Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522880/7/Bi/Kr

Linz, 19.07.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 30. Mai 2011 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. Mai 2011, FE-470/2011, NSch-124/2011, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird im Anfechtungsumfang insofern teilweise Folge gegeben, als die Entziehungsdauer auf 8 Monate herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24, 25, 26, 29, 30, 32 FSG die von der BPD Linz am 6.11.1979, F 449/78, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuver­lässig­keit für die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheins am 10. April 2011, entzogen und für den gleichen Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Inva­liden­kraftfahrzeugen verboten sowie das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gleichzeitig wurde die Absolvierung einer Nachschulung für alkohol­auffällige Lenker bis zum Ablauf der Entziehungsdauer angeordnet, außerdem die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesund­heitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG und die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 19. Mai 2011.

 


2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 19. Juli 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit des Bw durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, es sei richtig, dass er das Fahrzeug
X im alkoholisierten Zustand gelenkt habe. Er habe, wie er nunmehr durch Zeugen herausgefunden habe, bis ca eine Viertel Stunde vor dem Unfall, an dem er beteiligt gewesen sei, den er aber nicht begangen habe, etwas getrunken, nicht wie angegeben bis 16.00 Uhr. Der Alkoholspiegel müsste daher zur Zeit der Blutabnahme höher gewesen sein als zur Zeit des Verkehrsunfalls; er ersuche das zu berichtigen. Er sei an sich ein ruhiger und vorsichtiger Autofahrer, habe Zeit und ihm laufe nichts davon. Ob er tatsächlich den Unfall verursacht habe, sei noch nicht geklärt, weil ihn der andere Pkw-Lenker rechts überholt habe, als er die parkenden Autos vor ihm gesehen habe. Da aus den beiliegenden Fotos von der Beifahrerseite seines Fahrzeuges ersichtlich sei, dass der Schaden bei der hinteren Tür anfange und bei der vorderen Tür aufhöre, könne er nicht der Ver­ursacher gewesen sein. Er ersuche um Herabsetzung der Strafe. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der der Bw gehört und die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Bescheides berücksichtigt wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Laut Führerscheinregister wurde dem Bw bereits in der Zeit von 28. April 2006 bis 28. Mai 2006, dh für einen Monat, die Lenkberechtigung wegen Minder­alkoholi­sierung im Sinne des § 99 Abs.1b StVO 1960 entzogen.

 

Am 10. April 2011 um 17.05 Uhr lenkte der Bw den Pkw X in Linz, Landwiedstraße Höhe Nr.191, wo er an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden mit dem Pkw X beteiligt war. Da der Bw sehr schlecht hört, verstän­digte der Unfallgegner die Polizei; später wurde ein Unfallbericht ausgefüllt. Der Meldungslegerin X (Ml), PI Neue Heimat-Oed, fiel laut Anzeige beim Eintreffen an der Unfallstelle kurz nach 17.15 Uhr beim Bw träges, müdes Verhalten auf. Aufgrund des festgestellten deutlichen Alkohol­geruchs und seiner Trink­angeben von "ca zwei bis drei Halben Bier" wurde der Bw zur Atemalkohol­unter­suchung aufgefordert, von der aber um 17.46 Uhr wegen erfolgloser Blas­versuche letztlich abgesehen wurde, zumal der Bw auf eine Asthma­erkrankung hinwies – gleichzeitig hielt die Ml aber im Alkohol­unter­suchungs­protokoll fest, dass der Bw während der Amts­handlung zwei Zigaretten geraucht hatte.

Nach einer amtsärztlichen Untersuchung um 18.15 Uhr durch die Polizeiärztin Frau Dr. X, bei der außer einer Schädigung des Gleichge­wichts­organs eine Beeinträchtigung durch Alkohol festgestellt wurde, erfolgte um 18.50 Uhr eine Blutabnahme, bei deren Auswertung in der Gerichtsmedizin Salzburg der Blutalkoholgehalt mit 1,59 %o (Mittelwert) bestimmt wurde.

Der Polizeiarzt Dr. X errechnete daraus auf den Unfallzeitpunkt 17.05 Uhr bezogen unter Zugrundelegung des günstigsten stündlichen Abbauwertes von 0,1 %o einen Blutalkoholgehalt von 1,76 %o. 

 

In der Berufungsverhandlung gab der Bw – augenscheinlich richtig und daher glaubwürdig – sein Körpergewicht mit 67 kg anstelle laut Anzeige "ca 80 kg" an, und teilte mit, dass er von der BPD Linz bereits ein Straferkenntnis mit der Mindeststrafe 1.600 Euro erhalten habe. Die in der Berufung angeführten Zeugen für einen Alkoholkonsum ca 15 Minuten vor dem Unfall wurden ebenso wie der Unfallgegner nicht genannt. Die Daten des Unfallgegners wurden angesichts des Unfallberichtes laut Mitteilung von X, PI Neue Heimat–Oed, auch von der Polizei nicht festgehalten.  

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenat ist ein Trinkende ca 15 Minuten vor dem Unfall auch insofern irrelevant, als der Bw damit nicht einen Sturz­trunk im Sinne des Konsums einer großen Menge Alkohol innerhalb einer kurzen Zeitspanne behauptet hat. Abgesehen davon, dass in der Anzeige überhaupt keine Trinkangaben in zeitlicher Hinsicht aufscheinen, somit auch kein Trinkende, sind die vom Bw ange­gebenen "ca zwei bis drei Halben Bier" nicht geeignet, bei ihm um 18.50 Uhr einen Blutalkoholgehalt von 1,59 %o zu erklären. Eine Halbe Bier mit 5,2 Vol% ergibt bei 67 kg Körpergewicht einen Blutalkohol­gehalt von höchstens 0,44 %o, dh drei Halbe einen solchen von insgesamt 1,3 %o.

Aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens ergibt sich damit kein Zweifel an der Richtigkeit des auf die Lenkzeit rückgerrechneten Blutalkoholwertes von über 1,6%o.

 

Wer nun den Verkehrsunfall tatsächlich verschuldet hat, nämlich der Bw durch Links-Überholen oder der – unbekannt gebliebene – Lenker des Pkw X durch Rechts-Überholen, ist nicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat zu klären, zumal bei einem bloßen Sachschadenunfall auch keine Unfallsaufnahme erfolgt, sodass einem Sachver­ständigen keine Anhaltspunkte für irgend­welche Berechnungen (zB in Form von Bremsspuren oä) zur Verfügung stehen. Dieser Umstand kann aber auch nicht zulasten des Bw im Hinblick auf den angefochtenen Bescheid gehen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenk­berechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraft­fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 %o oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

Gemäß § 26 Abs.2 Z3 FSG ist, wenn beim Lenken oder der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges ein Delikt gemäß § 99 Abs.1a oder 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird, die Lenkberechtigung auf mindestens acht Monate zu entziehen.  

 

Auf der Grundlage der Rückrechnung des um 18.50 Uhr festgestellten Blutalko­hol­wertes auf die Unfallzeit 17.05 Uhr von 1,76 %o war davon auszu­gehen, dass der Bw zum Vorfallszeitpunkt als Lenker des Pkw X eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begangen hat. Er hat damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 FSG gesetzt, für die gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG bei einer erstmaligen Entziehung eine Entziehungsdauer von mindestens sechs Monaten festzusetzen wäre.  

Laut Führerscheinregister wurde dem Bw bereits in der Zeit von 28. April 2006 bis 28. Mai 2006, dh für einen Monat, die Lenkberechtigung wegen Minder­alkoholi­sierung im Sinne des § 99 Abs.1b StVO 1960 entzogen. Der nunmehrige Vorfall ereignete sich gerade noch innerhalb von fünf Jahren ab dem Vorfall 2006 (28.4.2006 – 10.4.2011), für den dem Bw die Lenkberechtigung für ein Monat entzogen worden war.

 

Im Fall des Bw ist die Konstellation zwar umgekehrt – dieser Fall, nämlich zuerst über 0,8 %o und innerhalb von fünf Jahren über 1,6 %o, ist im § 26 Abs.2 FSG nicht explizit vorgesehen – jedoch ist das Verhalten des Bw zumindest in gleichem Maß verwerflich, auch wenn die Reihenfolge umgekehrt zu § 26 Abs.2 Z3 FSG ist. Da beim Bw sogar eine "Steigerung" der Alkoholintensität vorliegt im Gegensatz zur gesetz­lichen Regelung, ist die analoge Anwendung, wie auch seitens der Erstinstanz zum Ausdruck gebracht wurde, durchaus gerechtfertigt. Dabei ist aber auch zu berück­sichtigen, dass beim Bw die Zeitspanne von fünf Jahren gerade noch gegeben ist.

Darüber hinaus hat die Erstinstanz ein Verschulden des Bw am Zustandekommen des Verkehrsunfalls mit Sachschaden im Sinne einer ungünstigeren Prognose der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit gewertet und die Entziehungsdauer mit letztlich zwölf Monaten festgesetzt. Dem vermag sich der Unabhängige Verwaltungs­senat aber deshalb nicht anzuschließen, weil das tatsächliche Verschulden letztlich nicht geklärt ist, daher die vom Bw dargelegte Variante nicht gänzlich von der Hand zu weisen und im Ergebnis keine Möglichkeit mehr zu einer Unfallrekonstruktion nach objektiven Gesichts­punkten besteht.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungs­gerichts­hofes gehören Alkohol­delikte, noch dazu im Wiederholungsfall, zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrs­vorschriften, zumal alkoholbeeinträchtigte Lenker für sich alleine schon eine hohe potenzielle Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen, weil sie infolge ihrer herabgesetzten Konzentrations-, Beobachtungs-, und Reaktions­fähigkeit nicht in der Lage sind, die kraft­fahr­spezifischen Leistungs­funktionen zufriedenstellend auszuüben. Die nunmehr in geringerem Ausmaß festgesetzte Entziehungsdauer von acht Monaten, die gleichzeitig als Prognose zu sehen ist, wann der Bw wieder verkehrszuverlässig sein wird, ist durchaus angemessen und ohne Zweifel ausdrück­lich geboten, um den Bw von einer neuerlichen Teilnahme am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahr­zeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand abzuhalten.

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrs­teilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 6.4.2006, 2005/11/0214; uva). 

Die Dauer der prognostizierten Verkehrsunzuverlässigkeit ist naturgemäß auch auf das Verbot, Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invaliden­kraft­fahr­zeuge zu lenken, und die Aberkennung des Rechts, von einem allfällig bestehenden ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, zu übertragen.

Es war daher im Anfechtungsumfang spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

0,82 ‰ + gerade noch innerhalb von 5 Jahren 1,76 ‰ = § 26/2 Z.3 FSG,

8 Monate. Verschulden am Unfall nicht beweisbar.

 

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