Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150879/3/Lg/Hue

Linz, 18.07.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des E K, H,  vertreten durch Dr. J P R GmbH, L, M, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 18. Mai 2011, Zl. BauR96-365-2009/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 26 Stunden herabgesetzt.   

II.              Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
34 Stunden verhängt, weil er am 6. April 2009, 11.12 Uhr, als Lenker des PKW  mit dem behördlichen Kennzeichen x die A1 bei km 172.060, Gemeinde A, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Auf dem Kfz sei keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass die subjektive Tatseite nicht erfüllt sei, da das Verschulden nicht durch äußere Umstände beweisbar sei. Der Bw habe eine gültige Vignette gekauft, sich über die Anbringungshinweise auf der Rückseite der Vignette informiert und sie seiner Ansicht nach richtig an der Windschutzscheibe angebracht. Der Bw habe deshalb die von der Rechtsmeinung allgemein anerkannte und geforderte Sorgfaltspflicht eingehalten. Bei Studieren der Anwendungshinweise auf der Rückseite der Vignette sei dem Bw lediglich minimale Unachtsamkeit und kein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten anzulasten. Der Bw habe ohne Unrechtsbewusstsein gehandelt, da er von einer ordnungsgemäß angebrachten Vignette ausgegangen sei. Gegenteiliges sei nicht beweisbar. Auch an der Nichtentrichtung der Ersatzmaut treffe den Bw kein Verschulden, da er von seinem prozessualen Recht auf Akteneinsicht Gebrauch gemacht habe. Im Einspruch gegen die Strafverfügung sei Akteneinsicht beantragt worden. Nachdem sich der Bw darüber vergewissert habe, dass es sich tatsächlich um das von ihm gelenkte Kfz gehandelt habe, sei er auch bereit gewesen, die Ersatzmaut unverzüglich einzuzahlen. Diese Einzahlungsfrist sei aber zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen. Dies sei jedoch kein Verschulden des Bw. Zudem habe die Behörde bei der Strafbemessung verabsäumt, die monatliche Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 900 Euro für einen Wohnungskauf und sein Schuldeingeständnis zu berücksichtigen. Da der Bw seinen übrigen (Erkundigungs-)Pflichten nachgekommen sei und die Übertretung keine bedeutenden Folgen nach sich gezogen habe, wäre eine Ermahnung zu erteilen gewesen.

 

Beantragt wurde die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses, in eventu die Erteilung einer Ermahnung, in eventu die schuld- und tatangemessene Herabsetzung der Geldstrafe.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 3. August 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 BStMG sei dem Zulassungsbesitzer am 5. Mai 2009 schriftlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (zeitgerecht) entsprochen worden.

 

Gegen die Strafverfügung vom 15. September 2009 legte der Vertreter des Bw einen Einspruch ein.

 

Einer zusätzlichen A-Stellungnahme vom 18. November 2009 sind im Wesentlichen rechtliche Bestimmungen zu entnehmen. Als Beilage sind drei Beweisfotos angeschlossen.

 

Dazu rechtfertigte sich der (Vertreter des) Bw im Wesentlichen wie in Teilen der später eingebrachten Berufung und ergänzte, dass der Bw am Tattag um 10.21 Uhr in S eine 10-Tages-Vignette gekauft und die Informationen auf der Rückseite der Vignette gelesen habe. Daraufhin habe er seiner Ansicht nach die Vignette vorschriftsgemäß oben links an der Windschutzscheibe angebracht. Unmittelbar nach Zustellung des Ersatzmautangebotes habe der Bw deshalb versucht, den Sachverhalt mit der A zu klären. Auf wiederholter Anforderung sei dem Bw das Beweisfoto übermittelt, der Antrag auf Verlängerung der (inzwischen abgelaufenen) Zahlungsfrist für die Ersatzmaut jedoch abgelehnt worden. Erst aufgrund des eingeleiteten Verfahrens sei dem Bw klar geworden, dass er die Trägerfolie nicht wie vorgeschrieben von der Vignette entfernt habe. Bei einer derartigen Art der Anbringung sei es unmöglich, die Vignette wiederum zu entfernen und bei einem anderen Kfz anzubringen. Ihm sei völlig klar gewesen, dass der Kauf oder Besitz einer Vignette allein als Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung nicht ausreiche. Weiters legte der Bw seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse dar.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben ist, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen) ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.  

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs.4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6). 

 

4.2. Unbestritten ist, dass die Vignette zur Tatzeit entgegen die Bestimmungen von Punkt 7.1 der Mautordnung ohne Ablösen von der Trägerfolie nicht mit dem Originalkleber auf der Windschutzscheibe angebracht war. Dies wird auch durch die vorliegenden Beweisfotos belegt. Nur ordnungsgemäß aufgeklebte Vignetten erbringen den Nachweis der Mautentrichtung. Der Bw hat somit das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Der Bw bringt vor, er habe die Hinweise auf der Rückseite der Trägerfolie "Vignette vom Trägerpapier ablösen und ohne zus. Hilfsmittel direkt auf die Innenseite der sauberen und trockenen Windschutzscheibe kleben" gelesen und die Vignette seiner Ansicht nach richtig an der Windschutzscheibe angebracht. Dazu ist zu entgegnen, dass sich aus der Lektüre dieses Hinweistextes zweifelsfrei ergibt, dass die Vignette vom Trägerpapier abzulösen ist. Dem Bw hätte daher klar sein müssen, wie er richtigerweise vorzugehen hat. Dass er dies nicht getan hat, begründet sein Verschulden, zumal die Befestigung der Vignette an der gegenständlichen Stelle der Windschutzscheibe (siehe Beweisfoto) ein zusätzliches Hilfsmittel erforderlich gemacht hat.

Unbeschadet dieser Ausführungen ist der Bw darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst für ausländische Kraftfahrer die Verpflichtung besteht, sich über die Rechtsvorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu befolgen hat, ausreichend zu unterrichten (vgl. VwGH v. 18.12.1997, Zl. 97/06/0224). Vorwerfbare Rechtsunkenntnis bewirkt daher Fahrlässigkeit, die bei "Ungehorsamkeits-delikten" ausreicht.

 

Wenn der Bw vermeint, an der Nichteinbezahlung der Ersatzmaut treffe ihn kein Verschulden, ist er darauf aufmerksam zu machen, dass ein Unterbleiben einer (zeitgerechten) Bezahlung der Ersatzmaut – aus welchen Gründen auch immer – dem Ausschlagen dieses Vergleichsangebotes der A gleichkommt, weshalb der Strafausschließungsgrund des § 20 Abs.3 BStMG nicht zustande gekommen ist. Die Ersatzmaut ist – unbestritten – nicht einbezahlt worden. Auch bestehen gem. § 19 Abs.6 BStMG keine subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut, weshalb der Bw selbst bei Unterbleiben eines Ersatzmautangebotes nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt werden konnte. Keinesfalls konnte der Bw aber ohne Vorliegen einer entsprechenden Mitteilung der A von einer Verlängerung der Zahlungsfrist ausgehen und ist eine nicht rechtzeitige Einzahlung der Ersatzmaut deshalb ihm zuzurechnen.

 

Wenn der Bw auf sein Recht auf Akteneinsicht hinweist, kann er damit nur seine Parteienrechte in einem behördlichen (Straf-)Verfahren meinen. Ein solches behördliche Verfahren war zum Zeitpunkt des Angebotes einer Ersatzmaut noch nicht einmal eingeleitet, da die entsprechende Anzeige erst 4 Monate (!) nach der Tat erfolgt ist. Ein jedes Einlassen auf ein behördliches Strafverfahren beinhaltet nicht nur die Vermutung seiner Unschuld durch den Beschuldigten selbst sondern auch die allgemein bekannten prozessualen Risken und Kosten. Dies kann den Bw jedoch nicht davor abgehalten haben, die Ersatzmaut rechtzeitig einzuzahlen, was überdies ja auch ein Schuldeingeständnis des Bw vorausgesetzt hätte, das aber nicht vorgelegen ist. 

 

Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat überdies nicht klar geworden, weshalb eine Anbringung der Vignette, wie vom Bw durchgeführt, eine Wiederverwendung an einem anderen Kfz unmöglich machen soll, wie der (Vertreter des) Bw in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 2009 vermeint hat. Genau das Gegenteil ist der Fall: Insbesondere die Nichtverwendung des Originalklebers und die Belassung der Vignette auf der Trägerfolie (wie im gegenständlichen Fall) macht ein Umkleben besonders problemlos.

 

Die Tat ist daher dem Bw – da keine Entschuldigungs­gründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Trotz Zweifel (es wurde ein zusätzliches Hilfsmittel zur Befestigung der Vignette verwendet) sei zugunsten des Bw von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass sich der Bw nicht im ausreichendem Maße über die Anbringungsvorschriften von Vignetten informiert hat.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass ohnehin lediglich die gesetzliche Mindestgeldstrafe verhängt wurde, sodass die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw unerheblich sind. Das Vorliegen einer angespannten finanziellen Situation rechtfertigt die Unterschreitung der Mindeststrafe keineswegs. Mildernd wirkt lediglich die (bei ausländischen Lenkern häufig gegebene) Unbescholtenheit und das im Hinblick auf die Beweislage (Fotos) wenig ins Gewicht fallende spätere Tatsachengeständnis. Im Hinblick auf diese Situation erscheint die Verhängung der Mindeststrafe schon aus spezialpräventiven Gründen angemessen. Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des   § 21 Abs.1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens) dafür nicht gegeben sind: Wegen der Tatsache, dass für eine Vignette einst der Kaufpreis bezahlt wurde, kann nicht auf unbedeutende Folgen der Übertretung geschlossen werden, da der Sinn des BStMG auch die Kontrollierbarkeit bzw. die Hintanhaltung von Missbräuchen umfasst. Genau aus diesem Grund ist in der Mautordnung der einzuhaltende Vorgang zum Nachweis der Mautentrichtung genau beschrieben, so dass die Verletzung dieser Vorschriften eo ipso erheblichen Tatfolgen gleichzusetzen ist.

In der verfolgungsverjährungsunterbrechenden Strafverfügung vom 15. September 2009 wurde neben einer Geldstrafe von 300 Euro eine (bei Anwendung der selben Strafbemessungsgründe zu niedrig bemessene) Ersatzfreiheitsstrafe von 26 Stunden festgesetzt. Da gem. § 49 Abs.2 VStG in dem aufgrund des Einspruchs ergehenden Straferkenntnis keine höhere Strafe verhängt werden darf als in der Strafverfügung, war die im Straferkenntnis festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden wieder herabzusetzen. Dadurch entfällt die Vorschreibung der Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

 

 

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