Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522927/2/Bi/Kr

Linz, 17.08.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herren X, vom 3. August 2011 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 21. Juli 2011, 2FE 470/2011, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.  

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24 Abs.1 Z1, 25, 26 Abs.3 und 4, 29 Abs.3 und 30 Abs.1 FSG die vom BPK Wels am 17.4.1972, Zl. 285/72, für die Klassen A und B erteilte Lenkbe­rechtigung für einen Zeitraum von zwei Wochen, gerechnet ab 7. bis 21. Mai 2011, entzogen, er aufgefordert, seinen Führerschein unverzüglich abzuliefern und, wenn er Besitzer einer ausländischen Lenkberechtigung sei, ihm gleichzeitig diese Lenkberechtigung aberkannt und das Lenken von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet von Österreich für den gleichen Zeitraum untersagt "bzw vom ausländischen Führerschein zum Nachweis der Lenkberechtigung Gebrauch zu machen". Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs.2 AVG aberkannt. 


Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch Verlesung der Niederschrift am
21. Juli 2011 in Anwesenheit der Rechtsvertreterin des Bw X, der zugleich auch der Führerschein des Bw – nach Einbehaltung durch rumä­nische Behörden seit 7. Mai 2011 und Übersendung an die Österreichische Botschaft in Bukarest sowie Weiterleitung an die BPD Wels, Verkehrsamt – ausgefolgt wurde.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, ihm sei von der Erstinstanz die Lenkberechtigung rückwirkend entzogen und dies damit begründet worden, er habe am 7. Mai 2011 in Bukarest-Pitesti (Rumänien) auf der Autobahn das Kraftfahrzeug X gelenkt und die zulässige Höchstgeschwindigkeit um
52 km/h überschritten. Die Erstinstanz habe sich dabei auf eine undatierte Mitteilung des rumänischen Innenministeriums gestützt. Unterlagen, aus denen die Geschwindigkeitsüber­schrei­tung objektiv nachvollzogen werden könne, seien im Akt nicht enthalten und über das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung liege kein Nachweis vor. Richtig sei, dass er am 7.5.2011 als Lenker des besagten Kraftfahrzeuges auf der rumänischen Autobahn angehalten und vom Exekutiv­beamten die eingehaltene Geschwindigkeit beanstandet worden sei. Es treffe aber nicht zu, dass er das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 182 km/h gelenkt und die vor Ort bestehenden zulässige Höchstgeschwindigkeit um
52 km/h überschritten habe. Er sei deutlich langsamer gefahren, eine ev. Über­schreitung sei geringfügig und nicht annähernd bei 50 km/h gelegen gewesen. Die Höhe der zulässigen Höchst­geschwindigkeit sei aus dem Akt völlig offen und nicht objektiv überprüf­bar. Es stehe auch nicht fest, welche Type von angeblich zum Einsatz gelangtem Radar­gerät verwendet wurde, ob und wann dieses geeicht worden sei und welche Messungenauig­keiten bzw Toleranzen dieses aufweise.  Aus der bloßen Mitteilung des rumänischen Innenministeriums könne ein Tatbestand des § 7 Abs.3 Z4 FSG nicht als erwiesen angenommen werden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass das angeführte Messergebnis in Wahrheit nur eine Schätzung der Geschwindig­keit durch einen rumänischen Exekutiv­beamten darstelle. Auch sei nicht von der Hand zu weisen, dass, falls tatsächlich ein Radargerät zum Einsatz gelangt sei, dieses nicht einwandfrei funktioniert habe, nicht richtig bedient, nicht geeicht gewesen sei oder mit hohen, außerhalb der Norm gelegenen Fehl­toleranzen gearbeitet habe. Beantragt wird die Beischaffung der der Behauptung der Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h zugrundeliegenden Unterlagen.

Im Übrigen dürfe ihm die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs.4 FSG erst nach Abschluss des Strafverfahrens in erster Instanz durch Strafbescheid entzogen werden und seien gemäß § 7 Abs.2 FSG die im Abs.3 angeführten Tatbestände, so es sich um Verkehrsverstöße im Ausland handle, nach Maßgabe der inländi­schen Rechtsvorschriften zu beurteilen. In Rumänien sei gegen ihn weder ein Strafverfahren abgeführt noch ein Bußgeld eingehoben worden. Er habe bis heute weder eine Verständigung über die Einleitung eines Strafverfahrens in Rumänien erhalten, noch liege ein Strafbescheid vor. In einem ähnlichen Fall einer krassen Geschwindigkeitsüberschreitung in der Schweiz habe der VwGH am 23.5.2003 entschieden, dass eine Entziehung in Österreich unzulässig sei, wenn es an der Voraussetzung eines in Österreich zuvor abgeführten Strafver­fahrens mangle. Gegen ihn liege nach österreichischem Recht kein rechtskräftiger Strafbescheid vor und in Österreich sei gegen ihn auch kein Verfahren wegen des Vorfalls in Rumänien eingeleitet worden – was im übrigen auch nur bei Alkohol­delikten zulässig sei laut VwGH 20.4.2004, 2003/11/0272. Die Entziehung der Lenkberechtigung sei daher unzulässig und rechtswidrig hinsichtlich der §§ 7 und 26 FSG.

Ebenso sei die Anordnung, den Führerschein unverzüglich abzuliefern, rechts­widrig, weil die Entziehung rückwirkend ausgesprochen worden und längst abgelaufen sei. Für eine Ablieferung bestehe keine Rechtsgrundlage; dazu müsse die Entziehungsdauer in die Zukunft hineinreichen. Ebenso sei die vorsichtshalber ausgesprochene Anordnung der Ungültigkeit einer ausländischen "Lenkerbe­rechtigung" rückwirkend nicht zulässig und bei grundsätzlicher Rechtswidrigkeit der Entziehung obsolet. Im Übrigen sei der letzte Halbsatz dieses Spruchpunktes unverständlich. Auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 64 Abs.2 AVG rechtswidrig, zumal schon die zwei Monate vor Erlassung des Bescheides abgelaufene Entziehungsdauer das Vorliegen von Gefahr im Verzug dezidiert ausschließe. Beantragt wird die ersatz­lose Behebung des Bescheides, ansonsten Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.  

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenk­berechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde. Handelt es sich bei den im Abs.3 angeführten Tatsachen um Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen, die im Ausland begangen wurden, so sind diese gemäß Abs.2 dieser Bestimmung nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

 

Dem Bw wird eine Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h, angeblich begangen in Rumänien am 7.5.2011 auf der Autobahn Bukarest-Pitesti – ohne jegliche weitere Angaben wie Straßenkilometer, Uhrzeit, dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit, Art der Feststellung, genauere Daten über das laut Mitteilung des rumänischen Innenministeriums, Polizeigeneralinspektorat, ver­wen­dete Radarmessgerät und insbesondere ohne Radarfoto – zur Last gelegt. Fest steht nur, dass dem Bw der österreichische Führerschein abgenommen und an die österreichische Botschaft in Bukarest geschickt wurde mit dem lapidaren "Ersuchen": "Bitte schicken Sie den Führerschein den zuständigen öster­reich­i­schen Behörden". 

Da in Österreich für einen derartigen Verstoß nur zwei Wochen Entziehungsdauer – wenn der Führerschein gleich bei einer Amtshandlung einbehalten wurde, gerechnet ab 7.5.2011 – vorgesehen sind und schon der administrative Weg des Führerscheins wesentlich länger gedauert hat, wurde dem Bw bzw seiner Rechtsvertretung das Dokument sofort bei der mündlichen Verhandlung vor der Erstinstanz am 21.7.2011 ausge­händigt. Dass gleichzeitig mit der Wiederaus­folgung eine Entziehung für einen bereits weit in der Vergangen­heit liegenden Zeitraum samt Aufforderung zur "unverzüglichen Ablieferung" des Dokuments bei Aberkennung der aufschie­benden Wirkung einer Berufung ausgesprochen wurde, ist bemerkens­­wert und ebenso unklar wie die auch vom Bw als solches empfundene Anordnung in Bezug auf eine (allfällig bestehende) ausländische Lenkbe­rechti­gung.

 

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des VwGH (vgl E 23.5.2003, 2003/11/0128, betreffend die Anlastung einer Geschwindigkeitsüberschreitung in der Schweiz), ist davon auszugehen, dass gemäß § 26 Abs.3 FSG im Fall der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 genannten Übertretung – sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbei­zuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßen­benützern begangen wurde oder auch eine Übertretung gemäß Abs.1 oder 2 vorliegt – die Entziehungsdauer gemäß Z1 zwei Wochen zu betragen hat.  Gemäß Abs.4 dieser Bestimmung darf eine Entziehung gemäß Abs.3 erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.

 

Der VwGH sieht § 26 als lex specialis zu dem in den §§ 7, 24 und 25 FSG gere­gelten System und zwar nicht nur hinsichtlich Bemessung der Entziehungs­zeit, sondern hat der Gesetzgeber durch die Anordnung, dass eine Entziehung erst ausgesprochen werden darf, wenn das Strafverfahren in erster Instanz "durch Strafbescheid" abgeschlossen ist, ganz offensichtlich damit an ein von öster­reichi­schen Behörden geführtes Strafver­fahren angeknüpft – Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Einbeziehung von Bestrafungen durch ausländische Behörden finden sich nicht.

Wenn aber in Ermangelung irgendwelcher Unterlagen und nachvollziehbarer Beweismittel in Österreich kein Strafverfahren wegen einer angeblich in Rumänien begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung geführt wurde und auch kein (österreichischer) "Strafbescheid" vorliegt, der rechtskräftig werden könnte, ist darauf basierend auch keine Entziehung der Lenkberechtigung – ebenso wenig wie ein Lenkverbot gemäß § 32 FSG oder eine Aberkennung des Rechts gemäß § 30 FSG – zulässig. Inwiefern bei einer in der Vergangenheit liegenden Entziehungszeit Gefahr im Verzug – als Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung – bestehen kann, ist ebenso wenig nachvollziehbar. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständ­lichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 


VwSen-522927/2/Bi/Kr vom 17. August 2011, Erkenntnis

 

FSG §7;

FSG §24;

FSG §25;

FSG §16

 

Der Rsp des VwGH (VwGH 23.5.2003, 2003/11/0128) zufolge stellt § 26 FSG eine lex specialis zu dem in den §§ 7, 24 und 25 FSG geregelten System der Entziehung der Lenkberechtigung dar und zwar nicht nur hinsichtlich der Bemessung der Entziehungs­zeit. Durch die Anordnung, dass eine Entziehung erst ausgesprochen werden darf, wenn das Strafverfahren in erster Instanz "durch Strafbescheid" abgeschlossen ist, hat der Gesetzgeber damit – ganz offensichtlich – an ein von öster­reichi­schen Behörden geführtes Strafver­fahren angeknüpft; Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Einbeziehung von Bestrafungen durch ausländische Behörden finden sich hingegen keine. Wenn nun in Ermangelung irgendwelcher Unterlagen und nachvollziehbarer Beweismittel in Österreich kein Strafverfahren wegen einer angeblich in Rumänien begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung geführt wurde und insofern auch kein (österreichischer) "Strafbescheid" vorliegt, der rechtskräftig werden könnte, ist eine Entziehung der Lenkberechtigung darauf basierend unzulässig; gleiches gilt für ein Lenkverbot gemäß § 32 FSG oder eine Aberkennung des Rechts gemäß § 30 FSG.

 

 

 

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