Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590279/4/BMa/Jo

Linz, 18.07.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, vertreten durch den Sachwalter RA Dr. X, X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9. Februar 2011, GZ: SO-SH-15841-2011 St, wegen Kostenersatz für die Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim im Zeitraum 01.09.2008 bis 31.03.2010 für X gemäß OÖ. ChG zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Bürgermeister der Stadt Wels zurückverwiesen wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.2 AVG

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9. Februar 20112, SO-SH-15841-2011 St, wurde der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bw) ein Kostenersatz für die von ihr bezogene Leistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs.2 Z2 Oö. des Landesgesetzes betreffend die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigung (Oö. ChG), LGBl. Nr. 41/2008 idF LGBl. Nr. 81/2009 iVm § 3 Oö. ChG- Beitrags- und Richtsatzverordnung idgF iVm § 57 AVG 1991 idgF, vorgeschrieben. Dies in einer Höhe von 34.623,20 Euro "(abzüglich Freibetrag € 12.000 Euro,--)".

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Bw befinde sich seit 02.10.2007 im XWohnhaus X, wo ihr Hilfe durch Beschäftigung in Verbindung mit einer internen Unterbringung nach dem BhG 1991 gewährt wurde. In der Zeit vom 1. September 2008 bis 31. März 2010 sei nach Abzug der Eigenleistungen ein ungedeckter Aufwand von insgesamt 52.546,21 Euro entstanden. Die Bw verfüge über ein Vermögen von insgesamt 46.623,20 Euro und sei gemäß § 40 des Oö. ChG 2008 verpflichtet, dieses Vermögen, soweit es den Betrag von 12.000 Euro übersteige (§ 3 Abs.3 Oö. ChG- Beitrags- und Richtsatzverordnung), als Ersatz des ungedeckten Aufwandes zu leisten. Der den "Freibetrag" übersteigende Betrag zum Ersatz der ungedeckten Kosten betrage somit 34.623,20 Euro. Die dauernde Beeinträchtigung gemäß § 2 Abs.1 Oö. ChG sei mit Sachverständigengutachten vom 07.12.2010 festgestellt worden, woraus sich ergebe, dass in den nächsten Jahren nicht damit gerechnet werden könne, dass die Bw selbständig leben könne. Ein Vergleich mit der ersatzpflichtigen Person sei nicht zustande gekommen, sodass über den Anspruch mittels schriftlichem Bescheid zu entscheiden gewesen sei.

 

1.2. Gegen diesen ihrem Sachwalter am 9. Februar 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 23. Februar 2011 beim Magistrat der Stadt Wels eingelangte – und damit rechtzeitige – Berufung.

 

1.3. Die Berufung bringt im Wesentlichen vor, Ziel des Oö. ChG sei, Menschen mit Beeinträchtigung nachhaltig zu fördern, mit der Absicht, ihnen ein normales Leben und eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen.

Ein Zugriff auf das Vermögen oder einen Vermögensbestandteil der behinderten Person setze gesetzlich voraus, dass die behinderte Person dauernd erheblich behindert sei. Das dem Bescheid zugrunde liegende Sachverständigengutachten des Amtsarztes von Schärding vom 07.12.2010 sei dem Sachwalter nie zur Stellungnahme übermittelt worden. Dieses Gutachten stehe im Widerspruch zu den Aussagen der betreuenden Ärzte gegenüber dem Sachwalter, wonach die Behinderung zumindest mittelfristig wegfallen werde und X in die Gesellschaft wieder ohne Sachwalterschaft und ohne betreutes Wohnen eingegliedert werden könne. Die psychische Beeinträchtigung der Bw liege hauptsächlich in dem enormen Übergewicht. Ein im Einklang mit dem Sachwalter und dem Betreuer durchgeführtes Sportprogramm habe in relativ kurzer Zeit ohne medikamentöse Zufuhr das Gewicht der Berufungswerberin um 22 kg abgebaut, diese körperliche Verbesserung sei von einer psychischen Aufhellung des Gemütszustandes der Bw begleitet. Eine dauernde erhebliche Behinderung könne nur durch Einholung eines Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen für Psychiatrie festgestellt werden, die Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie werde beantragt.

Gemäß § 20 Oö. ChG sei ein Zugriff auf Vermögensbestandteile einer behinderten Person nur zulässig, wenn im Einzelfall die wirtschaftliche Existenz oder Entwicklungsmöglichkeit der behinderten Person nicht gefährdet werde oder dies zu besonderen Härten führen würde. Die Erhaltung des Vermögens der Bw  diene wesentlich dazu, um in Zukunft der behinderten Person einen Wiedereinstieg in die Gesellschaft ohne Unterbringung in einem Wohnhaus X zu ermöglichen. Beispielsweise könne eine Wohnung angemietet werden oder eine Eigenleistung für den Ankauf einer Eigentumswohnung erbracht werden. Diese wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit werde in Zukunft durch die behördliche Maßnahme zerstört, weil die wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit der behinderten Person im konkreten Einzelfall gefährdet werde.

Der im Bescheid angeführte ungedeckte Aufwand im Zeitraum vom 01.09.2008 bis 31.03.2010 in Höhe von 52.546,21 Euro sei nicht nachvollziehbar, es hätte im angefochtenen Bescheid zumindest eine Aufschlüsselung zeitlich bzw. monatlich erfolgen müssen. Der Zugriff auf das Vermögen der behinderten Person sei nicht kostenkorrelierend, es sei nämlich die Zugriffsmöglichkeit mit dem ungedeckten Aufwand der Unterbringung gedeckelt. Außerdem werde missachtet, dass die im Bescheid angeführten Vermögensbestandteile zeitlich gebunden angelegt seien, sodass die vorzeitige Auflösung der Konten zu einer Vermögensvernichtung führen würde. Die erstinstanzliche Behörde habe es auch unterlassen, Betreibungsschritte bei der Mutter der behinderten Person zu setzen. Erst bei ergebnisloser Durchführung dieses Schrittes könne ein Bescheid nach § 20 Oö. ChG erlassen werden.

Der angefochtene Bescheid missachte auch das Geltendmachungsverbot gemäß § 45 Oö. ChG.

Überdies sei § 20 Oö. ChG verfassungswidrig, so widerspreche diese Bestimmung dem Gleichheitsgebot und auch dem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums. Darüber hinaus missachte diese Bestimmung das Diskriminierungsverbot des Artikel 7 Abs.1 dritter Satz B-VG.

 

Abschließend wurden die Anträge gestellt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu, den Bescheid ersatzlos zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Stadt Wels zurückzuverweisen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Stadt Wels zu SO-SH-15841-2011 St und ergänzende Erhebungen durchgeführt, die ergaben, dass die Bw bis 31. 08.2008 hinsichtlich der Leistung "Wohnen" Selbstzahlerin war und die Abkürzung "VK" (Verpflegungskostenaufwand) neben der Leistung "Verpflegung" auch den Aufwand für das Wohnen, die psychosoziale Betreuung und die fähigkeitsorientierte Aktivität enthält.

 

2.2. Nach § 49 Abs.4 Oö. ChG entscheidet über Berufungen gegen Bescheide nach §§ 45 Abs.4 sowie 50 der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, und zwar – wie sich aus § 67a AVG ergibt – durch ein Einzelmitglied.

Da sich bereits aus dem vorgelegten Akt ergeben hat, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat geht von folgendem rechtlich relevanten Sachverhalt aus:

 

Aus einem Beschluss des Bezirksgerichts Schärding vom 6. April 2010, 3 P 108/09h-55, ergibt sich u.a. der Einkommens- und Vermögensstatus der X. Demnach verfügt sie über eine Pension samt Pflegegeld, eine Pension der AUVA und eine Familienbeihilfe sowie über ein Girokonto, ein Sparbuch und zwei Bausparverträge.

Aus dem Aktenstück 45 des vorgelegten Aktes geht hervor, dass für den Zeitraum von 01.09.2008 bis 31.03.2010 ein Aufwand von 52.546,21 Euro angefallen ist. Dabei wird von einem Tagsatz von 110,13 Euro ausgegangen. Weiters ist ein "VK-Aufwand" und "Ersatzleistung" angeführt.

 

Aus dem Aktenstück 46 ergibt sich, dass die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land informiert wurde, dass Frau X über Vermögen verfüge. Es würde bei der Leistung Wohnen im SIS zwar eingetragen sein, dass Frau X Selbstzahlerin sei, aber bei der Leistung FA stehe nichts dabei. Es wurde die Frage gestellt: "Eventuell Kostenersatzverfahren bei FA?"

In der Folge wurde dem Sachwalter der Bw ein Vergleich bezüglich des Abschöpfens des Vermögens der X bis zum vorgesehenen Freibetrag von 12.000 Euro übermittelt.

Weil der Sachwalter das Vergleichsanbot nicht angenommen hatte, wurden weitere Erhebungen getätigt. Unter anderem wurde die Leitung des X, DSA X, zur Situation der Bw befragt.

Aus deren Aussage ergibt sich, dass ein Auszug der Bw aus dem X sinnvoll wäre, da die Bw wenig Betreuung während der Nachtstunden benötige und sie auch in einer weniger betreuten Einrichtung leben könnte. Dies könnte jederzeit erfolgen, leider gebe es derzeit keinen freien Platz. Es wurde weiters die Zunahme an Selbständigkeit und Arbeitsfähigkeit der Bw geschildert und angeführt, die Bw brauche noch die Unterstützung der Betreuung, aber die Prognose für die Teilnahme an einer selbständigen Wohnform sei sehr gut. Es wurde auch angeführt, dass - falls es für die Bw in nächster Zeit einen passenden Betreuungsplatz in einer weniger betreuten Wohnform geben würde - sie sich alle Dinge des täglichen Lebens kaufen müsste, da sie weder über eigene Möbel noch über Haushaltsgeräte verfüge. Außerdem seien günstige finanzielle Rahmenbedingungen wichtig, um einen dauerhaften Verbleib in einer weniger betreuten Wohnform zu sichern und einen Bedarf auf Vollbetreuung zu verhindern.

Es wurde auch ein amtsärztliches Gutachten durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Schärding erstellt. Darin wird im Wesentlichen angeführt, dass die Bw in den nächsten Jahren am freien Arbeitsmarkt sicherlich nicht vermittelbar sei. Sie lerne in Teilbereichen zu arbeiten und werde auch in diesen vertrauten Arbeitsbereichen erkennbar schneller. Abschließend wurde  festgehalten, dass die Bw als dauernd beeinträchtigt einzustufen sei und in nächster Zeit bzw. in den nächsten Jahren nicht damit gerechnet werden könne, dass sie selbständig leben könne.

 

Aus dem Aktenstück 65 des vorgelegten Aktes ist ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt an das Amt der Oö. Landesregierung, das sich auf Oktober 2010 bezieht, ersichtlich, wonach der Anweisungsbetrag für die Pension zuzüglich Pflegegeld für X 323,12 Euro beträgt.

 

Aus dem Aktenstück 76 des vorgelegten Aktes ist wiederum eine Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt für den Jänner 2011, eingelangt beim Amt der Oö. Landesregierung, ersichtlich, wonach ein Verpflegungskostenanteil von Pension und Pflegegeld abgezogen wurde und somit ein Auszahlungsbetrag von insgesamt 101,60 Euro resultiert.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1. Gem. § 1 Abs.1 Oö. ChG ist Ziel dieses Landesgesetzes, Menschen mit Beeinträchtigungen insbesondere durch die Vermeidung des Entstehens von Beeinträchtigungen und von Behinderungen und durch die Verringerung von Beeinträchtigungen nachhaltig zu fördern sowie ihnen ein normales Leben und eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, um die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen zu erreichen.

 

Gemäß § 8 Abs.1 Oö. ChG kommen als Hauptleistungen in Betracht:

1.     Heilbehandlung (§ 9);

2.     Frühförderung und Schulassistenz (§ 10);

3.     Arbeit und fähigkeitsorientierte Aktivität (§ 11);

4.     Wohnen (§ 12);

5.     Persönliche Assistenz (§ 13);

6.     Mobile Betreuung und Hilfe (§ 14).

 

Menschen mit Beeinträchtigung ist eine möglichst freie und selbstbestimmte Wahl der Wohnform zu eröffnen (§ 12 Abs.1 leg.cit.).

 

Nach § 40 Abs.1 ist die Empfängerin oder der Empfänger von Hauptleistungen nach § 8 Abs.1 sowie von subsidiärem Mindesteinkommen nach § 16 Abs.1 zum Ersatz der für sie oder ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn

1.     sie oder er zu hinreichendem Einkommen oder verwertbarem Vermögen iSd § 20 Abs.2 Z1 gelangt;

2.     nachträglich bekannt wird, dass sie oder er zur Zeit der Leistung hinreichendes Einkommen oder verwertbares Vermögen iSd § 20 Abs.2 Z1 hatte;

3.     im Fall des § 20 Abs.3 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich oder zumutbar wird.

 

Von der Ersatzpflicht sind gemäß Abs.3 leg.cit. ausgenommen:

1.     die Kosten, die für Maßnahmen der Frühförderung und Schulassistenz nach § 10 geleistet wurden;

2.     die Kosten für Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung nach § 11 Abs.2 Z1, für Maßnahmen der Arbeitsassistenz und Arbeitsbegleitung nach § 11 Abs.2 Z4;

3.     die Kosten für subsidiäres Mindesteinkommen nach § 16 Abs.1, deren Wert im Kalenderjahr in Summe das dreifache des jeweiligen nach der Verordnung gemäß § 16 Abs.6 und 7 festgesetzten Richtsatzes nicht übersteigt.

 

Gemäß § 45 Abs.1 dürfen Ansprüche gemäß §§ 39 Abs.2 und 40 bis 43 nicht geltend gemacht werden, wenn dadurch die Entwicklungsmöglichkeit des Menschen mit Beeinträchtigungen oder die wirtschaftliche Existenz der leistungspflichtigen Person und der ihr gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen sowie der Lebensgefährtin oder des Lebensgefährten gefährdet wird und dies zu besonderen Härten führen würde. Nähere Bestimmungen über die Gefährdung der Existenz und der Entwicklungsmöglichkeiten sowie der besonderen Härten können in der Verordnung nach § 20 Abs.5 erlassen werden.

 

Aufgrund des § 20 Abs.5 Oö. ChG wurde die Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beirags- und Richtsatzverordnung), StF: LGBl. Nr. 78/2008 idF LGBl. Nr. 101/2010 erlassen.

 

Gemäß § 1 Abs.1 dieser Verordnung hat der Mensch mit Beeinträchtigung bei der Gewährung von Hauptleistungen nach § 8 Abs.1 Oö. ChG sowie von subsidiären Mindesteinkommen nach § 16 Abs.1 Oö. ChG mit seinem Einkommen und verwertbarem Vermögen zu den Leistungen beizutragen.

 

In den folgenden Bestimmungen wird detailliert festgelegt, für welche Leistung ein Beitrag in welcher Höhe zu leisten ist. Dabei wird entsprechend dem Oö. ChG differenziert zwischen einem Beitrag zur Heilbehandlung, zur fähigkeitsorientierten Aktivität, zu Trainingsmaßnahmen, zu persönlicher Assistenz und zum Wohnen.

In § 12 leg.cit. ist weiters eine Deckelung der Beiträge bei der Gewährung von Maßnahmen geregelt.

 

3.2.2. Im Spruch des bekämpften Bescheides wurde nur Ersatz für die Hauptleistung "Wohnen" in einem Wohnheim vorgeschrieben.

Davon ausgehend, dass die Bw nur bis 31.08.2008 Selbstzahlerin für die Leistung "Wohnen" und im berechneten Zeitraum vom 01.09.2008 bis 31.03.2010 Leistungsempfängerin für diese Leistung war, ist dennoch nicht nachvollziehbar, welcher Anteil des vorgeschriebenen Entgelts auf die Leistung "Wohnen" entfällt. So enthält der im Aktenstück 45 angeführte Tagsatz "110,13 Euro" bzw. der sich aus diesem berechnete "VK-Aufwand", der der Vorschreibung im Spruch des bekämpften Bescheides zugrunde liegt, darüber hinaus auch noch andere Leistungen (Verpflegung, psychosoziale Betreuung, fähigkeitsorientierte Aktivität), die aber dort nicht angeführt wurden.

Überdies ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe die Bw aus welchem Titel Vermögen erworben hat.

Sollten sich über die Jahre hinweg aus den Freibeträgen jenes Einkommens, das der Bw seit ihrem Kindesalter zugekommen ist, Ersparnisse angehäuft haben, so ist weiter zu differenzieren, ob die Gelder aus der Leistung aus dem Grund z.B. einer Behinderung, aus pflegebezogenen Leistungen oder der Familienbeihilfe resultieren, die vom Einkommen ausgenommen sind. Die Ansparungen aus diesen Titeln sind gemäß § 2 der Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung vom verwertbaren Einkommen ausgenommen.

Der bekämpfte Bescheid entbehrt jeglicher diesbezüglicher Sachverhaltsfeststellungen. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Höhe der Bw Vermögen im Erbsweg zugekommen ist.

 

Die belangte Behörde hat sich auch mit der von ihr eingeholten Stellungnahme der Leitung des X nicht auseinander gesetzt, wonach die Prognose für die Teilnahme an einer selbständigeren Wohnform für die Bw sehr gut sei. Es kann der Bw auch finanziell nicht angelastet werden, dass sie im X untergebracht ist, obwohl auch mit einer Unterbringung in einer weniger betreuten Wohnform das Auslangen gefunden hätte werden können. Gleiches gilt dafür, dass es gemäß der Aussage von DSA X derzeit keinen freien Platz in einer weniger betreuten Wohnform gibt.

 

Nach dieser Stellungnahme muss sich die Bw alle Dinge des täglichen Lebens kaufen, wenn sie in einer weniger betreuten Wohnform untergebracht wird.

Die belangte Behörde hat sich auch nicht damit auseinander gesetzt, ob mit der Abschöpfung des Vermögens bis auf einen Restbetrag von 12.000 Euro die Entwicklung der Bw zu mehr Selbständigkeit in Form des Wohnens in einer weniger betreuten Wohnform gefährdet wird.

Das amtsärztliche Gutachten geht davon aus, dass die Bw als dauernd beeinträchtigt einzustufen ist und in nächster Zeit bzw. in den nächsten Jahren nicht damit gerechnet werden könne, dass sie selbständig leben könne.

Dieses Gutachten sagt aber nichts dazu aus, ob eine Unterbringung in einer weniger betreuten Wohnform möglich bzw. für die Entwicklung der Bw sogar sinnvoll wäre.

X ist derzeit 23 Jahre alt und das amtsärztliche Gutachten gibt eine Prognose für die nächsten Jahre ab. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Bw, die gem. den Angaben ihres Sachwalters gerade im Jahr 2010 durch ein Sportprogramm erhebliche Fortschritte gemacht hat, wäre unter Beachtung des in § 1 Abs.1 Oö. ChG normierten Zieles auf einen längeren Zeitraum als auf die nächsten Jahre abzustellen.

Es wäre weiters zu prüfen, ob die Bw bei Abschöpfung ihres gesamten Vermögens mit einem ihr seit Jänner 2011 monatlich zustehenden Auszahlungsbetrag von 101,06 Euro nach Abzug des Verpflegungskostenanteils, der nunmehr mit 325,81 Euro festgesetzt ist, die finanziellen Möglichkeiten hat, ein selbständigeres Leben als im voll betreuten X zu führen.

Natürlich müssten ihr auch die notwendigen Mittel verbleiben, neben der Anschaffung einer Wohnung bzw. der für eine weniger betreute Wohnform notwendigen Einrichtungsgegenstände ihren persönlichen Bedarf wie die Fortführung des Sportprogramms der Organisation zur persönlichen Assistenz oder zur mobilen Betreuung und Hilfe sicher zu stellen.

 

Der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt ist so mangelhaft, dass weitere Erhebungen von der belangten Behörde durchzuführen sind und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der Sachwalter der Bw Fragen an die Sachverständigen stellen kann, unvermeidlich erscheint. Daher ist der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Aus diesem Grund erübrigt sich auch ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro für die Eingabe angefallen.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

 

 

VwSen-590279/4/BMa/Jo vom 18. Juli 2011, Erkenntnis

 

Rechtssatz 1

Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung §2

 

Sollten sich über die Jahre hinweg aus den Freibeträgen jenes Einkommens, das der Bw seit ihrem Kindesalter zugekommen ist, Ersparnisse angehäuft haben, so ist zu differenzieren, ob die Gelder aus der Leistung aus dem Grund zB einer Behinderung, aus pflegebezogenen Leistungen oder der Familienbeihilfe resultieren. Die Ansparungen aus diesen Titeln sind gemäß § 2 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung vom verwertbaren Einkommen ausgenommen.

 

Rechtssatz 2

Oö. ChG §1 Abs1

 

Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung der derzeit dreiundzwanzigjährigen Bw, die nach den Angaben ihres Sachwalters im Jahr 2010 durch ein Sportprogramm erhebliche Fortschritte gemacht hat, wäre unter Beachtung des in § 1 Abs1 Oö. ChG normierten Zieles zur Beurteilung einer dauernden Behinderung auf einen längeren Zeitraum als auf die nächsten Jahre abzustellen.

 

Rechtssatz 3

Oö. ChG

 

Es kann der Bw finanziell nicht angelastet werden, dass sie in einer vollbetreuten Wohnform untergebracht ist, obwohl auch mit einer Unterbringung in einer weniger betreuten Wohnform das Auslangen gefunden hätte werden können. Gleiches gilt dafür, dass es keinen freien Platz in einer weniger betreuten Wohnform gibt.

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 27.05.2014, Zl.: 2011/10/0127-8

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