Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-330024/5/Lg/Hue

Linz, 18.07.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des H H, H, A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D E, W, V, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 6. Juli 2010, Zl. Wi96-3-2010/HW, wegen einer Übertretung des Maß- und Eichgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene     Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren   eingestellt.

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 44a, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 365 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48  Stunden verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gem. § 9 Abs. 1 VStG der C P H GmbH, P, H, zu verantworten habe, dass von der C P H GmbH als Herstellerin der nachfolgenden Fertigpackungen die Bestimmungen der Fertigpackungsverordnung nicht eingehalten worden seien. Weiters heißt es im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses:

"Von der C P H GmbH wurden am 31.12.2009 folgende Fertigpackungen an die R I FDL in  S, T, entgeltlich abgegeben und somit in Verkehr gebracht:

Produkt: ´X`

Hersteller: X GmbH in  P, H

Losgröße: 161

Nennfüllmenge: 8 Liter

Chargennummer: 93211034

EAN: 9003459600235

Entgegen des Handelsbrauches war bei den o.a. Fertigpackungen die Nennfüllmenge in Liter angegeben. Auf Grund der Bestimmungen des § 11 Abs. 2 FPVO ist die Angabe der Nennfüllmenge bei festen Produkten in Kilogramm/Gramm erforderlich.

Von der Wirtschaftskammer wurde in einer Handelsbrauchumfrage festgestellt, dass betreffend der Kennzeichnung von Katzenstreu nach Litern an Stelle von kg ein Handelsbrauch dahingehend nicht feststellbar ist."  

 

2. In der Berufung bringt der Bw vor, dass in der Strafverfügung als Tattag der 2. Februar 2010 (Tag der Kontrolle) und im angefochtenen Erkenntnis der 31. Dezember 2009 (Lieferdatum) angegeben sei. Durch diese Unklarheiten in der Spruchformulierung sei der Bw in seinen Rechtsverteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt worden, sodass allein aus diesem Grund das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sei. Auch sei der Tatbestand des "In-Verkehr-Bringens" nicht erfüllt, da keine Beweisergebnisse dahingehend vorliegen würden, dass die im Straferkenntnis zitierten Produkte tatsächlich entgeltlich an die Firma R I abgegeben und somit in Verkehr gebracht worden seien. Unklar sei weiters, wie die Behörde zu dem Schluss gekommen sei, dass die genannten Produkte am 31. Dezember 2009 entgeltlich angegeben und in Verkehr gebracht worden seien, wenn die Kontrolle am 2. Februar 2010 erfolgt sei und Beweisergebnisse hinsichtlich des In-Verkehr-Bringens zum 31. Dezember 2009 sich nicht im Akt befinden würden.

Auch wenn es in Österreich keine offiziellen Usancen dafür gebe, bestünden de facto in der Praxis entgegen gesetzte Handelsbräuche:

-         Seit rund 40 Jahren würden am Markt parallel Katzenstreuprodukte existieren, welche in Kilogramm oder Volumen gekennzeichnet würden. Die Konsumenten hätten dies auch so gelernt und offensichtlich keinerlei Probleme damit.

-         Gleiches gelte für andere Einstreuartikel für kleine Nager.

-         Unter der weltweit vertriebenen Marke T Fischfutter gebe es auch immer schon Artikel, welche ausschließlich in ml (250 ml) verkauft würden.

-         Daneben gebe es noch verschiedene Spezialprodukte wie Schildkrötenfutter, Teichsticks etc., die vom Wesen her sehr voluminös seien und bei denen die Inhaltsangaben in Volumen erfolge. Viele dieser Artikel würden über deutsche Produzenten/Anbieter auf den österreichischen Markt kommen.

 

Ein Vergleich mit der deutschen Fertigpackungsverordnung würde ergeben, dass Katzenstreu bzw. Einstreumittel für Heimtiere in den §§ 7 – 9 nicht erwähnt würden. Daraus erkläre sich die Praxis, dass diese Artikel in Deutschland teils in Kilogramm und teils in Volumen deklariert würden. Es gebe also die "allgemeine Verkehrsauffassung", dass beides möglich sei.

 

Heimtierfuttermittel würden in den §§ 7 – 9 der deutschen Fertigpackungsverordnung extra erwähnt. Daraus ergebe sich, dass z.B. Fischfutter-Artikel mit Volumsdeklaration und deutschsprachiger Aufmachung existieren würden, die aufgrund der Verflechtung Österreich mit dem deutschen Markt auch in Österreich erhältlich seien (z.B. Eigenmarktprodukt von R Ketten wie F oder D).

 

Der Vergleich der deutschen Rechtslage mit der österreichischen ergebe:

                            Österreich = Handelsbräuche

                            Deutschland = allgemeine Verkehrsauffassung

 

Somit lege jedenfalls ein entsprechender Handelsbrauch vor, weshalb das Straferkenntnis zu Unrecht ergangen sei.

 

Beantragt wird die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Herabsetzung der Strafe.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 8. Februar 2010 zugrunde. Demnach sei anlässlich einer am 2. Februar 2010 in den Räumlichkeiten der Firma R I FDL-S/T Lagerleitung, S, T, durchgeführten Kontrolle die gegenständliche Verwaltungsübertretung festgestellt worden.

Der Anzeige angeschlossen sind eine Niederschrift über Füllmengenkontrolle von Fertigpackungen, ein Kostenbescheid sowie folgendes Ergebnis einer Handelsbrauchumfrage der Wirtschaftskammer Österreich aus dem Jahr 2007:

 

Frage 1:

Besteht nach Ihren Kenntnissen ein Handelsbrauch betreffend der Kennzeichnung von Katzenstreu nach Litern an Stelle von kg?

 

 

 

Bundesland

 

      JA

 

NEIN

 

     KA

 

Gesamt

 

WK Burgenland

 

4

 

2

 

0

 

6

 

WK Kärnten

 

0

 

0

 

0

 

0

 

WK Niederösterreich

 

6

 

4

 

0

 

10

 

WK Oberösterreich

 

2

 

1

 

1

 

4

 

WK Salzburg

 

2

 

2

 

0

 

4

 

WK Steiermark

 

10

 

5

 

0

 

15

 

WK Tirol

 

0

 

0

 

0

 

0

 

WK Vorarlberg

 

2

 

1

 

0

 

3

 

WK Wien

 

10

 

6

 

0

 

16

 

Gesamtsumme

 

36

 

21

 

1

 

58

 

Gesamtsumme in %

 

62,07

 

36,21

 

1,72

 

100

 

 

 

Ein Handelsbrauch ist nicht feststellbar."

 

 

Gegen die Strafverfügung vom 12. Februar 2010, in welcher im Spruch sowohl das Liefer- als auch das Kontrolldatum angegeben wurde, brachte der Bw einen Einspruch ein.

 

Nach "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 23. März 2010, in welcher als Tattag nur mehr das Lieferdatum (31. Dezember 2009) aufscheint, rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen wie in Teilen der später eingebrachten Berufung und ergänzte, dass eine Markterhebung aus dem Jahr 2009 ergeben habe, dass in Deutschland ein überwiegender Teil der Produkte ausschließlich in Volumsangaben aufzeichnen würden. Anzumerken sei dabei, dass die erhobenen Heu-items Futterartikel darstellen würden. Diese würden daher nicht unter Einstreu fallen sondern seien Ergänzungsfutter für kleine Nager. Durch die unterschiedlichen Bewertungsvorgänge, welche zudem im europäischen Raum in Einzelnen nicht vereinheitlicht seien, würden sich in logischer Konsequenz unerwünschte Differenzen auf dem Gebiet der Rechtsanwendung ergeben. Im gegebenen Fall betreffe es den Bereich der Fertigpackungen und deren Füllmengenbezeichnung. So komme es in Österreich und Deutschland zu unterschiedlichen Kennzeichnungen. Zur Herstellung einer EU-konformen Rechtslage sei daher im nationalen Recht auch durchgängig auf die "allgemeine Verkehrsauffassung" abzustellen. Durch die unterschiedlichen europäischen Regelungen komme es zu einer Diskriminierung der österreichischen Anbieter betreffend dem freien Warenverkehr. Eine Umstellung der bisherigen Abfüllsysteme sei mit enorm hohem Kostenaufwand verbunden und wäre dadurch die Konkurrenzfähigkeit im österreichischen und gesamteuropäischen Raum nicht mehr gegeben. Unter Verweis auf die Klassifizierung der Erzeugnisse betreffend der zulässigen Minusabweichung der Füllmenge einer Fertigpackung sei anzumerken, dass Erzeugnisse, deren Schüttdichte nicht mit angemessenem technischen Aufwand hinreichend konstant gehalten werden könne, gleich wie flüssige Erzeugnisse klassifiziert würden. Daraus sei eindeutig zu schließen, dass gegenständliche Katzenstreu, welche aufgrund ihrer Eigenschaften zweifelsfrei in genannte Klassifizierung falle, aufgrund der Richtlinie der Europäischen Union in Volumen zu kennzeichnen sei.  

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Erkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gem. § 11 Abs. 2 Fertigpackungsverordnung müssen andere als die in den Anhängen 4 und 5 genannten Erzeugnisse, soweit nicht entgegengesetzte Handelsbräuche bestehen, bei flüssigem Inhalt die Angabe des Nennvolumens und bei anderem Inhalt die Angabe ihres Nenngewichtes auf der Fertigpackung tragen.

 

Gem. § 12 Abs. 1 Fertigpackungsverordnung ist der Hersteller oder der Importeur dafür verantwortlich, dass die Fertigpackungen den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen. Die in einer Fertigpackung enthaltene Füllmenge muss nach Gewicht oder Volumen gemessen oder kontrolliert werden. Die Messungen oder die Kontrollen sind nach den allgemein anerkannten Regeln der statistischen Qualitätskontrolle mit geeichten und für den vorgesehenen Verwendungszweck geeigneten Messgeräten vorzunehmen. Die Ergebnisse der Überprüfung sind entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der statistischen Qualitätskontrolle aufzuzeichnen und mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

 

Gem. § 26 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz dürfen Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf ihnen leicht erkennbar und deutlich lesbar die Nennfüllmenge in einer gesetzlichen Maßeinheit oder nach Stückzahl angegeben ist.

 

Gem. § 63 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz werden Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen, Entscheidungen oder Verfügungen, sofern sie nicht nach anderen Vorschriften mit einer strengeren Strafe bedroht sind oder ein gerichtlich zu ahnender Tatbestand vorliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 10.900 Euro bestraft, auch wenn es beim Versuch geblieben ist.

 

4.2. Der Bw bringt in der Berufung vor, dass in der Strafverfügung als Tattag der 2. Februar 2010 (Tag der Kontrolle) und im angefochtenen Erkenntnis der 31. Dezember 2009 (Lieferdatum) angegeben ist. Er übersieht dabei jedoch, dass im Spruch der Strafverfügung (als Verfolgungshandlung) zusätzlich das Lieferdatum angegeben wurde.

Hinsichtlich eines Spruchmangels iSd § 44a VStG ist deshalb festzuhalten, dass aus der ersten Verfolgungshandlung in Gestalt der Strafverfügung vom 12. Februar 2010 unklar ist, welcher der beiden Tage als Tattag gelten soll. Durch diese Unklarheiten in der Spruchformulierung wurde der Bw in seinen Rechtsverteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt.

 

Allerdings ist festzuhalten, dass in der zweiten Verfolgungshandlung in Gestalt der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. März 2010 (innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) der Tattag auf 31. Dezember 2009 (Liefertag) eingeschränkt und damit der oben angeführte Mangel in der Strafverfügung saniert wurde. Zu klären ist demnach, ob die Anführung des Liefertages als Tattag den Anforderungen des § 44a VStG entspricht.

 

Nach § 26 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz dürfen Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf ihnen leicht erkennbar und deutlich lesbar die Nennfüllmenge in einer gesetzlichen Maßeinheit oder nach Stückzahl angegeben ist.

 

Eine Begriffsbestimmung darüber, was unter "Inverkehrbringen" zu subsumieren ist, ist weder dieser gesetzlichen Grundlage noch der Fertigpackungsverordnung zu entnehmen. Deshalb ist zur Definition dieses Begriffs hilfsweise eine vergleichbare Bestimmung heranzuziehen: Das Allgemeine EG Lebensmittelrecht (General Food Law) definiert das "Inverkehrbringen" wie folgt (vgl. EG Nr. 178/2002, Art. 3, Z8):

"Inverkehrbringen ist das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie der Verkauf, der Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst".

 

Gem. § 12 Abs. 1 Fertigpackungsverordnung ist der Hersteller oder der Importeur dafür verantwortlich, wenn falsch deklarierte Fertigpackungen in einem Verkaufsgeschäft zum Verkauf bereit gehalten werden. Der Sinn des Regelungszusammenhangs ist der Konsumentenschutz. Der Konsument kommt über den Verkauf mit der (Fertig-)Packung in Kontakt und trifft seine Kaufentscheidung aufgrund der Informationsangaben auf der Verpackung.   

 

Daraus ergibt sich, dass als Tattag nur jene Tage von strafrechtlicher Relevanz sein können, an denen der Konsument mit dem (falsch deklarierten) Produkt Kontakt haben könnte. Da allerdings nicht gesichert ist, ob Konsumenten bereits am Liefertag mit der gegenständlichen Katzenstreu in Kontakt kommen konnten, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 08.05.2013, Zl.: 2011/04/0160-6 

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