Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166157/3/Zo/Gr

Linz, 12.09.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Gottfried Zöbl über die Berufung des Herrn X vom 7. Juli 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 21. Juni 2011, Zahl: VerkR96-269-2011, wegen einer Übertretung der StVO zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z.1 und 21 Abs.1a VStG

zu II: §§ 64 ff VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 4. Jänner 2011 um 08:25 Uhr in Helfenberg auf der B38, bei Straßenkilometer 135,350 als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen X die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 24 km/h überschritten habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro (EFS 33 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von acht Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass er der den PKW zur Tatzeit nicht gelenkt habe. Eine Überprüfung verschiedener Unterlagen habe ergeben, dass Herr X, Frau X und Herr X bestätigen könnten, dass der Berufungswerber zur Tatzeit nicht Lenker des Fahrzeuges war bzw. sich nicht in Österreich aufgehalten habe. Aufgrund entsprechender zivilrechtlicher Verträge sei der Berufungswerber gar nicht berechtigt, dass angeführte Fahrzeug zu lenken. Die Vernehmung der angeführten Zeugen durch deutsche Rechtsschutzorgane oder erforderlichenfalls vor einem österreichischen Gericht sei bei Übernahme der Anreisekosten, des Verdienstausfalles und weiterer Kosten jederzeit möglich.

 

3. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Von der Polizei wurde Anzeige gegen den Lenker des PKWs mit dem Kennzeichen X erstattet, weil dieser am 4. Jänner 2011 um 08:25 Uhr in Helfenberg auf der B 38 bei Straßenkilometer 135,350 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 24 km/h überschritten hatte. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit einem Radarmessgerät festgestellt. Der Berufungswerber ist Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Kraftfahrzeuges.

 

Von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach wurde gegen ihn eine Strafverfügung erlassen, in welcher ihm vorgeworfen wurde, dass er als Lenker des angeführten PKW diese Geschwindigkeitsüberschreitung begangen habe.

 

Gegen diese erhob der nunmehrige Berufungswerber rechtzeitig Einspruch und begründete diesen damit, dass er das Fahrzeug nicht gelenkt habe. Er habe sich zur Tatzeit in X aufgehalten, was sowohl seine Ehefrau als auch seine Schwiegermutter bestätigen könnten. Er habe das Fahrzeug zur Tatzeit an eine mit ihm nahe verwandte Person verliehen gehabt, weshalb ihm gemäß der § 55 Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe, von welchem er auch Gebrauch machen werde.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat den Berufungswerber mit Schreiben vom 16. Februar 2011 aufgefordert, sich wegen der Geschwindigkeits- überschreitung zu rechtfertigen und in darauf hingewiesen, dass ein Beweisfoto vorliege. Der Berufungswerber wiederholte dazu die bereits im Einspruch gemachten Ausführungen und legte zusätzlich schriftliche Stellungnahmen seiner Gattin X sowie seiner Schwiegermutter X vor, welche seine Angaben bestätigen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach erließ daraufhin das oben angeführte, nunmehr bekämpfte Straferkenntnis. In der Berufung führte der Berufungswerber zusätzlich aus, dass er insgesamt fünf Personen als Zeugen benennen könnte, dass er sich zur Tatzeit in X (ca. 350 Kilometer vom Tatort entfernt) befunden habe. Die österreichische Rechtslage im Bezug zu § 103 Abs.2 KFG sei ihm durchaus bekannt, in Deutschland bestehe diesbezüglich jedoch ein Zeugnisverweigerungsrecht, weshalb Strafbescheide wegen Verletzung des § 103 KFG dort auch nicht vollstreckt werden.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 20 Abs.2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.

 

Gemäß § 33 Abs.2 VStG kann der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden.

 

5.2. Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann aus dem Umstand, dass der Beschuldigte seine Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren verweigert, im Rahmen der Beweiswürdigung durchaus der Schluss gezogen werden, dass er die ihm vorgeworfene Übertretung selbst begangen hat.

 

Der EGMR betont in seiner Rechtssprechung (siehe zum Beispiel Krumpholz gegen Österreich, Beschwerdenummer 13201/05), dass das Recht zu Schweigen zu den Grundprinzipen eines fairen Verfahrens des Art.6 EMRK gehört. Allerdings führt der EGMR auch aus, dass es den Strafverfolgungsbehörden durchaus erlaubt ist, aus dem Schweigen des Beschuldigten entsprechende Schlüsse zu ziehen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Beschuldigte mit entsprechenden Beweisergebnissen konfrontiert wird, welche eine Erklärung verlangen würden. Wenn kein überzeugender Anscheinsbeweis gegen den Beschuldigten vorliegt, so darf aus seinem Schweigen nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass er die ihm vorgeworfene Übertretung begangen habe. Weiters kritisierte der EGMR im angeführten Urteil, dass keine öffentliche Verhandlung durchgeführt wurde.

 

Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass jedenfalls eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung erforderlich wäre, zu welcher der Berufungswerber und die von ihm namhaft gemachten fünf Zeugen geladen werden müssten. Nur dann, wenn sich aus den Angaben der Zeugen berechtigte Zweifel an der Darstellung des Berufungswerbers ergeben würden, wäre im Sinne der oben zitierten Judikatur des EGMR die Annahme zulässig, dass der Berufungswerber die Übertretung selbst begangen hätte.

 

In diesem Zusammenhang ist berücksichtigen, dass einige der Zeugen aus Passau und andere sogar aus Großmehring (ca. 400 Kilometer entfernt) anreisen müssten, sodass erheblich Zeugengebühren (§ 51 a AVG iVm § 24 VStG) anfallen würden. Diese würden jedenfalls die von der Erstinstanz verhängte Strafe wesentlich Überschreiten und wären auch durch die möglicherweise vorzuschreibenden Verfahrenskosten (20 Prozent der Geldstrafe) bei Weitem nicht abgedeckt.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich zwar um eine durchaus beträchtliche Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet, andererseits ist der Unrechtsgehalt der Übertretung aber auch nicht so hoch, dass eine Verfolgung der Übertretung im öffentlichen Interesse unbedingt erforderlich wäre. Der für die weiter Verfolgung notwendige Aufwand steht daher in einem Missverhältnis zur Bedeutung der Verwaltungsübertretung, weshalb gemäß § 21 Abs.1a VStG von der weiteren Durchführung des Strafverfahrens abzusehen ist. Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Übertretung kann daher nicht bewiesen werden, weshalb das Strafeverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG einzustellen ist.

 

Zu II:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried Zöbl

 

 

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