Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240839/4/Gf/Mu/Rt

Linz, 16.08.2011

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung der x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB96-20-2011, wegen einer Übertretung des AIDS- und des Geschlechtskrankheitengesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die zu Spruchpunkt 1. verhängte Geldstrafe auf 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 28 Stunden herabgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.      

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf insgesamt 57 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB96-20-2011, wurde gegen die Beschwerdeführerin zum eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 80 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 200 Euro) und zum anderen eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 7 Euro) verhängt, weil sie seit Mitte des Jahres 2009 bis zum 10. Jänner 2011 der Prostitution nachgegangen sei, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit und in der Folge periodisch wiederkehrend einer Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion sowie auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten unterzogen zu haben. Dadurch habe sie einerseits eine Übertretung des § 4 Abs. 2 des AIDS-Gesetzes, BGBl.Nr. 728/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: AIDS-G), und zum anderen eine Übertretung des § 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl.Nr. 314/1974, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 591/1993 (im Folgenden: ProstitutionsV), begangen, weshalb sie nach § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G sowie nach § 12 Abs. 2 des Ge­schlechts­krankheitengesetzes, StGBl.Nr. 152/1945, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: GeschlKrG), zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das der Rechtsmittelwerberin angelastete deliktische Verhalten auf Grund ihrer eigenen niederschriftlichen Angaben vor der Polizeiinspektion Traun als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin und deren nachträgliches Wohlverhalten als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; die von ihr bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Nettoeinkommen: 1.500 Euro; keine Sorgepflichten; Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 6.000 Euro) seien entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihr am 21. Juni 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 20. Juli 2011 abgefasste und am selben Tag zur Post gegebene, wegen nachgewiesener zwischenzeitlicher Ortsabwesenheit vom 15. Juni bis zum 17. Juli 2011 als rechtzeitig zu wertende Berufung.

Darin sowie im Zuge einer nachträglichen Ergänzung führt die Rechtsmittelwerberin zusammengefasst aus, dass sie in den Jahren 2009 und 2010 ohnehin in ihrem eigenen Interesse in T periodische AIDS-Tests habe vornehmen lassen und hierüber auch entsprechende – jeweils negative – Befunde vorlegen könne. Daher sei es tatsächlich zu keiner Gefährdung ihrer Kunden gekommen. Hingegen treffe es zu, dass sie über kein sog. "Gesundheitsbuch" verfügt habe, weshalb sie die diesbezügliche Strafe auch akzeptiere und bereits bezahlt habe.

Daher wird in ihrer auf die Bekämpfung der mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses festgesetzten Strafhöhe eingeschränkten Berufung eine Herabsetzung der Geldstrafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu Zl. SanRB96-20-2011; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 AIDS-G begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder diese an anderen vornimmt, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit und in der Folge periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein vom Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben.

 

Nach § 12 Abs. 2 GeschlKrG i.V.m. § 1 ProstitutionsV begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 70 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Monaten zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder diese an anderen vornimmt, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit und in der Folge regelmäßig im Abstand von 1 Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankhei­ten unterzogen zu haben.

 

3.2. Vorweg ist aus rechtstheoretischer Sicht darauf hinzuweisen, dass im ge­genständlichen Fall durch die mehrfache, auf ein und derselben Faktenlage basierende Bestrafung der Rechtsmittelwerberin trotz des Fehlens wechselseiti­ger, (nicht bloß auf Gerichtsdelikte, sondern darüber hinaus) spezifisch auf das Verhältnis zwischen dem AIDS-G und dem GeschlKrG Bezug nehmender Subsidiaritätsklau­seln kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungs- bzw. ‑verfolgungsverbot des Art. 4 des 7.ZPMRK resultiert: Dies deshalb, weil die parallele Verfolgung und Bestrafung wegen der Übertretung des AIDS-G einerseits und des GeschlKrG andererseits hier simultan erfolgte und nicht erst, nachdem bereits über eines dieser beiden Delikte rechtskräftig entschieden war (vgl. dazu näher A. Grof, Ne bis in idem – das "Zolotukhin"-Urteil des EGMR, Spektrum der Rechtswissenschaften 1/2011-V&V-J, 1 ff).

 

3.3. Im gegenständlichen Fall steht auf Grund der im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme bei der Polizeiinspektion Traun abgelegten Aussage der Beschwerdeführerin zweifelsfrei fest, dass sie während des ihr angelasteten Tatzeitraumes die Prostitution ausgeübt, sich jedoch weder vor der Aufnahme noch in der Folge während dieser Tätigkeit einer der nach § 4 Abs. 2 AIDS-G und § 1 ProstitutionsV vorgesehenen amtsärztlichen Untersuchung unterzogen hat.

 

Da sie es nach ihren eigenen Angaben unterlassen hat, sich hierüber zeitgerecht bei einer kompetenten Stelle zu informieren, hat sie sohin auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt; ihre Strafbarkeit ist daher gegeben.

 

3.4. Im Zuge der Strafbemessung war neben der bisherigen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin nicht nur der Umstand, dass sie die erforderlichen amtsärztlichen Untersuchungen im unmittelbaren Anschluss an die im Zuge ihrer niederschriftliche Einvernahme erfolgte Rechtsbelehrung nachgeholt hat, sondern auch als strafmildernd zu berücksichtigen, dass sie, wie dies aus den entsprechenden, im Zuge des Berufungsverfahrens nachgereichten Unterlagen hervorgeht, während des Tatzeitraumes ohnehin mehrmals – wenngleich nicht von einem Amtsarzt, sondern lediglich – in einem öffentlichen Krankenhaus in B (beispielsweise am 17. Juli 2009, am 18. Dezember 2009 und am 16. Juli 2010) dementsprechende Untersuchungen durchführen ließ, die jeweils einen negativen Befund ergaben. Tatsächlich war daher eine Gesundheitsgefährdung ihrer Kunden offensichtlich nicht gegeben.

 

Dazu kommt schließlich auch noch, dass mit dem erst nach der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses hervorgekommenen Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 30. Mai 2011, Zl. 17-Se-67/11v-5, ein Insolvenzantrag gegen die Rechtsmittelwerberin (und damit die Eröffnung eines Privatkonkurses) mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde, die Rechtsmittelwerberin also – anders als noch zum Zeitpunkt des angefochtenen Straferkenntnisses – gegenwärtig weder über ein Einkommen noch über Vermögen verfügt, dem gegenüber jedoch Verbindlichkeiten in einer Höhe von über 15.000 Euro aufweist.

 

All dies berücksichtigend findet es der Oö. Verwaltungssenat als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, die zu Spruchpunkt 1. verhängte Geldstrafe auf 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 28 Stunden herabzusetzen.       

 

3.5. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf insgesamt 57 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war der Beschwerdeführerin hingegen gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

 

VwSen-240839/4/Gf/Mu/Rt vom 16. August 2011, Erkenntnis

 

7.ZPMRK Art4;

AIDS-Gesetz §4;

AIDS-Gesetz §9;

GeschlKrG §12;

ProstitutionsV §1

 

Eine mehrfache, auf ein und derselben Faktenlage basierende Bestrafung trotz des Fehlens wechselseitiger, (nicht bloß auf Gerichtsdelikte, sondern darüber hinaus) spezifisch auf das Verhältnis zwischen dem AIDS-G und dem GeschlKrG Bezug nehmender Subsidiaritätsklauseln bildet dann keinen Verstoß gegen das Doppelbestrafungs- bzw ‑verfolgungsverbot des Art 4 des 7.ZPMRK, wenn die parallele Verfolgung und Bestrafung wegen der Übertretung des § 4 Abs 2 AIDS‑G einerseits und des § 1 ProstitutionsV iVm § 12 Abs 2 GeschlKrG andererseits simultan erfolgte und nicht erst, nachdem bereits über eines dieser beiden Delikte rechtskräftig entschieden war.

 

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