Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102441/15/Fra/Rd

Linz, 16.08.2002

VwSen-102441/15/Fra/Rd Linz, am 16. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Anregung des Herrn EB,, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. JP, das hg. Erkenntnis vom 2. Jänner 1995, VwSen-102441/2/Fra/Ka, gemäß § 52a Abs.1 VStG aufzuheben, zu Recht erkannt:

Das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 2. Jänner 1995, VwSen-102441/2/Fra/Ka, wird aufgehoben. Das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt.

Rechtsgrundlagen:

§ 45 Abs.1 Z2 VStG; § 52a Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Gemäß § 52a Abs.1 VStG können von Amts wegen der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegende Bescheide, durch die das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist, sowohl von der Behörde als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. § 68 Abs.7 AVG gilt sinngemäß.

2.1. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 2. Jänner 1995, VwSen- 102441/2/Fra/Ka, wurde die Berufung des Herrn EB gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 9. November 1994, VerkR96-1049-1994-2-Ga, in der Schuldfrage abgewiesen und die von der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn verhängten Geldstrafen von jeweils 4.000 S auf jeweils 2.500 S reduziert.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. Juni 1995, B 559/95, die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Bescheidbeschwerde mit der Begründung abgelehnt, dass zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind und die Beschwerde die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter rügt. Die gerügte Rechtsverletzung wäre aber im vorliegenden Fall nur die Folge einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes.

Herr B hat in seiner Bescheidbeschwerde vom 28. Februar 1995 die Verletzung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein fair trial nach Art. 6 EMRK geltend gemacht und im Wesentlichen ausgeführt, dass der UVS über seine Berufung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden hätte müssen, eine solche aber nicht durchgeführt worden ist.

Nach Einbringung eines Abtretungsantrages hat der Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom 7. September 1995 die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Darin hat der ASt im Wesentlichen releviert, dass ein Verstoß gegen § 51e VStG deshalb vorliege, weil der UVS über seine Berufung keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

Im Beschluss vom 23. Februar 1996, 95/02/0426, hat der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Bescheidbeschwerde ebenfalls abgelehnt, dies mit der Begründung, dass jeweils weder eine primäre Freiheitsstrafe von eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Sachentscheidung über die Beschwerde von keiner Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

In der an die (damalige) Europäische Kommission für Menschenrechte gerichteten Beschwerde vom 29. Mai 1996 hat Herr B die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK behauptet, der EGMR hat am 16. Jänner 2001 diese Beschwerde für zulässig erklärt (Beschwerdenummer 32381/96).

Im nun vorliegenden Urteil vom 20. Dezember 2001 hat der EGMR der Beschwerde stattgegeben und ausgesprochen, dass eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK stattgefunden hat. Da weder die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn als Erstbehörde noch der österreichische Verwaltungsgerichtshof Tribunalqualität in einem Verwaltungsstrafverfahren aufweisen und dieses Verfahren eine strafrechtliche Anklage (criminal charge) iSd Art.6 Abs.1 EMRK zum Inhalt hat, hätte im Sinne des Urteils des EGMR vom 20. Dezember 2001 der UVS des Landes Oberösterreich als einzige Instanz mit Tribunalqualität eine mündliche Verhandlung über die Berufung gegen das Straferkenntnis der Erstbehörde durchführen müssen, zumal ein Verzicht hierauf nicht abgegeben wurde.

Nach Art. 46 Abs.1 und 2 EMRK (idFd Protokolls - Nr. 11, BGBl. III Nr.30/1998) sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofes zu befolgen. Letzteres ist dem Ministerkomitèe zuzuleiten, dieses überwacht seine Durchführung.

Da weder die österreichische Prozessvertretung noch Herr B die Verweisung der Rechtssache an die große Kammer beantragt haben, ist das Urteil iSd Art. 44 EMRK endgültig.

2.2. Wenngleich das oa Urteil des EGMR nicht überzeugt (der Oö. Verwaltungssenat hat im Verfahren VwSen-102341, welches mit dem gegenständlichen Verfahren im sachlichen und persönlichen Zusammenhang stand, eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt; im gegenständlichen Verfahren waren lediglich Rechtsfragen zu klären; Herr B hat eine Verhandlung nicht beantragt), ist es zur Kenntnis zu nehmen.

Herrn B wird zugestimmt, wenn er argumentiert, dass die durch das oa Urteil EGMR festgestellte Konventionsverletzung durch die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgt ist und eine Befolgung des Urteils des EGMR iSd Art. 46 Abs.1 EMRK nur darin bestehen kann, dass der UVS sein Erkenntnis vom 2. Jänner 1995 aufhebt und das Verfahren einstellt, zumal aufgrund der Verfahrensvorschriften auch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung über seine Berufung vom 29. November 1994 das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 9. November 1994 nicht bestätigt werden könnte.

Der Oö. Verwaltungssenat handhabte daher das ihm zustehende Ermessen gemäß § 52a Abs.1 VStG dahin, dass er der Anregung des Herrn Baischer folgte.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Fragner

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