Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531169/6/Re/Sta

Linz, 27.07.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der B GmbH, H, vertreten durch Ing. L C, vom 20.6.2011, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 8. Juni 2011, Gz:. Ge20-31-13-2006, betreffend eine gewerbebehördliche Betriebsanlagen­änderungsgenehmigung nach § 81 GewO 1994 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 21. Juli 2011,  zu Recht erkannt:

 

          Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als Auflagepunkt "Arbeitnehmerschutz: 8." abgeändert wird und zu lauten hat:

 

          "8. Die Absturzsicherung des Daches ist so herzustellen, dass ein Einhängen der persönlichen Schutzausrüstung (Sicherheits­geschirr) an der Ausstiegsstelle auf das Dach erfolgen kann und der Dachbereich ohne sich abzuhängen begangen werden kann (Seilsicherung). Als Alternative zur Einhängemöglichkeit direkt an der Ausstiegsstelle ist die Anbringung eines standsicheren Geländers bis zum Beginn der Seilsicherung zulässig.

          Einzelanschlagspunkte sind nicht zulässig. Die Sicherheitseinrichtung ist so herzustellen, dass sie auch bei Schneelage sicher zu verwenden ist (Anschlagspunkthöhe mindestens 30 cm)."

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 359a und 81  Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994)

§ 92 Abs.2 iVm § 93 Abs.2 ASchG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem Bescheid vom 8. Juni 2011, Ge20-31-13-2006, über Antrag der B GmbH, H, die gewerbebehördliche Betriebsanlagenänderungsgenehmigung für den Zubau einer Produktions-, Montage- und Verladehalle in H, K, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Dies nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens samt Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. Juni 2011 unter anderem unter Beiziehung von Amtssachverständigendienst  sowie Arbeitsinspektorat. Auflagen wurden insbesondere zu den Themenbereichen Gewerbetechnik, Arbeitnehmerschutz sowie im Zusammenhang mit der gleichzeitig erteilten wasserrechtlichen Bewilligung für die Versickerung von Oberflächenwässern vorgeschrieben.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass bei Beachtung der mit der Genehmigung verbundenen Auflagen eine Beeinträchtigung der durch die Gewerbeordnung und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geschützten Interessen nicht zu erwarten sei, dies insbesondere auf Grund der einen Bestandteil der Begründung bildenden Verhandlungsschrift vom 6. Juni 2011 zu Ge20-31-12-2006.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat die Anlageninhaberin innerhalb offener Frist mit Schriftsatz vom 20. Juni 2011, bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding eingelangt am 22. Juni 2011, eine als "Teileinspruch zum Bescheid Ge20-31-13-2006" bezeichnete Berufung gegen den Auflagepunkt 8. zum Arbeitnehmerschutz eingebracht.

 

Dies mit der Begründung, laut Punkt 7. des Bescheides sei eine Ausführungsklasse 1 nach ÖNORM B3417/2010 auszuführen. Bei der Ausstattungsklasse 1 würden Anschlageinrichtungen mit Einzelanschlagpunkten (bei einfacher Montagemöglichkeit auch temporär zulässig) als ausreichend vorgeschrieben. Ein, wie in Punkt 8. des Bescheides gefordertes, umlaufendes Seilsicherungssystem sei nicht sinnvoll (sehr aufwändig und teuer), da keine regelmäßigen Nutzungs- und Wartungsarbeiten durch Personen am Dach notwendig seien.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  i.V.m. § 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Ge20-31-13-2006 sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unter Beiziehung des Arbeitsinspektorates am 21. Juli 2011.

 

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

1.     das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

2.     die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

3.     die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

4.     die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

5.     eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 30 Abs.1 der Bauarbeiterschutzverordnung sind bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen, sofern durch technische Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz nicht erreicht wird, den Arbeitnehmern Sicherheitsgeschirre oder Sicherheitsgürtel einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer und Höhensicherungsgeräte zur Verfügung zu stellen.

Gemäß Abs.2 leg.cit. müssen an Stellen, an denen Schutzausrüstungen gemäß Abs.1 verwendet werden, möglichst lotrecht oberhalb dieser Stellen geeignete Befestigungsvorrichtungen oder –möglichkeiten vorhanden sein, die den bei einem Absturz auftretenden Belastungen standhalten.

 

Der bekämpfte Auflagenpunkt 8. wurde vom Vertreter des Arbeitsinspektorates bereits im Rahmen der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung zur Vorschreibung vorgeschlagen bzw. beantragt und gleichzeitig vom Vertreter der Konsenswerberin in seiner abschließenden Stellungnahme in Zweifel gezogen bzw. als nicht erforderlich erachtet.

Von der belangten Behörde wurde der vom Vertreter des Arbeitsinspektorates geforderte und nunmehr bekämpfte Auflagenpunkt 8. in der Folge vollinhaltlich in den Bescheidabspruch zur beantragten Betriebsanlagenänderungsgenehmigung aufgenommen, ohne die Vorschreibung desselben jedoch in irgendeiner Form zu begründen, obwohl der Vorschreibung dieses Auflagepunktes im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Konsenswerberin bereits widersprochen wurde.

Insbesondere zur Frage des Standes der Technik und zur näheren Begründung der Notwendigkeit der Vorschreibung der bekämpften Auflage wurde daher vom Unabhängigen Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung für erforderlich erachtet und am 21. Juli 2011 unter Beiziehung der Berufungswerberin sowie des Arbeitsinspektorates durchgeführt.

 

Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung wurden von den Vertretern des Arbeitsinspektorates die Inhalte der angewendeten ÖNORM B3417, Ausgabe 15, Juli 2010, "Sicherheitsausstattung und Klassifizierung von Dachflächen für Nutzung, Wartung und Instandhaltung" ausführlich dargelegt und diese ÖNORM als Stand der Technik für die Ausführung der Sicherheitsausstattung auf Dächern dargestellt.

Insbesondere die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte Wirtschaftlichkeit des geforderten Seilsicherungssystems

 war als zulässiges Begründungselement der Berufung jedenfalls zu verneinen, da der Schutz von Leib und Leben von Arbeitnehmern, wie insbesondere im Zusammenhang mit einer drohenden Absturzgefahr von einem Flachdach von einer Höhe von 9 m, nicht mit wirtschaftlichen Überlegungen abgewendet werden kann.

 

Die eingehende Diskussion der Sach- und Rechtslage im Zusammenhang mit den erforderlichen Sicherungsmaßnahmen am gegenständlichen Hallendach ergab Konsens bei nachstehender Neuformulierung des bekämpften Auflagenpunktes 8.

"8. Die Absturzsicherung des Daches ist so herzustellen, dass ein Einhängen der persönlichen Schutzausrüstung (Sicherheits­geschirr) an der Ausstiegsstelle auf das Dach erfolgen kann und der Dachbereich ohne sich abzuhängen begangen werden kann (Seilsicherung). Als Alternative zur Einhängemöglichkeit direkt an der Ausstiegsstelle ist die Anbringung eines standsicheren Geländers bis zum Beginn der Seilsicherung zulässig.

Einzelanschlagspunkte sind nicht zulässig. Die Sicherheitseinrichtung ist so herzustellen, dass sie auch bei Schneelage sicher zu verwenden ist (Anschlagspunkthöhe mindestens 30 cm)."

 

Diese neue Formulierung des Auflagenpunktes 8. verbindet einerseits die Zurkenntnisnahme und Akzeptanz durch den Anlageninhaber, andererseits auch die Zustimmung des Arbeitsinspektorates und bewirkt, dass die Absturzsicherung entsprechend der vom beigezogenen Arbeitsinspektorat als Stand der Technik zitierten ÖNORM B3417 entspricht.

 

Durch die Neufassung des Auflagenpunktes 8. ist  somit auch sichergestellt, dass durch die Anlagenänderung die Belange des Arbeitnehmerschutzes im Grunde des § 93 Abs.2 ASchG entsprechend und ausreichend berücksichtigt werden.

 

Auf Grund dieses Ergebnisses der durchgeführten mündlichen Verhandlung und auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage war somit wie im Spruch zu entscheiden und die abgeänderte Version des Auflagenpunktes 8. in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.     Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.     Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

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