Linz, 03.08.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 11. Kammer (Vorsitzender Dr. Weiß, Berichterstatterin Dr. Berger, Beisitzer Dr. Grof) über die Berufung des A C, geb., G, F, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Freistadt vom 7. Juli 2011, Z ZD96-1-2011, wegen einer Übertretung nach dem Zivildienstgesetz zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: §§ 24, 44a, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).
Zu II.: §§ 64 ff VStG.
Entscheidungsgründe:
Als verletzte Rechtsgrundlage wird § 61 ZDG genannt.
Nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen geht die belangte Behörde aufgrund einer Mitteilung der Zivildienstserviceagentur (im Folgenden: ZDA) vom 17. März 2011 vom Vorliegen dieser Verwaltungsübertretung aus. Bezüglich der bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sei von der vom Bw genannten finanziellen Situation auszugehen: monatliches Einkommen von 1.300,- Euro; kein Vermögen; Sorgepflicht für die Ehefrau; Kreditbelastung von 14.000,- Euro. Straferschwerend werde gewertet, dass der Bw von der belangten Behörde bereits zweimal wegen der gleichen Übertretung rechtskräftig bestraft worden sei; Strafmilderungsgründe könnten keine gefunden werden.
Darin verweist der Bw auf eine "Arztbestätigung", womit ein amtsärztliches Gutachten über eine aus gesundheitlichen Gründen indizierte Dienstunfähigkeit des Bw gemeint sein dürfte; im Übrigen wird die festgesetzte Höhe der Geldstrafe wegen der Kreditrückzahlungsverpflichtung und der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Frau als "zu hoch" bezeichnet.
Da im Verfahren bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen. Im Übrigen wurde auf die Durchführung einer Verhandlung seitens der belangten Behörde auch ausdrücklich verzichtet (§ 51e Abs. 5 VStG).
Gem. § 11 Abs. 2 Zivildienstgesetz 1986 (ZDG), BGBl. Nr. 679, in der zum Tatzeitraum maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 111/2010, gilt ein Zivildienstpflichtiger mit dem Tag, an dem er den Dienst anzutreten hat, als Zivildienstleistender.
Gem. § 12 Z. 2 ZDG sind Zivildienstpflichtige, die erforderlichenfalls nach der Feststellung des gemäß § 19 Abs. 2 leg.cit. zuständigen Amtsarztes geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig sind und bei denen die Herstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, für die Dauer der Dienstunfähigkeit von einer Zuweisung ausgeschlossen.
Nach § 19a Abs. 1 ZDG ist dienstunfähig, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst unfähig ist. Gem. Abs. 2 leg.cit. gelten Zivildienstleistende, die durchgehend länger als 18 Tage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig sind, mit Ablauf des 18. Tages der Dienstunfähigkeit als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen.
Nach § 60 ZDG begeht, sofern das Verhalten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 2.180,- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer der Zuweisung zu einer Einrichtung im Rahmen des ordentlichen Zivildienstes länger als 30 Tage oder der Zuweisung im Rahmen des außerordentlichen Zivildienstes länger als acht Tage nicht Folge leistet.
Gem. § 61 ZDG begeht, sofern nicht der Tatbestand des § 58 Abs. 2 leg.cit. vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 2.180,- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer vorsätzlich den ihm zugewiesenen Dienst verlässt oder ihm fernbleibt und sich dadurch wenigstens fahrlässig dem Dienst für länger als 30 Tage entzieht. Überwiegen erschwerende Umstände beträchtlich, so kann auch neben einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden.
3.2. § 61 ZDG setzt – in Abgrenzung zur Strafnorm des § 60 ZDG – einen tatsächlich erfolgten Dienstantritt voraus. Da der Bw den ihm zugewiesenen Zivildienst nie angetreten hat, kann das gegenständlich angefochtene Straferkenntnis somit nicht auf § 61 ZDG gestützt werden; vielmehr käme eine Verwaltungsstrafe wegen Nichtantretens des zugewiesenen Dienstes allein aufgrund des § 60 ZDG in Betracht.
Da der Bw, der aufgrund des (rechtskräftigen, wenn auch wohl gem. § 12 Z. 2 ZDG rechtswidrigen) Zuweisungsbescheides ab Beginn seiner Zuweisung am 1. Februar 2011 gem. § 11 Abs. 2 ZDG formal als Zivildienstleistender zu qualifizieren war, wegen seiner – wie sich aus dem psychologischen Gutachten ergibt – durchgehend länger als 18 Tage dauernden gesundheitlich bedingten Dienstunfähigkeit jedenfalls seit 19. Februar 2011 gem. § 19a Abs. 2 ZDG als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen gilt, scheidet aber eine Strafbarkeit auch nach § 60 ZDG naturgemäß von vornherein aus: § 60 leg.cit. setzt nämlich ein länger als 30 Tage dauerndes Nicht-Folge-Leisten der zivildienstlichen Zuweisung voraus. Eine Entlassung aus dem Zivildienst muss aber unter systematisch-teleologischen Gesichtspunkten mit dem Wegfall der Zuweisung verbunden sein (vgl. die diesbezüglich eindeutige Regelung des § 19a Abs. 4 leg.cit., der gemäß "nach Wegfall des Entlassungsgrundes sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen" hat). Ein solches länger als 30 Tage dauerndes Nicht-Folge-Leisten einer Zuweisung iSd § 60 ZDG kann daher schon aufgrund der vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst iSd § 19a Abs. 2 ZDG nicht vorliegen.
Da somit bereits der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist, scheidet eine Strafbarkeit auch nach § 60 ZDG schon aus diesem Grund aus.
3.3. Aber auch eine Bestrafung des Bw nach § 23c iVm § 65 ZDG wegen Unterlassens seiner Verständigungspflicht über die Dienstverhinderung durch den Oö. Verwaltungssenat ist schon deshalb ausgeschlossen, weil es dem UVS als Berufungsbehörde verwehrt ist, über eine Tat abzusprechen, die nicht Gegenstand des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz gewesen ist.
3.4. Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass die Bestrafung des Bw zu Unrecht erfolgte. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß §§ 64 ff VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220,- Euro zu entrichten.
Dr. W e i ß
Rechtssatz 1
ZDG §61
§ 61 ZDG setzt ("wer vorsätzlich den ihm zugewiesenen Dienst verlässt oder ihm fernbleibt") – in Abgrenzung zur Strafnorm des § 60 ZDG – einen tatsächlich erfolgten Dienstantritt voraus. Da der Bw den ihm zugewiesenen Zivildienst nie angetreten hat, kann das Straferkenntnis nicht auf § 61 ZDG gestützt werden.
Rechtssatz 2
ZDG §19a ZDG;
ZDG §60
Da der Bw, der aufgrund eines Zuweisungsbescheides ab Beginn seiner Zuweisung am 1. Februar 2011 gemäß § 11 Abs2 ZDG formal als Zivildienstleistender zu qualifizieren war, wegen seiner – wie sich aus dem psychologischen Gutachten ergibt – durchgehend länger als 18 Tage dauernden gesundheitlich bedingten Dienstunfähigkeit jedenfalls seit 19. Februar 2011 gemäß § 19a Abs2 ZDG als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen gilt, scheidet eine Strafbarkeit nach § 60 ZDG naturgemäß von vornherein aus: § 60 ZDG setzt nämlich ein länger als 30 Tage dauerndes Nicht-Folge-Leisten der zivildienstlichen Zuweisung voraus. Eine Entlassung aus dem Zivildienst muss aber unter systematisch-teleologischen Gesichtspunkten mit dem Wegfall der Zuweisung verbunden sein (vgl die diesbezüglich eindeutige Regelung des § 19a Abs4 ZDG, der gemäß "nach Wegfall des Entlassungsgrundes sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen" hat). Ein solches länger als 30 Tage dauerndes Nicht-Folge-Leisten einer Zuweisung iSd § 60 ZDG kann daher schon aufgrund der vorzeitigen Entlassung aus dem Zivildienst iSd § 19a Abs2 ZDG nicht vorliegen.