Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166026/10/Bi/Kr

Linz, 30.06.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 5. Mai 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Braunau/Inn vom 14. April 2011, VerkR96-759-2011-Wid, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergeb­nisses der am 30. Juni 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das ange­fochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 1.100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt wird.  

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 110 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.2 2.Satz Z1 iVm 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 und § 20 VStG eine Geldstrafe von 1.400 Euro (12 Tage EFS) verhängt, weil er sich am 18. Jänner 2011 um 16.30 Uhr in X (allgemeines öffentliches Krankenhaus X), nach Auffor­derung eines besonders geschulten und von der Behörde hierzu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er im Verdacht gestanden sei, am 18. Jänner 2011, 16.00 Uhr, ein graues Citybike im Gemeindegebiet X aus Richtung Ringstraße kommend nächst Salzburger Straße 2 in einem ver­mut­lich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.  

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 140 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 30. Juni 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Erstinstanz Herrn X und der Zeugen Meldungsleger X (Ml) und X (GI L) durchgeführt. Der Bw war unent­schuldigt nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe sein Fahrrad "in gehendem Zustand" gelenkt und könne nichts für die Fahrerflucht des Autofahrers. Er sei nach dem Unfall in einem "Blutsee" gelegen und habe einen mehrfachen Trümmer­­bruch und zwei stark blutende Cuts erlitten. Da der Fall nicht aufgeklärt worden sei, habe er weder Krankengeld noch Schmerzensgeld erhalten. Er wisse nicht, wer es gewesen sei, und solle als Opfer so eine "Wahnsinns-Strafe" zahlen. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen zu blasen, weil er starke Schmerzen gehabt, stark geblutet und einen Schock gehabt habe.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Berufungsverhandlung, bei der das Berufungsvorbringen erörtert,  der Vertreter der Erstinstanz gehört und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einver­nommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens lenkte der Bw am 18. Jänner 2011 gegen 16.00 Uhr sein Citybike in X von der Ringstraße kommend und wollte bei der Kreuzung mit der Salzburger Straße nach links in diese einbiegen. Dabei wurde er nach seinen Angaben von einem unbekannten Pkw geschnitten, wollte auf den Gehsteig ausweichen, fuhr aber gegen den Randstein und stürzte. Er wurde mit der Rettung ins Krankenhaus X gebracht, wo laut Verletzungsanzeige ein Nasenbeinbruch, Abschürfungen am Nasenrücken sowie ein Schädelhirntrauma 1. Grades festgestellt wurden. 

GI L bestätigte, er sei als Beamter der Tagesstreife in der Nähe der Unfallstelle gewesen, als er von einem Verkehrsunfall mit einem verletzten Radfahrer gehört habe. Bei seinem Eintreffen sei die Rettung da gewesen und der Bw, der im Gesicht stark geblutet habe, sei im Rettungsfahrzeug versorgt worden. Er habe mit ihm gesprochen und der Bw, der nach Alkohol gerochen habe, habe ihm den Unfallhergang geschildert und ausdrücklich betont, er sei mit dem Rad gefahren. Am Unfallort seien Schau­lustige gewesen, aber wer tatsächlich die Rettung verständigt habe, sei unklar geblieben. Das Fahrrad sei dort gestanden, aber er habe es nicht genau im Hinblick auf eine Beschädigung angesehen. GI L teilte der zweiten Streife mit, dass der Bw ins Krankenhaus X gebracht werde. Nach seiner Erinnerung war am Unfallort davon die Rede, dass ein Pkw-Lenker im Gegenverkehr die Rettung verständigt hatte.

Später traf die zweite Streife mit dem Ml am Unfallort ein, wo aber niemand mehr anwesend war, sodass der Ml sofort ins Krankenhaus fuhr. Er traf dort den Bw an, der in einem Rollstuhl saß und sich mit einer offenbar aufgeschürften Hand eine Wattebausch auf die Nase hielt, die blutig war. Der Bw schilderte ihm den Unfallhergang und gab auch zu, Alkohol getrunken zu haben, legte sich aber mengenmäßig nicht fest. Da die Streife den Alkomat mitgebracht hatte, wurde auf den Vortest verzichtet und der Bw nach Befragung des behandelnden Arztes, ob ein Alkotest möglich sei, was dieser bejahte, zum Alkotest aufgefordert, dem er zunächst zustimmte. Der Alkomat wurde eingeschaltet und war nach ca 15 Minuten betriebsbereit. Auf die neuerliche Auforderung zum Alkotest bekam der Bw offenbar Zweifel und lehnte trotz entsprechender Belehrung über die Straf­bar­keit einer Verweigerung den Alkotest mit der Begründung ab, "es passe nicht".

 

Laut Mailverkehr der Erstinstanz mit dem Roten Kreuz X vom
15. März 2011 wurde zur Anfrage, ob die Daten der Person, die die Rettung über Notruf verständigt hatte, vorhanden seien, seitens des Roten Kreuzes unter Hinweis auf die Verschwiegenheit laut Sanitäter­gesetz keine Auskunft erteilt, weil der Bw dazu keine Zustimmung erteilt hat – dies wurde auch vom Ml bestätigt. Dieser verwies aber darauf, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest beim vermutlich alkoholbeeinträchtigten Bw der Verdacht des Lenkens bestanden hatte, zumal er selbst angegeben hatte, er sei mit dem Rad gefahren. Laut Zeugenaussagen der beiden Beamten war nie die Rede davon, dass der Bw das Rad geschoben hätte.

 

Der Ml gab zeugenschaftlich vernommen an, er habe mit dem Bw im Kranken­haus X ein Gespräch geführt, bei dem der Bw nicht den Eindruck gemacht habe, dass er aufgrund der Unfallverletzungen desorientiert sei oder sonst dem Gespräch nicht folgen könne. Er habe auf seine Fragen sinnorientiert geantwortet und auch seine Weigerung, den Alkotest zu absolvieren, habe er aus der Situation heraus begründet, auch wenn er nicht gesagt habe, warum es "nicht passe". Der behandelnde Arzt sei danebengestanden und es sei vom Bw her keine Rede davon gewesen, dass der Alkotest verletzungs- bzw schmerzbedingt unmöglich sei, auch wenn der Ml nach eigenen Angaben keinen Zweifel hatte, dass der Bw "nicht gut drauf" gewesen sei. Er habe aufgrund der Bestätigung des Arztes beab­sichtigt, den Alkotest mit dem Bw durchzuführen, außer es hätte sich beim Blas­versuch eine verletzungsbedingte Unmöglichkeit ergeben. Der Bw habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht auf Schmerzen berufen, sondern nur erklärt, er mache den Test nicht, "weil es nicht passt". Trotz Aufklärung über die Folgen einer Ver­weigerung sei er dabei geblieben, worauf die Amtshandlung beendet worden sei.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.2 2.Satz StVO 1960 sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht (außerdem) berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigen Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkohol­gehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

 

Der Bw war ohne Zweifel an einem Verkehrsunfall beteiligt, bei dem er selbst eine schwere Verletzung in Form einer Nasenbeinfraktur erlitt. Dass er sich zum Unfallzeitpunkt vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand, ergibt sich aus dem vom Ml beschrie­benen Alkoholgeruch seiner Atemluft und den roten Augen und dem Zugeständnis des Bw, Alkohol getrunken zu haben, auch wenn er zur Menge nichts mehr sagen konnte. Alkoholkonsum nach dem Unfall ist auszuschließen, sodass die Vermutung der Alkoholbeeinträchti­gung auf den Unfallzeitpunkt zu beziehen war. Ob der Bw sein Fahrrad gelenkt und im Zuge des Abkommens von seiner beabsichtigten Fahrlinie gegen den Randstein gestoßen und gestürzt ist, oder ob er das Rad geschoben hat und dabei aus irgendwelchen Gründen gestürzt ist, ist im Hinblick auf die Voraus­setzungen für eine ordnungsgemäße Aufforderung zum Alkotest weitgehend irrelevant. Den Unfall hat keiner der beiden Polizeibeamten beobachtet; wer tatsächlich über Notruf die Rettung verständigte, ist unbekannt. Zweifellos war aber aufgrund der Angaben des Bw selbst der Verdacht gegeben, dass dieser das Fahrrad zur Unfallzeit gelenkt hat. Schon dieser Verdacht allein berechtigte den für Amtshandlungen gemäß § 5 StVO speziell geschulten und von der Behörde ermächtigten Ml dazu, den Bw, bei dem die Vermutung der Alkoholbeein­träch­tigung zu Unfallzeitpunkt aufgrund seiner Angaben und des festgestellten Alkoholgeruchs der Atemluft nachvollziehbar war, zum Alkotest aufzufordern. Der Alkoholvortest konnte unterbleiben, da der Ml den Alkomat ins Krankenhaus mitgenommen hatte. Der Bw wurde auf die Folgen seiner verbalen Verweigerung  hingewiesen, blieb aber dabei. Anhaltspunkte für einen Schock, der im medizinischen Sinn ein Kreislaufversagen darstellt, bestanden nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht, zumal der Bw mit dem Ml offenbar ein längeres Gespräch geführt und schlüssige Antworten gegeben hat, wobei auch der behandelnde Arzt gegen die Durchführung eines Alkotests keinen Einwand erhoben hat.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht kein Zweifel, dass der Bw damit den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal von einer Glaubhaft­machung mangelnden Verschuldens – nicht am Unfall sondern an der wörtlich ausgesprochenen Weigerung – gemäß § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann.   

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.1 StVO 1960 in Verbindung mit § 20 VStG von 800 Euro bis 2.950 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlich­keit von einer bis drei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Die Erstinstanz hat § 20 VStG angewendet, wobei die Verletzungen, die sich der Bw bei in diesem Zustand als Radfahrer erlittenen Verkehrsunfall zuge­zogen hat, offenbar (gerade noch) als die einschlägigen Vormerkungen beträcht­lich überwiegend angesehen wurden.

Der Bw hat drei aus der Zeit vor dem ggst Vorfall stammende, rechtskräftige und noch nicht getilgte Vormerkungen wegen Alkohol­delikten aus den Jahren 2007, 2008 und 2009, davon zwei wegen Verweigerung des Alkotests von 2007 und 2009. Diese sind als straferschwerend zu berücksichtigen, wobei dem aber die schwere Verletzung des Bw, offenbar mit längeren Folgen, weil der Bw in der Rechtfertigung vom 9. März 2011 noch eine Nasen­opera­tion Ende März 2011 anführt, und der Umstand, dass ein Radfahrer sich im Straßenverkehr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einer ungleich höheren Eigengefährdung aussetzt, als mildernd entgegenzusetzen ist.

 

Im Ergebnis vertritt der Unabhängigen Verwaltungssenat die Auffassung, dass eine Herabsetzung der Strafe, auch unter Bedachtnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Bw – er ist der Schätzung auf ein Einkommen von 1.000 Euro bei Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten nicht entgegengetreten, sodass davon auch im Berufungsverfahren auszugehen war – noch gerechtfertigt ist.

Die nunmehr verhängte Strafe liegt jedoch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG aufgrund der angeführten Vormerkungen bereits über der Untergrenze des gesetzliche Strafrahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw schon im eigenen Interesse endlich zum Umdenken in Bezug auf das Lenken eines Fahrrades in einer dafür nicht mehr geeigneten körperlichen und geistigen Verfassung nach Alkoholkonsum anhalten. Dass ein Betrunkener aufgrund von alkoholbedingten körperlichen Ausfällen nicht mehr in der Lage ist, auf verkehrsbe­dingt rasch wechselnde Situationen zu reagieren, müsste dem Bw nicht nur wegen des letztlich nicht ausbezahlten Krankengeldes zu denken geben. Es steht ihm selbstverständlich frei, bei der Erstinstanz um die Möglichkeit der Bezahlung der Geldstrafe in Teilbeträgen anzusuchen. Die Ersatzfreiheitsstrafe war im Verhältnis zur Geldstrafe herab­zusetzen und damit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Unfall Radfahrer mit Nasenbeinbruch -> Alkotestverweigerung nach Verdacht des Lenkens (Unfall unbeobachtet) -> Strafherabsetzung

 

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