Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730031/3/BP/Gr

Linz, 02.08.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von X, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 30. März 2010, AZ: 1-1013453/FP/10, betreffend eine Ausweisung des  Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid   ersatzlos aufgehoben.

 

         The appeal is allowed and the decision opposed is reversed without substitution

 

II.     Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

         A decision for return in perpetuity is inadmissible.

        

 

Rechtsgrundlage:

Legal basis:

 

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 30. März 2010,
AZ.: 1-1013453/FP/10, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis des § 53 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung angeordnet sowie einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.  

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger von X, am 5. November 2002 illegal und schlepperunterstützt nach Österreich eingereist sei und noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der am 15. Juli 2003 erstinstanzlich und am 5. August 2009 vom Asylgerichtshof rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit Beschluss des VfGH vom 7. Oktober 2009 sei die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt worden.

 

Nach negativer Finalisierung komme dem Bw keine Aufenthaltsberechtigung mehr zu. Der Aufenthalt sei daher unrechtmäßig.

 

Laut Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem sei der Bw von
2. Mai 2004 bis 14. August 2009 von der Grundversorgung des Landes OÖ. unterstützt worden und gehe keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Eine berufliche Integration sei ihm daher nicht zuzugestehen.

 

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 5. November 2009 habe der Bw angegeben, dass er als Zeitungsausträger 300 bis 400 Euro verdiene und die Miete für die Wohnung von seinem Trinkgeld bezahle.

 

Aufgrund der Abweisung des Asylbegehrens sei auch keine legale Beschäftigung denkbar, was auch das wirtschaftliche Wohl des Landes beeinträchtigen würde. Dem Bw sei bewusst gewesen, dass er ein Privatleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, in dem er einen unsicheren bzw. illegalen Aufenthaltsstatus gehabt habe.

 

Er habe einen Großteil seines Lebens im Herkunftsland verbracht, dort die Grundschule, die Berufschule sowie ein College besucht und spreche Punjabi, Urdu und Englisch. Im Herkunftsland würden seine Verwandten leben. Es sei ihm somit eine Reintegration zumutbar.

 

 

 

 

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass dem Bw seit Beendigung des Asylverfahrens kein Aufenthaltstitel zukomme, weshalb dieser Aufenthalt auch rechtswidrig sei. Aufgrund des rund 7-jährigen Aufenthalts in Österreich sei dem Bw aber ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen. Die Ausweisung greife in das Privatleben des Bw ein.

 

Der Bw sei laut AIS ledig und habe keine Kinder. Dadurch, dass seine Mutter, zwei Brüder und drei Schwestern im Heimatland leben würden, sei durch die Erlassung der Ausweisung kein Eingriff in das Familienleben zu erkennen und von einer den Bindungen in Österreich zumindest ebenbürtigen Bindung zum Heimatstaat auszugehen.

 

Zur beruflichen Integration wird angemerkt, dass der Bw über 5 Jahre von der Grundversorgung OÖ. unterstützt worden sei und keiner sozial­versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sei, weshalb eine diesbezügliche Integration aberkannt werde.

 

Die während des Aufenthalts im Bundesgebiet entstandene Integration werde hinsichtlich der Gewichtung für eine Interessensabwägung zugunsten des Bw insofern gemindert, als er zumindest seit der erstinstanzlichen Asylentscheidung nicht mehr damit habe rechnen können, dass ihm eine über das Asylverfahren hinausgehende Aufenthaltsberechtigung zukommen werde.

 

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK die Ausweisung zulässig sei.

 

Wegen der Gefahr der Vereitelung weiterer fremdenpolizeilicher Maßnahmen sei die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend erforderlich, weshalb einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine Rechtsvertreterin rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 13. April 2010.

 

Zunächst wird der Antrag gestellt, den ggst. Bescheid dahingehend abzuändern, dass das gegen den Bw eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt und die ausgesprochene Ausweisung aufgehoben werde, sowie der ggst. Berufung die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde;

in eventu den ggst. Bescheid dahingehend abzuändern, dass der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen werde.

 

Begründend führt der Bw aus, dass – entgegen der Feststellungen der belangten Behörde – der Bw in Österreich auch ein schützenswertes Familienleben führe. Er habe seit ca. 2 Jahren eine österreichische Lebensgefährtin. Es handle sich dabei um Frau X, geb. X. Wie dem der Berufung beigelegten Meldezettel entnommen werden könne, würden die beiden in einem gemeinsamen Haushalt in X, leben. Sie hätten sich entschlossen, in Kürze zu heiraten und würden in Österreich eine Familie mit Kindern gründen wollen. Der Bw halte sich nun seit rund 7 Jahren in Österreich auf und habe zu seiner Familie in X kaum mehr Kontakt, da er sich hier eine völlig neue Existenz aufgebaut habe.

 

Trotz der schwierigen ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bedingungen schaffe es der Bw seinen Lebensunterhalt aus den Einnahmen als Zeitungskolporteur selbsttätig zu verdienen und sei auf keinerlei staatliche Hilfe angewiesen. Durch seine Tätigkeit als Zeitungsverkäufer habe er sehr viele Kontakte zu Stammkunden und habe sich in den vergangenen Jahren in Österreich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufbauen können. Er lege Empfehlungsschreiben vor, welchen seine persönlichen Kontakte zu entnehmen seien. Es werde dadurch untermauert, dass sich ein breiter Personenkreis für den Verbleib des Bw in Österreich einsetze.

 

Er habe sich auch im Rahmen seiner Tätigkeit sehr gute Deutschkenntnisse angeeignet und im Oktober 2009 das Sprachzertifikat Deutsch des Österreichischen Integrationsfonds Niveaustufe A2 des Europarates erlangt, wodurch er die Integrationsvereinbarung erfülle.

 

Der Bw leide an einer Tuberkuloseerkrankung, die in Österreich über mehrere Jahre hinweg überwacht und behandelt worden sei. Derzeit sei sein Gesundheitszustand stabil. Der Bw befinde sich aufgrund dieser Erkrankung aktuell nicht in ärztlicher Behandlung. Die medizinische Behandlung von Tuberkuloseerkrankungen in Pakistan sei ein großes Problem, insbesondere die Aufbringung der hiefür erforderlichen finanziellen Mittel. Aufgrund der für den Bw nicht leistbaren medizinischen Behandlung in Pakistan wäre die Gefahr groß, dass die Erkrankung wieder ausbrechen könnte und sich der Gesundheitszustand aufgrund nicht adäquater medizinischer Behandlung wieder drastisch verschlechtern würde.

 

Hätte die belangte Behörde alle wesentlichen Aspekte berücksichtigt, hätte bei richtiger Interessensabwägung eine inhaltlich anders lautende Entscheidung getroffen werden müssen.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Mit Telefax vom 1. August 2011 übermittelte der Bw ein Deutschzertifikat (Niveau A2), ein kurzes Schreiben seiner langjährigen Lebensgefährtin, eine aktuelle Abrechnung der X sowie die gemeinsamen Meldezettel des Bw und seiner Lebensgefährtin. Die Muttersprache des Bw sei Punjabi; er spreche aber genauso gut Englisch und sehr gut Deutsch. 

 

In dem Schreiben der Lebensgefährtin bestätigt diese die Heiratsabsichten. 

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehende Ausweisung auf Basis des § 53 FPG ("alte Fassung") erlassen wurde, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des nunmehrigen § 52 FPG anzusehen und zu beurteilen ist.

 

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings ist bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt    entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren         Aufenthaltstatus   bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Zunächst ist – entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - festzustellen, dass im Fall des Bw sehr wohl ein Familienleben von der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung betroffen ist, zumal er seit rund drei Jahren mit einer österreichischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft lebt.

 

3.4.2. Der Aufenthalt des Bw erstreckt sich nunmehr bereits über 9 Jahre, wobei er den Großteil davon – wegen des Asylverfahrens und der damit verbundenen Aufenthaltsberechtigung – grundsätzlich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war. Der belangten Behörde kann aber gefolgt werden, dass dieser Aufenthaltsabschnitt mit relativ unsicheren Status anzusehen ist, da der Bw nach der erstinstanzlichen Asylentscheidung an einem positiven Ausgang zweifeln musste. Die Tatsache der 9 Jahre bleibt jedoch ungeachtet dessen bestehen. 

 

Der Bw führt seit drei Jahren eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Dieses Familienleben scheint auch als sehr schützenswert einzustufen zu sein, zumal – wie glaubhaft versichert wurde – eine Eheschließung konkret in Aussicht genommen ist. Gemäß § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG muss aber angemerkt werden, dass das Familienleben erst während des unsicheren Aufenthaltsstatus entstand.

 

Hinsichtlich der beruflichen Integration kann wohl nicht tatsächlich von einer Verfestigung gesprochen werden, da der Bw weitgehend nicht sozialversichert war, jetzt aber offenbar in der Lage ist, das Lebensnotwendige zu verdienen. Anders als bei der beruflichen Integration ist dem Bw durchaus eine soziale Integration zuzubilligen, was durch die von ihm geltend gemachten Kontakte dokumentiert wird. Überdies verfügt der Bw über einen Nachweis seiner Deutschkenntnisse und somit über die sprachlichen Voraussetzungen für eine soziale Integration.

 

Nach einem derart langen Aufenthalt außerhalb seines Heimatlandes ist glaubhaft, dass der Bw die Kontakte dorthin nicht mehr intensiv unterhält. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse und der Tatsache, dass er den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte, wäre ihm wohl eine Reintegration grundsätzlich zuzumuten.

 

Hinsichtlich der vorgebrachten Tuberkuloseerkrankung ist festzustellen, dass eine solche - auch wenn diese anscheinend momentan nicht akut zu sein scheint – nicht unerheblich in die Erörterung der Zumutbarkeit der Ausweisung und damit in die Gesamtbeurteilung miteinzubeziehen ist.

 

Wenn für den Fremden keine Aussicht besteht, sich in seinem Heimatland oder in einem anderen Land – sollte ein solches als Zielort überhaupt in Betracht kommen – außerhalb Österreichs der für ihn notwendigen Behandlung unterziehen zu können, kann das – abhängig von den dann zu erwartenden Folgen – eine maßgebliche Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich darstellen (vgl. VwGH vom 27. März 2007, 2006/21/0165, vom 28. Juni 2007, 2007/21/0163 bis 167 und vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0296 bis 0300).

 

Die bloße Reduktion der Ausführungen eines Bescheides auf die Frage der Reisefähigkeit – verbunden mit allgemeinen Darstellungen der Situation eines Drittstaates, ohne diese in konkrete Beziehung zur individuellen Situation der Beschwerdeführer zu setzen – wird den Erfordernissen an die mängelfreie Begründung eines Bescheides nicht gerecht (vgl. VwGH vom 17. Mai 2009, 2008/21/060). 

 

Der angefochtene Bescheid enthält keinerlei konkrete Bezugnahme auf die Behandlungsmöglichkeiten von Tuberkulose in X und insbesondere auch keine Erörterung über die diesbezüglichen Möglichkeiten für den Bw. Hier ergeben sich aber doch gewichtige Zweifel, ob der Bw im Fall seiner Rückkehr ins Herkunftsland und der dortigen sozialen Lage die entsprechenden Behandlungs- bzw. Therapiemöglichkeiten vorfinden würde.

 

Von der belangten Behörde wurden weder verwaltungsstrafrechtliche noch strafgerichtliche Verurteilungen des Bw vorgebracht.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss. 

 

3.4.4. Im Ergebnis ist also eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Familien- und Privatleben des Bw - auch in Hinblick auf seine Erkrankung – gemäß § 61 Abs. 3 FPG auf Dauer als nicht zulässig zu betrachten. Das wird besonders durch den Umstand bewirkt, dass von einer Ausweisung gemäß § 61 Abs. 3 dritter Satz FPG auch die Interessen einer österreichischen Staatsangehörigen massiv tangiert würden.

 

3.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 47,10 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

 

 

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