Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301043/9/Fi/SG/Fl

Linz, 09.08.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johannes Fischer über die Berufung der X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 3. Mai 2011, GZ Pol96-310-2010, wegen einer Übertretung des Oö. Jugendschutzgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5. August 2011 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 3. Mai 2011, GZ Pol96-310-2010, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt 600 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden) wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Jugendschutzgesetz 2001 (im Folgenden: Oö. JSchG) verhängt. Der Bw wird vorgeworfen, dass sie in ihrer Tätigkeit als Verkäuferin in "X" am 27. März 2010 um ca. 14.00 Uhr in X, entgegen den Bestimmungen des Oö. JSchG und der Verordnung der Oö. Landesregierung über jugendgefährdende Gegenstände, LGBl. 146/2001, eine Kunststoff-Softgun mit aufschraubbaren Kunststoff-Schalldämpfer an vier näher bezeichnete Jungendliche verkauft habe, obwohl an Jugendliche keine Gegenstände angeboten, weitergegeben oder sonst zugänglich gemacht werden dürften, die ihre Entwicklung gefährden. Die Bw habe daher § 9 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 iVm § 12 Abs. 1 Z 4 Oö. JSchG iVm § 1 Verordnung der Oö. Landesregierung über jugendgefährdende Gegenstände, LGBl. 146/2001, verletzt.

Begründend führt die Behörde – nach Schilderung des Sachverhalts und Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen – im Wesentlichen aus, dass es aufgrund der unter Diensteid getroffenen Aussagen der Polizeibeamten erwiesen sei, dass es sich um getreue Nachahmungen echter Schusswaffen gehandelt habe. Nach deren Aussagen sei es "augenscheinlich aus einer gewissen Entfernung nicht zu erkennen" gewesen, dass es sich um Spielzeug handle. Die belangte Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bw am 12. Mai 2011 zugestellt wurde, richtet sich die am 23. Mai 2011 per Fax übermittelte – und damit rechtzeitige – Berufung vom selben Tag, die dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der belangten Behörde mit Schreiben vom 24. Mai 2011 unter Anschluss des vollständigen Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Begründend führt die Bw im Wesentlichen aus, dass es sich bei den gegenständlichen Kunststoff–Softguns um keine getreuen Nachahmungen echter Schusswaffen handle und legt hiezu diverse Bestätigungen (zB des Europa-Importeurs, des Großhändlers) vor. Diesen könne entnommen werden, dass die "Schuss-
waffe" bei der letzten Spielwarenmesse im Februar 2010 vom Deutschen BKA begutachtet und für vorbildlich gehalten worden sei, weil diese auf keinem Fall mit einer echten Pistole verwechselt werden könne. Weiters sei aufgrund der Aussage der Polizeibeamtin nicht geklärt, ob die Pistole aus näherer Ansicht als Spielzeug zu identifizieren war, da die Beamtin lediglich angegeben habe, dies aus einer gewissen Entfernung nicht erkannt zu haben. Die Bw gibt ihre Einkommensverhältnisse mit 534,23 Euro netto pro Monat an.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am
5. August 2011.

2.2. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie aus der mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Die Bw hat in ihrer Tätigkeit als Verkäuferin in „X“, Kornstraße 10, 4060 Leonding, am 27. März 2010, an vier Jugendliche jeweils eine Spielzeugwaffe mit aufschraubbaren Kunststoff–Schalldämpfer verkauft.

Der Bw wurde von ihrem Arbeitgeber und zugleich Eigentümer des gegenständlichen Geschäfts, Herrn X, erklärt, dass es sich bei den gegenständlichen Produkten um legale Spielzeugwaffen handelt, die altersmäßig – ausgenommen an Kinder unter drei Jahren - uneingeschränkt verkauft werden dürfen. Dies belegte der Arbeitgeber der Bw mit Bestätigungen des Europa-Importeurs und des Großhändlers, denen zu entnehmen ist, dass die Spielzeugwaffe bei der letzten Spielzeugmesse (im Februar 2010) vom deutschen BKA als vorbildlich qualifiziert wurde, zumal durch die orangefarbene Kennzeichnung des vorderen Teils des Laufs der Waffe diese auf keinem Fall mit einer echten Schusswaffe verwechselt werden kann. Bislang – obwohl derartige Produkte bereits seit Jahren verkauft werden – hat es keine Beanstandungen gegeben.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2.1. Gemäß § 12 Abs. 1 Z 4 Oö. Jugendschutzgesetz 2001, LGBl. 93 idF LGBl. 90/2005, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer als Erwachsener gegen ein Verbot des § 9 Abs. 1 Oö. JSchG verstößt.

3.2.2. § 9 Oö. JSchG lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 9

Jugendgefährdende Medien, Datenträger, Gegenstände und Dienstleistungen

 

(1) Inhalte von Medien im Sinn des § 1 Abs. 1 Z. 1 des Mediengesetzes und Datenträgern sowie Gegenstände und Dienstleistungen, die Jugendliche in ihrer Entwicklung gefährden können, dürfen diesen nicht angeboten, vorgeführt, an diese weitergegeben oder sonst zugänglich gemacht werden. Eine Gefährdung ist insbesondere anzunehmen, wenn sie

1.      kriminelle Handlungen von menschenverachtender Brutalität oder   Gewaltdarstellungen verherrlichen

2.-3.  ...

(2) Die Landesregierung kann mit Verordnung Medien, Datenträger, Gegenstände (z.B. Abbildungen, Schriften, Filme, Videos, CD, DVD, Disketten oder ähnliche Informationsträger) und Dienstleistungen, deren Inhalt eine Gefährdung im Sinn des Abs. 1 bewirken kann, als jugendgefährdend bezeichnen.

(3) – (4) ..."

3.2.3. § 1 der Verordnung über jugendgefährdende Gegenstände, LGBl. 146/2001, lautet wie folgt:

"§ 1

Getreue Nachahmungen echter Schusswaffen, wie z.B. Federdruckwaffenspielzeug (Softguns), gelten jedenfalls als Gegenstände, die Jugendliche in ihrer Entwicklung gefährden können."

3.3.1. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Bw in ihrer Tätigkeit als Verkäuferin an vier Jugendliche eine Kunststoff-Schusswaffe mit aufschraubbaren Kunststoff-Schalldämpfer zum angelasteten Tatzeitpunkt verkaufte. Strittig ist jedoch, ob die an die Jugendlichen verkauften Produkte getreue Nachahmungen echter Schusswaffen darstellen und somit als jugendgefährdende, weil die Entwicklung der Jugendlichen gefährdende Gegenstände an diese iSd § 9 Abs. 1 Oö. JSchG nicht weitergegeben werden hätten dürfen. Diese Frage kann jedoch angesichts der nachfolgenden Ausführungen dahingestellt bleiben:

3.3.2. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist § 9 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 1 Z 4
Oö. JSchG als Unge­horsamsdelikt im Sinne des § 5 VStG anzusehen, da zur Vollendung der Tat kein Erfolg eintreten muss. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwal­tungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwal­tungs­übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs­vorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Bw initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Die Bw bringt diesbezüglich vor, dass sie von ihrem Arbeitgeber informiert worden sei, dass es sich bei diesen Spielzeugwaffen um unbedenkliche Produkte handle, die sie ohne Altersbegrenzung – ausgenommen an Kinder unter drei Jahren – verkaufen dürfe. Ihr Arbeitgeber habe sogar über eine Bestätigung verfügt, der zu entnehmen war, dass diese Spielzeugwaffe bei der letzten Spielzeugmesse vom deutschen BKA als vorbildlich gehalten wurde, zumal durch die orangefarbene Kennzeichnung des vorderen Teils des Laufs der Waffe diese auf keinem Fall mit einer echten Schusswaffe verwechselt werden könne. Diese Produkte seien ferner bereits seit mehreren Jahren und bislang ohne Beanstandung verkauft worden. Aus all dem sei die Bw davon ausgegangen, dass es sich jedenfalls um unbedenkliche Produkte handle.

In concreto ist der Bw damit das inkriminierte Verhalten subjektiv nicht vorwerfbar. Die Bw konnte im Hinblick auf die Auskünfte ihres Arbeitgebers – dessen Strafbarkeit in diesem Verfahren nicht zu thematisieren war – darauf vertrauen, dass es sich um unbedenkliche Spielzeugwaffen handle, die sie an Jungendliche weitergeben darf. Die farbliche Kennzeichnung am Lauf der Spielzeugwaffe berechtigte die Bw zu dieser Annahme. Ein Verschulden der Bw liegt daher nicht vor.

3.4. Aus diesem Grund war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtenen Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

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