Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420686/8/SR/Sta

Linz, 15.07.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, x Staatsangehöriger, derzeit X, vertreten durch X, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in "Schubhaft" durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.               Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

II.           Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, in der anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 17/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein x Staatsangehöriger, geboren am X, brachte am 7. Oktober 2008 erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) ein. In der Folge stellte er unter anderen Namen vier weitere Asylanträge. Der am 21. Oktober 2010 eingebrachte Asylantrag wurde vom Bundesasylamt EAST-West mit Bescheid vom 10. Jänner 2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Ausweisung in den X verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Asylgerichtshof abgewiesen.

 

Unmittelbar nach der Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes am 8. Februar 2011 hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. Februar 2011, Sich40-3019-2008, über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Nach der Bescheidübernahme wurde der Bf in das X überstellt. Aufgrund eingetretener Haftunfähigkeit (Hungerstreik des Bf) ersuchte die belangte Behörde die BPD Wien, den Bf aus der Schubhaft zu entlassen. Die Entlassung erfolgte am 14. Februar 2011 um 10.55 Uhr. Ab 16. Februar 2011 wurde der Bf wiederum im Erstaufnahmezentrum West einquartiert.

 

Am 23. Februar 2011 verhängte die belangte Behörde neuerlich die Schubhaft um das Verfahren und die Abschiebung zu sichern (Bescheid vom 23. Februar 2011, Sich40-3019-2008). Bei der Ausfolgung des Bescheides wurde dem Bf der Abschiebetermin (2. März 2011, 10.15 Uhr, von Wien Schwechat nach X) in seiner Heimatsprache zur Kenntnis gebracht. Im Rahmen der Überstellung in das X führten die mit der Amtshandlung betrauten Organe den Bf dem x Konsulat zwecks Ausstellung eines Heimreisezertifikates vor. Das erforderliche Heimreisezertifikat wurde ausgestellt und bei den Effekten des Bf im X verwahrt.

 

Mit Bescheid vom 28. Februar 2011, Sich40-3019-2008, verpflichtete die belangte Behörde den Bf u.a. zum Kostenersatz für die Vollziehung der Schubhaft (Pkt. 1: Kosten der Vollziehung der Schubhaft im X - Schubhaft von 08.02.2011 bis 17.02.2011; Pkt. 2: Kosten der Vollziehung der Schubhaft im X – Schubhaft von 23.02.2011 bis 02.03.2011).

 

Am 28. Februar 2011 übermittelte die belangte Behörde dem X den Abschiebeauftrag (Abschiebetermin: 2. März 2011, Abschiebung: Luftweg mit der AUA, Flugnummer 829, Begleitung: drei Beamte der COBRA) und ersuchte um Verständigung des Bf.

 

Die Abschiebung wurde entsprechend dem Auftrag der belangten Behörde vorgenommen und der Bf am 2. März 2011 in Begleitung von drei Beamten der COBRA nach X eskortiert. Nach der Landung in X um 13.45 Uhr wurde der Bf von den drei COBRA Beamten in Begleitung des österreichischen Verbindungsbeamten der x Einreisebehörde übergeben und von dieser übernommen.

 

Unmittelbar vor dem Abflug (die Begleitbeamten hatten bereits ihre Sitzplätze eingenommen und der Kapitän die Durchsage "bitte die Kabinentüre schließen" gemacht) betraten der für die Dokumentenprüfung zuständige österreichische Polizist und der Stationmanager die Flugzeugkabine und teilten den Begleitbeamten mit, dass der Bf nicht einreisen dürfe (im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass es immer wieder vorkomme, dass "Deportees" nicht einreisen dürfen). Um nicht mit einem Startverbot belegt zu werden, wurde der Bf wieder übernommen und mit ihm der Rückflug angetreten. In Wien-Schwechat angekommen, eskortierten die Begleitbeamten den Bf zum "SOT (Objekt 801)" und übergaben ihn dem zuständigen Beamten.

 

In der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des BMI wird unter der ZAD-Nr. 459611 – Vorkommnisse festgehalten, dass nach der Rückkehr des Bf am 2. März 2011 der JB der zuständigen BH Vöcklabruck verständigt wurde und dieser verfügt habe, dass die "Schubhaft wieder auflebe" und eine Überstellung in das X erfolgen möge. Weiters wurde ausgeführt, dass das EKC verständigt und der Rücktransport in das X bestätigt worden sei. Mit dem X habe man die Abholung des Bf aus dem SOT vereinbart. Die Abholung und die Überstellung des Bf in das X sei am 2. März 2011 um 21.11 Uhr erfolgt. Eine Verständigung des "LPK_W_AFA_Führungsunterstützung" von Rückübernahme des Bf und den "Anweisungen des JB der BH-Vöcklabruck" erfolgte durch die "BPD_W_SVA_PAZ_RL_HG" per E-Mail am 3. März 2011, 00.39 Uhr.

 

Im Kostenrechnungsblatt vom 12. April 2011 werden die bisherigen fremdenpolizeilichen Maßnahmen aufgelistet. Die Schubhaftzeiten sind wie folgt aufgelistet:

"Schubhaft von 08.02.2011 bis 14.02.2011 im X, zur Verfügung der BH Vöcklabruck, Bescheid vom 08.02.2011;

Schubhaft von 23.02.2011 bis 02.03.2011 im X, zur Verfügung der BH Vöcklabruck, Bescheid vom 23.02.2011;

Schubhaft von 02.03.2011 bis laufend im X, zur Verfügung der BH Vöcklabruck;"

 

Mit Fax vom 20. Juni 2011 übermittelte der Vertreter des Bf eine Vollmacht und ersuchte um Übermittlung des Schubhaftbescheides. Dem Ersuchen wurde am 21. Juni 2011 entsprochen.

 

Im E-Mail vom 5. Juli 2011 teilt die belangte Behörde dem BMI, Abteilung II-3, per E-Mail mit, dass nach der Rückführung des Bf am 2. März 2011 nach Wien Schwechat die BH Vöcklabruck "neuerlich die Schubhaft verhängt" habe.

 

2.1. Mit der per Fax übermittelten Eingabe vom 7. Juli 2011 erhob der Bf durch seinen Vertreter Beschwerde gemäß § 82 FPG und stellte die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären sowie der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten auferlegen.

 

Begründend führt der Vertreter aus, dass der Bf am Flughafen im X nicht in den X einreisen durfte, offensichtlich ohne nochmalige Prüfung und ohne neuerlichen Bescheid in die Schubhaft gebracht und bis dato festgehalten werde. Außer dem Bescheid vom 23. Februar 2011 liege dem Bf kein Bescheid vor. Da der Bf nicht in den X zurückgenommen werde, sei die Schubhaft unverhältnismäßig. Die Behörde habe die Verpflichtung, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft laufend zu überprüfen. Dies sei seit geraumer Zeit nicht mehr geschehen.

 

2.2. Aufgrund der Beschwerdeausführungen ging der Oö. Verwaltungssenat vorerst davon aus, dass der Bf eine Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft anstrebe. In diesem Sinne wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert.

 

2.2.1. Im E-Mail vom 7. Juli 2011 gab die belangte Behörde bekannt, dass eine begleitete Abschiebung des Bf am 11. Juli 2011 in den X vorgesehen sei und der umfangreiche Akt am 11. Juli 2011 postalisch übermittelt werde.

 

2.2.2. In der Gegenschrift, übermittelt per E-Mail am 12. Juli 2011, 00.24 Uhr, teilte die belangte Behörde einleitend mit, dass die begleitete Abschiebung für den 12. Juli 2011 vorgesehen sei und sich der Bf seit dem 23. Februar 2011 im X in Schubhaft zur Verfügung der BH Vöcklabruck befinde.

 

Nach umfassenden Sachverhaltsausführungen und der Darstellung, warum die bisherigen zahlreichen Abschiebeversuche ergebnislos verlaufen sind, nahm die belangte Behörde Bezug auf die Abschiebung am 2. März 2011. Demnach habe der Bf vor den x Grenzbehörden die Einreise verweigert und deklariert, dass er nicht freiwillig in den X zurückkehren wolle. Die Abschiebung habe somit nicht vollzogen werden können, der Bf habe mit den drei Begleitbeamten nach Österreich zurückkehren müssen und sei in das polizeiliche Anhaltezentrum X zurückgebracht worden. Da die Schubhaft erst mit dem Vollzug der Abschiebung ende, diese nicht vollzogen wurde, habe letztlich die Schubhaft auch nicht geendet. Im Stande der Schubhaft sei der Bf in das X rückgeführt worden. Würde man eine Ausreise ohne darauffolgende Einreise in einen anderen Staat als vollzogen ansehen, läge bei jeder Wiedereinreise ein neuer Sachverhalt vor und die Frist für die Schubhaftberechnung beginne immer wieder neu und der Fremde könnte quasi unbegrenzt angehalten werden. Vergleiche mit der Ausweisung zeigten auf, dass misslungene Abschiebungen letztlich keine rechtswirksame Ausreise darstellen können. Während der Abschiebung habe sich der Bf fortlaufend in Schubhaft befunden, welche "lediglich durch übertragene Hoheitsgewalten unterbrochen" war. Mit dem Öffnen der Flugzeugtüren sei die Hoheitsgewalt wieder auf die Begleitbeamten übergegangen. Die fremdenpolizeiliche Maßnahme sei wieder in jenes Stadium übergegangen, in dem es sich beim Schließen der Flugzeugtür befunden habe. Gleiches Vorgehen judiziere der UVS und der VwGH in jenen gleichgelagerten Fällen, in denen die Hoheitsgewalt durch Vorführungen zu den verschiedensten Konsulaten unterbrochen wurde. Folgte man der Beschwerdebegründung wäre bei der erstmaligen Vorführung zur Botschaft die Schubhaft beendet gewesen. Abschließend wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

2.2.3. Im E-Mail vom 12. Juli 2011, 17.23 Uhr, gab die belangte Behörde bekannt, dass die für 12. Juli 2011 geplante Abschiebung neuerlich gescheitert sei, da die für den Flughafen X zuständige Behörde trotz Anweisung des x Innenministeriums neuerlich die Zustimmung zur Übernahme des Bf verweigert habe.

 

2.2.4. Am 13. Juli 2011 langte der Fremdenakt der belangten Behörde in Kopie ein.

 

2.3. Am 14. Juli 2011 um 17.10 Uhr übermittelte die belangte Behörde die Vollmacht des nunmehrigen Rechtsvertreters.

 

Im Schriftsatz vom 15. Juli 2011 setzte sich der Rechtsvertreter mit den Umständen der bisherigen Anhaltung auseinander.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist. Schon im Hinblick darauf, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1 dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Nach § 83 Abs 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Gemäß § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des fremden hätte vorher geendet.

 

4.2. Es ist unbestritten, dass der Bf seit der Rückkehr aus dem X am 2. März 2011 (die Überstellung in das X erfolgte um 21.11 Uhr) im X angehalten wird. Die unmittelbare Anordnung, den Bf im X anzuhalten, erfolgte von Organen, die dem Polizeipräsidenten von Wien zuzurechnen sind.

 

Da sich die Beschwerde eindeutig auf den Zeitraum nach der Rückkehr aus dem X am 2. März 2011 bezieht, dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Bf keine Zuständigkeit für das weitere fremdenpolizeiliche Verfahren mehr zugekommen ist, ist dem Oö. Verwaltungssenat die inhaltliche Beurteilung der Beschwerde verwehrt.

 

4.3. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann die Anhaltung des Bf im X nicht auf den Bescheid vom 23. Februar 2011 gestützt werden.

 

Nachdem die belangte Behörde am 2. März 2011 noch von einem "Wiederaufleben der Schubhaft" (siehe Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 2. März 2011 und E-Mail vom 3. März 2011) und am 5. Juli 2011 von einer neuerlichen Verhängung der Schubhaft am 2. März 2011 (E-Mail an das BMI, Abt. II-3: "die Schubhaft wurde seitens der BH Vöcklabruck neuerlich verhängt") ausgegangen ist, argumentierte sie zuletzt von einer durchgehenden Schubhaft seit dem 23. Februar 2011.

 

4.3.1. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um die Abschiebung zu sichern.

 

Nach § 78 Abs. 1 FPG ist die Schubhaft im Haftraum der Fremdenpolizeibehörde zu vollziehen, die sie verhängt hat. Kann die Fremdenpolizeibehörde die Schubhaft nicht vollziehen, ist die nächstgelegene Fremdenpolizeibehörde, die über einen Haftraum verfügt, um den Vollzug zu ersuchen.

 

Gemäß § 78 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft, soweit dies für Zwecke der Abschiebung erforderlich ist, in Hafträumen, die sich am Weg zur Bundesgrenze befinden, vollzogen werden.

 

Nach § 46 Abs. 1 FPG können Fremde, gegen die eine Ausweisung durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint.

 

4.3.2. Schon aus § 76 Abs. 1 FPG ist abzuleiten, dass die Abschiebung nicht Teil der Schubhaft sein kann. Die Schubhaft dient der Sicherung der Abschiebung, kann ihr vorangehen, muss aber nicht. Abgesehen von den gesetzlich vorgesehenen Fällen (kurzfristige Anhaltungen bis maximal 72 Stunden) ist die Anhaltung in Schubhaft nur aufgrund eines Schubhaftbescheides zulässig. Demgegenüber fußt die zwangsbewehrte Abschiebung, die eine verfahrensfreie Maßnahme darstellt, lediglich auf einem Auftrag der Behörde. Dass der Gesetzgeber unter der Anhaltung in Schubhaft nicht auch die Abschiebung mit umfasst sehen wollte, zeigt sich weiters in den Regelungen über den Vollzug der Schubhaft. Danach ist die Schubhaft ausschließlich in Hafträumen zu vollziehen. Die von der belangten Behörde angesprochenen Vorführungen zu Botschaften bewirken keine Aufhebung der Schubhaft. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde führen Vorführungen, die aus dem Stand der Schubhaft heraus vorgenommen werden müssen, um die Voraussetzungen für die zukünftige Abschiebung zu erlangen, nicht zu einer formlosen Aufhebung der Schubhaft, da weiterhin entweder das noch zu führende Verfahren oder die in Aussicht genommene Abschiebung zu sichern sind.

 

Die Schubhaft endet mit der formlosen Aufhebung gemäß § 70 FPG. Befindet sich ein Fremder zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft, so endet der Stand als Schubhäftling mit Beginn der Abschiebehandlung, dh in der Regel mit dem Verlassen des Polizeianhaltezentrums. Als Grundlage für die darüber hinausgehende Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Fremden dient § 13 FPG, demzufolge die Abschiebung mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen ist, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist (Riel/Schrefler-König(Szymanski/Schmalzl, FPG § 80 [2]).

 

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass die Schubhaft am 2. März 2011 um 07.30 Uhr formlos aufgehoben worden ist (Zeitpunkt der Abholung des Bf im X durch die drei Begleitbeamten und Transport des Bf zum Flughafen Wien Schwechat). Durch die formlose Aufhebung der Schubhaft gilt der ihr zugrundeliegende Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 2011 als widerrufen. Ein Wiederaufleben – wie die belangte Behörde ursprünglich vermeint hat – ist nicht denkbar.

 

4.4. Gemäß § 6 Abs. 4 FPG richtet sich die Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft und zur Abschiebung nach dem Aufenthalt.

 

Nach § 6 Abs. 4a FPG verbleibt die Zuständigkeit zur weiteren Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2) bei jener Behörde, welche die Abschiebung veranlasst hat. Diese Zuständigkeit endet mit der Ausreise des Fremden.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 2a FPG versteht der Bundesgesetzgeber unter Ausreise "das Verlassen des Bundesgebietes".

 

4.4.1. Unstrittig hat der Bf, eskortiert von drei Begleitbeamten der COBRA, am 2. März 2011 das Bundesgebiet auf dem Luftweg verlassen (Abflug Wien Schwechat am 2. März 2011 um 10.20 Uhr und Ankunft in X [X] am 2. März 2011, 13.45 Uhr).

 

Weder dem eindeutigen Gesetzeswortlaut noch den Materialien ist zu entnehmen, dass die Zuständigkeit jener Behörde, die die Abschiebung veranlasst hat, erst im Falle einer "erfolgreichen Ausreise" enden sollte.

 

Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung steht fest, dass die Zuständigkeit der belangten Behörde mit der Ausreise des Bf am 2. März 2011 geendet hat.

 

4.4.2. Unzutreffend und aktenwidrig ist die Annahme der belangten Behörde, dass der Bf auch während des Hin- und Rückfluges und des Aufenthaltes in X in Schubhaft angehalten wurde.

 

Nach der Landung (Öffnen der Außentüren) im Ausland besteht die ausschließliche Zuständigkeit der dortigen Behörden. Die begleitenden Beamten haben daher auch über deren Ersuchen keine Ermächtigung zur Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt (Riel/Schrefler-König(Szymanski/Schmalzl, FPG § 46 [8]).

 

Darüber hinaus ist dem Bericht der COBRA vom 2. März 2011 zu entnehmen, dass die x Behörden den Bf nach der Ankunft (13.45 Uhr) übernommen haben und dieser erst unmittelbar vor dem Abflug (15.00 Uhr) an Bord des Flugzeuges gekommen ist. Nachweislich wurde der Bf nicht zwangsweise nach Österreich rücküberstellt. Die nicht nachvollziehbare Weigerung der x Behördenvertreter, den Bf nicht einreisen zu lassen, kam den Intentionen des Bf entgegen, der schon im Vorfeld alle sich bietenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um nicht von Österreich in den X abgeschoben zu werden. Dass der Bf die Einreise in den X durch sein Verhalten vereitelt habe, ist nicht sehr wahrscheinlich. Alleine aus dem Umstand, dass der Bf von drei COBRA Beamten in den X eskortiert wurde, mussten die x Beamten ableiten, dass der Bf keinesfalls gewillt war, freiwillig in den X zurückzukehren.

 

4.4.3. Unbestritten hat weder die belangte noch die örtlich zuständige Behörde nach der Einreise des Bf in Österreich gegenüber dem Bw einen Schubhaftbescheid erlassen. Bedingt durch den Zuständigkeitsuntergang der belangten Behörde (§ 6 Abs. 4a Z. 1 FPG) konnte diese auch nicht wirksam die Anhaltung des Bf im X anordnen. Die Anfrage der vor Ort einschreitenden Beamten beim Journaldienst der belangten Behörde und die Umsetzung der "Anordnungen dieser unzuständigen Behörde" (Überstellung in das X, da der Schubhaftbescheid wieder auflebt) begründen nicht eine Verantwortung der unzuständigen Behörde.

 

4.5. Der Bf hat in der Beschwerdebegründung von einer "Anhaltung in Schubhaft" gesprochen und sein Beschwerdevorbringen darauf aufgebaut. Im Hinblick darauf, dass kein Schubhaftbescheid vorliegt, auf den die Anhaltung gestützt werden könnte, kann nicht von einer Anhaltung in Schubhaft gesprochen werden. Das ändert aber nichts daran, dass der Bf im Wege einer Maßnahmenbeschwerde die Anhaltung bekämpfen kann. Eine derartige Beschwerde ist bei jener Behörde einzubringen, die die Anhaltung zu vertreten hat bzw. der das Handeln der einschreitenden Organe zuzurechen ist.

 

Da der belangten Behörde das Organhandeln mangels örtlicher Zuständigkeit nicht zugerechnet werden kann, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde nicht berufen.

 

Die Beschwerde war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde und die beigelegte Vollmacht von 18,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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