Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222506/2/Kl/Pe

Linz, 10.08.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung der Frau x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 5.5.2011, Ge96-48-2011, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 22 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 5.5.2011, Ge96-48-2011, wurden über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) Geldstrafen von je 1.090 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 14 Tagen, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 368 GewO 1994 iVm 1. dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 14.5.2010, Ge20-57-2005, und 2. § 1 Abs.2 der Oö. Sperrzeitenverordnung 2002 verhängt, weil sie als gewerberechtliche Geschäftsführerin der x GmbH zu verantworten hat, dass dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 14.5.2010, Ge96-57-2005, nicht entsprochen wurde und die Ausübung des Gastgewerbes in den Räumlichkeiten des x im Standort x, x, nicht eingestellt und Getränke und Speisen in den Räumlichkeiten des Kultur- und Veranstaltungszentrums verabreicht wurden, indem am 2.4.2011 zwischen 04.55 Uhr und 06.00 Uhr am Standort Getränke an Gäste gegen Entgelt verabreicht worden sind. Weiters wurde ihr vorgeworfen, dass am 20.3.2011 zwischen 04.00 Uhr und 06.00 Uhr im genannten Lokal die  Sperrzeitenverordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich nicht eingehalten worden sei, da entgegen § 1 Abs.2 dieser Verordnung die Sperrstunde für die Betriebsart „Kaffee-Restaurant“ mit 04.00 Uhr festgesetzt ist und sich zu diesem Zeitpunkt noch mehrere Gäste im Lokal befanden und gegen Entgelt bewirtet wurden.

 

2. Dagegen wurde Einspruch mit Eingabe vom 11.5.2011, zur Post gegeben am 23.5.2011, erhoben und angeführt, dass die Strafhöhe unangemessen sei und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt werde, es sei bereits mit Straferkenntnis zu Ge96-48-2011 vom 26.4.2011, wegen dieser Tat eine Strafe verhängt worden. Es sei daher ein nochmaliger Bescheid zu den Vorwürfen betreffend 20.3.2011 nicht gerechtfertigt. Die Vorwürfe betreffend 2.4.2011 seien überhaupt neu.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und bei der Vorlage ausgeführt, dass der Einspruch vom 11.5.2011 ursprünglich im Akt Ge96-48-2011 abgelegt worden sei, weil das Straferkenntnis vom 5.5.2011 ein falsches Geschäftszeichen anführe. Es werde der Akt zu Ge96-51-2011 vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4.1. Im Grunde der Aktenlage steht als erwiesen fest, dass das angefochtene Straferkenntnis zu Ge96-48-2011 vom 5.5.2011 durch Hinterlegung zugestellt wurde und die Abholfrist beim Postamt x am 9.5.2011 begann. Die gegen dieses Straferkenntnis eingebrachte Berufung mit Eingabe vom 11.5.2011 wurde am 23.5.2011 zur Post gegeben und wurde damit rechtzeitig eingebracht.

 

Bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 26.4.2011, Ge96-48-2011, wurde der Bw die Nichteinhaltung des Schließungsbescheides vom 14.5.2010 am 20.3.2011 sowie die Nichteinhaltung der Sperrstunde am 20.3.2011 zum Vorwurf gemacht. Dieses Straferkenntnis ist mangels einer rechtzeitig eingebrachten Berufung in Rechtskraft erwachsen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes versteht man unter einem fortgesetzten Delikt eine Mehrheit von an sich selbständigen, nach einander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Delikts erfüllt. Sie ist durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden und wird rechtlich als ein einziges Delikt gehandelt. Alle Teilakte der Handlungsweise stellen somit rechtlich nur eine einzige Handlung dar. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei die einzelnen Handlungen nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen. Auch müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, von einem sogenannten Gesamtvorsatz getragen sein.

Im Fall eines fortgesetzten Deliktes sind durch die Bescheiderlassung alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde erster Instanz. Setzt der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, sodass die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen (VwGH 18.3.1998, 96/09/0339, 15.3.2000, 99/09/0219). Ein Straferkenntnis ist erst zum Zeitpunkt der Zustellung als gefällt anzusehen, weshalb eine Bestrafung – im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes ungeachtet der Anführung eines vorher endenden Tatzeitraumes im Spruch des Straferkenntnisses auch die bis dahin erfolgten Einzeltathandlungen erfasst (VwGH 10.4.1987, 86/04/0170).

Es stellt daher einen Verstoß gegen das Verbot der mehrfachen Bestrafung dar, wenn der Täter noch vor der Erlassung des Straferkenntnisses (Zustellung des Straferkenntnisses) wegen Einzeltathandlungen, die zwar außerhalb des vorgeworfenen Tatzeitraumes, aber noch vor dem Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses liegen, noch einmal mit  einem gesonderten Straferkenntnis bestraft wird.

 

Sowohl die Nichteinhaltung eines gewerbebehördlichen Bescheides als auch die Nichteinhaltung der Sperrstunde stellen fortgesetzte Delikte dar.

 

Die hohe Zahl an Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn, z.B. zu Ge96-48-2011, Ge96-51-2011 und Ge96-56-2011, lassen einen Fortsetzungszusammenhang erkennen. Auch die Ausführungen der Bw zeigen deutlich, dass ein einheitliches Tatverhalten gegeben ist, zumal sie auf eine behördliche Feststellung der Einhaltung von Auflagepunkten wartete bzw. zugab, dass immer bei Veranstaltungen im x auch ausgeschenkt wurde.

 

Da bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 26.4.2011, zugestellt am 29.4.2011, wegen Nichteinhaltung des Schließungsbescheides vom 14.5.2010 bestraft wurde und dieses Straferkenntnis am 29.4.2011 zugestellt wurde, sind sämtliche Einzeltathandlungen bis zur Erlassung des Straferkenntnisses mit Zustellung am 29.4.2011 mitumfasst und nach der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht noch einmal zu bestrafen. Das angefochtene Straferkenntnis vom 5.5.2011 beinhaltet eine Einzeltathandlung im Zeitraum der Erfassungswirkung des Straferkenntnisses vom 26.4.2010, nämlich den Tatzeitpunkt am 2.4.2011. Dieser Tatzeitpunkt ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – weil noch vor der Zustellung des Erkenntnisses am 29.4.2011 – mitumfasst

 

Was hingegen den Anschuldigungspunkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses betrifft, so wurde überdies diese Übertretung der Sperrstunde am 20.3.2011 bereits mit rechtskräftigem Straferkenntnis vom 26.4.2011 unter Strafe gestellt. Eine nochmalige Bestrafung wegen desselben Deliktes ist daher im Grunde des Doppelbestrafungsverbotes gemäß Art.4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK rechtswidrig.

Schließlich ist zu bemerken, dass entgegen der im Akt aufliegenden Anzeige vom 8.4.2011, mit welcher die Sperrstundenüberschreitung am 2.4.2011 von 04.55 Uhr bis 06.00 Uhr zur Anzeige gebracht wurde, im darauf eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren jeweils eine Sperrstundenüberschreitung am 20.3.2011 in der Aufforderung zur Rechtfertigung sowie auch im anschließend ergangenen Straferkenntnis vorgeworfen wird.

 

Aus den angeführten Gründen war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Fortsetzungszusammenhang, Dopplebestrafungsverbot

 

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