Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730425/2/SR/Jo

Linz, 05.09.2011

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x (alias x), kroatischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 20. Oktober 2009, GZ Sich40-9253, mit dem gegen den Berufungswerber ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

     Žalba se usvaja a osporeno rješenje ukida bez prava na naknadu.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 9 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 20. Oktober 2009, GZ Sich40-9253, wurde gegen den Bw auf der Grundlage des § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 8 iVm §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen die Aufenthaltsverbote ausgeschlossen.

 

Die belangte Behörde ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Sie sind kroatischer Staatsangehöriger. Am 20.10.2009 wurde anlässlich einer Kontrolle in x durch Beamte der PI x festgestellt, dass Sie in x, mit Umbauarbeiten am Haus x beschäftigt waren. Sie sind bei Ihrem Onkel x in x, auf Besuch. Ihr Onkel brachte Sie auch auf die Baustelle nach x. Geld haben Sie nach eigenen Angaben dafür keines erhalten. Nach eigenen Angaben arbeiteten Sie nicht, da Sie aber in Arbeitskleidung angetroffen wurden und sich versteckten, als die Polizeibeamten kamen, ist Ihre Behauptung als Schutzbehauptung zu werten.

 

In der rechtlichen Würdigung ging die belangte Behörde davon aus, dass der Bw bereits bei der Einreise die Absicht gehabt habe, im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese Tatsache wiege so schwer, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei und auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes sei dieses zulässig.

 

Unter Bezugnahme auf § 64 Abs. 2 AVG stellte die belangte Behörde fest, dass der Bw als Tourist sichtvermerksfrei eingereist sei und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der nunmehrige Rechtsvertreter des Bw innerhalb offener Frist Berufung erhoben.

 

Der Rechtsvertreter führte im Wesentlichen aus, dass weder der Bw unter Beiziehung eines Dolmetschers noch die weiteren anwesenden Personen befragt worden seien. Ein ordentliches Ermittlungsverfahren (Erhebung der be- und entlastenden Beweise) habe nicht stattgefunden. Der Bw sei bei seinem Onkel auf Besuch gewesen und habe diesen ersucht, auf die Baustelle mitkommen zu dürfen. Um nicht schmutzig zu werden, sei ihm eine alte Hose gegeben worden. Auf der Baustelle habe er die Arbeiten beobachtet, sei beim Eintreffen der Polizeibeamten am Türstock gelehnt und habe sich nicht versteckt. Zeugen könnten diese Angaben bestätigen.

 

3. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt.

 

3.1. Der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich hat mit Bescheid vom 14. Juni 2011, GZ E1/20470/2009, der Berufung Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Neuverhandlung und allfälliger Erlassung eines Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

Im Wesentlichen stellte die mangelhafte Sachverhaltsermittlung den Anlass für die Zurückverweisung dar.

 

3.2. Mit Aktenvermerk vom 5. Juli 2011 hat die belangte Behörde das Aufenthaltsverbotsverfahren eingestellt, da sich der Vorfall auf Grund der lange zurückliegenden Tatzeit nicht mehr nachvollziehen lasse.

 

3.3. Mit Bescheid vom 17. August 2011, GZ-BMI-1040374/0001-II/3/2011, hat die Bundesministerin für Inneres den Bescheid des Sicherheitsdirektors von Oberösterreich vom 14. Juni 2011 von Amts wegen für nichtig erklärt und sich bei der Entscheidung auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG gestützt.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097-5, nunmehr offenkundig sei, dass der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich für die Erlassung des vorliegenden Bescheides sachlich unzuständig gewesen sei und der Bw daher in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden wäre.

 

Bedingt durch die Nichtigerklärung des Berufungsbescheides sei das Berufungsverfahren wieder offen und der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich für das fortgesetzte Verfahren zuständig.

 

3.4. Die belangte Behörde hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 23. August 2011 den bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Vorlageakt der belangten Behörde.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist.

 

Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

Für eine allfällige Überleitung von Aufenthaltsverboten, die in der Fassung des FPG vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 auf § 60 gestützt wurden, findet sich keine dem § 125 Abs. 14 FPG vergleichbare Bestimmung.

 

Ein Aufenthaltsverbot bestand grundsätzlich aus zwei Elementen: zum Einen ist dies der Außerlandes-Verweis (rechtsterminologisch: Ausweisung oder nunmehr auch Rückkehrentscheidung); zum Anderen ist dies das Verbot ins Bundesgebiet wieder einzureisen.

 

Diese rechtlichen Elemente normierte der Gesetzgeber in § 52 iVm. § 53 des FPG in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 38/2011 im Hinblick auf den Personenkreis nicht zum Aufenthalt berechtigter Drittstaatsangehöriger.

 

Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger, für begünstigte Drittstaatsangehörige, für Drittstaatsangehörige die Familienangehörige von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind, sowie für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel finden sich gesonderte Regelungen.

 

Daraus folgt aber, dass für Personen gegen die ein Aufenthaltsverbot gemäß      § 60 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 verhängt wurde und die über keinen Aufenthaltstitel verfügen, im Berufungsverfahren nach dem FPG in der nunmehr geltenden Fassung zur Prüfung §§ 52 und 53 heranzuziehen sind.

 

Unbestritten ist, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen wurde und der Bw über keinen Aufenthaltstitel verfügt.

 

4.2. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 53 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot unter einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß Abs. 2 Z. 7 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3.

 

4.3. Wie sich aus dem Vorlageakt ergibt, war der Bw zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet berechtigt.

 

Unabhängig davon, auf welche Bestimmungen (Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot; Aufenthaltsverbot) die von der belangten Behörde angenommene Tatsache zu stützen wäre, lässt der vorliegende Sachverhalt klar erkennen, dass die ursprüngliche Annahme der belangten Behörde keinesfalls aufrecht zu erhalten ist.

 

Trotz entgegenstehender niederschriftlicher Ausführungen hat die PI x den Bw einer Verwaltungsübertretung verdächtigt und eine Anzeige an die belangte Behörde erstattet. Die Darstellung der "Tat" beschränkte sich auf die Angabe "Arbeiten auf Baustelle ohne gültiges Visum". Diese "Übertretung" sei dienstlich wahrgenommen worden.

 

Ohne weiteres Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde auf Grund "dieser Anzeige und den darin enthaltenen Sachverhaltsangaben" das vorliegende Aufenthaltsverbot erlassen. Nach der Aufhebung und Zurückverweisung ist die belangte Behörde zur Erkenntnis gelangt, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht vorliegen und hat daher das Aufenthaltsverbotsverfahren eingestellt.

 

In rechtlicher Hinsicht ist der belangten Behörde zu folgen.

 

Im Hinblick darauf, dass dem Verwaltungsakt nicht einmal ansatzweise eine Verwaltungsübertretung des Bw entnommen werden kann, weitergehende Erhebungen mangels Ansatzpunkte in der Anzeige vom 20. Oktober 2009 unmöglich sind und der Bw nach Beendigung seines Besuches bei seinem Onkel das Bundesgebiet am 22. Oktober 2009 nachweislich verlassen hat, war dem Berufungsvorbringen zu folgen.

 

4.4. Der Berufung war stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

Pouka o pravnom lijeku

 

Protiv ovog Rješenja nije dozvoljeno uredno pravno sredtsvo.

 

Napomena:

Protiv ovog Rješenja može se uložiti žalba u roku od šest sedmica od dana dostavljanja istog na Ustavni ili Upravni sud. Žalbu mora - osim uz zakonom propisane izuzetke - uložiti i potpisati ovlašteni advokat. Na svaku žalbu plaća se taksa u visini od 220 Euro.

 

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

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