Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166096/8/Fra/Sta

Linz, 10.08.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Hofrat Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 20. Mai 2011, VerkR96-4500-2011-Wf, betreffend Übertretungen der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8. August 2011, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG); § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (in der Folge: Bw)

1. wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) und

2. wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit. b leg.cit eine Geldstrafe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt,

weil er am 29.3.2011 um ca. 10.15 Uhr den Lkw mit dem Kennzeichen X auf der Mostnystraße 5 in Linz gelenkt hat, wobei er

1.     es nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichem Zusammenhang stand, das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht sofort anhielt und

2.     es nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterließ, die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallsbeteiligten oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c 1. Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8. August 2011. Bei dieser Verhandlung erstattete der Amtssachverständige für Verkehrstechnik, Herrn Dipl.-HTL Ing. X ein Gutachten zu der Frage, ob dem Bw bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Laut Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz, Verkehrsinspektion, vom 15. April 2011, GZ. C2/16534/2011, teilte am 29.3.2011 um 10.25 Uhr Frau X der X mit, dass sie soeben um 10.15 Uhr beobachtet habe, wie der Lenker des Klein-Lkw, Kennzeichen X, nächst Mostnystraße Nr. 5 mit der rechten offenen Seitentür bei dem zum Parken abgestellten Pkw, Kennzeichen X, vorbeifuhr und diesen gestreift habe. Durch die Streifung entstand bei diesem Pkw an der linken Fahrzeugseite eine Beschädigung. Zirka 15 m danach habe der Lenker dieses Klein-Lkw angehalten, die Seitentüre geschlossen und in der Folge weitergefahren. Der Zulassungsbesitzer des Pkw, Kennzeichen X, X, habe angegeben, dass er den Pkw ohne Beschädigung abgestellt hatte. In der Folge wurde der Lenker des Klein-Lkw, Kennzeichen X, erhoben. Dieser habe sich an den Vorfall erinnern können, dass er mit der aufgegangenen Tür einen abgestellten Pkw beschädigt hatte, habe er nicht bemerkt. Vom Bw wurde die Versicherungsmeldung durchgeführt. In seinem Rechtsmittel bringt der Bw vor, dass er betreffend den gegenständlichen Vorfall die Beschädigung nicht bemerkt habe. Er habe erst dann Kenntnis davon erhalten, als ihn sein Chef angerufen und gefragt habe, ob er einen Unfall hatte. Anschließend habe er gleich Kontakt mit der Polizeidienststelle aufgenommen. Falls er den Unfall bemerkt hätte, wäre er sicher stehen geblieben und hätte die nötigen Schritte veranlasst. Im Bereich des Lkw gebe es auch kein Bonus-Malus-System.

 

Im Hinblick auf die oa Anzeige sowie auf das bei der Berufungsverhandlung erstattete Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik, Herrn X, geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass der Bw als Lenker des oa Lkw tatsächlich beim gegenständlichen Vorfall die aktenkundigen Beschädigungen am Pkw, Kennzeichen X, verursacht hat.

 

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass das Nichtbemerken eines verursachten Sachschadens den Bw noch nicht von der Erfüllung des ihm zur Last gelegten Tatbestandes in subjektiver Hinsicht entlastet. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt auch derjenige fahrlässig, dem bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte.

 

In Befolgung dieser Judikatur hat der Oö. Verwaltungssenat den Amtssachverständigen für Verkehrstechnik beauftragt, ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, ob der Schadenseintritt für den Bw bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar war.

 

Dazu führte der Amtssachverständige bei der Berufungsverhandlung unter anderem aus, dass eine Wahrnehmung des Streifgeräusches als Anstoßgeräusch nicht nachweisbar ist, da zum einen die Türen gelenkig gelagert sind und die Berührung auch im Beschleunigen oder im Vorwärtsbeschleunigen die Streifung verursacht hat und dadurch kein relevanter Stoß auftritt, der zur Wahrnehmung führen könnte. Im Hinblick auf ein Streifgeräusch ist festzustellen, dass das entstandene Streifgeräusch aus Sicht des Bw nicht zwingend als Anstoßgeräusch wahrnehmbar gewesen sein muss, da es durch Umgebungsgeräusche überlagert werden kann. Auf Grund der Sichtverhältnisse, die über die Außenspiegel vorgelegen haben, hätte der Bw  die Berührung optisch durch einen Blick in die Außenspiegel erkennen können, wenn er zum Zeitpunkt der Berührung in die Außenspiegel geschaut hat. Wenn man davon ausgeht, dass die Flügeltüren sich nicht öffnen, wäre genügend Platz gewesen, um am abgestellten Pkw vorbeizufahren. Die Streifung ist darauf zurückzuführen, dass sich die Türen während der Fahrt geöffnet haben.

 

Unter Zugrundelegung des oa Gutachtens hätte der Bw sohin die Berührung mit dem abgestellten Pkw, Kennzeichen X, optisch durch einen Blick in die Außenspiegel erkennen können, wenn er zum Zeitpunkt der Berührung in die Außenspiegel geschaut hat. Dem Bw ist die geöffnete Tür des Kastenaufbaues offenbar erst später aufgefallen. Laut Niederschrift des Stadtpolizeikommandos Linz vom 7. April 2011, GZ. C2/16534/2011, gab der Bw an, als er auf Höhe der Firma Bau Max fuhr, im rechten Außenspiegel gesehen zu haben, dass die rechte Tür offen war. Er schloss sie in weiterer Folge. Der Gutachter hat ausgeführt, dass, wenn sich die Flügeltüren nicht geöffnet hätten, genügend Platz gewesen wäre, um am abgestellten Pkw, Kennzeichen X, vorbeizufahren. Unter Zugrundelegung dieses Umstandes kann in rechtlicher Hinsicht vom Bw nicht gefordert werden, in den Außenspiegel beim Vorbeifahren an einem rechts geparkten Pkw zu schauen, wenn genügend Platz vorhanden ist und er zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der aufgegangen Türe hatte. Es kann daher nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass dem Bw – auch – visuell zu Bewusstsein hätte kommen müssen, dass es zu einer Beschädigung des rechts neben ihm geparkten Fahrzeuges gekommen ist. Ein Verschulden ist nicht mit Sicherheit nachweisbar.

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

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