Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166196/10/Br/Th

Linz, 09.09.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Dipl.-Kfm. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 18. Mai 2011, Zl. VerkR96-8879-1-2010, nach der am 9. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I.     Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.   Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 12 Euro auferlegt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:      § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 20, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.

Zu II.:     § 64 Abs.1 u.2  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Wider den Berufungswerber wurde mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, wegen der Übertretung nach  § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 60 Euro und im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von Stunden verhängt, wobei ihm sinngemäß zur Last gelegt wurde, als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen X mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27.12.2010 - das ihm nachweislich am 5.1.2011 zugestellt wurde - gemäß § 103 Abs. 2 KFG aufgefordert worden zu sein, binnen zwei Wochen gerechnet vom Tage der Zustellung dieses Schreibens/der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mitzuteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 21.9.2010, um 15:05 Uhr, in 4963 St. Peter, auf der B 148, bei km 27.172, im Bereich Neubergham gelenkt habe oder die Person zu benennen, welche die Auskunft erteilen hätte können, nicht befolgt zu haben, weil er innerhalb  der gesetzlichen Frist keine dem Gesetz entsprechende Auskunft darüber erteilt habe. Dadurch habe er nach §103 Abs. 2 KFG verstoßen.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz begründete den Schuldspruch mit folgenden Erwägungen:

Mit Strafverfügung, Zahl VerkR96- 8879-2010, vom 29.11.2010, der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn über Sie wegen einer Übertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO, eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro verhängt.

 

Gegen diese Strafverfügung erhoben Sie innerhalb offener Frist Einspruch und begründeten diesen im wesentlichen dahingehend, dass kein Beweis für die angebliche Verwaltungsübertretung vorliege.

 

Auf Grund Ihres Einspruches wurden Sie als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, mit dem Kennzeichen X, mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 27.12.2010, Zahl VerkR96-8879-2010, welches am 5.1.2011 nachweislich zugestellt wurde, aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung, namhaft zu machen, wer dieses Fahrzeug am 21.9.2010, um 15:05 Uhr, im Gemeindegebiet 4963 St. Peter, auf der B 148, bei Strkm. 27.172, Bereich Neubergham gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Zudem wurde Ihnen die österreichische Rechtslager erklärt.

 

Mit Schreiben vom 11.1.2011 teilten Sie mit, dass eine Lenkererhebung unerheblich sei, solange kein Beweis gegen die angebliche Verwaltungsübertretung vorliegt.

 

Da innerhalb der gesetzlichen Frist keine entsprechende Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG erteilt wurde, wurde mit Strafverfügung, VerkR96- 8879-1-2010, vom 16.2.2011 der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn über Sie wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro verhängt. Das Grunddelikt wurde nach § 45 VStG eingestellt, da von der Behörde die Lenkeigenschaft nicht festgestellt werden konnte.

Gegen diese Strafverfügung erhoben Sie innerhalb offener Frist Einspruch und begründeten diesen im wesentlichen dahingehend, dass Sie Ihrer gesetzlichen Auskunftspflicht nachgekommen seinen, jedoch die Behörde bis heute keinen Beweis für das Grunddelikt erbracht haben.

 

Am 21.9.2010 wurde von einem Beamten der Polizeiinspektion Braunau am Inn, mittels Lasermessung festgestellt, dass mit dem Fahrzeug des Kennzeichens X die kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten wurde.

 

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof geht, davon aus, dass ein Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit darstellt. Ebenso wie bei der Radarmessung (vgl. ua. das Erkenntnis vom 30.10.1991, 91/03/0154) ist auch einem mit der Geschwindigkeitsmessung mittels Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser betrautem Beamten auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Gerätes zuzumuten und bedarf es im Verwaltungsstrafverfahren - ohne ausdrückliche und konkrete Behauptung des/der Beschuldigten über Fehler des Gerätes oder Fehler bei dessen Bedienung - keiner weiteren Ermittlung der Behörde.

 

Die Lasermessung und die dienstliche Wahrnehmung eines Polizeibeamtes ist daher ein taugliches Beweismittel.

 

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt bzw. abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilten, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann (...). Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zuführen. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

Einem Auskunftsverlangen nach § 103 Abs. 2 KFG ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu entsprechen. Eine Erstreckung der Frist ist nicht vorgesehen. (VwGH, 25.9.1991, 91/02/0031 unter Hinweis auf 9.11.1990, 90/18/0133).

 

Die Frist selbst ist als verfahrensrechtliche Frist zu qualifizieren. (VwGH, 7.1.1997, 97/11/0146, 31.1.1996, 93/03/0156).

Die Tage des Postlaufs sind demnach gem. § 33 Abs. 3 AVG nicht einzurechnen, dh. es kommt auf die Postaufgabe an. (VwGH, 31.1.1996, 93/03/0156).

 

Eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begeht auch, wer die Auskunft nicht fristgerecht (innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen) erteilt, oder eine bloße Vermutung ausspricht.

 

Beim Recht, sich nicht selbst zu bezichtigen bzw. zu schweigen, handelt es sich nicht um ein absolutes Recht. Von Haltern eines Kraftfahrzeuges muss angenommen werden, dass sie bestimmte Verpflichtungen, die auch die Erteilung einer Lenkerauskunft in bestimmten Situationen mit einschließen, übernehmen... Die Verhängung einer Geldstrafe gegenüber dem jegliche Auskunft verweigernden Zulassungsinhaber verstößt daher nicht gegen Art. 6 EMRK. EGMR 29.6.2007, BeschwNr. 15809/02, 25624/02 O'Halloran und Francis gegen Vereintes Königreich.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 103 Abs. 2 KFG ist die Erteilung einer unrichtigen oder einer unvollständigen Auskunft der Nichterteilung einer Auskunft gleichzuhalten.

Es handelt sich hiebei nicht um voneinander zu unterscheidende strafbare Handlungen.

Es genügt auch insoweit die Tatanlastung, dass der Zulassungsbesitzer die begehrte Auskunft

unterlassen hat. (VwGH vom 29.1.2009, ZI. 91/02/0128).

 

Eine Übertretung begeht, wer

            keine

            eine unvollständige

            eine unrichtige

            eine mehrdeutige

            eine unklare

            eine widersprüchliche Auskunft erteilt.

 

Das Tatbild ist objektiv schon dann erfüllt, wenn Name oder Anschrift nicht stimmen, wobei es auf den Zeitpunkt der Auskunftserteilung ankommt. (VwGH, 20.10.1999, 99/03/0237).

 

Der Auskunftspflicht ist erst dann entsprochen, wenn die Auskunft tatsächlich bei der Behörde einlangt (VwGH, 15.9.1995, 95/17/0211).

Sie entfällt auch nicht durch Eintritt der Verfolgungsverjährung in Ansehung des Grunddelikts. (VwGH 24.2.1997, 97/17/0019).

Wird der anfragenden Behörde innerhalb der gesetzlichen Frist von binnen 2 Wochen, ab Zustellung, weder der Name, noch die vollständige Anschrift des Lenkers/der Lenkerin bzw. der auskunftspflichtigen Person bekannt gegeben (einzelne, eindeutig bestimmte Person), ist das Tatbild des § 103 Abs. 2 KFG erfüllt.

 

Tatort der Verweigerung der Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG ist der Sitz der anfragenden Behörde. VwGH, 31.1.1996, 93/03/0156 ZVR 1996/74.

 

Die von österreichische Kraftfahrbehörden an den in Deutschland wohnenden KFZ-Zulassungsbesitzer veranlasste Zustellung einer Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers unmittelbar durch die Post ist zulässig und verstößt nicht gegen Bestimmungen des zwischen Österreich und Deutschland abgeschlossenen Rechtshilfevertrages in Verwaltungssachen. Das Vorbringen des Zulassungsbesitzers, die deutsche Rechtsordnung kenne eine "Lenkerauskunft" nicht, geht ins Leere, da der Tatort der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung in Österreich gelegen ist, so dass insoweit österreichisches Recht anzuwenden ist. (VwGH, 27.6.1997, 97/02/0220).

 

Aus der Aktenlager geht hervor, dass

            das Kraftfahrzeug, Kennzeichen X, am 21.9.2010, um 15:05 Uhr am im   Spruch angeführten Ort gelenkt wurde.

            Sie Zulassungsbesitzer (Halter) dieses Kraftfahrzeuges sind.

            Sie als Zulassungsbesitzer von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn aufgefordert wurden, der Behörde innerhalb der gesetzlichen Frist Auskunft zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt hat bzw. jene Person zu benennen, die Auskunft darüber erteilen kann.

            das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, nachweislich zugestellt wurde.

            bis zur Erlassung der Strafverfügung bei der Behörde keine Lenkerauskunft, bzw. Benennung der Person, die Auskunft erteilen kann, eingelangt ist.

 

Da Sie der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als anfragende Behörde innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen, ab Zustellung, weder den Lenker/die Lenkerin bekannt gegeben haben, noch die Person benannten, die Auskunft darüber erteilen kann, wer das Kraftfahrzeug zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt gelenkt hat, ist der objektive Tatbestand des § 103 Abs. 2 KFG erfüllt.

 

Was die subjektive Tatseite im Sinne des Verschuldens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG ein sogenanntes

Ungehorsamsdelikt iSd. § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz darstellt, zu dessen Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt.

Fahrlässigkeit ist gemäß der zitierten Gesetzesstelle bei Nichtbefolgen eines Gebotes - im vorliegenden Fall die Erteilung der Lenkerauskunft - dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand der damit verbundenen Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn and der Verletzung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft.

 

Bereits in der nachweislich zugestellten Aufforderung gem. § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) wird daraufhingewiesen, dass das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist.

 

Ihnen ist jedenfalls Fahrlässigkeitsverschulden anzulasten, da Sie bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt - die den Zulassungsbesitzerin eines Fahrzeuges trifft - den Namen und die vollständige Anschrift des Lenkers/der Lenkerin oder der Person, die den Lenker/die Lenkerin benennen kann, kennen müssen.

 

Dies vor allem auch im Hinblick auf die von Ihnen zu fordernde Kenntnis über das Bestehen solcher gesetzlichen Verpflichtungen und deren Sinngehalt.

Da Sie nicht dargelegt haben, weshalb Sie an der Verletzung Ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erteilung der Lenkerauskunft kein Verschulden trifft, ist auch die subjektive Tatseite der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gegeben.

 

Sie haben daher die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auf Grund der Akten- und Rechtslage zu verantworten.

 

Zur Strafbemessung ist anzuführen, dass Grundlage hiefür gemäß § 19 VStG stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Weiters sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des/der Beschuldigten zu berücksichtigen.

 

Der Strafrahmen reicht bei § 134 Abs. 1 KFG bis zu 5.000 Euro.

Bei der Strafbemessung wurde auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (laut Ihren Angaben/laut Schätzung: mtl. Nettoeinkommen ca. 1.000 Euro, kein Vermögen, Sorgepflichten) Bedacht genommen.

Strafmildernd wurde Ihre bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Straferschwerende Gründe wurden keine bekannt.

 

Der Unrechtsgehalt einer Verweigerung der Lenkerbekanntgabe kann wegen des öffentlichen Interesses, insbesondere dem Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, nicht als geringfügig angesehen werden.

Die festgesetzte Strafe ist dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst und schuldangemessen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

1.2. In diesen Ausführungen war der Behörde erster Instanz zu Folgen!

 

 

2. Der Berufungswerber tritt dem angefochtenen Straferkenntnis mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen und führt folgendes aus:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

als früherer Halter des Fahrzeugs X lege ich form- und fristgerecht Berufung gegen Ihre Straferkenntnis VerkR96-8879-2010 vom 18. Mai 2011 bezüglich einer Nichterteilung der Lenkererhebung gemäß § 103 Abs. 2 KFG ein. Vorsorglich legen wir auch Einspruch gegen die Kosten des Strafverfahrens ein.

 

Wir sehen Ihre Aktion, das Lenkerauskunftsverfahren zu bemühen, als Umgehungstatbestand für ein korrektes Verfahren über das Grunddelikt. Geradezu perfide ist es, wenn die Bezirkshauptmannschaft Braunau das Grunddelikt nach § 45 VStG einstellt, um eine Bestrafung nach der Lenkerauskunft als „Generalschuld" zu (er)finden. In der Begründung der Straferkenntnis berufen Sie sich auf die Übertretung einer ordentlichen Auskunftserteilung. Hierzu stellen wir fest: Die vollständige Auskunft der (früheren) Halterdaten liegt Ihnen vor bereits vor.

 

 

Wir weisen Sie daraufhin, dass die Bezirkshauptmannschaft Braunau als „Anklagebehörde" nicht zuständig ist. Der „Tatort" hinsichtlich einer vermeintlichen Nichterfüllung der Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 ist jener Ort, an dem der Auskunftspflichtige handeln hatte sollen. Falls die Daten der Anklagebehörde nicht vorliegen, was wir im vorhergehenden Absatz bestritten haben, hätte die Auskunftspflicht an der Adresse des früheren Halters erfolgen müssen. Der Beschuldigte hätte also seine Anschrift handschriftlich, Maschinen geschrieben oder ausgedruckt verfertigen müssen und den Brief zur Post bringen müssen. Diese „Tat" ist in Deutschland  - meines Erachtens zu Recht -  unterblieben.

Der Tatort wäre daher unstrittig die deutsche Adresse des Halters. Der Erfolgsort einer unerlaubten oder strafbaren Handlung ist juristisch gesehen der Ort, an dem der Erfolg dieser Handlung eingetreten ist. Gemäß § 2 des österreichischen Verwaltungsstrafgesetzbuches VStG sind nur im Inland, also Osterreich, begangene strafbare Handlungen strafbar. Wie oben dargestellt, ist die - Ihrer Ansicht - nach strafbare Handlung in Deutschland begangen worden. Es gilt also Lex loci delicti das deutsche Recht. Ausländische Staatsbürger können, so wie es Ihr Ansinnen ist, dafür nicht nach österreichischem Recht belangt werden.

 

 

In Ihrem Schreiben vom 16. Februar 2011 stellen Sie die Behauptung auf, es sei innerhalb der gesetzlichen Frist keine dem Gesetz entsprechende Auskunft erteilt worden. Ich bin insofern meiner gesetzlichen Auskunftspflicht nachgekommen. Ich habe meine Rechte mit Schreiben vom 11. Jänner 2011 wahrgenommen. Mein Schreiben vom 11. Jänner 2011 ist in dieser Hinsicht als Antwort auf Ihr Schreiben vom 27. Dezember 2010 zu werten. Das weitere Verfahren ist als Schikane zu werten.

 

Formaljuristisch wenden wir gegen das am 27. November 2010 von der Bezirkshauptmannschaft Braunau als Anklagevertreter und entscheidender Behörde versandte Aufforderungsformular zur Lenkerauskunft ein:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau begehrt Auskunft für einen Zeitraum, nämlich „Tatzeit: 21.09.2010" ohne den genauen Zeitpunkt zu nennen. Es ist keine Rubrik für den genauen Zeitpunkt vorgesehen. Eine Lenkerauskunft zum Tatzeitpunkt wäre somit im Formular nicht möglich gewesen. Der Auskunftspflichtige hätte irgendeinen Lenker an diesem „Tat-Tag" eintragen können oder müssen. Beweis: siehe Anlage

 

Eine Bestrafung nach § 103 Abs. 2 KFG verletzt meines Erachtens den Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskommission MRK. Durch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung soll die ursprüngliche Verfahrensbegründende Verwaltungsübertretung eingestanden werden, obwohl sie nicht nachgewiesen werden kann.

 

Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte zugunsten Angehöriger und zum Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung stellen verfassungsrechtlich gebotene wesentliche höhere Elemente der europäischen Rechtsordnung dar als die Auskunftsersuchung von Daten, die den österreichischen Behörden sowieso vorliegen.

 

Gemäß Europäische Menschenrechtskonvention Art 6 Abs. 2 gilt das Recht auf die Unschuldsvermutung. Das bedeutet, dass jede angeklagte Person so lange als unschuldig zu gelten hat, bis ihre Schuld auf einem gesetzlichen Weg bewiesen ist. Der Verfahrensbeteiligte ist nicht unter allen Umständen verpflichtet, sich selbst oder nahe Verwandte zu beschuldigen, da er auch aufzeigen kann, der Wagen sei von einem anderen (bekannten oder unbekannten) Person mit oder ohne Zustimmung des Fahrzeughalters gelenkt worden.

 

 

2.1. Im Rahmen des Parteigengehörs vom 16.8.2011 ergänzt der Berufungswerber seine Rechtsauffassung noch am gleichen Tag dahingehend, dass aus seiner Sicht eine Berufungsverhandlung nicht entbehrlich sei. Er wisse nicht  wie die Berufungsbehörde aus seinem Schreiben vom 25. Juni 2011 erlesen würde, dass er die Nichtbekanntgabe des Lenkers nicht in Abrede stelle. Er sei vielmehr nach wie vor der Ansicht, dass es gar nicht nötig gewesen sei eine Lenkerauskunft zu geben bzw. warum die Bezirkshauptmannschaft diese erzwingen habe wollen. Die Halteranschrift für den Schriftverkehr sei der Bezirkshauptmannschaft Braunau vorgelegen.

 

Ein Nachweis für das „Grunddelikt“ habe nicht vorgelegen. Das Verwaltungsstrafverfahren bezüglich des Grunddeliktes sei mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 16. Februar 2011 eingestellt worden.

 

Wieso solle man für ein Delikt welches das nicht begangen wurde, eine Lenkerauskunft erteilen müssen? Das Grunddelikt sei zu Recht eingestellt worden.  Außerdem seien der Bezirkshauptmannschaft die vollständigen  (früheren) Halterdaten vorgelegen.

 

Er weise noch einmal darauf hin, dass die Bezirkshauptmannschaft Braunau sowieso als „Anklagebehörde“ nicht zuständig sei. Der „Tatort“ hinsichtlich einer vermeintlichen Nichterfüllung der Auskunftspflicht nach § 103 Abs.2 KFG sei jener Ort, an dem der Auskunftspflichtige handeln hätte sollen. Falls die Daten der Anklagebehörde nicht vorliegen, was im vorhergehenden Absatz bestritten werde, hätte die Auskunftspflicht an der Adresse des früheren Halters erfolgen müssen. Der Beschuldigte hätte also seine Anschrift handschriftlich, Maschinen geschrieben oder ausgedruckt verfertigen müssen und den Brief zur Post bringen müssen. Diese „Tat“ wäre seines Erachtens in Deutschland zu Recht unterblieben.

 

Der Tatort wäre daher unstrittig die deutsche Adresse des Halters. Der Erfolgsort einer unerlaubten oder strafbaren Handlung wäre juristisch gesehen der Ort, an dem der Erfolg dieser Handlung eingetreten ist. Gemäß § 2 des österreichischen Verwaltungsstrafgesetzbuches VStG seien nur im Inland, also in Österreich, begangene strafbare Handlungen strafbar. Wie oben dargestellt, ist die – nach Ansicht der Behörde - nach strafbare Handlung in Deutschland begangen worden. Es gilt also Lex loci delicti das deutsche Recht. Ausländische Staatsbürger können, so wie es das Ansinnen der Behörde sei, dafür nicht nach österreichischem Recht belangt werden.

Formaljuristisch wende er sich gegen das am 27. November 2010 von der Bezirkshauptmannschaft Braunau als Anklagevertreter und entscheidender Behörde versandte Aufforderungsformular zur Lenkerauskunft:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau begehrte Auskunft für einen Zeitraum, nämlich „Tatzeit: 21.09.2010“ ohne den genauen Zeitpunkt zu nennen. Es sei keine Rubrik für den genauen Zeitpunkt vorgesehen. Eine Lenkerauskunft zum Tatzeitpunkt wäre somit im Formular nicht möglich gewesen. Der Auskunftspflichtige hätte irgendeinen Lenker an diesem „Tat-Tag“ eintragen können oder müssen.

Beweis: siehe Anlage Schreiben vom 25. Juni 2011.

 

Eine Bestrafung nach § 103 Abs. 2 KFG verletzte seines Erachtens den Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskommission MRK. Durch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung soll die ursprüngliche Verfahrensbegründende Verwaltungsübertretung eingestanden werden, obwohl sie nicht nachgewiesen werden kann.

 

Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte zugunsten Angehöriger und zum Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung stellen verfassungsrechtlich gebotene wesentliche höhere Elemente der europäischen Rechtsordnung dar als die Auskunftsersuchung von Daten, die den österreichischen Behörden sowieso vorliegen.

 

Gemäß Europäische Menschenrechtskonvention Art 6 Abs. 2 gilt das Recht auf die Unschuldsvermutung. Das bedeutet, dass jede angeklagte Person so lange als unschuldig zu gelten hat, bis ihre Schuld auf einem gesetzlichen Weg bewiesen ist. Der Verfahrensbeteiligte ist nicht unter allen Umständen verpflichtet, sich selbst oder nahe Verwandte zu beschuldigen, da er auch aufzeigen kann, der Wagen sei von einem anderen (bekannten oder unbekannten) Person mit oder ohne Zustimmung des Fahrzeughalters gelenkt worden.

Im Übrigen weise er darauf hin, dass das behördliche Vorgehen nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen entspreche, weil es den entscheidenden Behörden an jeglicher Objektivität fehle. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau tritt als „Ankläger“ und „entscheidende Behörde“ in einem Zuge auf. Der Beschuldigte wird vom Verfahrenssubjekt zum Objekt des Verfahrens degradiert.

 

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 103 Abs.2 KFG muss daher zum Ergebnis führen, dass eine Bestrafung nach dieser Bestimmung unzulässig ist.

Die Verpflichtung zur Erteilung der Lenkerauskunft unter Strafsanktion ist mit dem Anklageprinzip bzw. dem Verbot zur Selbstbeschuldigung unvereinbar. Mit dem Beitritt Österreichs zur EU ist es auch an die Vollziehung des Gemeinschaftsrechts gebunden. Aus Art 6 Abs. 2 des EU-Vertrages leitet sich ab, dass die Menschenrechtskommission auch in das Rechtsgebilde des österreichischen Staates hineinwirke und das nationale Recht verdränge.

 

 

3. Mangels eines Verzichtes auf eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war eine solche in Wahrung der Verfahrensgarantien gemäß Art. 6 EMRK  zwingend durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

 

3.1. Vorweg ist noch festzuhalten, dass der Berufungswerber auf die h. Nachricht vom 22.8.2011 am 23. 8. 2011 an die Berufungsbehörde folgende Nachricht übermittelte:

"natürlich werde ich eine Berufungsverhandlung nicht ablehnen, um meine Rechte zu wahren. Vielen Dank, dass Sie das Verfahren nach Braunau verlegen, aber mein Vorschlag, das  Verfahren einzustellen, ist für beide Seiten noch zeit- und kostengünstiger.

 

Klar zurückweisen muss ich Ihre Behauptung, durch die Verweigerung der Lenkerbekanntgabe sei die Verfolgung des Grunddelikts verunmöglicht“ worden. Die Bezirkshauptmannschaft hatte die Daten des Halters, die zur Kommunikation ausgereicht haben. Vielmehr hat die Bezirkshauptmannschaft es versäumt, glaubhafte Beweise für das Grunddelikt vorzulegen. Die Behörden kaschieren mit diesem Vorgehen, eine technisch schwache Ausrüstung und ihre eigenen Unzulänglichkeiten. Dafür kann ich nichts. Hier liegt da brauchen wir nicht lange zu herumzureden - der Kern des Problems! Darum versucht die Behörde die S c h i k a n e  über die Lenkerauskunft.

 

Verquickung von Grunddelikt und Lenkerauskunft.

Als weiteren Grund für erfolgreiche Berufung sehe ich die zeitgleiche Verfolgung von Grunddelikt und Lenkerauskunft. Bereits im Schreiben der Bezirkshauptmannschaft vom 27. Dezember 2010 weist die Bezirkshauptmannschaft darauf hin, dass das Nichterteilen der Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist. Die Behörde droht quasi: Wenn der unschuldige Angeklagte nicht gesteht, wird er bestraft Schöner österreichischer Rechtsstaat!

 

Das Grunddelikt wurde erst mit Schreiben vom 16. Februar 2011 als eingestellt mitgeteilt. Eine genaue Zeitangabe fehlt, wann dies der Fall war. Es ist also davon auszugehen, dass beide Verfahren in einer logischen Sekunde schwebten. Dies ist laut EGMR-Urteil vom 10. Februar 2009 (EGMR 2009/14939/02) nicht zulässig. Beide Verfahren beruhen indes auf der Verfolgung oder der Anklage einer möglichen Verkehrsüberschreitung.

 

Verborgen blieben im Übrigen im BH-Schreiben vom 16. Februar 2011 die Motive der Behörde für die Einstellung der Verwaltungsstrafverfahrens. Das stellt also der Beamte aus Gutdünken das Verfahren ein ohne Begründung? Wo bleibt da Ihr“ Legalitätsprinzip?"

 

Auszug aus dem h. Schreiben an den Berufungswerber v. 23.8.2011:

……… "In Wahrung des Legalitätsprinzips wäre es im Übrigen der  Berufungsbehörde selbst verwehrt ein  vermeintlich bloß "geringfügiges Delikt" einzustellen. Hier wurde durch die Verweigerung der Lenkerbekanntgabe die Verfolgung des Grunddeliktes im Ergebnis verunmöglicht, sodass der  dahinterstehende und verfassungsrechtlich abgesicherte Unwertgehalt der Auskunftsverweigerung den Tatvorwurf bzw. den strafbaren Tatbestand begründet. Die  Verschuldensfrage ist im Rahmen der Berufungsverhandlung zu klären.

 

Sie irren offenbar  über die Rechtslage, wenn sie zu vermeinen scheinen, mit der Verfolgung einer Auskunftsverweigerung würde sich die Behörde erster Instanz auf illegalem Boden bewegen. Das allenfalls eine darauf  gestützte Bestrafung in Deutschland nicht vollstreckt wird, präjudiziert weder der Konvention noch berührt dieser Umstand das innerstaatliche Souveränitätsprinzip. Die deutsche Rechtsordnung legt wohl den Grundsatz des Verbotes der Selbstbezichtigung enger aus.

 

 Die Berufungsverhandlung ist daher  - mangels Verzicht Ihrerseits - in

 Wahrung der Beschuldigtenrechte durchzuführen. Sollte der Termin Ihrerseits

 unbesucht bleiben, wird angesichts der Rechtsbelehrung im Zusammenhang mit

 der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe zumindest voraussichtlich von einer

 subjektiven Tatschuld Ihrerseits auszugehen sein.

 

 Das Spannungsfeld dieser im Verfassungsrang stehenden Rechtsvorschrift zum

 sogenannten "nemo tenetur" - Grundsatz ist der h. Behörde durchaus nicht

 fremd. Bislang wurde diese Bestimmung vom EGMR noch nie als

 konventionswidrig festgestellt."

 

 

 

3.2. Letztlich blieb der Berufungswerber jedoch der Berufungsverhandlung unentschuldigt fern. Obwohl er angesichts der bloßen Klärung einer Rechtsfrage über h. Hinweis auf seine unmittelbare Anhörung dezidiert Wert zu legen schien. Sohin kann das unentschuldigte Fernbleiben nur als mutwillig verursachter  Aufwand gegenüber der Berufungsbehörde qualifiziert werden.

Seine Verantwortung in den schriftlichen Eingaben mag wohl als begreiflich, nicht jedoch als stichhaltig beurteilt werden.

 

 

4. Folgender Sachverhalt gilt als erwiesen:

Das auf den Berufungswerber zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X wurde am 21. September 2010 um 15:05 Uhr, auf der Freilandstraße nach dem Ortsgebiet von St. Peter am Hart, auf der B 148, bei Strkm 27.172, im abfließenden Verkehr (also von hinten) durch Lasermessung mit einer Fahrgeschwindigkeit von 108 km/h fahrend festgestellt. Ob allenfalls dieser Anzeige ein Ablesefehler des Kennzeichens zu Grunde liegt, muss ebenso wie die Sinnhaftigkeit einer derartigen im abfließenden Verkehr und ohne jegliche Anhaltemöglichkeit  erfolgende Messung, im Rahmen dieses Verfahren auf sich bewenden bleiben. Allenfalls hatte der Fahrzeuglenker erst im Zuge der Vorbeifahrt die Geschwindigkeit erhöht, was die Messbeamten zur vorherigen Erfassung des Kennzeichens und die nachfolgende Messung veranlasst haben mag. Das damit der Verfahrensaufwand dem Strafzweck wohl kaum gerecht werden kann sei an dieser Stelle wohl auch bemerkt.

Dem Berufungswerber als Fahrzeughalter wurde folglich am 29.11.2010 ein mit der gegenständlichen Geschäftszahl versehene Strafverfügung, wegen der Übertretung nach § 52a Z10a StVO, mit einem Strafausmaß in der Höhe von 50 Euro zugestellt.

Diese wurde vom Berufungswerber mit Schreiben vom 2.12.2010  mit der Anmerkung beeinsprucht, es liege kein Beweis für eine Tatbegehung vor.

Mit Schreiben vom 27.12.2010 wurde der Berufungswerber unter Hinweis auf die österreichische Rechtslage zur Lenkerbekanntgabe aufgefordert.

Offenbar ging die Behörde davon aus, dass der Berufungswerber das Fahrzeug nicht selbst gelenkt habe, bzw. erachtete sie diese Tatbegehung nicht für erwiesen.

Darauf replizierte der Berufungswerber wiederum mit dem Hinweis, dass eine Lenkererhebung gemäß § 103 Abs.2 KFG für ihn unerheblich wäre, solange kein Beweis für die angebliche Verwaltungsübertretung vorliege.

Damit scheint der Berufungswerber jedoch das Wesen einer Verkehrsgeschwindigkeitsmessung zu verkennen, weil eine solche in aller Regel einen stichhaltigen Beweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung liefert.

Das damit jedoch noch nicht der Lenker feststeht ist ebenfalls klar. Durch den erhobenen Einspruch sah sich die Behörde erster Instanz offenbar veranlasst über den Fahrzeughalter (in Österreich: Zulassungsbesitzer) im Wege der sogenannten Lenkerauskunft den Lenker in Erfahrung zu bringen um diesen gemäß der gesetzlichen Intention verwaltungsstrafrechtlich verfolgen zu können. Gegen den Berufungswerber selbst wurde die Strafverfolgung wegen des StVO-Deliktes mit Schreiben vom 16.2.2011 eingestellt. Mit diesem Schriftstück wurde  jedoch gleichzeitig gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung mit dem Strafbetrag von 60 Euro erlassen indem ihm zur Last gelegt wurde, die ihm nachweislich am 5.1.2011 zugestellte Aufforderung zur Bekanntgabe des damaligen Fahrzeuglenkers -  betreffend des o.a. Vorfalls - vom 27.12.2010 nicht befolgt zu haben.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Berufungswerber verantwortet sich im Ergebnis damit, gemäß den Grundsätzen der EMRK das Auskunftsbegehren nach § 103 Abs.2 KFG nicht als zulässig, ja diese als unbeachtlich sehen zu können, weil damit ein Eingriff in den Schutzbereich der Konvention (nemo tenetur) verbunden wäre.

Diese Argumentation ist mit Blick auf die dem Berufungswerber wohl in Deutschland geläufige Rechtslage durchaus begreiflich, jedoch vor dem Hintergrund der in Österreich in Form einer Verfassungsbestimmung abgesicherten Rechtslage dennoch nicht stichhaltig.

Die Berufungsbehörde übersieht auch keineswegs, dass vereinzelt selbst in h. Erkenntnissen (jüngst etwa in VwSen-130759/2/Gf/Mu v. 29.6.2011 mit Hinweis auf 130765 v. 4.6.2010 und zahlreiche weitere Literatur- und Judikaturhinweisen) die Lenkerauskunft mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Rechts zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, nicht in Einklang stünden. Bei den Genannten Entscheidungen handelt es sich jedoch um wohl durchaus substanzvolle Einzelmeinungen, nicht jedoch um die Mehrheitsmeinung der mit dem Vollzug dieser Rechtsmaterie befassten Mitglieder des Öö. Verwaltungssenates.

So behauptet etwa der Berufungswerber in diesem Verfahren zu keinem Zeitpunkt, dass er sich mit der von ihm begehrten Auskunft etwa selbst belasten hätte müssen. Zumindest zeigt er auch nicht konkret auf, dass eine Auskunftserteilung allenfalls zum Nachteil eines nahen Angehörigen geführt hätte. Gänzlich offen ist auch ob das Verfahren wegen des  StVO-Deliktes überhaupt zur Bestrafung des Lenkers geführt hätte.

Wenn er schließlich zutreffend auf eine der Rechtslage in Deutschland diesbezüglich nicht zulässige Beweisführung bezieht (und Deutschland diesbezügliche Strafbescheide aus Österreich mit Blick auf das Grundgesetz nicht vollstrecke) und ferner auf das Urteil des EGMR v. 10.2.2009, 14393/03 (das sogenannte Zolothukin-Urteil) zu berufen scheint, vermag er auch damit nicht die österreichische Rechtslage als konventionswidrig und unanwendbar darzustellen.

Unter europarechtlichen Aspekt setzte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der auch hier vom Berufungswerber aufgeworfenen Problematik bereits vor elf Jahren auseinander und gelangte zum Ergebnis, wonach es nach Art. 6 Abs.2 EUV zu keiner generellen Verdrängung entgegenstehender nationaler Vorschriften (also über den Bereich der Vollziehung von Gemeinschaftsrecht hinaus) im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut des § 103 Abs.2 KFG gekommen sei (VwGH 26.5.2000, 2000/02/0115). Auch wurde darin auf Beschwerden an die (damals noch eingerichtete) Europäische Kommission für Menschenrechte in deren Entscheidung vom 5.9.1989 über die Beschwerden Nrn: 15.135/89, 15.136/89 und 15.137/89 (Hinweis auf ÖJZ 1990, 216) verwiesen, worin festgestellt worden sei, dass die Auskunftspflicht nach § 103 Abs 2 KFG nicht gegen Art. 6 MRK (insb. nicht gegen die Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs.2 MRK) verstoße.

 

 

5.1. Auch hier erachtet sich die Berufungsbehörde daher an die im Verfassungsrang stehende Rechtsnorm gebunden, übersieht aber dennoch nicht, dass in jüngerer Zeit sich wieder verdeutlichende Spannungsfeld zu konventionsrechtlichen Grundsätzen.

Bislang konnte sich jedoch der EGMR in den doch schon zahlreichen Entscheidungen aber offenbar noch nicht durchringen, sich mit diesem Spannungsfeld (mit diesen Rechtsinstitut das staatlich legitime Ziel eine Verwaltungsübertretung möglichst leicht verfolgen zu können einerseits, und andererseits das Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung oder eine nahe stehenden Person der Strafverfolgung zumindest nicht potentiell aussetzen zu müssen) ganz konkret auseinander zu setzen (vgl. etwa Weh gg Österreich, EGMR v.  8 April 2004 Nr. 38544/97).

 

 

5.1.1 Die Normierung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 als sogenannte Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und (derzeit) nicht im Widerspruch zu Art. 6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses oder – was hier nicht der Fall zu sein scheint – der Auslieferung einer nahe stehenden Person (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl.: G72/88 u.a.). Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29.9. 1993, 93/02/0191).

In diesem Sinne ist auch das Urteil des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 – Weh gg. Österreich – begründet worden. Danach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbundenen Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden. Auch die Entscheidung des EGMR durch dessen große Kammer, wurde in den Fällen O´Halloran und Francis gg. Großbritannien (Beschwerde Nr. 15809/02 bzw. 25624/02) mit 15 zu 2 Stimmen in einer mit der h. Norm vergleichbare britische Regelung ein Verstoß gegen Artikel 6 Abs.1 EMRK ebenfalls nicht gesehen.

Keinen Widerspruch zur EMRK -  zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht - sah der Verfassungs­gerichtshofes erstmals in dessen Erkenntnis bereits am 29.09.1988, Zl. G72/88.

Dieser Intention hat sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner herrschenden und diesbezüglich weitgehend einheitlichen Rechtsprechung anzuschließen, weil laut Höchstgericht aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.

Letztlich ist es auch nicht Aufgabe einer gerichtsförmigen Mittel- und endgültigen Tatsacheninstanz der Verfassungsrechtslage alleine wegen konventionsrechtlicher Bedenken im Ergebnis zu invalideren. Dies hat gegebenenfalls dem EuGH oder dem innerstaatlichen Verfassungsgesetzgeber vorbehalten zu bleiben!

 

In das vorzitierte Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch  Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508). Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen – hier ist keine Ausnahme gegeben – nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER – zum Tatbestand gehörende – ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt – anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7.7.1989, Zl. 89/18/0055) – nicht der Ort, an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern – als Tatort gilt – der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14.6. 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31.1.1996, Zl. 93/03/0156).

Auch diesbezüglich ist die Rechtsmeinung des Berufungswerbers irrig.

Das letztlich der Geist und das Ziel dieser Norm mit dem deutschen Grundgesetz nicht in Einklang zu stehen scheint wird hier durchaus nicht übersehen.

 

 

5.2. Der Berufungswerber hat auf die Lenkeranfrage, welche ihm nachweislich zugestellt wurde, mit Schreiben vom 11.1.2011 lediglich mitgeteilt, dass "die Lenkererhebung nach § 103 Abs.2 KFG unerheblich sei, solange ein Beweis für die angebliche Übertretung nicht vorliegen." Damit tritt er mit dem Regelungsziel der zitierten und im Verfassungsrang stehenden Rechtsnorm in eindeutigem Widerspruch.  Weil eben der Lenker anders nicht festgestellt werden konnte, war die Aufforderung erforderlich. Dass diese Bestimmung mit dem Grundsatz des Verbotes der Selbstbeschuldigung in einem Spannungsverhältnis steht wird dabei einmal mehr nicht übersehen.

Im Sinne der diesbezüglich bisher eindeutigen und ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht bereits dann vor, wenn der Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) etwa nur angibt, dass er den Lenker nicht benennen könne, weil das Fahrzeug von verschiedenen Personen benutzt werde (siehe zB bereits VwGH vom 17.03.1982, 81/03/0021). Der Umstand, dass das Fahrzeug in Deutschland zum Verkehr zugelassen ist und die deutsche Rechtslage möglicherweise anders gestaltet ist, ändert nichts an der Strafbarkeit der unterlassenen Lenkerauskunft, weil die Auskunft einer österreichischen Behörde zu erteilen war und daher österreichisches Rechts anzuwenden ist.

 

Hier hat sich der Berufungswerber offenbar ganz gezielt – wenn auch aus achtenswerten Gründen – einem rechtlichen Gebot widersetzt.

Offenbar verkennt er die anzuwendende Rechtslage! Letzteres trifft wohl, zumal der Berufungswerber bereits in der Aufforderung zu Bekanntgabe des Lenkers mit der Rechtsvorschrift vertraut gemacht wurde, an diese er sich ostentativ nicht zu halten geneigt zeigte.

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die angeführte Lenkeranfrage eindeutig und klar verständlich. Er hat die geforderte Auskunft nicht erteilt und damit die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht begangen. Umstände, welche ein Verschulden ausschließen würden, sind selbst vor dem Hintergrund aus der subjektiven Sicht des Berufungswerbers durchaus nachvollziehbarer rechtlicher Bedenken dennoch nicht gegeben.  

 

 

5.3. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass sich der staatliche Gebotsbereich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet, erstreckt (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Anknüpfungsfaktum ist hier die zumindest vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung eines in Österreich.

Aus dieser Verwendung leiten sich Ingerenzpflichten zur österreichischen Rechtsordnung ab, die der Berufungswerber jedenfalls nicht mit seiner subjektiven Rechtsüberzeugung abtun kann (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl. 90/08/0095). Ausgelöst wurde die Lenkeranfrage mit der zu vermutenden mit dem von ihm gehaltenen KFZ begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung auf der B148 im Raum St. Peter am Hart. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist – wie oben schon gesagt – mit Blick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88) bindend, andererseits erwächst aus der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu dessen einschlägigen Gesetzen, was wiederum einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund begründet.

Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG 1967 erfassten Regelungsinhalt ist letztlich als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Der Berufungswerber vermag sich daher insbesondere angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe bereits in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht iSd § 6 VStG entschuldigend auf einen Rechtsirrtum berufen.

 

 

6. Zur Strafzumessung:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der § 134 Abs.1 KFG sieht für Übertretungen dieser Rechtsvorschrift eine Höchststrafe von 5.000 Euro vor. Der Berufungswerber, dessen Monatseinkommen als Inhaber eines Pressebüros (Quelle: Internet)  von der Behörde erster Instanz mit nur 1.000 Euro unrealistisch niedrig eingeschätzt wurde, ist trotz des Strafmilderungsgrundes der Unbescholtenheit, die hier ausgesprochene Geldstrafe von weniger als 1,2% der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe, mit Blick auf den Tatunwert und die Tatschuld, aber auch mit Blick auf den mit einem solchen Verfahren verbundenen Aufwand, als geradezu unverständlich und unangemessen niedrig zu bezeichnen.

Aus generalpräventiven Überlegungen wäre eine deutlich höhere Strafe angemessen gewesen.

Das Verschlechterungsverbot steht jedoch einer schuldangemessenen Anpassung des Strafausspruches entgegen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

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