Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730170/2/SR/ER/Wu

Linz, 31.08.2011

 

E R K E N NT N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, StA Kosovo, vertreten durch x, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 23. Mai 2011, AZ.: 101155/FRB, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 23. Mai 2011, AZ.: 101155/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger des Kosovo, erstmalig im Jahr 1998 nach Österreich eingereist sei und hier einen Asylantrag gestellt habe, der negativ beschieden worden sei. Im Anschluss daran sei der Bw im Februar 2002 in den Kosovo zurückgekehrt. Am 10. September 2002 sei der Bw illegal über unbekannt nach Österreich eingereist und habe am 12. September 2002 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am 12. November 2004 vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) gemäß § 7 AsylG negativ und gemäß § 8 AsylG positiv entschieden worden. Daraufhin sei eine bis 31. Jänner 2005 befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Gegen die negative Entscheidung des UBAS habe der Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 sei die Behandlung der Beschwerde abgelehnt worden. Mit Wirkung vom 23. November 2010 habe der Verwaltungsgerichtshof die Ausweisung des Bw wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts mangels einer rechtskräftigen Entscheidung über die Asylanträge der Familienmitglieder aufgehoben und die übrige Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

 

Im weiteren Verfahren sei dem Bw die Erlassung einer Ausweisung mitgeteilt worden. Dazu habe der Rechtsanwalt des Bw ausgeführt, dass der Bw, nachdem der erste Asylantrag negativ beschieden worden sei, freiwillig in den Kosovo zurückgekehrt wäre, jedoch aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung und der schlechten wirtschaftlichen Situation im Kosovo direkt nach dem Krieg zurückgekehrt sei und am 12. September 2002 einen weiteren Asylantrag gestellt habe. Dieser sei am 3. Juli 2003 vom Bundesasylamt Linz abgewiesen worden. Der UBAS habe der Berufung teilweise Folge gegeben, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Bw für unzulässig erklärt und dem Bw den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung sei mit Bescheid des Bundesasylamts Linz am 27. Juli 2006 abgewiesen worden, über die dagegen eingebrachte Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof per 21. Oktober 2010 entschieden, dass die ausgesprochene Ausweisung des Bw aus dem Bundesgebiet inhaltlich rechtswidrig, die Aberkennung der subsidiären Schutzberechtigung zu Recht erfolgt sei. Dem Bw sei es gelungen, sich während der beinahe neunjährigen Verfahrensdauer seit seiner zweiten Einreise nach Österreich vorbildlich zu integrieren, aufgrund der Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung habe er davon ausgehen können, auch in Zukunft in Österreich verbleiben zu können. Der Bw habe während dieser neun Jahre seine Frau kennen und lieben gelernt, habe mit ihr eine Familie gegründet und habe immer das Familieneinkommen durch unselbständige Arbeit sichergestellt. Er sei sowohl beruflich als auch privat bestens integriert, arbeite bereits seit mehr als vier Jahren im selben Betrieb und werde als loyaler, pflichtbewusster und engagierter Mitarbeiter beschrieben. Das gesamte Familienleben des Bw finde in Österreich statt. Ein Onkel sei bereits seit 40 Jahren in Österreich und österreichischer Staatsbürger. Auch mehrere Cousins würden in Österreich leben, wobei einer dieser Cousins, selbst Vater von fünf Kindern, die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Diese aus drei Familien bestehende Verwandtschaft verbringe beinahe jedes Wochenende gemeinsam.

Zur restlichen im Kosovo verbliebenen Familie bestünde sporadischer Kontakt. Für den Fall einer Ausweisung könne der Bw weder bei seiner im Kosovo verbliebenen Familie noch bei der Familie seiner Frau Unterkunft finden. Sämtliche Geschwister des Bw seien verheiratet und würden ein eigenes Familienleben führen, auch die Landwirtschaft seiner Eltern biete nicht ausreichend Platz, da in einem Haus mit vier Zimmern bereits acht Personen leben würden.

Die Schwiegermutter und der Schwager des Bw würden gemeinsam in einem 30m² kleinen Haus wohnen, die Schwiegermutter sei zudem zuckerkrank und auf die finanzielle Unterstützung des Bw angewiesen, um die medizinische Versorgung finanzieren zu können. Darüber hinaus sei es dem Bw nicht möglich, im Kosovo Arbeit zu finden.

Vor diesem Hintergrund beantragte der Rechtsvertreter des Bw, die Ausweisung gem. § 66 Abs. 3 FPG als dauerhaft unzulässig zu erklären.

 

In ihrer rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde aus, dass die Ausweisung nach achteinhalbjährigem Aufenthalt einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privatleben des Bw bedeute, der aber dadurch zu relativieren sei, dass dieser Aufenthalt auf einem offensichtlich unbegründeten Asylantrag basiere. Spätestens seit Zustellung des ersten abweisenden Bescheids am 28. Juni 2002 hätte dem Bw bewusst sein müssen, dass es sich bei einer Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handle. Auch auf Grund der mit 12. November 2004 rechtskräftig gewordenen Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung hätte der Bw nicht davon ausgehen dürfen, über eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung zu verfügen; für die Abschiebeunzulässigkeit sei der gesundheitliche Zustand des Bw und die mangelnde medizinische Versorgungsmöglichkeit im Kosovo ausschlaggebend gewesen. Sollten sich diese beiden Parameter ändern, würde sich auch ein rechtlich anderer Sachverhalt ergeben, weshalb der Bw nicht darauf vertrauen hätte dürfen, dass sein Aufenthalt in Österreich dauerhaft sei.

Der Bw habe seine Frau am x – also vor der Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung – geheiratet und mit ihr im Bewusstsein des unsicheren Aufenthaltsstatus eine Familie gegründet. Spätestens mit der Entscheidung des UBAS vom 26. September 2006 über die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten hätte dem Bw klar sein müssen, dass sein Aufenthalt in Österreich begrenzt sein könne.

Durch die Ausweisung werde nicht in das Familienleben eingegriffen, da die Gattin und die beiden gemeinsamen Kinder, die sich ebenfalls illegal in Österreich befänden, auch ausgewiesen würden.

Die enge Bindung zu in Österreich ansässigen Familienmitgliedern sei zu relativieren, da es sich dabei nicht um geschützte familiäre Bindungen nach dem FPG handle. Auch die berufliche Integration sei durch den Umstand zu relativieren, dass die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthalts erworben worden seien, der auf einem nicht berechtigten Asylantrag gefußt habe.

Auch die Unbescholtenheit des Bw und seine Berufstätigkeit seien nicht dazu geeignet, seine Interessen am Verbleib in Österreich maßgeblich zu verstärken.

Eine Reintegration in den Kosovo erscheine aufgrund der dort immer noch ansässigen Familien des BW und seiner Gattin als möglich, der Bw könne dort mit Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt verdienen, er spreche die Sprache und habe einen großen Teil seines bisherigen Lebens dort verbracht.

 

Am 13. Dezember 2010 habe der Bw beim Magistrat der Stadt Linz einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gem. § 43 Abs. 2 NAG gestellt, welcher keinen Rechtsanspruch auf Verbleib in Österreich während des aufrechten Verfahrens begründe. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich habe dazu bereits am 7. März 2011 eine begründete Stellungnahme abgegeben, in der festgestellt worden sei, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen zulässig seien.

 

Der Bw sei seit rechtskräftiger negativer Asylentscheidung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen erscheine unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK zulässig und unbedingt erforderlich.

 

Der geschilderte Sachverhalt stelle eine so schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, dass die Ausweisung geboten sei. Das in § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen sei daher im Sinne des Bescheidspruches zu handhaben.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011. Darin werden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und eine Ausweisung als auf Dauer unzulässig auszusprechen, in eventu den Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

 

Zum Sachverhalt verweist der Rechtsvertreter auf sämtliche bisherige Vorbringen und erhebt diese zum integrierenden Bestandteil seiner Berufungsschrift.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung durch die belangte Behörde hätte festgestellt werden müssen, dass eine Ausweisung des Bw auf Dauer unzulässig sei. Im Lichte des § 66 (nunmehr § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) FPG i.V.m. Art. 8 EMRK hätte eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, da die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw insbesondere unter Berücksichtigung der in Abs. 2 des § 66 (nunmehr § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) FPG genannten Kriterien schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

 

Die belangte Behörde hätte ihre Erwägungen zur Ausweisung des Bw lediglich darauf gestützt, dass das Privat- und Familienleben des Bw während eines ihm bewussten unsicheren Aufenthalts entstanden sei. Dem sei entgegen zu halten, dass sich die Integration des Bw während des Zeitraums entwickelt hätte, in dem er über subsidiären Schutz im Asylverfahren verfügt habe. In diesem Zeitraum hätte sich der Bw seines unsicheren Aufenthalts nicht bewusst sein müssen, insbesondere da eine drastische Verbesserung der medizinischen Versorgungsmöglichkeit sowie der Verfügbarkeit und Leistbarkeit der entsprechenden Medikamente im Kosovo entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht absehbar gewesen sei.

Die einschlägige Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs sei von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden.

 

Ergänzend zu seinen bisherigen Vorbringen bringt der Rechtsvertreter vor, dass sich der Bw bereits seit 2002 – somit seit neun Jahren – in Österreich aufhalte und entsprechend integriert sei. Seine beiden Kinder seien in Österreich geboren, würden hier Kindergarten bzw. Schule besuchen, sowie in Vereinen engagiert sein und – wie sämtliche Familienmitglieder – sehr gut Deutsch sprechen. Die Kinder hätten keinen Bezug zum Kosovo.

 

Der Bw verfüge über Deutschzertifikate der Stufe A2, gehe einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach und stelle den Familienunterhalt  eigenständig sicher.

 

Das gesamte Privat- und Familienleben spiele sich in Österreich ab, wo auch zahlreiche weitere Familienmitglieder, zu denen enger Kontakt bestehe, leben würden. Es wird erneut hervorgehoben, dass eine Reintegration der vierköpfigen Familie des Bw in den Kosovo aufgrund der dort vorherrschenden familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich sei.

 

3. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Betreffend den von der belangten Behörde in ihrer Sachverhaltsdarstellung dargestellten Verfahrensablauf sind auf Grund der Aktenlage folgende Korrekturen bzw. Ergänzungen vorzunehmen:

 

Das Asylverfahren des Bw wurde am 12. November 2004 vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) gemäß § 7 AsylG negativ und gemäß § 8 AsylG positiv entschieden. Daraufhin ist eine bis 11. November 2005 (nicht bis 31. Jänner 2005) befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Gegen die negative Entscheidung des UBAS brachte der Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Mit Beschluss vom 22. November 2005 (nicht 6. Dezember 2005) wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Nach Ablauf der befristeten Aufenthaltsbewilligung stellte der Bw am 21. Dezember 2005 einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Aufenthalts, der am 27. Juli 2006 vom Bundesasylamt abgelehnt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig Berufung. Mit Bescheid des UBAS vom 26. September 2006, GZ.: 209.062/24-XVIII/58/06, wurde dem Bw gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und der Bw gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG ausgewiesen. Dagegen brachte der Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Am 21. Oktober 2010 hob der Verwaltungsgerichtshof die Ausweisungsentscheidung auf, da mit dieser in das durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben des Bw eingegriffen werde, weil die anhängigen Asylverfahren der Gattin und der Kinder des Bw zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig entschieden waren und es durch eine asylrechtliche Ausweisung des Bw möglich gewesen wäre, dass dieser das Bundesgebiet ohne seine Familie verlassen hätte müssen. Die übrige Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

 

Am 2. Juni 2010 wurden die anhängigen Asylverfahren der Gattin und der Kinder des Bw mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs negativ entschieden. Im Hinblick auf das mit aufschiebender Wirkung versehene Asylverfahren des Bw vor dem Verwaltungsgerichtshof nahm der Asylgerichtshof von einer Ausweisungsentscheidung Abstand.

 

Mit dem bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 2011 wurden sämtliche Mitglieder der Kernfamilie ausgewiesen.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurde die Ausweisung auf Basis des § 53 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) erlassen, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist.

 

4.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings ist bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung sowohl auf Art. 8 EMRK als auch § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.3.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

In Anbetracht der am 12. September 2002 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet der Republik Österreich und des fast neun Jahre währenden Aufenthaltes im Bundesgebiet ist dem Bw eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zu zugestehen.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Dem Bw musste bewusst sein, dass er ein Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes, in dem er einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatte, geschaffen hat, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Er durfte nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Im Hinblick auf den beinahe neun Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen.

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines knapp über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung – auch bei einem Eingriff nur in sein Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob wegen eines besonders stark ausgeprägten persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich akzeptiert werden muss, dass der Bw mit seinem Verhalten (illegale Einreise und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) im Ergebnis versucht, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen (Hinweis E 24. Oktober 2007, 2007/21/0361), vgl. 2007/21/0074 17.07.2008.

Der belangten Behörde folgend ist festzustellen, dass lediglich das Privatleben des Bw von einer Ausweisung betroffen ist, zumal ja sämtliche Mitglieder der Kernfamilie von der Maßnahme gleichermaßen betroffen wären, wodurch das Familienleben an sich nicht tangiert sein kann.

 

Bezüglich der Dauer und der Natur des Aufenthalts kann der Bw auf eine relativ lange Dauer verweisen (am 12. September 2011 hält sich der Bw neun Jahre seit dem zweiten Asylantrag in Österreich auf), wobei der größte Teil davon wegen des aufrechten Asylverfahrens bzw. der Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung legal war.

 

Hinsichtlich der Qualifikation der Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter kommt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass Art. 8 EMRK gebiete, in einer Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass nach einem beinahe 13-jähriger Aufenthalt, der sich zudem auf eine mehrjährige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte stützt, wohl eine Verankerung in Österreich gegeben sein könnte. (U642/10 vom 29.9.2010)

 

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010, 2009/21/0055, lässt den Schluss zu, dass die Einräumung von subsidiärem Schutz schwerer wiegt als ein bloßer unsicherer Aufenthalt aufgrund eines anhängigen Asylverfahrens. In der Beschwerde geltend gemachte Schwierigkeiten sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen, wenn das Heimatland ohne ausreichenden, die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden Grund, verlassen wurde.

 

Bezüglich des von der belangten Behörde ins Treffen geführten unsicheren Aufenthalts des Bw ist insbesondere auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

 

Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw schon seit rund 9 Jahren im Bundesgebiet, – davon den überwiegenden Teil mittels Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber bzw. Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter - wo er nicht nur seit über acht Jahren einer nahezu ununterbrochenen Erwerbstätigkeit nachgeht, selbsterhaltungsfähig und sozialversichert ist, sondern auch seinen Wohnsitz gemeldet hat.

 

Sein derzeitiger Arbeitgeber intendiert eine weitere Beschäftigung. Zudem ist er strafgerichtlich unbescholten.

 

Es kann dem Bw wohl nach einem knapp 9-jährigen Aufenthalt ein hohes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür sprechen auch die vom Bw glaubhaft vorgebrachten, mittels Zertifikat des Niveaus A2 dokumentierten und auch behördlich festgestellten Deutschkenntnisse. Die jüngste Rechtsprechung des VwGH ist hier also einschlägig.

 

Weiters genießt im vorliegenden Fall die soziale Integration einen hohen Stellenwert. Belegt ist dies dadurch, dass der Bw ua. durch sein Arbeitsumfeld sowie durch die von ihm geltend gemachten und von der belangten Behörde nicht widerlegten Kontakte zu in Österreich ansässigen Personen, darunter auch österreichische Staatsangehörige, sozial integriert ist. Darüber hinaus belegen Empfehlungsschreiben seines Arbeitgebers, mehrerer Kollegen, Nachbarn und Bekannten seine umfassende soziale Integration.

 

Nach dem in Rede stehenden Zeitraum ist durchaus nachvollziehbar, dass die Bindung an den Heimatstaat keine relevante Ausprägung erreicht hat und glaubhaft, dass die Beziehung zu den im Herkunftsstaat lebenden Verwandten äußerst unregelmäßig gepflegt wird. Demgegenüber ist nicht unerheblich, dass der Bw 29 Jahre im Kosovo gelebt hat.

 

Die Schilderung der Lebensumstände der im Kosovo lebenden Verwandten sowie die finanzielle Abhängigkeit der zuckerkranken Schwiegermutter des Bw bleibt von der belangten Behörde unbestritten; die Annahme, dass der Bw im Falle einer Rückkehr familiären Rückhalt vorfinden würde, wird von der belangten Behörde nicht weiter argumentativ untermauert, ebensowenig der Verweis, der (gesundheitlich erheblich beeinträchtigte) Bw könnte – im bekanntlich wirtschaftlich schwer angeschlagenen Kosovo – durch Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt verdienen.

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gibt (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 30. April 2009, Zlen 2008/21/0288 bis 290 mit Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 27. Mai 2008, Nr. 26.565/05, N. gegen das Vereinigte Königreich; Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 2008, B 2400/07).

 

Abstellend auf den Gesundheitszustand des Bw und seinem bisherigen Krankheitsverlauf, ist zu erkennen, dass die behördliche Prognose nicht so ohne weiteres getroffen werden kann. Gerade auf Grund der Folgen seiner Tumorerkrankung und dem Erfordernis der regelmäßigen Medikamenten-einnahme – diese Umstände haben die Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung begründet – bedarf der Bw eines geregelten Einkommens, um eine regelmäßige medizinische Versorgung durch ein geregeltes Einkommen sicherzustellen.

 

Neben dem gesundheitlichen Aspekt, der für sich alleine besehen eine Rückkehrentscheidung nicht unzulässig machen würde, sprechen die weiteren ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umstände für ein Absehen von einer solchen Maßnahme. Neben der wirtschaftlichen Absicherung, die im vorliegenden Fall zur Sicherstellung der regelmäßig erforderlichen medizinischen Versorgung unbedingt notwendig ist, kommt der Integration der weiteren Familienangehörigen eine ausschlaggebende und entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Beide Kinder des Bw sind in Österreich geboren (x und x), sprachlich, kulturell und sozial integriert. Eine Ausweisung dieser (im Familienverband) würde eine Verletzung des Art. 8 EMRK bedeuten.

 

Gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH und VfGH ist in diesem Fall hinsichtlich der Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss.

 

Die dargelegten Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Bw an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig ist.

 

4.5. Im Ergebnis ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Bw auf Dauer unzulässig.

 

4.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Da der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß      § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Mag. Stierschneider

 

 

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