Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-252670/2/Gf/Mu

Linz, 22.07.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des Finanzamtes Grieskirchen-Wels gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 1. Dezember 2010, Zl. SV96-100-2010, wegen Einstellung eines aus Anlass einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens (mitbeteiligte Partei: x) zu Recht:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 1. Dezember 2010, Zl. SV96-100-2010, wurde das gegen die mitbeteiligte Partei aus Anlass einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ihr wurde
ursprünglich zur Last gelegt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten zu haben, dass von dieser am 20. August 2010 eine Person mit dem Lenken eines Firmenfahrzeuges gegen ein die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigendes Entgelt beschäftigt worden sei, ohne dass sie diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet habe, wodurch von ihr eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 33/2009 (im Folgenden: ASVG), begangen und dadurch der Tatbestand des § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG verwirklicht worden sei – geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sich im Zuge des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens ergeben habe, dass es sich bei der im Zuge der Kontrolle betretenen Person um die Schwester der mitbeteiligten Partei gehandelt und diese ihre Arbeiten nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, sondern vielmehr unentgeltlich erbracht habe. Zudem habe auch der zuständige Sozialversicherungsträger über eine entsprechende Anfrage hin dezidiert festgestellt, dass bezüglich dieser vermeintlichen Dienstnehmerin keine beitragspflichtige Tätigkeit vorgelegen sei.

1.2. Gegen diesen der Amtspartei am 15. Dezember 2010 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 21. Dezember 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass eine vor der Einbringung des Strafantrages mit der OöGKK erfolgte Abklärung ergeben habe, dass im vorliegenden Fall von einer Versicherungspflicht auszugehen sei. Außerdem gelte nach den §§ 1151 und 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt dann als bedungen, wenn zwischen den Vertragsparteien nicht Unentgeltlichkeit vereinbart worden sei. Schließlich könne es auch schon von vornherein keine bloßen Freundschaftsdienste geben, wenn als Dienstgeber nicht eine natürliche, sondern eine juristische Person – wie hier die GmbH der mitbeteiligten Partei – fungiere.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Grieskirchen zu Zl. SV96-100-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S.d. ASVG u.a. derjenige, für
dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG ist nach § 4 Abs. 2 leg.cit. anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 1 lit. a ASVG stehen den Dienstnehmern i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG u.a. Personen, die sich auf Grund freier Dienstverträge für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, dann gleich, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn, dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG versichert sind.

 

Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG handelt u.a. derjenige ordnungswidrig, der als Dienstgeber entgegen den Vorschriften des ASVG Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Eine solche Ordnungswidrigkeit ist nach § 111 Abs. 2 ASVG von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

 

In diesem Zusammenhang ist gemäß § 539a Abs. 1 ASVG für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

3.2. Grundsätzlich trifft es zwar zu, dass – worauf die Beschwerde führende Amtspartei hinweist – § 1152 ABGB die gesetzliche Vermutung aufstellt, dass für im Rahmen eines Dienstverhältnisses erbrachte Leistungen ein angemessenes Entgelt als vereinbart gilt; dies setzt jedoch voraus, dass weder im Vertrag ein Entgelt bestimmt oder seitens der Partner nicht Unentgeltlichkeit vereinbart wurde.

 

Im gegenständlichen Fall haben sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die von den Kontrollorganen betretene Person – die zugleich dessen Schwester ist – von Anfang an und während des gesamten Ermittlungsverfahrens übereinstimmend darauf hingewiesen, dass die Betretene zum Vorfallszeitpunkt eigentlich deren Mutter besucht und nur wegen eines unerwartet aufgetretenen personellen Engpasses für ihren Bruder eine kurzfristige und geringfügige Hilfstätigkeit (Zustellung von Mehl an eine Pizzeria mit einem Lieferwagen) durchgeführt hat; hierfür war Unentgeltlichkeit vereinbart, weil diese Leistung im Rahmen der familiären Unterstützungstätigkeit erfolgte (vgl. die noch am Vorfallsort erstellte Niederschrift des Finanzamtes Grieskirchen-Wels vom 20. August 2010 [ohne Aktenzahl], S. 3, sowie die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei zur Niederschrift der BH Grieskirchen vom 4. November 2010, Zl. SV96-100-2010). Dafür, dass diese Rechtfertigungen unglaubwürdig wären, hat sich im erstbehördlichen Verfahren kein Anhaltspunkt ergeben, im Gegenteil: Sie erscheinen bei unvoreingenommener objektiver Betrachtung auch als durchaus lebensnah.

 

Denn entgegen der Auffassung der Amtspartei kann allein der formale Aspekt, dass der Bruder der Betretenen seinen Betrieb nicht als ein Einzelunternehmer, sondern in der Rechtsform einer juristischen Person (GmbH) führt, in Wahrheit keinerlei Einfluss darauf haben, dass er seitens einer Familienangehörigen eine kurzfristige und unentgeltliche Hilfeleistung erfährt; vielmehr wird eine solche  Unterstützung unter normalen Umständen – d.h., wenn nicht dezidiert gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen, was jedoch im gegenständlichen Fall nicht zutraf – stets völlig unabhängig von der rechtlichen Struktur eines Unternehmens gewährt. Zudem setzt § 1152 ABGB nicht voraus, dass die Unentgeltlichkeit einer Dienstleistung ausdrücklich vereinbart worden sein muss, um wirksamer Vertragsbestandteil werden zu können, sondern nach dem diesbezüglich unzweifelhaften Normtext genügt insoweit auch eine bloß implizite Übereinkunft, wie dies unter Familienmitgliedern für kurzfristige Aushilfen wohl sogar die Regel sein wird (vgl. dazu auch schon VwSen-252585 vom 2. November 2010).

 

Somit reicht aber eine bloße, ohnehin – wie in § 1152 ABGB – schon von Gesetzes wegen gewissen Einschränkungen unterliegende Vermutung dahin, dass bezüglich eines konkreten Dienstverhältnisses ein angemessenes Entgelt bedungen wurde, per se nicht dafür aus, um mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Gewissheit vom Vorliegen einer Entgeltlichkeit und damit eines Dienstverhältnisses i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG ausgehen zu können; vielmehr bedarf es hierfür auch entsprechend konkreter Nachweise.

 

Solche konnten jedoch auch von der Beschwerde führenden Amtspartei nicht namhaft gemacht, geschweige denn entsprechend vorgelegt werden.

3.3. Mangels erwiesener Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens der mitbeteiligten Partei erfolgte daher die von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG vorgenommene Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Recht, weshalb die gegen den angefochtenen Bescheid vom Finanzamt Grieskirchen-Wels erhobene Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

VwSen-252670/2/Gf/Mu vom 22. Juli 2011

 

Erkenntnis

 

ASVG §4 Abs2;

ABGB §1152

 

Eine bloße, ohnehin – wie in § 1152 ABGB – schon von Gesetzes wegen gewissen Einschränkungen unterliegende Vermutung dahin, dass bezüglich eines konkreten Dienstverhältnisses ein angemessenes Entgelt bedungen wurde, reicht per se nicht dafür aus, um mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Gewissheit vom Vorliegen einer Entgeltlichkeit und damit eines Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs2 ASVG ausgehen zu können; vielmehr bedarf es hierfür auch entsprechend konkreter Nachweise.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum