Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150876/10/Re/Hue

Linz, 01.09.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des M E M,  W, N, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M R, W, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft von Linz-Land vom 11. April 2011, Zl. BauR96-462-2009/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.    

II.              Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 60 Euro, d.s. 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
34 Stunden verhängt, weil er am 8. April 2009, 14.19 Uhr, als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen  die A1 bei km 172.060, Gemeinde Ansfelden, benützt hat, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Auf dem Kfz sei keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass er am Tattag versehentlich zunächst das Fehlen einer Mautvignette übersehen habe. Sofort nach Bemerken des Versehens habe der Bw bei einer Tankstelle eine Vignette erworben. Aufgrund einer beruflich bedingten Ortsabwesenheit sei dem Bw das Ersatzmautangebot erst kurz nach Ablauf der vierwöchigen Zahlungsfrist zugegangen. Die Einzahlung der Ersatzmaut sei dann verspätet erfolgt. Gerade weil das BStMG eine Zahlungsfrist von vier Wochen für die Ersatzmaut regle, ergebe sich daraus sehr wohl ein subjektives Recht des Mautsünders auf Gewährung einer vierwöchigen Zahlungsfrist zwecks Erlangung der Straffreiheit. Somit sei die Unterlassung der Entrichtung der Maut nur dann strafbar, wenn trotz Aufforderung eine Ersatzmaut bezahlt werde. Voraussetzung für die Strafbarkeit sei somit ein entsprechendes Aufforderungsschreiben, welches aber nur dann Sinn mache, wenn es dem Mautsünder zugestellt werde. Eine Zustellung während der Ortsabwesenheit des Mautsünders sei nicht möglich. Es müsse daher von Straflosigkeit ausgegangen werden, wenn der Mautsünder ohne weiteres Zuwarten die Ersatzmaut nach seiner Rückkehr einzahlt. Selbst wenn der Gesetzgeber der ASFINAG nur die Möglichkeit eines Ersatzmautangebotes ("kann") eröffnet haben sollte, ändere dies nichts daran, dass die ASFINAG vom Recht der Einhebung einer Ersatzmaut Gebrauch gemacht habe, sie jedoch an das vorgeschriebene Verfahren gebunden sei und im Gegenzug dem Mautsünder das Recht zu einer Straflosigkeit seines Verhaltens zukomme. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er Personen, welche vorübergehend ortsabwesend seien, benachteiligen habe wollen. Ein derartiger Strafbarkeitsausschließungsgrund habe allen Mautsündern zuzukommen und sei daher auch für den Fall des Bw zu berücksichtigen. Die Erstbehörde hätte daher von einer noch fristgemäßen und damit strafbefreienden Zahlung der Ersatzmaut ausgehen müssen.

Selbst wenn man sich dieser Rechtsansicht nicht anschließe, sei aufgrund des Versehens des Bw bezüglich der Anbringung der Mautvignette wegen des zuvor erfolgten Autokaufs aber auch aufgrund der ihm nicht vorwerfbaren Ortsabwesenheit und damit einhergehenden verspäteten Zahlung der Ersatzmaut lediglich von einem geringen Verschulden auszugehen, sodass sowohl aus general- als auch spezialpräventiven Gründen mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden könne.

 

Beantragt wurde die Einstellung des Verwaltungsverfahrens, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung.

 

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 25. Juni 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 BStMG sei dem Zulassungsbesitzer am 30. April 2009 schriftlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (zeitgerecht) entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 17. Juli 2009 brachte der Bw vor, dass er die Einzahlung der Ersatzmaut aufgrund beruflicher Abwesenheit verabsäumt habe.

Als Beilage ist eine Bestätigung des Arbeitgebers des Bw angeschlossen, wonach sich der Bw im Zeitraum von März bis Mitte Mai (gemeint wohl: 2009) durchgehend auf Montage befunden habe.

 

Einer zusätzlichen A-Stellungnahme vom 23. September 2009 sind im Wesentlichen rechtliche Bestimmungen zu entnehmen. Als Beilage sind zwei Beweisfotos angeschlossen.

 

Dazu legte der Bw seine Einkommensverhältnisse und Sorgepflichten dar.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In einer weiteren Stellungnahme vom 15. Juli 2011 wies der Bw darauf hin, dass von der belangten Behörde aus unbekannten Gründen zunächst versucht worden sei, ihm das Straferkenntnis vom 11. April 2011 an die Adresse seines Cousins in R zuzustellen. An dieser Adresse sei der Bw nie gemeldet oder wohnhaft gewesen. Möglicherweise habe die Erstbehörde Zweifel über die Identität des Bw gehegt. Aus diesem Grund müsse der Bw im Zweifel davon ausgehen, dass die Behörde zunächst eine andere Person verfolgt habe, weshalb die erste Verfolgungshandlung gegen den Bw konkret erst mit Veranlassung der Zustellung einer auf seine Wohnanschrift in W korrigierten Ausfertigung des Straferkenntnisses erfolgt sei. Sicherheitshalber werde deshalb der Einwand der Verjährung erhoben.   

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat teilte dem (Vertreter des) Bw am 29. Juni 2011 mit, dass die Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht notwendig erscheine, da der vom Bw vorgebrachte Sachverhalt nicht angezweifelt und über die Frage des Ersatzmautangebotes rechtlich zu befinden sein werde. Wenn der Bw dennoch auf der Durchführung einer Berufungsverhandlung bestehen sollte, möge er dies innerhalb Frist begründet mitteilen.

 

Eine Antwort auf dieses Schreiben seitens der rechtsfreundlichen Vertretung des Bw ist nicht erfolgt, weshalb von einem Verhandlungsverzicht auszugehen ist.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

6.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben ist, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen) ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.  

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs.4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6). 

 

6.2. Zunächst ist dem Einwand des Bw auf Verjährung entgegen zu treten:

Wenn der Bw vorbringt, es liege Verfolgungsverjährung wegen Zustellproblemen beim Straferkenntnis vom 11. April 2011 vor, ist er darauf hinzuweisen, dass ihn die Verfolgungshandlung in Gestalt der Strafverfügung vom 17. Juli 2009, welche ihm an seine damalige Wohnadresse in  W, P, zugestellt wurde, – unbestritten – nicht nur erreicht hat, sondern er mit E-Mail vom 8. August 2009 dagegen auch einen Einspruch erhoben hat. Die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG) wurde demnach nicht überschritten. Auch Strafbarkeitsverjährung (§ 31 Abs. 3 VStG) ist bisher nicht eingetreten. Die diesbezüglichen Einwendungen des Bw verfehlen deshalb. 

 

6.3. Zum Sachverhalt: Unbestritten ist, dass der Bw als Lenker zur Tatzeit eine Mautstrecke benützt hat und zu diesem Zeitpunkt auf der Windschutzscheibe keine gültige Vignette aufgeklebt war. Der Bw hat somit das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Wenn der Bw vermeint, der Fristenlauf für die Einzahlung der angebotenen Ersatzmaut beginne erst mit seiner Rückkunft zur Abgabenstelle, ist er darauf aufmerksam zu machen, dass seiner Ansicht der Gesetzeswortlaut entgegen steht, wonach die Zahlungsfrist nach Ablauf von vier Wochen nach Ausstellung des Ersatzmautangebotes endet (§ 19 Abs. 4 BStMG). Das Angebot der Ersatzmaut wurde gegenständlich am 30. April 2009 ausgestellt, die Zahlungsfrist endete somit am 28. Mai 2009. Das Unterbleiben einer (zeitgerechten) Bezahlung der Ersatzmaut – aus welchen Gründen auch immer – kommt dem Ausschlagen dieses Vergleichsangebotes der A gleich, weshalb der Strafausschließungsgrund des § 20 Abs. 3 BStMG nicht zustande gekommen ist. Die Ersatzmaut ist – unbestritten – nicht rechtzeitig einbezahlt worden. Auch bestehen entgegen der Meinung des Bw gem. § 19 Abs. 6 BStMG keinerlei subjektiven Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut, weshalb der Bw selbst bei Unterbleiben eines Ersatzmautangebotes nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt hätte werden können.

 

Die Tat ist daher dem Bw – da keine Entschuldigungs­gründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Sollte der Verschuldensgrad auf Rechtsunkenntnis gestützt werden, wäre der Bw darauf hinzuweisen, dass er als Lenker verpflichtet ist, sich vor Benützung von Mautstrecken mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung auf geeignete Weise vertraut zu machen. Vorwerfbare Rechtsunkenntnis bewirkt daher Fahrlässigkeit, die bei "Ungehorsamkeitsdelikten" ausreicht. Zugunsten des Bw sei von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass der Bw vor Befahren einer Mautstrecke die Anbringung einer gültigen Vignette übersehen hat. 

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass ohnehin lediglich die gesetzliche Mindestgeldstrafe verhängt wurde, sodass die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw unerheblich sind. Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit und das im Hinblick auf die Beweislage (Fotos) wenig ins Gewicht fallende Tatsachengeständnis. Im Hinblick auf diese Situation erscheint die Verhängung der Mindeststrafe schon aus spezialpräventiven Gründen angemessen. Überwiegende Milderungsgründe iSd   § 20 VStG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des   § 21 Abs.1 VStG denkbar wäre. Insbesondere ist der Schuldgehalt nicht gering zu veranschlagen, da die ordnungsgemäße Mautentrichtung durch Aufkleben einer gültigen Vignette gegenständlich die zentrale Lenkerpflicht darstellt.

 

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

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