Linz, 24.08.2011
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 11.07.2009, Zl. VerkR21-222-2011/BR, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe statt gegeben, als der ausgesprochene Entzug der Lenkberechtigung auf 3½ Monate reduziert wird.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2011, § 7 Abs.1 Z1 u. Abs.3 Z10 iVm § 24 Abs.1 Z1, § 25 Abs.3 und § 32 Abs.1 Z1 Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2010;
§ 67d Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I
Nr. 111/2010.
Entscheidungsgründe:
Gestützt wurde die Entscheidung auf §§ 3 Abs.1 Ziffer 2, 7 Abs.1 Z2 und Abs. 3 Z10, 24 Abs. 1 Z1, 25 Abs. 1 und Abs. 3, 32 Abs. 1 Z1 Führerscheingesetz 1997 idgF (FSG)
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus:
1.2. Mit den Ausführungen zur Tatsachenwertung ist die Behörde erster Instanz teilweise im Recht!
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen nunmehrigen Rechtsvertreter erhobenen Berufung. Darin führt er nachfolgendes aus:
2.1. Dem Berufungsvorbringen, insbesondere wonach dem Entzugsregime kein punitiver Charakter zugeordnet werden dürfe kommt daher Berechtigung zu.
3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 25.7.2011 zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 67d Abs.1 u. 4 AVG).
Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt aus dem sich die für die Berufungsentscheidung wesentliche Faktenlage ergibt.
4. Zur Sache:
Unbestritten ist, dass gegen den Berufungswerber, wenn auch noch keine diesbezügliche gerichtliche Verurteilung, laut Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft Ried am 23.8.2011 unter der Geschäftszahl, 4 St 231/10y protokollierten Verfahren wegen des Verdachtes einer Tatbegehung nach §§ 223 u. 224 StGB vorliegt. Der Berufungswerber hat demnach mehreren Personen zu ausländischen Führerscheindokumenten verholfen haben, wobei diesbezüglich zumindest ein Betroffener bereits verurteilt wurde (LG Ried, 7 Hv 20/11 w). Damit hat der Berufungswerber zumindest billigend in Kauf genommen, dass nicht entsprechend ausgebildete und folglich staatlich (mit einer Lenkberechtigung) autorisierte Personen am Verkehr teilnahmen bzw. teilnehmen konnten.
Das der Berufungswerber jedoch auf Grund seiner Sinnesart selbst durch seine Verkehrsteilnahme die Verkehrssicherheit über einen derart langen Zeitraum noch gefährden würde oder ihm allenfalls mit seiner Lenkberechtigung die Gefährdung durch andere Verkehrsteilnehmer bis zum Ende des Jahres 2012 noch erleichtert wäre, lässt sich sachlich aber nicht nachvollziehen. Ebenfalls nicht, dass ihm über diese Zeitspanne dadurch die Begehung anderer Straftaten erleichtert wäre. Diesbezüglich steht das Strafrecht und nicht das Führerscheinrecht als entsprechendes Sanktionierungsinstrument u. Präventionsmittel zur Verfügung.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Zur Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs.1 u. Abs.3 Z10 FSG:
Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 hat gemäß Abs.3 insbesondere zu gelten, wenn jemand:
.......
9. eine nach Z8 bis Z11 demonstrativ genannte strafbare Handlung begangen hat;
Der § 7 Abs.3 FSG enthält eine beispielsweise Aufzählung von Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbaren Handlungen, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs.1 leg.cit. zu gelten haben und zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit führen können. Aus dem nur demonstrativen Charakter (insbesondere !) dieser Aufzählung ergibt sich allerdings, dass auch andere - als die im Abs.3 des § 7 leg.cit. explizit genannten - Gerichtsdelikte, die geeignet sind, die Verkehrszuverlässigkeit einer Person in Zweifel zu ziehen und als bestimmte Tatsache bilden können, wenn sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit den angeführten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen annähernd gleichkommen (vgl. z.B. VwGH 24. April 2001, 99/11/0218). Insofern stellen die im § 7 Abs.3 FSG genannten Tatbestände (nur) einen Maßstab für die Qualifizierung anderer Verhaltensweisen als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs.1 dar (vgl. auch das h. Erk. v. 31.3.2010, VwSen-522508/2/Sch/Bb/Th).
5.1. § 7 Abs.4 FSG:
Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Hier ist mit gutem Grund die Annahme gerechtfertigt, dass diese Art der aus der Sicht der Führerscheinbehörde begangenen strafbaren Handlungen auf eine insgesamt neun Monate währende Verkehrsunzuverlässigkeit schließen lässt. Beim Berufungswerber war daher zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch für weitere dreieinhalb Monate fortwährenden Verkehrsunzuverlässigkeit auszugehen (§ 25 Abs.3 erster Satz FSG).
Wenn auch hier der Berufungswerber keine in der im § 7 Abs.3 FSG demonstrativ angeführten Straftaten begangen hat, ist bei der Wertung von einer mit den dort angeführten Straftaten vergleichbaren "begangenen bestimmten Tatsache" auszugehen, wobei mit einem "Führerscheinhandel" die Verkehrsteilnahme nicht entsprechend ausgebildeter Fahrzeuglenker und damit billigend die Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Dritte in Kauf genommen wurde. Daraus ist für die angeführte Zeitspanne eine die Verkehrszuverlässigkeit ausschließende Sinnesart abzuleiten (vgl. VwGH 13.12.2011, 2001/11/0352). Dieses Entscheidung nimmt auch Bezug zur Rechtslage nach dem KFG – worin angesichts der Schwere der Tat – eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten ausgesprochen wurde.
5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von Personen, die vergleichbare strafbare Handlungen schon mehrfach beschäftigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Zl. 82/11/0372, ausgeführt, dass grundsätzlich jede strafbare Handlung ihrem Gehalt nach im Einzelfall auf ihre konkrete Eignung dahingehend zu überprüfen ist, ob sie für sich allein oder im Zusammenhang mit dem übrigen Verhalten der betreffenden Person zu deren Ungunsten eine Prognose im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 nach sich zu ziehen vermag. Diese Gedanken sind auf die Rechtslage nach dem FSG zu übertragen (VwGH 24.4.2001, 99/11/0218). Diesem Erkenntnis lag das Vergehen das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 1 und 224 StGB zu Grunde.
Der grundsätzliche Schluss der belangten Behörde im Rahmen ihrer Wertung zum Nachteil des Beschwerdeführers auf Grund der bestehenden deliktischen Verdachtslage auf eine "gefährliche Sinnesart zur Begehung von weiteren Straftaten" zu schließen ist hier ebenfalls nicht gänzlich von der Hand zu weisen.
Gestützt auf die oben zitierte Judikatur kann daher eine Verkehrsunzuverlässigkeitsprognose in diese Zeitspanne angenommen werden. Dies bedeutet andererseits, dass beim Berufungswerber noch vor Ablauf dieses Monates die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt haben wird.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Dr. B l e i e r