Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730288/2/SR/Jo VwSen-730289/2/SR/Jo VwSen-730290/2/SR/Jo

Linz, 26.08.2011

                                                                                                                                                      

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufungen der x, geboren am x, der x, geboren am x und des x, geboren am x, alle Staatsangehörige von Mazedonien, alle vertreten durch x, gegen die Bescheide des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 24. September 2010, Zlen. Sich40-2681-2010, Sich40-2682-2010 und Sich40-2683-2010, betreffend Erlassung von auf 10 Jahre befristeter Aufenthaltsverbote, zu Recht erkannt:

I.               Den Berufungen gegen die Spruchpunkte I wird stattgegeben und die angefochtene Bescheide in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben.

II.           Der jeweilige Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung (Spruchpunkt II) wird aus Anlass der Berufungen für rechtswidrig erklärt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 53 und 54 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheiden des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 24. September 2010, Zlen. Sich40-2681-2010, Sich40-2682-2010 und Sich40-2683-2010, zugestellt am 26. September 2010 an die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) und am 27. September an die Volkshilfe Oberösterreich, Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung, Abteilung AsylwerberInnenbetreuung Rechtsberatung, wurde gegen die Bw auf der Grundlage des § 60 Abs 2 Z. 7 iVm §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, jeweils ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen die Aufenthaltsverbote ausgeschlossen.

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, dass die Bw mit weiteren Angehörigen nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 23. August 2010, um 02.00 Uhr, zum Bundesasylamt EAST-West gekommen und Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz (im Folgenden: Asylantrag) gestellt hätten. Im Anschluss an die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei den Bw eine bundesbetreute Unterkunft in der EAST-West zugewiesen und infolge der Mittellosigkeit Leistungen aus der Bundesbetreuung gewährt worden.

 

Gemäß Art.1 Abs. 2 iVm. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 idF Verordnung (EG) Nr. 1244/2009 seien die Inhaber biometrischer Reisepässe der Republik Mazedonien für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten für einen Aufenthalt, der drei Monate nicht überschreitet, von der Visumspflicht befreit. Bei der Einreise müsse der Drittstaatsangehörige über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für die Gesamtdauer des Aufenthaltes und die Rückreise verfügen. In den vorliegenden Fällen hätten die Bw bereits an der Außengrenze zurückgewiesen werden müssen, da sie die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 lit. c Schengener Grenzkodex nicht erfüllt hätten. Die Bw würden sich daher "unberechtigt" im Bundesgebiet aufhalten.

 

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 30. August 2010 seien die Asylanträge gemäß § 3 AsylG abgewiesen, gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Mazedonien festgestellt und gemäß § 10 AsylG die Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Mazedonien verfügt worden. Einer allfälligen Beschwerde sei gemäß § 38 ASylG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Von der Ausreiseverpflichtung seien die Bw am 31. August 2010 nachweislich in Kenntnis gesetzt worden. Die gegen die Bescheide des Bundesasylamtes erhobene Beschwerde habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. September 2010, zugestellt am 26. September 2010, als unbegründet abgewiesen.

 

Mit Schreiben vom 2. September 2010 habe die belangte Behörde den Bw zur Kenntnis gebracht, dass "nach Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Entscheidungen im Asylverfahren" gegen sie Aufenthaltsverbote erlassen würden. Innerhalb offener Frist hätten die Bw eine Stellungnahme abgegeben und darin hingewiesen, dass gegen sie als Asylwerber lediglich ein Rückkehrverbot erlassen werden könne. Ein Rückkehrverbot könne aber im Falle der Mittellosigkeit nicht erlassen werden. Die belangte Behörde habe daher von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen.

 

Nach Darstellung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen hielt die belangte Behörde im bereits am 24. September 2010 erstellten Bescheid fest, dass die Asylanträge mit Wirkung vom 26. September 2010 rechtskräftig abgewiesen worden seien und die Bw somit Fremde im Sinne des FPG seien. Nach Abschluss des Asylverfahrens hätten die Bw zu keinem Zeitpunkt einen Nachweis über den Besitz der Mittel für den Aufenthalt erbringen können. Darüber hinaus seien die Bw ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Auf Grund der Mittellosigkeit hätten die Bw die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt und bereits an der Schengenaußengrenze zurückgewiesen werden müssen. Das Vorgehen der Bw lasse auf offensichtlichen Asylmissbrauch schließen (Erlangung der Grundversorgung und kostenfreier Aufenthalt im Bundesgebiet). Trotz mehrmaliger Beratungen und Darlegung der Auswirkungen des Verhaltens hätten die Bw von einer freiwilligen Rückkehr Abstand genommen um den kostenfreien Aufenthalt so lang als möglich im Bundesgebiet aufrecht zu erhalten. Selbst der Ausreiseverpflichtung und den Hinweisen der Rückkehrberatung seien die Bw nicht nachgekommen.

 

Die illegale Einreise in Österreich und die illegalen Grenzübertritte in die und innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die im Nachhinein durch das Stellen eines Asylantrages legitimiert werden sollten, würden die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt der Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich erheblich und nachhaltig gefährde. Aus der Mittellosigkeit resultiere die Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend seien aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig. Das Verhalten der Bw stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen und der negativen Zukunftsprognose würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Bw. Von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes für die Höchstdauer von zehn Jahren könne nicht Abstand genommen werden, da diese Dauer hinsichtlich der zuvor durchgeführten Gefährdungsprognose ausreichend und zweckmäßig erscheine. Diese Dauer sei angesichts der Mittellosigkeit und der damit verbundenen Gefahr, dass sich die Bw durch strafbares Verhalten den Unterhalt zu finanzieren trachten, gerechtfertigt. Ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes sei nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes zu erwarten.

 

Unter Bezugnahme auf § 64 Abs. 2 AVG und die Ausführungen zu Spruchpunkt I schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung aus.

 

2. Gegen die Bescheide der belangten Behörde, die den Bw und zu Handen ihrer Vertreter zugestellt wurden, richten sich die vom nunmehrigen Rechtsvertreter rechtzeitig eingebrachten Berufungen vom 30. September 2010.

 

Einleitend beantragte der Rechtsvertreter den Berufungen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Aufenthaltsverbotsverfahren einzustellen. Anschließend setzte sich der Rechtsvertreter ausführlich mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung auseinander.

 

Die Erlassung der Aufenthaltsverbote werde als gesetzwidrig erachtet. Unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 FPG hätte die belangte Behörde nur über ein Rückkehrverbot absprechen dürfen. Bei Mittellosigkeit könne kein Rückkehrverbot verhängt werden und die Tatsache der Mittellosigkeit rechtfertige nach § 62 Abs. 1 und 2 FPG nicht die Annahme, dass der Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Die Vorgangsweise der belangten Behörde entspreche keinesfalls dem Willen des Gesetzgebers und bedeute eine klare – verfassungswidrige – Umgehung der Vorschriften über das Rückkehrverbot gemäß den §§ 62 ff FPG. Im vorliegenden Fall sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Fremdenbehörde zusätzlich zu der bereits im Ausweisungsverfahren ausgesprochenen Ausweisung ein fremdenpolizeiliches Aufenthaltsverbot für 10 Jahre erlassen hat. Diese Vorgangsweise sei aus verfassungsrechtlicher Hinsicht überschießend und unverhältnismäßig. Durch die beschleunigte Abwicklung des Asylverfahrens seien die Rechtsschutzmöglichkeiten ohnehin erheblich eingeschränkt. Die angefochtenen Bescheide würden den Anschein erwecken, dass die Bw für die Asylantragsstellung noch zusätzlich durch Erlassung einer massiven fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahme "bestraft" werden sollten.

 

3. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt.

 

Im Vorlageschreiben vom 12. November 2010 brachte die belangte Behörde vor, dass gemeinsam mit den Bw zahlreiche weitere mazedonische Familien mit neu ausgestellten Reisepässen als "Touristen" mit dem Zweck einer Asylantragstellung zur kostenfreien Versorgung, demnach als "Asyltouristen" illegal in das Bundesgebiet eingereist wären. Nach mehrfachen Informationen und Belehrungen seien die meisten mazedonischen "Asyltouristen" zur Einsicht gelangt und freiwillig in das Heimatland zurückgekehrt. Über jene freiwilligen Rückkehrer, mit ansonsten gleichen vorliegenden Sachverhalten habe die belangte Behörde Aufenthaltsverbote in Berücksichtigung der freiwilligen Beendigung des illegalen Aufenthaltes und der freiwilligen Beendigung der Grundsversorgung und somit freiwilliger Beendigung sozialer Leistungen zu Lasten der öffentlichen Hand, angemessen auf eine Dauer von 5 Jahren beschränkt. Im Gegensatz dazu hätten die Bw die freiwillige Rückkehr und jegliche Einsicht des Fehlverhaltens abgelehnt. Bei diesen Familien sei letztlich eine kostenintensive begleitete Abschiebung erforderlich gewesen. "Der Aufenthalt und die Beendigung des illegalen Aufenthaltes sei für diese `Asyltouristen´ unvergleichbar hoch und daher auch die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit unvergleichbar höher als bei anderen vergleichbaren Fremden, die offensichtlich mit gleicher Reisegesellschaft illegal eingereist und letztlich die Republik Österreich mit der Asylantragstellung und dem Aufenthalt ohne jeglicher Eigenmittel vor vollendete Tatsachen gestellt haben". Aus diesen Beweggründen sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in wesentlich höherer Dauer und daher für 10 Jahre erforderlich.

 

3.1. Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 übermittelte die Sicherheitsdirektion Oberösterreich die Verwaltungsakte dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die fremdenpolizeiliche Verwaltungsakte der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu den Zlen. Sich40-2681-2010, Sich40-2682-2010 und Sich40-2683-2010.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG und AsylG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 lauten:

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG, ist ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Nach § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. § 13 AsylG 2005 gilt.

 

Nach Abs. 2 sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.

 

Gemäß Abs. 4 gilt das Rückkehrverbot als Aufenthaltsverbot, wenn eine Ausweisung durchsetzbar wird. § 12 AsylG 2005 gilt.

 

Nach § 60 Abs. 2 Z 7 FPG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG können Fremde, gegen die eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§67 FPG, § 10 AsylG) nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

 

Nach § 67 Abs. 3 FPG hat die Behörde Fremde, gegen die eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG erlassen wurde, über ihre Pflicht zur unverzüglichen Ausreise zu informieren. Dabei ist insbesondere auf die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr und der Rückkehrhilfe (§ 67 AsylG) und auf fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung hinzuweisen.

 

Kommt einer Beschwerde gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist die Ausweisung durchsetzbar. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage zuzuwarten (§ 36 Abs. 4 AsylG).

 

Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab Ausreise des Fremden aufrecht.

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG und AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 lauten:

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG, ist ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Die Durchsetzung einer "Ausweisung" oder eines "Aufenthaltsverbotes" gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Asylwerber ist ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Nach § 54 Abs. 1 FPG ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. §§ 12 und 13 AsylG 2005 gelten.

Nach Abs. 2 sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 gelten.

Gemäß § 54 Abs. 3 FPG gilt ein Rückkehrverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des  § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre.

Wird eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG durchsetzbar, gilt das Rückkehrverbot als Einreiseverbot (§ 53 Abs. 9 FPG).

 

Nach § 53 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot unter einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß Abs. 2 Z. 6 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und der Fremde hat binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 7 AsylG).

 

4.2. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Aufenthaltsverbote waren die Bw Fremde und nicht mehr Asylwerber. Grundsätzlich kann gegen Fremde nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot erlassen werden.

 

Im vorliegenden Fall war die Erlassung der angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheide unvertretbar.

 

4.2.1. Gemäß § 2 Abs. 1 und § 62 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 konnte gegen einen Asylwerber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rückkehrverbot erlassen werden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes während der Asylwerbereigenschaft war gesetzlich unterbunden. Ein zuvor eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren war als ein Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen.

 

Ein Rückkehrverbot unterschied sich von einem Aufenthaltverbot nicht nur dadurch, dass Letzteres auch zur Außerlandesbringung berechtigte, quasi eine "Ausweisungsentscheidung" mitumfasste, sondern auch Tatbestände vorgesehen waren, die ausschließlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigten.

 

Während eines laufenden Asylverfahrens ist der Fremdenpolizeibehörde daher das Führen eines Aufenthaltsverbotsverfahren untersagt. Die Fremdenpolizeibehörde könnte allenfalls ein Rückkehrverbotsverfahren führen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht vor, hat die Fremdenpolizeibehörde von einem Rückkehrverbotsverfahren Abstand zu nehmen.

 

Dem Fremdenpolizeigesetz ist nicht zu entnehmen, dass bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden (mangels Tatbestandsvoraussetzungen ist die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht zulässig) ein Aufenthaltsverbotsverfahren während eines laufenden Asylverfahrens "auf Vorrat geführt" werden kann, um unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltsverbot erlassen zu können.

 

4.2.2. Unmittelbar nach der Zustellung der Entscheidungen des Asylgerichtshofes, somit nach der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens, hat die belangten Behörde den Bw die angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheide zugestellt.

 

Der belangten Behörde wird zu folgen sein, dass nach Abschluss des Asylverfahrens ein Rückkehrverbot nicht mehr zu erlassen ist.

Im Hinblick auf die geltende Rechtslage wäre ausschließlich ein Einreiseverbot zu verhängen. Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG sind durchsetzbare Ausweisungen nach dem AsylG als Rückkehrentscheidungen zu betrachten und gemäß § 54 Abs. 9 FPG gelten Rückkehrverbote im Falle des Vorliegens einer durchsetzbaren Ausweisung nach § 10 AsylG als Einreiseverbote.

 

Es stellt sich daher die Frage, ob unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zu Recht ein Aufenthaltsverbot gestützt auf § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen werden konnte.

 

Stellt man auf die Intention des Gesetzgebers ab, ist ein Rückkehrverbot gegen Asylwerber nur bei einem "a-typischen" Verlauf eines Asylverfahrens zu erlassen. D.h., wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Asylwerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder dieser Aufenthalt anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

In der Regel, also bei typischen Fallkonstellation, sind die allgemeinen Bestimmungen (§ 10 Abs. 6 AsylG) ausreichend und ist gegen Asylwerber kein Rückkehrverbot zu erlassen. Da grundsätzlich von der Mittellosigkeit der Asylwerber auszugehen sein wird, hat der Gesetzgeber gerade für solche Fälle die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht vorgesehen. Dies bedeutet dennoch nicht, dass der Fremde nach erfolgter Außerlandesbringung wieder unverzüglich in das Bundesgebiet der Republik Österreich einreisen darf. Ohne ein abgesondertes Verfahren führen zu müssen (Einreiseverbot/Rückkehrverbot) legt § 10 Abs. 6 AsylG fest, dass Ausweisungen nach § 10 Abs. 1 AsylG 18 Monate nach Ausreise des Fremden aufrecht bleiben.

 

Solange also der Fremde Asylwerber ist, stellt die Mittellosigkeit keine Tatsache dar, die eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedingen würde. Dass mit Wegfall der privilegierten Stellung unmittelbar nach Zustellung des Bescheides des Asylgerichtshofes bzw. nach Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung der wiederum als Fremder anzusehende Bw, bedingt durch seine Mittellosigkeit, schlagartig eine potentielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen soll, lässt sich schon im Hinblick auf das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 nicht einmal ansatzweise argumentieren. Gemäß § 2 Abs. 1 GVG-B 2005 leistet der Bund Fremden, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren abgewiesen und wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, solange diese nicht wieder zuerkannt wird, Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes, bis diese das Bundesgebiet verlassen haben.

 

4.3. Mangels anderslautender Übergangsbestimmungen sind die einschlägigen Bestimmungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden.

 

Am 27. September 2010 teilte das Bundesasylamt der belangten Behörde mit, dass die Bescheide des Asylgerichtshofes, mit denen die Beschwerden der Bw abgewiesen und die Ausweisungen nach Mazedonien verfügt wurden, am 26. September 2010 den Bw zugestellt worden sind.

 

Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG gelten durchsetzbaren Ausweisungen als durchsetzbare Rückkehrentscheidungen nach dem FPG.

 

Bei Vorliegen der Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG kann ein Einreiseverbot höchstens für 5 Jahre erteilt werden.

 

Da die Bw auch nach der Zustellung der Erkenntnisse des Asylgerichtshofes noch bis zum Verlassen des Bundesgebietes (Abschiebung erfolgte am 7. September 2010) Anspruch auf Versorgung in einer Bundeseinrichtung hatten, barg die an sich bestehende Mittellosigkeit kein Gefährdungspotential in sich. Diese Form der Mittellosigkeit der Bw stellte somit keine Tatsache dar, die die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen würde.

 

Schon aus diesem Grund waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

 

4.4. Gemäß § 64 FPG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, durfte bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot ausgeschlossen werden, wenn die sofortige Ausreise des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich war.

 

Die Vorläuferbestimmungen des § 45 Abs 4 Fremdengesetz 1997 und des § 27 Abs 4 Fremdengesetz 1993 enthielten bis auf die Ergänzung der Wendung "oder die sofortige Durchsetzbarkeit" eine gleichlautende Ermächtigung der Behörde.

 

In der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP) wird zu § 64 auf Seite 101 erläuternd ausgeführt:

 

"§ 64 gibt Art I Z 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK für den Bereich des Aufenthaltsverbotes wieder. In den Fällen, in denen sich der Fremde jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat er keinen Anspruch darauf, während des Berufungsverfahrens im Inland zu verbleiben, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung genommen wird. In diesen Fällen kann die aufschiebende Wirkung einer Berufung unter den Voraussetzungen des § 64 AVG ausgeschlossen werden."

 

Im Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0092, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zum vergleichbaren Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 99/18/0179, ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers daran bejaht, dass sich der unabhängige Verwaltungssenat mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung auseinandersetzt. Einer Berufung gegen einen Ausspruch nach § 64 Abs 2 AVG kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Dies verbietet der Sinn des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Ein Rechtsmittel gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung soll lediglich die Überprüfung der dafür bestehenden Voraussetzungen durch die Berufungsbehörde ermöglichen. Bei der Berufungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen und sind die Voraussetzungen für diesen Zeitpunkt zu beurteilen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 13a, 13b und 13c zum insoweit vergleichbaren § 64 Abs 2 AVG).

 

Im Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 97/18/0564, das zur vergleichbaren Vorläuferbestimmung des § 27 Abs 4 Fremdengesetz 1993 ergangenen und deshalb auch heute noch einschlägig ist, hat sich der Verwaltungsgerichthofs mit der Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auseinandergesetzt und ausgeführt, dass bereits aus dem Wortlaut deutlich werde, dass ein strenger Maßstab anzulegen sei. Der Ausschluss sei nur gerechtfertigt, wenn die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit, nicht aber zur Erreichung anderer im Art 8 Abs 2 EMRK genannter Gründe, erforderlich ist. Daraus sei ersichtlich, dass als Grundlage für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung – anders als für die Beurteilung des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbotes – nur eine vom Fremden ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt, der ein annähernd gleichwertiges Gewicht wie der Gefährdung der nationalen Sicherheit zukommt.

 

Die belangte Behörde hat zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach dem § 64 Abs. 2 AVG auf die Begründung zu Spruchpunkt I. verwiesen und in der Mittellosigkeit und der Missachtung der Ausreiseverpflichtung Gefahr im Verzug angenommen.

 

Diese pauschale Behauptung der belangten Behörde ist abzulehnen. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise ist nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als positive Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein strenger Maßstab zu Grunde zu legen. Von einem dringend geboten sein, kann in den vorliegenden Fällen nicht die Rede sein. Gegen die Bw lagen rechtskräftige und somit vollstreckbare Ausweisungsentscheidungen vor.

 

Aus diesem Grund waren die Ausschlüsse der aufschiebenden Wirkung in den angefochtenen Bescheiden als rechtswidrig festzustellen. Eine Aufhebung dieser Aussprüche kommt nicht in Betracht, weil sie sachlogisch mit der Berufungsentscheidung ohnehin wegfallen (vgl. VwSen-720284/5/WEI/Sic/Ba).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 42,90 Euro (14,30 Euro je Bw) für die Berufungen angefallen.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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