Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 25.08.2011

                                                                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufungen des 1. x, 2. der x, 3. des x sowie 4. des x, allesamt StA von x, sämtlich vertreten durch x, gegen die Bescheide des Polizeidirektors von Wels vom 20. April 2010, Zl.: 1-1028354/FP/10, 1-1028355/FP/10, 1-1028357/FP/10 sowie 1-1028356/FP/10, betreffend Ausweisungen der  Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Den Berufungen wird stattgegeben und die angefochtenen   Bescheide ersatzlos aufgehoben.

 

II.     Eine Rückkehrentscheidung ist jeweils auf Dauer unzulässig.

 

        

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheiden des Polizeidirektors von Wels vom 20. April 2010,
Zl.: 1-1028354/FP/10, 1-1028355/FP/10, 1-102857/FP/10 sowie 1-1028357/FP/10, wurde gegen die Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis des § 53 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, jeweils die Ausweisung angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Erst-Bw, ein Staatsangehöriger von x, am 4. März 2002 illegal nach Österreich eingereist sei und noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der am 29. Jänner 2003 erstinstanzlich und am 28. Jänner 2009 vom Asylgerichtshof rechtskräftig abgewiesen worden sei.

 

Die Zweit-Bw sei am 22. Dezember 2003 in Begleitung ihres Sohnes x (Dritt-Bw, geb. x) illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe Asylanträge gestellt, die schlussendlich gleichgehend mit dem des Erst-Bw am 28. Jänner 2009 vom Asylgerichtshof negativ beschieden worden seien. Das gleiche Schicksal habe der Asylantrag der schon in Österreich geborenen Sohnes x (Viert-Bw, geb. x) erfahren.

 

Nach negativer Finalisierung der Asylverfahren komme den Bw keine Aufenthaltsberechtigung mehr zu. Der Aufenthalt sei daher unrechtmäßig.

 

Mit 2. April 2009 hätten die Bw Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beim Magistrat Wels gestellt. Diesbezüglich habe die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich eine begründete Stellungnahme abgegeben und ua. festgestellt, dass den Bw seit der negativen erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren des Erst-Bw der unsichere Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst gewesen sei. Dennoch seien die Zweit-Bw mit dem Dritt-Bw nachgereist.

 

Eine berufliche Integration sei dem Erst-Bw nicht abzusprechen, die allerdings dahingehend relativiert werde, dass er bereits bei der Aufnahme der Erwerbstätigkeit um den unsicheren Aufenthalt gewusst habe. Die Zweit-Bw sei hingegen mangels sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nicht als beruflich integriert anzusehen.

 

Der Erst-Bw habe den Großteil seines Lebens im Herkunftsland verbracht, dort die Grundschule besucht und spreche Vietnamesisch, Chinesisch, Englisch und Deutsch. Es sei ihm eine Reintegration zuzumuten.

 

Im Rahmen des Ausweisungsverfahrens sei am 30. März 2010 eine Stellungnahme der Bw übermittelt worden, worin ua. auf die seit 7. Oktober 2002, soweit gesundheitlich möglich, nahezu durchgängige Beschäftigung des Erst-Bw und dessen Selbsterhaltungsfähigkeit sowie diese auch in Hinblick auf die Familie hingewiesen worden sei. Der Erst-Bw verfüge zudem bis zum 7. Februar 2010 über eine gültige Arbeitsbewilligung. Der Arbeitgeber sei mit dem Erst-Bw äußerst zufrieden.

 

In Österreich würde eine Schwester des Erst-Bw (eine österreichische Staatsangehörige) leben. Im x würden noch die Mütter und Geschwister von Erst- und Zweit-Bw leben. Diese seien aber nicht in der Lage, die vierköpfige Familie bei sich aufzunehmen. Die Familie hätte auch im x nicht die Möglichkeit ihre Existenz sicherzustellen.

 

Aus dem Sachverhalt sei ersichtlich, dass sowohl der Erst- als auch die Zweit-Bw über Deutschsprach-Zertifikate des Niveau A2 verfügen. Detailliert führt die belangte Behörde zudem auch die verschiednen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen des Erst-Bw seit Oktober 2002 auf und bestätigt diese. Die Zweit-Bw sei beruflich nicht integriert. Dritt- und Viert-Bw seien über Kindergarten und Schule sozial integriert und sprächen gut Deutsch.

 

1.1.2. In ihren rechtlichen Überlegungen führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet ein gewisses Maß an Integration vorliege, weshalb die Ausweisungen vor allem in das Privatleben eingreifen würden.

 

Die familiäre, soziale und berufliche Integration sei während eines weitgehend unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden.

 

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK die Ausweisung der Bw zulässig sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bw durch ihren Rechtsvertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 10. Mai 2010.

 

Zunächst wird darin beantragt, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen, die angefochtenen Bescheide vom 23. April 2010 dahingehend abzuändern, dass die in Rede stehenden Ausweisungen als auf Dauer unzulässig erklärt würden oder die Bescheide aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Begründend verweisen die Bw auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen und die vorgetragenen Argumente. Bei deren richtigen Würdigung hätte ausgesprochen werden müssen, dass die Ausweisung der Bw in den x im Lichte des Art. 8 EMRK auf Dauer unzulässig sei.

 

Ua. wird ausgeführt, dass die Bw während der gesamten Dauer des Asylverfahrens auch in 2. Instanz noch hätten hoffen können, eine positive Entscheidung zu erhalten, da es in den letzten Jahren zu zahlreichen Asylgewährungen bzw. Zuerkennungen von subsidiären Schutzberechtigungen durch den UBAS bzw. den Asylgerichtshof gekommen sei.

 

Die Beurteilung der Integrationskriterien setze eine Einvernahme der Betroffenen voraus, was ausdrücklich auch beantragt werde.

 

Es sei hervorzuheben, dass der Erst-Bw zu den sehr fleißigen Menschen gehöre, die gerne arbeiten, und dass er im Zeitraum vom 23. bis 30. Juni 2007 zusätzlich zu seiner Vollzeitbeschäftigung geringfügig beschäftigt gewesen sei, was sich aus dem beigelegten Versicherungsdatenauszug ergebe.

 

1.3. Mit Schreiben vom 6. September 2010 übermittelte der Rechtsvertreter der Bw einen Kurzbericht des Klinikum Wels betreffend eine Diabetiserkrankung der Zweit-Bw, einen Ambulanzbericht vom 25. Mai 2010 ebenfalls betreffend diese Erkrankung sowie eine Kindergartenbesuchsbestätigung des Kindergarten x, betreffend den Viert-Bw.

 

Sämtliche Unterlagen wurden zum Akt genommen.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Einem diesbezüglichen Berufungsantrag war daher nicht zu folgen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 1.3. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehenden Ausweisungen auf Basis des § 53 FPG ("alte Fassung") erlassen wurden, weshalb diese Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen im Sinne des nunmehrigen
§ 52 FPG anzusehen und zu beurteilen sind.

 

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch von den Bw selbst unbestritten, dass sie über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügen und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig sind. Allerdings ist bei der Beurteilung der jeweiligen Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

3.4.2. Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte) zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Ausweisung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.3. Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde festgestellt, dass lediglich das Privatleben der Bw von einer Ausweisung betroffen wäre, zumal ja sämtliche Mitglieder der Kernfamilie von der Maßnahme gleichermaßen betroffen seien, wodurch das Familienleben an sich nicht tangiert sein könne. Insofern ist ihr zu folgen; allerdings mit dem Bemerken, dass die jeweiligen Eingriffe in das Privatleben des/der einzelnen Bw auch unmittelbar die anderen Familienmitglieder zu beeinträchtigen geeignet sind.  

 

3.4.4. Hinsichtlich der Dauer und der Natur des Aufenthalts können der Erst-Bw (9 Jahre) sowie die Zweit-Bw und der Dritt-Bw (8 Jahre) auf eine relativ lange Dauer verweisen, wobei der größte Teil davon – wegen des aufrechten Asylverfahrens – grundsätzlich legal war. Für den Viert-Bw, der in Österreich zur Welt kam, erstreckt sich der Aufenthalt über die gesamte Lebensdauer.

 

Hinsichtlich des allfälligen unsicheren Aufenthalts der Bw ist insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach hat der dem § 61 Abs. 2 FPG vergleichbare § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw. familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. auch E 22. Dezember 2009, 2009/21/0348).

Ein rund 10 Jahre und 9 Monate dauernder Aufenthalt sowie eine mehr als 9 Jahre lang kontinuierlich ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit (in Verbindung mit weiteren Aspekten der erreichten Integration) verleihen etwas den persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht, dass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FrPolG 2005 - auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben - unverhältnismäßig erscheint (vgl. VwGH vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158).

 

3.4.5. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Erst-Bw schon seit 9 Jahren im Bundesgebiet, wo er nicht nur beinahe durchgängig einer Beschäftigung nachging, ein Einkommen bezieht und sozialversichert ist, sondern auch seinen Wohnsitz gemeldet hat. Seine Deutschkenntnisse sind – wie auch die seiner Gattin – ausreichend dokumentiert. Die oa. Judikatur des VwGH ist hier also einschlägig. Angesichts von zwei zu betreuenden Kindern kann es der Zweit-Bw nicht als negativ angerechnet werden, dass sie ihre berufliche Integration nicht vorangetrieben hat. Auf die berufliche Integration der Kinder braucht – wegen deren Alters – nicht näher eingegangen werden.

 

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass hier vor allem die soziale Integration einen hohen Stellenwert genießt. Kindergarten- und Schulbesuch sind hier nicht nur für die sprachliche sondern auch für die kulturelle Integration äußerst förderlich.

 

Insgesamt ist also im vorliegenden Fall von einem hohen Maß an sozialer Integration zu sprechen und von einer Verfestigung durchaus auszugehen.

 

3.4.6. Auch, wenn der belangten Behörde durchaus zu folgen ist, dass eine Reintegration – von Erst-Bw und Zweit-Bw – im Herkunftsland durchaus zumutbar erschiene, ist dennoch darauf hinzuweisen, dass dies im Fall der Kinder schon schwieriger sein dürfte.

 

Auf die Diabetiserkrankung der Zweit-Bw muss hier nicht mehr näher eingegangen werden.

 

3.4.6. Gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH ist aber in diesem Fall nicht mehr die Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG näher zu erörtern und bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss. 

 

3.4.7. Im Ergebnis ist also eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privatleben der Bw auf Dauer als nicht zulässig zu betrachten.

 

3.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte auf eine Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden, zumal die Bw der deutschen Sprache mächtig sind.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 28,60 Euro (Eingabegebühr) sowie  15,60 (Beilagen) insgesamt 44,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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