Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550582/3/Wim/Rd/Bu

Linz, 23.09.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der x AG, x,  vertreten durch x Rechtsanwälte GmbH, xgasse x, x, vom 16. September 2011 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der x GmbH betreffend das Vorhaben "Musiktheater x, Paket 8/2 Audio-Video", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin x GmbH die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  16. November 2011, untersagt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 16. September 2011 hat die x AG (im Folgenden: Antragstellerin) Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidensent­scheidung und der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einst­weiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Ent­scheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.750 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftrag­geberin mit Bekanntmachung vom 25.3.2011, veröffentlicht im Supplement zum ABl 2011/S 59-095432, ein Vergabeverfahren betreffend die Beschaffung der bühnentechnischen Audio-/Videoanlagen samt elektronischer Ausstattung für das neue Musiktheater x eingeleitet habe und es sich um einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich handle. Der Auftragswert des gegenständlichen Teils liege deutlich unter dem EU-Schwellenwert von 4,845.000 Euro. Die Planung und die Angebotsprüfung erfolgte durch die x AG (DE).

 

Nach Zitierung des Pkt. 00.11.31.Z der Vergabebestimmung wurde vorgebracht, dass das über 700-seitige Leistungsverzeichnis (LV) an keiner einzigen Stelle ein bestimmtes Fabrikat enthalte (Leitfabrikat). Die zitierte Vergabebestimmung gehe davon aus, dass im LV Produkte genannt sind (arg: "im LV angeführten Produkte"). Die Bestimmung, wonach die "im LV angeführten Produkte" als beispielhafte Beschreibung zu betrachten seien, könne sich sohin nur auf die im LV (ohne Leitfabrikat) festgelegten Anforderungen beziehen und seien diese Anforderungen insofern mit dem "Produkt" gleichzusetzen. Andernfalls wäre die gegenständliche Vergabebestimmung überflüssig. In Pkt. 4 des von der Auftrag­geberin vorgegebenen Angebotsschreibens (ebenfalls Teil der Ausschreibungs­unter­lage) sei korrespondierend zur genannten Vergabebestimmung eine vom Bieter mit Ja oder Nein ankreuzbare Erklärung enthalten. Die Ausschreibung (insbesondere das LV) enthalte keinerlei Leitfabrikate. Der Ausdruck "gilt das in der Ausschreibung als Beispiel angeführte Erzeugnis als angeboten", könne sich daher wiederum nur auf die in der Ausschreibung festgelegten Anforderungen beziehen.

 

Die Angebotsöffnung erfolgte am 16.5.2011, wobei die Gesamtpreise der Bieter, wie nachstehend angeführt, verlesen wurden.

1. x (DE)                                    3.199.836,80 Euro

2. x (DE)                                    3.358.494,91 Euro

3. x AG (AT)                               3.585.091,77 Euro

4. x GmbH (DE)                          3.670.292,36 Euro

5. x (DE)                                    3.732.796,49 Euro

6. x (AT)                                     3.910.000,00 Euro

7. x (AT)                                     4.095.464,39 Euro

 


Die Antragstellerin sei an dritter Stelle gereiht. Zuschlagskriterium sei der Preis.

 

Am 6.9.2011 sei die Entscheidung, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden und die Zuschlagserteilung zu Gunsten der x GmbH zu erteilen, mitgeteilt worden. Aufgrund der preislichen Reihung der Bieter und der Festlegung des Billigstbieterprinzips ergebe sich, dass die Auftraggeberin die ersten drei Bieter ausgeschieden und dem viertplazierten Bieter den Zuschlag erteilen wolle.

 

Die Ausscheidensentscheidung wurde damit begründet, dass bei diversen Positionen die Gleichwertigkeit der angebotenen Produkte gegenüber den Mindestanforderungen der Ausschreibung nicht nachgewiesen worden seien. Auf den Wortlaut der Leistungsbeschreibung bezogen, seien erhebliche Unterschiede festgestellt und seien die in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Kriterien, insbesondere für das angebotene Mischpult mit Audionetzwerk, den angebotenen Studiohallprozessor und die angebotenen 32" Monitore, nicht erfüllt worden. Eine konkrete Angabe, welche Positionen nicht den Anforderungen entsprechen würden, welche erheblichen Unterschiede vorlägen und welche Anforderungen nicht erfüllt worden seien, fehle der Begründung völlig.

 

Über gesonderte Aufforderung sei der Antragstellerin am 12.9.2011 eine Wertung der Angebote übermittelt worden. Darin sei erstmals angeführt worden, welche Anforderungen nicht erfüllt seien. Die in der Wertung der Angebote genannten Kritikpunkte seien aber allesamt unzutreffend und offenbar an einer ausschließlich dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung folgenden Auslegung orientiert.

 

So sei ua beanstandet worden, dass die angebotenen 32" Monitore keinen DVI-Eingang besitzen würden. Tatsächlich würden die angebotenen Monitore über 3 HDMI-Eingänge verfügen. Einem fachlich versierten Angebotsprüfer hätte klar sein müssen, dass es sich bei HDMI-Schnittstellen lediglich um weiterentwickelte DVI-Schnittstellen handle, wobei diese voll abwärtskompatibel seien. An die drei Eingänge der angebotenen 32" Monitore könnten auch DVI-Geräte angeschlossen werden und würden diese sohin sehr wohl über einen DVI-Eingang verfügen.

Weiters sei bemängelt worden, dass die 32" Monitore nicht nach ISO 13406-2 eine Klassifikation Cl.2 besitzen würden. Die Klassifizierung besage aber im Wesentlichen bloß, wie viele Pixel des Monitors (LCD-Monitor) defekt sein dürften. Die angebotenen Monitore würden diese Anforderung erfüllen bzw würden diese bei Überschreitung der zulässigen Pixeldefekte als Gewährleistungsfall ausgetauscht werden.

Auch für alle übrigen Anforderungen gelte, dass diese entgegen der von der x AG verfassten Wertung der Angebote vom 6.7.2011 erfüllt seien.

 

Ungeachtet des Umstandes, dass das Angebot der Antragstellerin alle Anforderungen der Ausschreibung erfülle, sei festzuhalten, dass die Leistungs­beschreibung letztlich auf das System eines bestimmten Herstellers, nämlich der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, abgestimmt sei.

 

Zunächst sei bemerkenswert, dass die preislich drei erstgereihten Bieter ausgeschieden wurden. Das Ausscheiden aller Angebote werde vermutlich auf die unzähligen Anforderungen des LV gestützt, was eine sehr einschränkende Festlegung oder zumindest einschränkende Interpretation dieser Anforderungen nahelege. Die im LV definierten Anforderungen seien von der Antragstellerin zum Teil übererfüllt worden, während das von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hergestellte und vermutlich auch angebotene System diese Anforderungen (nur) exakt erfülle: So sei in der Pos. 01.01.02.00 0 des LV (Digitale Mischpulte) folgende Anforderung enthalten: "-128 Summierbusse gleichzeitig nutzbar". Bei den von der Antragstellerin angebotenen Mischpulten seien 144 Summierbusse gleichzeitig nutzbar. Dem gegenüber verfüge das von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hergestellte Fabrikat Aurus nach den im Internet veröffentlichen Informationen exakt über die im LV festgelegten 128 Busse.

 

Der damit begründete Verdacht, dass das LV auf ein bestimmtes Produkt bzw dessen Hersteller zugeschnitten sei, möge dem UVS vordergründig im Hinblick auf die Präklusionsbestimmungen nicht relevant erscheinen. Es werde aber darauf hingewiesen, dass die x AG von der Auftraggeberin nicht nur mit der Prüfung der Angebote sondern auch mit der Erstellung des LV betraut gewesen sei. Die Beiziehung der x AG für die Angebotsprüfung sei daher weiterhin auch vergaberechtlich zumindest im Hinblick auf § 122 BVergG von Bedeutung. Es bedürfe keiner näheren Erörterung, dass von einem produktspezifisch zugeschnittenen LV in der Regel jener Unternehmer profitiere, der das betreffende Produkt herstelle. Sohin wäre es möglich, dass die Ursachen für das auf das Produkt der präsumtiven Zuschlagsempfängerin abgestimmte LV in der Sphäre der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu suchen seien, was wiederum insbesondere im Hinblick auf § 20 Abs.5 iVm § 129 Abs.1 Z1 BVergG relevant wäre.

 

Durch Abgabe eines umfassenden Angebots, die Korrespondenz mit der Auftraggeberin und durch die Einbringung des Nachprüfungsantrages sei ein Interesse am Vertragabschluss nachgewiesen worden. Im Fall der Aufrecht­erhaltung der angefochtenen Entscheidungen und der rechtswidrigen Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter wären auch jene Kosten frustriert, die bis dato durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstanden seien, und zwar Kosten von mindestens 15.000 Euro. Des Weiteren entstünde ein Schaden durch den entgangenen Gewinn. Überdies seien die entrichteten Pauschal­gebühren sowie die Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung ebenfalls Bestandteil des Schadens. Zudem drohe auch der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf

-         Angebotsprüfung durch von den Bietern unabhängige Sachverständige,

-         Angebotsprüfung nach den vergaberechtlichen Vorgaben,

-         Nichtausscheiden und Berücksichtigung ihres Angebots,

-         Zuschlagsentscheidung und Erteilung des Zuschlags zu ihren Gunsten und           darauf, dass eine Zuschlagserteilung rechtens nur mehr an sie in Betracht           komme und

-         Durchführung eines Vergabeverfahrens nach den vergaberechtlichen           Vorschriften und Grundsätzen,

 verletzt.

 

Die Durchführung der Angebotsprüfung durch nicht unabhängige Sachver­ständige, die unzureichende Begründung der Ausscheidensentscheidung, der mangelnde Ausscheidensgrund wegen Gleichwertigkeitserklärung im Angebot und der mangelnde Ausscheidensgrund wegen Erfüllung der Anforderungen wurden als Vergabeverstöße geltend gemacht und im Detail ausgeführt.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin eingangs auf die Ausführungen zum Hauptantrag. Ihr Interesse gründe sich insbesondere darauf, dass die Auftraggeberin durch die Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen schaffe, die von ihr mit den Mitteln des Oö. VergRSG 2006 nicht mehr beseitigt werden könnten. Im Fall der Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wäre die Antragstellerin auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Dies widerspreche ihrem Interesse an einer raschen und effektiven Bereinigung des gegenständlichen Rechtsstreits. Dazu komme, dass schon allein aufgrund der Notwendigkeit der Durchführung eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens wegen dessen Dauer und damit verbundener Kosten eine ungebührliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung für die Antragstellerin verbunden wäre.

 

Das Interesse der Antragstellerin auf effektive Beseitigung der im konkreten Verfahren von der Auftraggeberin zu verantwortenden Vergabeverstöße überwiege bei weitem gegenüber allfälligen nachteiligen Folgen einer derartigen Maßnahme für die Auftraggeberin.

Besondere Interessen der Auftraggeberin seien nicht ersichtlich, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden. Besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung sprechen würden, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die x GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung der einstweiligen Verfügung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.126b Abs.2, soweit sie nicht unter die Z1 lit.c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.127 Abs.3 und Art.127a Abs.3 und 8.

 

Gemäß Art.127 Abs.3 B-VG überprüft der Rechnungshof weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen das Land allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die das Land allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt.

 

Die x GmbH ist 100%ige Tochter der x GmbH, diese ist wiederum 100%ige Tochter der x GmbH, welche wiederum in 100%igem Eigentum des Landes Oberösterreich steht. Die x GmbH stellt als Unternehmen im Sinne des Art.127 Abs.3 B-VG einen öffentlichen Auftraggeber dar, der im Sinne des Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fällt. Das gegenständliche Nachprüfungs­verfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabe­verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus ge­schlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Ver­waltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechts­widrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum