg vom 4. Juli 2011
Erkenntnis
FSG §24 Abs4
Das uneinsichtige Vertreten eines vom Meldungsleger abweichenden Rechtsstandpunktes vermag keine begründeten Bedenken dahingehend iSd § 24 Abs4 FSG darstellen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt.