Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730005/4/SR/GR VwSen-730006/4/SR/GR

Linz, 08.08.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufungen der 1. X, X Staatsangehörige, geboren am X, X (vormals: X, Staatsangehörige von X, geboren am X) und 2. X, X Staatsangehörige, geboren am X, X (vormals: X, Staatsangehörige von x, geboren am X) vertreten durch die Mutter X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. Juli 2009, AZ 1031917/FR und 1031918/FRB, betreffend Ausweisungen der Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Den Berufungen wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. Juli 2009, 1031917/FRB und 1031918/FRB, wurde gegen die Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis des § 53 iVm § 31 Abs. 1 und § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, jeweils die Ausweisung angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Bw, als Staatsangehörige von X, am X  illegal nach Österreich eingereist seien und noch am selben Tag Asylanträge gestellt haben, die am 28. April 2006 gemäß der §§ 7 und 8 AsylG negativ entschieden worden seien. Mit Beschluss vom 17. März 2009 habe der Verwaltungsgerichthof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

 

Nach negativer Finalisierung der Asylverfahren komme den Bw keine Aufenthaltsberechtigung mehr zu. Der Aufenthalt sei daher unrechtmäßig.

 

Im Verfahren habe die Erst-Bw vorgebracht, dass sich beide Bw durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätten und die Erst-Bw seit 2002 einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Das Beschäftigungsverhältnis sei am 21. April 2009 in ein Volldienstverhältnis umgewandelt worden. Die Zweit-Bw habe in Österreich den Kindergarten besucht und gehe seit 2008 in die Schule. Beide würden sehr gut deutsch sprechen und hätten Deutschkurse absolviert. Zu keiner Zeit seien sie auf eine Unterstützung der Gebietskörperschaft angewiesen gewesen.

 

In ihren rechtlichen Überlegungen führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet ein gewisses Maß an Integration vorliege, weshalb die Ausweisungen in das Privatleben eingreifen würden.

 

Die familiäre, soziale und berufliche Integration sei während eines weitgehend unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden.

 

Trotz der gültigen Beschäftigungsbewilligung sei eine neuerliche Verlängerung des aufenthaltsrechtlichen Status in Österreich äußerst zweifelhaft.

 

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK die Ausweisung der Bw zulässig sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bw durch ihren damaligen Rechtsvertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 3. August 2009.

 

3.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Im Zuge des bei der Sicherheitsdirektion Oberösterreich anhängigen Berufungsverfahrens hat der Rechtsvertreter mehrere Dokumente nachgereicht, die den Integrationsgrad der Bw belegen sollen.

 

Am 16. Juni 2010 hielt die Sicherheitsdirektion Oberösterreich in einem Aktenvermerk fest, dass der Erst-Bw die bulgarische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist.

 

Entsprechende Erhebungen beim Magistrat Linz (Meldebehörde), der Bundespolizeidirektion Linz (fremdenpolizeiliches Referat), der Sicherheitsdirektion Oberösterreich und dem Rechtsvertreter bestätigten die Staatsbürgerschaftsverleihungen und brachten die folgenden Namens- und Geburtsdatenänderungen hervor:

X, Staatsangehörige von X, geboren am X, nunmehr X, X Staatsangehörige, geboren am X,

X, Staatsangehörige von X, geboren am X, nunmehr X, X Staatsangehörige, geboren am X.

 

Mit E-Mail vom 2. August 2011 gab der bisherige Rechtsvertreter die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 3.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.2. Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass die gegenständlichen Ausweisungsentscheidungen auf Basis des § 53 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen wurden, weshalb diese Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen im Sinne des nunmehrigen      § 52 FPG anzusehen sind.

 

Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen "Drittstaatsangehörigen", sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 2 Abs. 4 Z. 10 FPG ist Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR- Bürger oder Schweizer Bürger ist.

 

Da beide Bw nunmehr X Staatsangehörige sind (Erst-Bw jedenfalls seit dem 16. April 2010 [Ausstellung des X Reisepasses] und die Zweit-Bw jedenfalls seit dem 17. Februar 2011 [Ausstellung des X Reisepasses]), findet § 52 FPG keine Anwendung mehr.

 

EWR-Bürger können nur unter den Voraussetzungen des § 66 FPG ausgewiesen werden.

 

Die belangte Behörde hat die Ausweisungsentscheidung ausschließlich auf den nicht rechtmäßigen Aufenthalt der Bw gestützt und darauf aufbauend die erforderliche Interessensabwägung vorgenommen.

 

Bedingt durch die Staatsbürgerschaftsverleihungen und den Status als EWR-Bürgerinnen kommt den Bw grundsätzlich das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu.

 

Hinweise, dass den Bw das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, haben sich nicht ergeben. Die belangte Behörde ist dem Berufungsvorbringen nicht entgegen getreten und hat weder die vorgebrachte berufliche Integration (langjähriges legales Beschäftigungsverhältnis) noch die durchgehende Selbsterhaltungsfähigkeit der Erst-Bw in Frage gestellt.

 

 

 

 

4.3. Es war daher der Berufung stattzugeben, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Mag. Stierschneider

 

 

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