Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401123/9/Wg/Th

Linz, 12.08.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des x, geb. x, vertreten durch den x, wegen Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft seit dem 23. Juni 2011 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

  II.      Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/2011) sowie in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 iVm §§ 67c und 69a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) hat mit Bescheid vom 23. Juni 2011, Zl. Sich40-1532-2011, über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Die belangte Behörde argumentiert in der Begründung dieser Entscheidung, der Bf halte sich unberechtigt im Bundesgebiet auf. Die Abschiebung am 21.6.2011 sei gescheitert. Es sei daher eine neuerliche, begleitete Abschiebung zu veranlassen. Der Bf sei nicht bereit an der Rückführung mitzuwirken. Er sei im Bundesgebiet als auch in der europäischen Union völlig alleinstehend. Seine Bezugspersonen würden sich im Heimatland befinden. Er würde keiner – zumindest keiner legalen – Beschäftigung nachgehen. Er habe keine Arbeitsbewilligung. Er habe kein geregeltes Einkommen, keinen ordentlichen Wohnsitz, keine Mittel seinen Aufenthalt fortlaufend aus Eigenen zu finanzieren und sei dadurch in keiner nur denkbaren Weise im Bundesgebiet der Republik Österreich integriert. Er halte sich gemäß seinen Angaben auch erst seit 2009 nach erfolgter illegaler Einreise bzw. nach erfolgtem Abtauchen, Aufgriff in der x und Rücküberstellung von der x seit einem Jahr illegal im Bundesgebiet auf. Wie seine Reiseroute, sein Verhalten und vorliegenden Gegebenheiten auch zeigen, sei er an absolut keine Örtlichkeiten gebunden. Er sei flexibel in seiner Lebensgestaltung und jederzeit dazu bereit in die Anonymität abzutauchen, weitere illegale Grenzübertritte zu begehen, um sich fortlaufend, wenn auch illegal in westlichen Wirtschaftsstaaten der europäischen Union aufhalten zu könne. Es sei unter diesen Umständen die neuerliche Anwendung gelinderer Mittel nicht zu befürworten. Nachdem dem Bf nunmehr im konkreten schriftlich und auch faktisch bekannt sei, dass seine Abschiebung in den x unmittelbar bevorstehe, sei davon auszugehen, dass er umgehend sich dem weiteren Verfahren abermals entziehen und als illegal aufhältiger Fremder wiederum in die Anonymität abtauchen bzw. seine Reise mit dem Begehen weiterer illegaler Grenzübertritte in gewohnter Manier fortsetzen werde. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass er – nach einem Abtauchen in die Anonymität – dem österreichischen Staat finanziell zur Last fallen könnte.

 

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 9. August 2011, eingelangt beim Verwaltungssenat am 9. August 2011. Der Bf beantragt darin, der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich möge nach Prüfung der beantragten Beweise und Durchführung einer mündlichen Verhandlung die bekämpften Verwaltungsakte und zwar die Schubhaftnahme, weiters den Schubhaftbescheid vom 23. Juni 2011, sowie die auf Anordnung der belangten Behörde am 23. Juni 2011 verhängte Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft seit dem 23. Juni 2011 für rechtswidrig erklären; sowie er belangten Behörde gemäß § 79a AVG iVm § 1 Z1 UVS-Aufwandersatzverordnung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe den Ersatz der Verfahrenskosten auferlegen. In der Begründung der Beschwerde wird argumentiert, der aus dem x stammende Bf habe in Österreich einen Asylantrag gestellt. Dieser sei leider negativ entschieden worden. Der Bf habe daraufhin das österreichische Bundesgebiet – angesichts der Ausweisungsentscheidung – verlassen, um in der x Asyl zu beantragen. Der Bf sei schließlich wieder in Österreich gelandet, da er nach der Dublin II Verordnung nach Österreich rücküberstellt worden sei. Er habe in Österreich dann einen neuen Asylantrag gestellt, der nach "bereits entschiedener Sache" abgewiesen worden sei. Der Bf habe sich in Oberösterreich in Grundversorgung befunden und sei zum gelinderen Mittel verpflichtet worden. Für den Bf gäbe es kein Heimreisezertifikat, trotzdem habe ihn die belangte Behörde in den x abschieben wollen. Am Flughafen habe sich der Bf – verständlicherweise – verbal dagegen gewährt, abgeschoben zu werden. Daraufhin sei er in das Polizeianhaltezentrum nach x überstelle worden. Nach dem Abschiebeversuch – dieser habe am 21. Juni 2011 stattgefunden – sei der Bf in das Polizeianhaltezentrum x gebracht worden. Nach dem Abschiebeversuch sei der Bf nicht wieder in Oberösterreich gewesen. Etwas Gegenteiliges werde von der belangten Behörde im Schubhaftbescheid auch nicht behauptet. Der Bf sei daraufhin ohne rechtliche Grundlage in PAZ x festgehalten worden, nämlich vom 21. Juni 2011 bis zum 23. Juni 2011. Am 23. Juni 2011 habe die belangte Behörde – freilich örtlich und sonstig unzuständig – die Schubhaft mit gegenständlich bekämpften Bescheid verhängt. Der Bf befinde sich seither in Schubhaft in x – derzeit im PAZ x. Der Bf habe einen neuerlichen Asylantrag gestellt. Eine Entscheidung sei beim Bundesasylamt, EAST Ost, anhängig. Einvernahme sei vom Bundesasylamt noch keine durchgeführt worden. Die Schubhaft habe den einzigen Zweck, die unmittelbare Abschiebung zu sichern. Im gegenständlichen Fall habe die belangte Behörde bis dato jedoch überhaupt keine Anhaltspunkte, ob und wann sie ein Heimreisezertifikat für den x erlangen könne. Unbestritten sei, dass es kein Heimreisezertifikat für den Bf gäbe. Die belangte Behörde habe trotzdem versucht, den Bf abzuschieben. Als Beweis hiefür wurde angeführt: Nachschau im Akt, zeugenschaftliche Einvernahme der zuständigen Referentin des Bundesasylamtes, EAST Ost, x; der Bf habe sich zum Zeitpunkt der Schubhaftnahme unbestritten im Polizeianhaltezentrum in x befunden. Die belangte Behörde sei daher örtlich und sonstig unzuständig gewesen, die Schubhaft zu verhängen. Schon allein aus diesem Grund sei die Schubhaftverhängung und Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig gewesen. Der Bf sei unbestritten zuvor in einem Grundversorgungsquartier in Oberösterreich gewesen. Die Auflagen des gelinderen Mittels habe er immer gewissenhaft verfolgt, obwohl er sich seiner Situation bewusst gewesen sei. Es sei daher nicht ersichtlich, worin ein besonderer Sicherungsbedarf bestünde. Die belangte Behörde führe im Bescheid aus, der Bf sei überhaupt nicht integriert, wörtlich "in keiner nur denkbaren Weise". Dies sei natürlich unrichtig, da die gute Integration etwa in der Kirche, in der der Bw getauftes Mitglied sei, aktenkundiges Faktum sei. Ein Hinweis auf eine behauptete Mittellosigkeit sei im Bezug auf eine Schubhaftnahme irrelevant, da eine Mittellosigkeit ein Grund für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sein könne, niemals aber für die Schubhaft. Dazu komme, dass der Bf unbestritten in der Grundversorgung gewesen sei und auch von daher ein Verweis auf eine angebliche Mittellosigkeit verfehlt sei. Damit ein anher gehende Schlussfolgerungen der belangten Behörde (der Bf würde strafbare Handlungen planen etc.) würden so abstrus erscheinen, dass sie keiner näheren Erläuterung bedürfen. Die Behörde verkenne, dass die Anhaltung in Schubhaft nicht notwendig sei, zumal gelindere Mittel ausgereicht hätten bzw. ausreichen, um das Verfahren zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens bzw. der Abschiebung zu sichern. Der Bf sei im Fall eines gelinderen Mittels für die Behörde erreichbar gewesen. So wie es auch in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Dem Bf könne aufgetragen werden, in von der Behörde bestimmter Unterkunft aufhältig zu sein. Überdies sei der Bf rechtsfreundlich vertreten und sei auch aus diesem Grund für die Behörde leicht erreichbar. Als Beweis wurde hiefür angeführt: Einvernahme des Bf.

 

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift verfasst und den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt. Sie brachte vor, dass die begleitete Abschiebung für den 18. August 2011 terminisiert sei. Eine Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG sei bereits eingeleitet. Der Folgeantrag werde somit die Abschiebung am 18. August 2011 nicht verhindern. Die belangte Behörde beantragte die kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Beschwerde.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bf wurde am x geboren und ist Staatsangehöriger des x.

Der Bf ist am 29. Mai 2009 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Die Bundespolizeidirektion Leoben verhängte mit Bescheid vom 29. Mai 2009 über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Unterlassung einer Ausweisung, der Abschiebung und der Zurückschiebung. Noch am 29. Mai wurde der Bf nach x zurückgeschoben. Seinen Angaben im Asylverfahren zu Folge wurde er nur bis zur Grenze gebracht und dort freigelassen. Er ist nicht nach x gefahren, sondern zu Fuß in eine Ortschaft gegangen. Von dort ist er wieder in einen Zug eingestiegen und nach x gefahren.

 

Am 31. Mai 2009 stellte er beim Bundesasylamt Außenstelle Linz einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies den Antrag des Bf auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 12.4.2010 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Weiters wies es den Bf gemäß § 10 AsylG in den x aus und erkannte einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Der Asylgerichtshof hat die dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom
11. Mai 2010 als unbegründet abgewiesen.

 

Die Bundespolizeidirektion Leoben hatte zwischenzeitig mit Bescheid vom
30. März 2010 über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. der Abschiebung angeordnet.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat mit Bescheid vom
11. Mai 2010, GZ: UVS 25.20-4/2010-8, der dagegen erhobenen Beschwerde Folge gegeben und festgestellt, dass die Schubhaftverhängung am 30. März 2010 und die bisherige Anhaltung des Bf rechtswidrig waren und die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht vorliegen. Begründend führte der UVS aus, im vorliegenden Fall sei eindeutig dokumentiert, dass der Bf nicht in sein Heimatland, den x, zurückkehren wolle. Da die x Botschaft in solchen Fällen Heimreistzertifikate nicht ausstelle bzw. nicht ausstellen dürfe, stehe von vornherein fest, dass eine Abschiebung nicht durchführbar sei. Nachdem der Bf bereits im Rahmen der Verbüßung einer
18-monatigen Haftstrafe am 5. November 2009 in die JA Leoben und damit in den Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde verlegt worden sei, hätte diese ausreichend Zeit gehabt, über die Situation der Erlangung eines Heimreisezertifikates für nichtrückkehrwillige x Staatsangehörige Kenntnis zu nehmen. Es sei daher davon auszugehen, dass bereits zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 30. März 2010 bekannt hätte sein müssen, dass für nichtrückkehrwillige x Staatsangehörige von der x Botschaft keine Heimreisezertifikate ausgestellt würden, sodass die Schubhaft den Zweck der Sicherung der Abschiebung gar nicht erfüllen könne.

 

Der Bf wurde daraufhin aus der Schubhaft entlassen und reiste in die x aus. Bei seiner Einvernahme vor dem Asylamt am 25. März 2011 erklärte er dazu, die österreichischen Behörden hätten ihm einen negativen Bescheid gegeben, da er nicht in den x wegen seiner Probleme könne, sei er in die x gefahren.

 

In der x stellte er einen Asylantrag, wurde aber am 16. August 2010 von den x Behörden gemäß der Dublin II Verordnung nach Österreich abgeschoben.

 

Noch am selben Tag verhängte die Bundespolizeidirektion Schwechat mit Bescheid vom 16. August 2010, Zl: 1-1030198/FRP/10, über den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

 

Der Bf erhob dagegen Beschwerde beim UVS Niederösterreich und stellte am
17. August 2010 bei der EAST Ost einen weiteren Asylantrag.

 

Der gegen den Schubhaftbescheid vom 16. August 2010 erhobenen Beschwerde gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich mit Bescheid vom 20. September 2010, Zl. Senat-FR-10-1038, keine Folge und stellte fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der UVS Niederösterreich argumentiert darin, wenn der Bf vorbringe, dass die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung mangels Vorhandenseins gültiger x Originaldokumente nicht verhängt werden dürfe, da nach Auskunft des BMI die x Botschaft mangels Rücknahmeübereinkommen nach x Rechtslage Heimreisezertifikate nur für Personen ausstelle, die rückkehrwillig sind und für die Dokumente (Kopien) vorliegen, sei dem entgegenzuhalten, dass sich die Originaldokumente des Bf, ein gültiger Personalausweis, ein gültiger x Führerschein sowie sein Militärausweis bereits bei der Bundespolizeidirektion Fremdenpolizei Flughafen aufliegen und nach Rücksprache mit dem Beförderer eine Außerlandesbringung durch das Vorliegen der x Originaldokumente möglich sei, sohin eine Abschiebung nach Abschluss des Asylverfahrens ohne Unterstützung der Botschaft möglich sei. Der UVS Niederösterreich sah die fehlende Ausreisewilligkeit als erwiesen an. Der Bf sei im Inland nicht sozial verankert, da er weder familiäre noch sonstige Bindungen zu Österreich habe, sich nach dem negativen Ausgang seines ersten Asylverfahrens einer Abschiebung in den x entzogen habe in dem er in die x ausgereist sei. Nach Ansicht des UVS Niederösterreich komme daher eine Aufhebung der Schubhaft nicht in Betracht, zumal davon auszugehen sei, dass sich der Beschwerdeführer der Abschiebung durch Untertauchen entziehen werde, sobald er sich auf freiem Fuß befindet.

 

Am 1. Oktober 2010 versuchte die Bundespolizeidirektion Schwechat als auftraggebende Fremdenbehörde den Bf in den x abzuschieben. Die Abschiebung wurde abgebrochen, da dem Bf mit Beschluss vom 1. Oktober 2010 der im Asylverfahren erhobenen Bescheidbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat.

 

Das Asylverfahren über den Asylantrag vom 17. August 2010 wurde am 16. März 2011 mit Erkenntnis des AGH rechtskräftig negativ abgeschlossen. Es wurde eine Ausweisung ausgesprochen.

 

Am 25. März 2011 stellte der Bf bei der EAST West einen weiteren Asylantrag

Mit Bescheid vom 30. März 2011 ordnete die belangte Behörde über den Bf das gelindere Mittel an und verpflichtete ihn, im x Unterkunft zu nehmen, sich zur Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu halten und sich jeden zweiten Tag bei der Polizeiinspektion Timelkam zu melden. Die belangte Behörde argumentierte in der Begründung ihre Entscheidung, es wäre im vorliegenden Fall die Sicherung des Verfahrens an sich mit der Verhängung der Schubhaft erforderlich. Der Bf habe eine rechtsstaatliche Entscheidung nicht akzeptiert, sei in die Anonymität abgetaucht und habe sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entzogen, sei illegal in die x gereist, habe weitere Folgeanträge nach Rücküberstellung von der x gestellt. Es sei ihm jedoch zugute zu halten, dass er im letzten Asylverfahren sein Verhalten nicht wiederholt habe und er nicht erneut in die Anonymität abgetaucht sei, sondern sich hingegen selbst der Polizei gestellt habe. Es bestünde zum gegenwärtigen Verfahrensstand im Asylverfahren keine akute Fluchtgefahren, zumindest keine durchsetzbare Zurückweisung ergangen sei und daher im Rahmen der Einzelfallprüfung gegenwärtig anstelle der Schubhaft gelindere Mittel angewendet werden könnten.

 

Das Asylverfahren über den Asylantrag vom 25. März 2011 wurde am 26. Mai 2011 im Rechtsmittelweg durch Urteil des AGH rechtskräftig negativ abgeschlossen. Es wurde eine Ausweisung ausgesprochen.

 

Über Auftrag der belangten Behörde wurde der Bf durch die Polizeiinspektion Timelkam am 21. Juni 2011 um 06.00 Uhr festgenommen und zur Abschiebung in das polizeiliche Anhaltezentrum Wien-Rossauerlände verbracht. Die dort durchgeführte Flugtauglichkeitsuntersuchung brachte zum Ergebnis, dass auch aus medizinischer Sicht einer Abschiebung in den Herkunftsstaat nichts entgegen steht. Der Bf wurde in seiner Heimatsprache in die bevorstehende Abschiebung am 21. Juni 2011 um 06.00 Uhr nachweislich in Kenntnis gesetzt. Die Abschiebung in den x wurde seitens der belangten Behörde an das polizeiliche Anhaltezentrum x für den 21. Juni 2011 Abflug Wien-Schwechat um 20.10 Uhr, Ankunft in x am 22. Juni 2011 um 03.00 Uhr beauftragt. Der Bf wehrte sich gegen die Abschiebung, weshalb die Abschiebung am 21. Juni 2011 um 15.30 Uhr am Terminal 240 abgebrochen wurde. Der Bf wurde daraufhin in das PAZ x zurückgeführt und wird seither dort angehalten. Am 23. Juni 2011 hat die belangte Behörde den nunmehr bekämpften Schubhaftbescheid erlassen. Der Bf befindet sich seither in Schubhaft im PAZ x. Am 2. August 2011 stellte der Bf neuerlich einen Asylantrag. Über diesen Asylantrag wurde noch nicht entschieden. Die belangte Behörde hat für die begleitete Abschiebung den
18. August 2011 terminisiert.

 

Aus dem Akt geht weiters hervor, dass die Bundespolizeidirektion Schwechat mit dem Stationsleiter der x Rücksprache gehalten hat und dieser am
16. September 2010 mitgeteilt hat, dass die Einreise in x unter Vorlage eines x Personalausweises ohne Probleme möglich ist. Da die belangte Behörde über die erfolgreiche Abschiebung eines x Staatsangehörigen unter ähnlichen Voraussetzungen – ohne Vorliegen eines Heimreisezertifikates – berichtet hat, steht auch auf Grund der Ausführungen der Ausführungen des oben genannten Bescheides des UVS Niederösterreich vom 20. September 2010 fest, dass eine Abschiebung des Bf in den x mit einem gültigen x Personalausweis und einer Geburtsurkunde faktisch möglich ist. 

 

Zu den persönlichen Verhältnissen des Bf wird Folgendes festgestellt: Der Bf ist römisch-katholisch. Im Herkunftsstaat halten sich nach wie vor seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester auf. Er hat im Bundesgebiet keine Verwandte. Er geht keiner geregelten Arbeit nach. In der Zeit von 20. Juli 2009 bis 14. Juni 2010 war er an der Adresse x, von 24. August 2010 bis 1. Oktober 2010 im PAZ x, von 20. Oktober 2010 bis 28. März 2011 in x und von 30. März 2011 bis 21. Juni 2011 in x mit Hauptwohnsitz gemeldet.

 

Da dieser Sachverhalt aus der Aktenlage iVm der Beschwerde unstrittig feststeht, konnte gemäß § 83 Abs.2 Z1 FPG eine mündliche Verhandlung unterbleiben. In Anbetracht der eindeutigen Beweislage konnte von der beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme der zuständigen Referentin des Bundesasylamtes und des Bf Abstand genommen werden.

 

Der Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Aufgrund des in der Beschwerde enthaltenen Antrages wird lediglich die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft überprüft. Die Festnahme und Anhaltung in der Zeit von 21. Juni bis zur Verhängung der Schubhaft ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

 

Mit 1. Juli 2011 sind wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungs-gesetzes, FRÄG, BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten. Die Verhängung der Schubhaft am 23. Juni 2011 ist noch an der alten – vor dem 1. Juli 2011 – geltenden Rechtslage zu messen. Für die Frage, ob die Schubhaft seit dem 1. Juli 2011 rechtmäßig ist, gelten die Bestimmungen des FRÄG, BGBl. I Nr. 38/2011.

 

Fremde können gemäß § 76 Abs 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann gemäß § 76 Abs 2 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde hat § 76 Abs 2a FPG idF vor dem 1. Juli 2011 über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Stellt ein Fremder während der Anhaltung § 76 Abs 6 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Die am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Änderungen des § 76 FPG haben im hier zu beurteilenden Fall keine Auswirkungen weshalb von der Wiedergabe des genauen Wortlauts der derzeit geltenden Fassung des § 76 FPG Abstand genommen wird.

 

Der Bf wurde im Asylverfahren rechtskräftig ausgewiesen. Die Ausreiseunwilligkeit des Bf steht unbestritten fest. Fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein vermag aber die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung noch nicht zu rechtfertigen. Es ist vielmehr in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten, ob ein Sicherungsbedarf besteht. Diese Frage kann naturgemäß nicht immer schon dann als bejaht gelten, wenn in Folge bestehender Ausreiseunwilligkeit überhaupt erst die vorweg zu behandelnde Zulässigkeit einer Abschiebung als solche feststeht (vgl. ua. VwGH v. 28.05.2008, 2007/21/0246).

 

Einzuräumen ist, dass der Bf die Vorgaben des Bescheides vom 30. März 2011, mit dem ein gelinderes Mittel angeordnet wurde, befolgt hat. Spätestens in Folge des Abschiebeversuches am 21. Juni 2011 ist – auch für den Bf – erkennbar, dass die Außerlandesbringung unmittelbar bevorsteht. In Anbetracht der oben festgestellten persönlichen Verhältnisse des Bf und auf Grund des Umstands, dass er nach seinem ersten Asylverfahren untertauchte und in die x reiste, ist zu befürchten, dass er neuerlich untertauchen werde, um sich der Abschiebung zu entziehen. Die Behauptung des Bf einer "guten Integration, etwa in der Kirche" ändert daran nichts. Dies hat ihn auch nicht daran gehindert, nach seinem ersten Asylverfahren unterzutauchen und in die x zu reisen.

 

Bei solcher Sachlage kann mit einem gelinderen Mittel nicht das Auslangen gefunden werden. Die Verhängung der Schubhaft am 23. Juni 2011 war daher rechtmäßig. Der Bf hat während der Anhaltung in Schubhaft am 2. August 2011 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Gemäß § 76 Abs 6 FPG kann die Schubhaft in einem solchen Fall aufrecht erhalten werden, da sich an den oben dargestellten Verhältnissen nichts geändert hat.

 

Zum Argument des Bf, es liege kein Heimreisezertifikat vor, ist einzuräumen, dass dieser Umstand Anlass dafür war, dass der UVS für die Steiermark mit Erkenntnis vom 11. Mai 2010 die Schubhaftverhängung am 30. März 2010 für rechtswidrig erklärt hat. Ergänzende – nachträgliche – Erhebungen der Erstbehörden haben aber ergeben, dass bei Vorliegen eines gültigen x Personalausweises und einer Geburtsurkunde eine Abschiebung auch ohne Heimreisezertifikat möglich ist. Letztlich aus diesem Grund hat der UVS Niederösterreich die Schubhaftbeschwerde des Bf vom 13. September 2010 als unbegründet abgewiesen.

 

Die Abschiebung des Fremden ist nach der derzeitigen Sachlage daher einerseits aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Asylverfahren rechtlich zulässig. Andererseits ist aufgrund der sichergestellten Dokumenten (Geburtenbucheintrag, gültiger Personalausweis) auch die faktische Durchführbarkeit gesichert.

 

Da zu befürchten ist, dass sich der Bf der Abschiebung durch Untertauchen entziehen würde, sobald er sich auf freiem Fuß befindet, kann der Zweck der Schubhaft nicht mit einem gelinderen Mittel im Sinne des § 77 Abs.3 FPG erreicht werden.

 

Die Schubhaftdauer überschreitet bislang nicht die in § 80 FPG festgelegten Grenzen und ist auch verhältnismäßig. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die begleitete Abschiebung bereits für den 18. August 2011 terminisiert ist.

 

Zur vom Bf eingewendeten Unzuständigkeit der belangten Behörde ist festzuhalten: Die Zuständigkeit zur weiteren Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2) verbleibt gemäß § 6 Abs 4a FPG idF vor dem 1. Juli 2011  bei jener Behörde, welche die Abschiebung veranlasst hat. Diese Zuständigkeit endet

1. mit der Ausreise des Fremden;

2. zwei Monate nach der ursprünglichen Veranlassung der Abschiebung gemäß § 46 oder

3. mit dem Ende der Schubhaft oder des gelinderen Mittels, sofern diese Maßnahme über den Zeitraum gemäß Z 2 hinaus andauert.

 

Gemäß § 6 Abs 4a FPG idF vor dem 1. Juli 2011  war die belangte Behörde daher nach dem gescheiterten Abschiebeversuch für die Verhängung der Schubhaft örtlich zuständige Behörde.

 

§ 6 Abs 4a FPG idF BGBl I Nr. 38/2011 lautet:

Die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel richtet sich nach dem Aufenthalt. Die örtliche Zuständigkeit zur Abschiebung richtet sich nach der Behörde, welche die Schubhaft verhängt oder das gelindere Mittel angeordnet hat. Die Zuständigkeit zur weiteren Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2) verbleibt bei jener Behörde, welche die Abschiebung veranlasst hat. Diese Zuständigkeit endet

1. mit der Ausreise des Fremden;

2. zwei Monate nach der ursprünglichen Veranlassung der Abschiebung gemäß § 46 oder

3. mit dem Ende der Schubhaft oder des gelinderen Mittels, sofern diese Maßnahme über den Zeitraum gemäß Z 2 hinaus andauert.

 

Die belangte Behörde ist daher auch weiterhin für die weitere Besorgung der Fremdenpolizei, insb. die Aufrechterhaltung der Schubhaft, zuständige Behörde.

 

Da somit die Voraussetzungen für die Schubhaft weiterhin vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die angeführte Gesetzesstelle.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Für dieses Verfahren sind Gebühren (Stempelgebühren 14,30 Euro und 1 Beilage 3,90 Euro) in Höhe von 18,20 Euro angefallen.

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

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