Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730199/2/BP/Wu

Linz, 04.10.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der Türkei, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. April 2010, AZ: 1005968/FRB, betreffend eine Ausweisung des  Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Ausweisung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. April 2010,
AZ.: 1005968/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis der §§ 53 iVm. 31 Abs. 1, 31 Abs. 1a und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass sich der Bw, ein Staatsangehöriger der Türkei, seit 15. Dezember 1990 in Österreich aufhalte. Am 9. April 2002 habe er einen Asylantrag gestellt, der am 25. Jänner 2010 gemäß §§ 7 und 8 AsylG 2005 rechtskräftig abgewiesen worden sei.

 

Aufgrund seines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und mehrfacher strafgerichtlicher Verurteilungen (wegen leichter Körperverletzung und Vergewaltigung) sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom 18. Februar 2000 ein unbefristetes aufenthaltsverbot gegen den Bw erlassen worden, welches von der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich bestätigt worden sei. Ein Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes vom 13. April 2006 sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom 27. September 2006 und die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 31. Oktober 2006 abgewiesen worden.

 

Nachdem der Bw am 1. Jänner 2006 Asylwerber gewesen we, gelte gemäß der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 3 FPG das mit Bescheid vom 18. Februar 2000 erlassene Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot. 

 

Nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens mit Schreiben vom 4. Februar 2010 habe der Bw in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2010 ua. angegeben, sich schon sehr lange in Österreich aufzuhalten, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und zwei gemeinsame Kinder in Linz zur Welt gekommen seien. Auch habe der Bw dem Staat in keiner Weise Schaden zugefügt; es sei nur sehr schwer für ihn hier Arbeit zu finden. Seine Eltern und Geschwister würden in Österreich leben. Das Familieneinkommen bestehe aus einer Notstandshilfe, dem Einkommen der Gattin (Halbtagsarbeit), Kindergeld und einem Mietzuschuss des Landes Oberösterreich. Es wäre für die Familie des Bw sehr schlimm, wenn er Österreich verlassen müsste.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass, nachdem sich der Bw seit Ende 1990 in Österreich aufhalte, er mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und 2 Kinder im Bundesgebiet zur Welt gekommen seien, die Ausweisung einen nicht unerheblichen Eingriff in sein Privatleben bedeute, der allerdings dadurch zu relativieren sei, dass dieser Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages nur temporär legal beruht habe, was dem Bw spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung im Asylverfahren vom 28. April 2003 habe bewusst sein müssen. Zur Zeit der Gründung des Familienlebens habe gegen den Bw bereits das Aufenthaltsverbot bzw. das Rückkehrverbot bestanden.

 

Es hätte ihm bewusst sein müssen, dass er ein Privatleben während dieses Zeitraums geschaffen habe, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. So habe er keinesfalls damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

 

Aus dem Versicherungsdatenauszug gehe hervor, dass der Bw während des Aufenthalts in Österreich nur sehr unregelmäßig einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sei. Es könne daher von keiner beruflichen oder sozialen Verfestigung im Sinne einer gelungenen Integration gesprochen werden

 

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die Ausweisung nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG zulässig scheine, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 66 Abs. 2 und 3 FPG zulässig sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 3. Mai 2010.

 

Zunächst werden die Anträge gestellt, die Berufungsbehörde möge

a) den angefochtenen Bescheid aufheben und das wider den Bw eingeleitete Ausweisungsverfahren zur Einstellung bringen oder

b) den angefochtenen Bescheid aufheben und an die belangte Behörde nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zur neuerlichen Bescheiderlassung rückverweisen; und

c) jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen.

 

In der Berufung wird dem im angefochtenen Bescheid dargestellten Sachverhalt grundsätzlich nicht entgegengetreten, sondern vielmehr die für den hohen Grad an sozialer, familiärer und persönlicher Integration sprechenden Elemente nochmals betont. Es wird dazu gerügt, dass sich die belangte Behörde zu wenig mit diesen Sachverhaltselementen auseinandergesetzt und den Bw dazu nicht persönlich einvernommen habe.

 

Insbesondere wird auf das bestehende Familienleben, den Umstand, dass sowohl die Ehefrau als auch die beiden Kinder österreichische Staatsangehörige sind, die perfekten Deutschsprachkenntnisse des Bw und sein wohlverhalten seit dem Jahr 1998 hingewiesen.

 

Nachdem gegen den Bw bereits ein Aufenthaltsverbot bestehe, sei die Erlassung einer Ausweisungsentscheidung gegen ihn " auf Vorrat" nicht zulässig. Darüber hinaus beabsichtige der Bw in die Türkei auszureisen.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Mit Schreiben vom 12. September 2011 übermittelte der Rechtsvertreter des Bw eine ergänzende Stellungnahme und führt darin ua. aus, dass der Bw noch in aufrechter Ehe mit seiner Gattin und im gemeinsamen Haushalt mit den ehelichen Kindern lebe. Sämtlicher seiner Verwandten seien österreichische Staatsangehörige.

 

Mit Bescheid vom 30. Juni 2010 sei das gegen den Bw bestehende Aufenthaltsverbot von der BPD Linz aufgehoben worden. Der Bw habe einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beim Magistrat Linz gestellt, der aber erst nach entscheidung im ggst. Verfahren inhaltlich bearbeitet werde.

 

Die Ehegattin des Bw verdiene nunmehr monatlich 1.100 Euro (14 x pro Jahr) und auch der Bw könne im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung jederzeit einer Beschäftigung nachgehen. 

 

Dem Schreiben sind der Aufhebungsbescheid des Aufenthaltsverbotes sowie Arbeitsvertrag und Lohnbestätigung seiner Gattin und auch eine Kopie seines Reisepasses beigeschlossen.

 

Aus einem aktuellen Auszug der Fremdeninformation geht hervor, dass am 16. August 2010 ein Antrag auf Niederlassungsbewilligung für den Bw gestellt wurde

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte – auch entgegen dem Parteienvorbringen - abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Ausdrücklich wird festgehalten, dass dem Vorbringen des Bw Glaubwürdigkeit zugemessen wird, weshalb eine persönliche Einvernahme keinesfalls erforderlich war.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehende Ausweisung auf Basis des § 53 FPG ("alte Fassung") erlassen wurde, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des nunmehrigen § 52 FPG anzusehen und zu beurteilen wäre.

 

Nun ergibt sich aber aus dem Sachverhalt, dass der Bw mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist und mit ihr und zwei ehelich geborenen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebt.

 

1.1.3. Gemäß § 65b FPG unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

1.1.4. Im vorliegenden Fall ist somit unbestritten, dass der Bw Familienangehöriger einer österreichischen Staatsangehörigen im Sinne der §§ 2Abs. 4 Z. 12 iVm. 65b FPG ist, weshalb für die Beurteilung der Ausweisung zunächst § 66 FPG Anwendung findet.

 

1.2.1. Gemäß § 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 FPG hat die Behörde, wenn ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden soll, insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 FPG ist die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 FPG gilt § 59 Abs. 1 sinngemäß.

 

3.2.2. Aus dem Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei, dass der Bw schon seit dem Jahr 1990 – also seit nunmehr 21 Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist, weshalb zur Beurteilung der in Rede stehenden Ausweisung § 66 Abs. 3 FPG heranzuziehen ist.

 

In diesem Sinn ist eine Ausweisung nur dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

Dafür gibt es aber nach dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt keinen stichhaltigen Hinweis. Der Bw war zwar Mitte der 90er-Jahre dreimal straffällig geworden. Die letzte Verurteilung datiert aus dem Jahr 1998. Seit diesem Zeitpunkt sind keine weiteren strafgerichtlichen Verfehlungen des Bw dokumentiert, weshalb nach § 66 Abs. 3 FPG geforderte die akut drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht mehr bejaht werden kann. Weitere diesbezügliche Gefährdungselemente sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

 

Sohin sind die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ausspruch einer Ausweisung im vorliegenden Fall nicht nicht gegeben.

 

Zusätzlich ist jedoch gemäß § 61 Abs. 3 FPG jedenfalls darüber abzusprechen, ob eine Ausweisung hinsichtlich des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK und § 61 Abs. 1 FPG auf Dauer oder nur kurzfristig nicht zulässig ist. 

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt    entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren         Aufenthaltstatus   bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

3.4.2. Im in Rede stehenden Fall wären sowohl das Privat- als auch das Familienleben des Bw von einer Ausweisung betroffen.

 

Der Bw befindet sich schon seit nunmehr 21 Jahren im Bundesgebiet, woobei dieser Aufenthalt überwiegenden Teils nicht rechtmäßig war.

 

Es besteht ein aufrechtes Familienleben mit der Ehegattin und den beiden Kindern, das wie auch das fraglos vorliegende Privatleben als schützenswert einzustufen ist. Insbesondere ist hier auch auf das Recht der österreichischen Ehegattin und Kinder gemäß § 66 Abs. 3 FPG auf den Verbleib des Gatten bzw. des Vaters im Familienverband hinzuweisen.

 

Wenn auch festgestellt werden muss, dass der Bw selbst nicht als äußerst gefestigt beruflich integriert zu bezeichnen ist, würde ihm – im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung – die Möglichkeit geboten, sich nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

Nachdem beinahe sämtliche Verwandte des Bw im Bundesgebiet aufhältig sind, ist von einer sozialen Integration auszugehen, die auch durch den Erwerb sehr guter Sprachkenntnisse getragen ist.

 

Im gleichen Maß ist nach einem über 20 jährigen Aufenthalt in Österreich von eher geringen sozialen Bindungen zum Herkunftsstaat auszugehen, was auch dadurch verstärkt wird, dass dort keine nahen Verwandten des Bw mehr leben.

 

Die bis rund 15 Jahre zurückliegenden Straftaten des Bw sind hingegen nicht mehr als besonders bedeutsam zu werten, wie auch die Tatsache, dass der Aufenthalt teils nicht legalisiert war. Inwieweit die Dauer des Asylverfahrens dem Verhalten des Bw oder der Behörden zuzurechnen ist, lässt isch aus der Aktenlage nicht klar entnehmen.

3.4.3. Im Ergebnis ist also eine Ausweisung des Bw auch im Hinblick auf sein Privat- und Familienleben auf Dauer als nicht zulässig zu betrachten.

 

3.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Eine Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung konnte gemäß § 66 Abs. 4 iVm. § 59 Abs. 1 FPG unterbleiben, da der Bw über sehr gute Deutschsprachkenntnisse verfügt.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 42,00 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

  

 

Bernhard Pree

 

 

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