Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252686/43/Lg/Ba

Linz, 14.09.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 29. Juni und 11. August 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung der X X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Braunau am Inn vom 29. Dezember 2010, Zl. SV96-252-2010-Sc, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Strafer­kenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 2.000 Euro bzw. eine Ersatzfrei­heitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil sie in der Zeit vom 18.2.2010 bis 7.6.2010 und seit 10.6.2010 im Bordell "X" in X, X, die ungarische Staatsbürgerin V K als Prostituierte beschäftigt habe, ohne dass die für eine legale Ausländerbe­schäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.

 

2. In der Berufung wird dagegen eingewendet:

 

"Gegen die Erkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, GZ: SV96-252-2010-Sc, SV96-273-2010-SC, SV96-278-2010-Sc jeweils vom 29.12.2010, zugestellt durch Hinterlegung am 31.01.2010, erhebe ich nachstehende

 

BERUFUNG:

 

wegen Rechtswidrigkeit in Folge von Verfahrensfehlern und inhaltlicher Rechtswidrigkeit, womit die Straferkenntnisse zur Gänze angefochten werden.

 

Trotz der Umstände, dass es sich bei gegenständlichen drei Strafverfügungen bzw. Straferkenntnissen um jeweils verschiedene Rechtsakte handelt, beschränkt sich die erkennende Behörde auf quasi gleichlautende Sachverhaltsdarstellungen, Ermittlungsergebnisse und Begründungsargumentationen.

 

Im Wesentlichen begründet überhaupt die erkennende Behörde, quasi in Heranziehung der verba legalia, seine Entscheidung damit wonach es aber völlig unbegründet ist, dass das von mir betriebene Lokal ein Bordell sei.

 

Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Bordelles stelle die Anwesenheit von Prostituierten dar.

 

Ohne die Anwesenheit von Prostituierten würde der Geschäftszweck des Bordells nicht verwirklicht. Aus diesem Grunde gehe die erkennende Behörde von einem zumindestens im weitesten Sinn bestehenden arbeitnehmerähnlichen Beschäfti­gungsverhältnis aus.

 

Aufgrund welcher Erkenntnisse nunmehr die erkennende Behörde zum Schluss bzw. zur Feststellung gelangt, dass es sich bei dem von mir betriebenen Lokal X in X, X, um ein Bordell handelt ist aus den jeweiligen Straferkenntnissen nicht nachvollziehbar ableitbar.

Aus diesem Grunde ist bereits ein näheres Eingehen auf das dergestaltete Argument seitens der erkennenden Behörde gar nicht möglich.

 

Als gravierender Verfahrensmangel ist zu normieren, dass es seitens der erkennenden Behörde im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung nicht zu einer einzigen Einvernahme der betroffenen Frauen in der Sache selbst gekommen ist.

 

Nach Kenntnis der Berufungswerberin wurden überhaupt nur zwei Damen (M und V) im Rahmen von fremdenrichtlichen Verfahren (Anmeldebescheinigungen) einvernommen.

 

In der Sache selbst, wegen allfälliger unerlaubter Ausländerbeschäftigungen wurden die Damen zu keinem Zeitpunkt, wie auch immer, einer Befragung, somit einer verwertbaren und nachvollziehbaren Sachverhaltsdarlegung unterzogen.

 

Bereits aus diesem Grunde ist das erstinstanzliche Verfahren äußerst mangel- und lückenhaft und ist der Sachverhalt keineswegs dergestalt detailliert und objektiv erhoben.

 

Bei dem von mir betriebenen Lokal 'X' handelt es sich um ein konzessioniertes Gastgewerbeobjekt, das in vormaliger Zeit im Wesentlichen von Motorradfahrern, Bikern und sonstiger Laufkundschaft aufgesucht wurde.

 

Aufgrund der exponierten Lage waren jedoch Maßnahmen notwendig um die Attraktivität des Lokales zu steigern.

 

Bereits aufgrund dieses Umstandes und Sachverhaltes geht die Begründung der erkennenden Behörde ins Leere, wonach es Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Bordelles sei, dass Prostituierte anwesend wären.

 

Ebenso unrichtig ist daher, dass im weitesten Sinne im Hinblick auf den geschilderten Zweck, nämlich Betrieb eines Bordelles, von einer planmäßigen Eingliederung von Prostituierten in die Betriebsorganisation des Bordelles auszugehen ist.

Im Übrigen ist es auch unrichtig, dass in Zeitungen mit Inseraten für den Bordellbetrieb geworben werde.

 

Diesbezüglich gibt es auch kein darüber hinaus gehendes Vorbringen, geschweige denn Feststellungen, noch Begründungsansätze, seitens der erkennenden Behörde.

 

Bei vorschriftsmäßiger, gesetzmäßiger Sachverhaltsfeststellung hätte die erkennende Behörde nach Aufnahme von Beweisen, insbesondere der Einvernahme der in Rede stehenden, angeblich gesetzwidriger beschäftigten Damen zu der Auffassung kommen müssen, dies unterstrichen durch die jeweiligen Beweisergebnisse, dass selbstverständlich derartige atypische Umstände vorliegen, die zuletzt rechtfertigen hätten können, dass die angetroffenen Ausländerinnen entgegen dem sich nach den von der Judikatur entwickelten Kriterien ergebenden Anschein nicht als arbeitähnlich zu bewerten gewesen wären.

 

Dabei ist voranzustellen, dass maßgebliches Indiz für die selbständige Tätigkeit der Ausländerinnen die Bestätigung über die Pflichtversicherung in der gewerblichen Sozialversicherung ist, worüber durch die erkennende Behörde bereits im erstinstanzlichen Verfahren Erhebungen durchgeführt hätten werden müssen.

 

Der Beruf der Prostituierten ist in der Zwischenzeit in die Liste der 'Neuen Selbständigen', der Wirtschaftskammer Niederösterreich aufgenommen worden.

 

Darüber hinausgehende Indizien für die dementsprechende Selbständigkeit sind steuerliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit, welche von den Damen auch monatlich entrichtet werden.

 

Darüber hinaus muss es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine solche bzw. Geschäftsbereiche handeln für die man keine Gewerbeberechtigung benötigt.

 

Merkmale der Selbständigkeit sind die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit, die Weisungsfreiheit, sowie die unternehmerische Struktur über die die Selbständige verfügen muss.

Zur Infrastruktur und Struktur der Tätigkeit der Damen ist auszuführen, dass diese zum Zwecke ihrer Tätigkeit im Haus X, X befindliche Zimmer anmieten, worüber mit den Damen jeweils entsprechende Mietverträge abgeschlossen wurden.

 

Besagte Damen tragen keinerlei unternehmerisches Risiko meines Unternehmens ebenso wenig wie ich am unternehmerischen Risiko der Damen selbst partizipiere.

 

Zwischen den jeweiligen Damen und mir als Lokalbetreiberin einerseits und Vermieterin andererseits ist es zu einer GesbR-Kooperationsvereinbarung gekommen, zufolge es zwischen uns zum Austausch von Leistungen kommt, die jedoch keineswegs in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gründen bzw. auch arbeitnehmerähnliche Verhältnisse zulassen würden.

 

Dazu sei nur angeführt, dass maßgeblich für das Unterliegen eines Beschäftigungsverhältnisses unter § 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform zählt.

 

Es ist im vorliegenden Fall so, dass besagte Damen im Bezug auf mein, an der Adresse X, betriebenes Lokal keinerlei Anspruch auf Urlaubsgeld, Krankenstand, allfällige Karenzzeiten, Kündigungsfristen oder dgl. bestehen.          

 

Darüber hinaus haben die Damen auch keinerlei Anspruch auf Abfertigung bzw. besteht keinerlei Anspruch auf Arbeitslosenversicherung oder Krankenver­sicherung.

 

Dies alles liegt in der Sphäre der Damen selbst.

 

Entgegen der in den jeweiligen Straferkenntnissen geäußerten Rechtsansicht, die auch zugleich als Begründung herangezogen wird, ist es im vorliegenden Fall so, dass sämtliche atypische Beschäftigungskomponenten vorliegen.

 

Es sind dies im Wesentlichen die Aspekte der Teilzeitbeschäftigung, allenfalls die geringfügige Beschäftigung, der auf das Mietverhältnis beschränkte befristete Aufenthalt sowie absolute freie Dienstvertragskomponenten und ähnliche Verhältnisse.

Das Kooperationsverhältnis zwischen dem Gastgewerbebetrieb und den sich aufgrund des Mietverhältnisses angetroffenen Prostituierten läßt wechselseitig keinerlei forderbaren Anspruch auf Leistungen entstehen.

 

Jeder für sich selbst ist in der Ausübung seiner Tätigkeit dergestalt selbständig und unabhängig, dass es keinerlei forderbarer Arbeitsleistungen wechselseitiger Natur gibt.

 

Im Übrigen sei auch darauf verwiesen, dass die Prostitution nicht in den Räumlichkeiten des von mir betriebenen Gastgewerbebetriebes ausgeübt werden sondern dass dafür eigens von den Prostituierten angemietete Zimmer herangezogen werden.

 

In wie weit geschaltete Inserate in der tatsächlich vorliegenden Form auf ein Arbeitsverhältnis bzw. arbeitnehmerähnliches Verhältnis schließen lassen sollen ist nicht nachvollziehbar.

 

Im Besonderen wird darauf verwiesen, dass mit gegenständlichen Inseraten keineswegs die Prostitution als solche beworben ist, lediglich die Anwesenheit von Damen wird dort beworben.

 

Schlussendlich ist es so, dass aufgrund des sich darstellenden Sachverhalts und Tatbildselemente keine Umstände vorliegen, die verdeutlichen würden, dass die Prostituierten einer planmäßigen Eingliederung in die Betriebsorganisation meines Gastgewerbebetriebes unterliegen. Insbesondere ist deren Tätigkeit nicht meinem Unternehmen zuzurechnen.

 

Nicht die Tätigkeit der Ausländerinnen als Prostituierte habe dazu geführt die Attraktivität des von mir betriebenen Lokals zu steigern sondern lediglich deren Anwesenheit, wobei bereits im idiomatischen Sinn es nicht so sein kann, dass aus der tatsächlichen Anwesenheit irgendeine beschäftigungsmäßige Tätigkeit abzuleiten wäre.

 

Ebenso wenig wie die Damen irgendetwas mit meinem Betrieb in Form eines Gastgewerbetriebes an der Adresse X, X zu tun haben, ebenso wenig habe ich etwas mit den geschäftlichen Tätigkeiten der Damen in den dafür eigens angemieteten Räumlichkeiten in X etwas zu tun.

Jeder ist für sich entsprechend selbst berechtigt.

 

Insbesondere ist es auch nicht so, wie von Seiten der erkennenden Behörde versucht wird darzustellen, dass die jeweiligen Prostituierten auf den Betrieb meines Lokales angewiesen wären, ebenso wenig wie ich auf die tatsächliche Anwesenheit der Damen, geschweige denn deren Tätigkeit als Prostituierte angewiesen wäre.

 

Jede der Damen verfügt über die entsprechenden Schlüssel und könnte nach jeweiliger eigener Intention die Prostitution auch ohne mein Gastlokal ausüben. Ebenso wie es mir möglich ist, meinen Gastgewerbebetrieb ohne die jeweiligen Damen zu führen.

 

Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iSd § 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz ist insbesondere aufgrund des Vorliegens der Umstände, dass die Damen in ihrer Gebarung völlig selbständig und weisungsfrei und ungebunden sind, nicht gegeben. Maßgebliche Damen üben deren Tätigkeit in den dafür gemieteten Räumlichkeiten auf eigene Rechnung und auf eigenen Namen aus. Es besteht keinerlei Anwesenheitspflicht und sind die Damen in ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Gebarung völlig selbständig und unabhängig von meinem geführten Gastgewerbebetrieb.

 

Mangels Einvernahme der jeweiligen Damen in nachvollziehbarer und objektiver Form und Weise ist gegenständlich erhobener Sachverhalt, lediglich auf der Basis von Spekulationen und Schlüssen seitens der erkennenden Behörde festgestellt worden.

 

Beantragt wird daher iSd Berufungsvorbringens die ausdrückliche Einvernahme der

B M, geb. X

K V, geb. X

G C, geb. X

A F, geb. X

Z H, geb. X

Z J, geb. X

X M, geb. X

M S, geb. X

sowie ausdrücklich meine dementsprechende Einvernahme.

 

Zumal besagte Damen aus den ausgeführten Darstellungen nicht an eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung, mangels unselbständiger Erwerbstätigkeit gebunden wären, habe ich die dementsprechende Gesetzesstelle nicht verletzt und ist insbesondere eine unerlaubte Beschäftigung iSd Gesetzes nicht vorgelegen.

 

Aus all diesen Gründen stelle ich daher durch meinen ausgewiesenen Vertreter die nachstehenden

 

ANTRÄGE:

 

Eine Berufungsverhandlung durchzuführen.

Die angebotenen Beweise aufzunehmen, folglich der Berufung Folge geben und die Straferkenntnisse zur Zahl SV96-252-2010-Sc, SV96-273-2010-Sc und SV96-278-2010-Sc jeweils vom 29.12.2010 aufzuheben und die gegen mich eingeleiteten und geführten Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Der Strafantrag des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 2.8.2010 enthält folgende Sachverhaltsdarstellung:

 

"Aufgrund einer mit Frau K V, geb. X, aufgenommenen Niederschrift der BH-Braunau, X, Zahl Sich40-27936 vom 22.07.2010, wurde folgendes bekannt: Frau K V arbeitet seit 10.06.2010 im Bordell X in X, X 1, als Prostituierte ohne dafür arbeitsrechtliche Bewilligung zu besitzen.

Eine SV-Abfrage ergab, dass Frau V entgegen ihrer Angabe in der Niederschrift, nicht zur SV angemeldet ist.

 

Die näheren Angaben mögen der beiliegenden Niederschrift entnommen werden.

 

Nach höchstgerichtlicher Judikatur ist aufgrund der wirtschaftlichen Gestaltung der Ausübung der Prostition davon auszugehen, dass die Durchführung der Tätigkeit unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitsverhältnis ausgeübt wird. Tatbestandsmerkmale für die Annahme einer zumindest im arbeitnehmerähnlichen Verhältnis erfolgten Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG sind.

Bindung an die Öffnungszeiten (Zeitvorgabe)

Bindung an den Arbeitsplatz (Zimmer im Betrieb)

Vorgabe der 'zeitabhängigen Grundpreis' "

 

Dem Strafantrag beigelegt ist eine fremdenpolizeiliche Niederschrift mit der Ausländerin vom 22.7.2010. Darin gab diese an:

 

"Ich bin ungarische Staatsbürgerin. Ich bin nach Österreich gekommen um hier zu arbeiten. Die Arbeitsverhältnisse in Ungarn sind schlecht, da man dort sehr wenig verdient. Ich habe in Ungarn meine Pflichtschule erfüllt und auch 3,5 Jahre eine Krankenpflegeschule besucht. Diesen Beruf habe ich jedoch nicht abgeschlossen. Den Abschluss habe ich nicht gemacht, da meine Eltern nicht so viel Geld haben, das Schulgeld zu bezahlen. Das war in X.

 

Der Grund für die Einreise nach Österreich im Jahr 2008 war zur Arbeit als Prostituierte. In Ungarn habe ich nicht als Prostituierte gearbeitet. Meine Eltern wissen, dass ich als Prostituierte in Österreich arbeite.

 

Wenn ich gefragt werde, wie ich zu diesem Job gekommen bin, so gebe ich an, dass ich das im Internet gesehen habe. Ich habe angerufen und habe dann die Auskunft bekommen, dass ich arbeiten kann, wenn ich 18 Jahre alt bin.

Ich bin dann mit dem Zug nach X gefahren und habe im Jänner 2008 im Saunaclub X zu arbeiten begonnen. Seit ich in Österreich die Prostitution ausübe stelle ich mich auch regelmäßig der amtsärztlichen Untersuchung. Ich bin im Besitz von 2 'Gesundheitsbüchern', eines ausgestellt vom Magistrat X am 22.1.2008 und eines ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 15.1.2008. Die erste Untersuchung erfolgte bei der BH Braunau am Inn am 8.1.2008. Zuletzt war ich am 15.7.2010 bei der BH Braunau am Inn beim Amtsarzt. Kopien der Bücher lege ich der BH Braunau vor.

Zu meinen Meldedaten und Aufenthaltszeiten in Österreich gebe ich an, dass ich wie folgt in Osterreich gemeldet und aufhältig bzw. aufhältig bin.

14.01.2008-29.05.2008          X, X     Saunaclub X

29.05.2008-05.02.2009          X, X     Privatwohnung

05.02.2009-18.02.2010  X, X Privatwohnung

18.02.2010-07.06.2010          X, X     Bordell X

10.06.2010 – laufend  X, X     Bordell X

 

Während meiner Aufenthaltszeit in X, eingereist bin ich ca. 6. oder 7.1.2008 zur Arbeitsaufnahme, war ich immer im Saunaclub X beschäftigt. Meine ausschließliche Tätigkeit in diesem Xbad war die Arbeit als Prostituierte. Das Xbad in X hat fixe Öffnungszeiten. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Sonntag, es gibt keinen Ruhetag, von 14.00 bis 03.00 Uhr.

Für die sexuellen Dienstleistungen gibt es im Xbad fixe Preise, die vom Haus festgesetzt sind, die halbe Stunde kostet 50,00 €, die Stunde 100,00 €. Der Liebeslohn wurde von mir selbst kassiert. An den Chef musste ich davon nichts bezahlen. Ich musste 350,00 € monatlich Miete bezahlen. Für Wäsche usw. musste ich nichts bezahlen. Für Kondome bin ich selbst aufgekommen, diese habe ich im Sexshop X gekauft.

 

Wenn der Kunde nicht bar zahlen konnte und mit der Kreditkarte bezahlt hat dann wurde das über den Kellner oder die Kellnerin abgerechnet. Der Kunde bezahlte mit der Kreditkarte bei der Kellnerin oder dem Kellner und diese haben mir dann das Geld in bar gegeben.

Wenn ich gefragt werde, wie ich die Steuern entrichtet habe, so gebe ich an, dass ich diese über das Lokal bezahlt habe. Monatlich habe ich 300,00 € bar dem Chef für die Entrichtung der Steuer beim Finanzamt gegeben.

Eine Getränkeanimation hat es für Mädels nicht gegeben. Nur der Kunde hat konsumiert. Die Chefin in diesem Lokal heißt X. Den Familiennamen kenne ich nicht.

Ich möchte jetzt noch anführen, dass ich in X bis Ende Juni 2009 gearbeitet habe. Dann habe ich diese Tätigkeit eingestellt, da ich schwanger war. ich habe am 14.10.2009 im Krankenhaus in Braunau den Sohn A zur Wert gebracht. Dieser ist derzeit bei meiner Mutter in Ungarn. Ich habe mich von meinem Freund getrennt und lebe derzeit alleine und ohne Beziehung. Seit 21.1.2010 übe ich nunmehr im Bordell X in X, X die Prostitution aus. Ich stelle mich selbstverständlich weiterhin der amtsärztlichen Untersuchung.

Die Chefin in diesem Bordell ist ebenfalls X.

Die Öffnungszeiten des Xs sind täglich von 14.00 bis 03.00 Uhr. Die Öffnungszeiten sind auch auf dem Haus sichtbar angeschrieben. Einen Dienstplan für uns Mädchen gibt es nicht. Ich muss, wenn ich nach Hause fahren möchte, dies der Chefin sagen. Ich muss nicht sagen wieviel Tage ich Urlaub haben möchte, ich muss ihr nur sagen, dass ich nicht da bin.

Für die sexuellen Dienstleistungen werden die Preise vom Haus festgesetzt. 20 Minuten kosten 60,00 €, die halbe Stunde 70,00 € und eine Stunde 140,00 €. Ich bekomme den ganzen Betrag und muss monatlich für die Unterkunft im Haus 300,00 € bezahlen. Darin sind auch alle anderen Kosten wie Wäschewaschen enthalten. Es gibt im Haus eine Waschmaschine, wir Mädels machen das selber.

Wenn ein Kunde nicht bar zahlen kann, dann wird das über die Kellnerin T abgerechnet. Das schaut so aus, dass der Kunde bei der Kellnerin bezahlt und ich sofort von ihr das Bargeld bekomme.

Für die Betriebsmittel wie Kondome usw. komme ich selbst auf, ebenso für die Arztkosten. Rechnungen dafür kann ich nicht vorweisen.

Bisher habe ich noch nichts an Steuern bezahlt. Es hat mir bis jetzt noch niemand gesagt, dass ich Steuern bezahlen muss.

Wenn ich gefragt werde, wie viel ich bisher im X verdient habe, so gebe ich dazu an, dass ich monatlich ca. 2.000,00 bis 3.000,00 € verdient habe.

Ich führe keinerlei Aufzeichnungen über meine Einnahmen und Ausgaben.

Ich bin krankenversichert und lege dazu meine österreichische e-card vor. Ich bezahle ca. 250,00 bis 300,00 € monatlich ein.

Ich trinke selbst keinen Alkohol und bin insofern am Getränkekonsum beteiligt, dass ich, wenn der Gast Sekt trinkt folgendes bekomme:

 

Ein Piccolo Sekt kostet 20,00 €, davon bekomme ich 7,00 €.

3/4 Flasche Sekt kostet 80,00 €, davon bekomme ich 20,00 €.

 

Wenn ich gefragt werde ob ich selbst für mich Werbung mache, so gebe ich an, dass das über das Bordell geschieht. Ich selbst habe nichts in das Lokal investiert.

Ich bin nicht im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung vom Arbeitsmarktservice (Arbeitsamt), ausser den Gesundheitsbüchern habe ich nichts.

Ich möchte noch anführen, dass das Abstempeln im Gesundheitsbuch nicht nur von mir selbst erledigt wird sondern dieser Amtsgang wenn sie Zeit hat von der Chefin erledigt wird.

 

Ich gebe an, dass ich derzeit ca. 500,00 € zum Leben zur Verfügung habe. Ich möchte auch noch anführen, dass ich gestern auf das Konto meines Vaters in Ungarn 700,00 € überwiesen habe.

Ich hatte gestern am Abend einen Kunden und habe 70,00 € verdient.

Wenn ich gefragt werde, wie lange ich diesen Job noch machen möchte, gebe ich an, dass ich sparen möchte um mir in Ungarn ein Haus zu kaufen und mit meinem Sohn zu leben. Meine Eltern haben dort ein eigenes Haus und ich habe dort noch ein großes Zimmer. Ich glaube, dass ich das noch ein Jahr ausüben werde.

Ich bin nicht im Besitz einer Anmeldebescheinigung. Weder von der BH Braunau noch vom Magistrat X. Es ist richtig, dass ich seit Jänner 2008 nahezu durchgehend in Österreich aufhältig bin. Ich fahre immer wieder so alle 3 bis 4 Wochen nach Hause nach Ungarn und bleibe dort für ca. 2 bis 3 Wochen. Die Ausreisen nach Ungarn sind Urlaubsreisen um mich zu erholen und mit meinem Sohn zusammen zu sein."

 

Die Niederschrift erfolgte ohne Beiziehung eines Dolmetschers.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in die Akten der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu den drei mit der Berufung bekämpften Straferkenntnisse (SV96-252-2010-Sc, SV96-273-2010-Sc, SV96-278-2010-Sc). Zum Inhalt dieser Akten darf (sofern er nicht hier wiedergegeben wird) auf die Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates VwSen-252687 und VwSen-252688 vom selben Tag verwiesen werden. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der die Ausländerinnen (mittels vom Vertreter der Bw angegebenen Auslandsadressen) als Zeuginnen geladen wurden. Diese leisteten den Ladungen jedoch nicht Folge. Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Braunau und des Finanzamtes Braunau Ried Schärding nahmen an der Verhandlung nicht teil.

 

5. Die öffentliche mündliche Verhandlung wurde für die drei oben erwähnten Straferkenntnisse gemeinsam durchgeführt.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung führte die Bw aus, die Vertragsinhalte seien bei allen Damen gleich. Inhalt des Vertrages sei eine Zimmermiete zum Preis von 300 Euro pro Monat. Im Haus gebe es 10 Zimmer, die jedoch nicht stets alle vermietet seien. Dieses Zimmer sei gleichzeitig als Wohngelegenheit (mit Dusche und Toilette) und Raum zur Ausübung von Prostitution benutzbar. Das Zimmer sei einer Dame persönlich zugeordnet; es stehe der Dame während des gemieteten Zeitraums exklusiv zur Verfügung. Die Bettwäsche werde zur Verfügung gestellt, nicht jedoch die Hygieneartikel. Für die Sauberkeit des Zimmers und der Bettwäsche hätten die Damen selbst zu sorgen. Dafür stehe auch ein Waschraum zur Verfügung, in dem die Damen selbst waschen würden. Außerdem gebe es eine Gemeinschaftsküche.

 

In welchem Ausmaß eine Dame das Zimmer nutze, sei ihr überlassen. Ob sie tatsächlich den ganzen Monat präsent ist, für das sie das Zimmer gemietet hat, sei ihre Sache. Abwesenheiten seien nicht meldepflichtig. Die Damen kassierten den Liebeslohn selbstständig. Dies werde überhaupt nicht registriert. Keineswegs sei ein Anteil des Liebeslohns abzuliefern.

 

Es gebe keine Vorschrift hinsichtlich der Kondombenutzung. Die Kondome würden die Damen selbst besorgen. Auch die ärztlichen Kontrollen würden die Damen selbstverantwortlich durchführen lassen.

 

Die Preise würden von den Damen selbstständig festgelegt. Es gebe zwar eine Rahmenempfehlung, die aber nicht verbindlich sei. Es sei auf das Beispiel jener Dame zu verweisen, welche angab, für das Küssen 40 Euro zu verlangen.

 

Nur der Betrieb als solcher werde von der Bw beworben, nicht jedoch die einzelnen Damen, denen die diesbezügliche Werbung selbst überlassen sei.

 

Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheit würden die Damen (eventuell nach Beratung) selbst besorgen. Darum kümmere sich die Bw nicht.

 

Es gebe im Haus auch einen Barbetrieb. Barbetrieb und Prostitution seien organi­satorisch völlig getrennt. Jede Dame habe einen Schlüssel für das Zimmer und für das Haus. Öffnungszeiten gebe es nur für den Barbetrieb. Die Damen können das Zimmer auch dann für die Prostitution benutzen, wenn die Bar nicht geöffnet ist, wie auch umgekehrt während der Öffnungszeit der Bar keine Pflicht zur Anwesenheit im Lokal bestehe. Natürlich können die Damen mit den Bargästen trinken und dies zur Kontaktaufnahme mit den Kunden nutzen. Auch dürfe eine vorhandene Stange für Tanzdarbietungen genutzt werden.

 

Der Barbetrieb werde als eine Art Club geführt. Die Gäste würden 20 Euro Unkostenbeitrag bezahlen und können dann konsumieren was sie wollen. Der Barbetrieb werde vollkommen getrennt von der Aktivität der Damen abgerechnet. Es gebe keine Getränkeumsatzbeteiligung. Allfällige wider­sprechende Auskünfte seien unrichtig.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Hinsichtlich des Sachverhalts ist im Zweifel der Darstellung der Bw zu folgen. Dies zunächst dahingehend, dass die Vertragsbedingungen für alle Auslände­rinnen gleich waren. Daher sind widersprüchliche Auskünfte der Ausländerin­nen dahingehend zu werten, dass jene Auskunft den Vorrang genießt, die der Darstellung der Bw entspricht. Dies betrifft insbesondere die selbstständige Festlegung der Tarife für die sexuellen Dienstleistungen und das Fehlen der Getränkeumsatzbeteiligung (vgl. jeweils die niederschriftlichen Angaben Ms im Akt SV96-252-2010 gegenüber jenen Vs im Akt SV96-278-2010 jeweils vor der Fremdenbehörde und ohne Dolmetscher; im Akt SV96-273-2010 sind in der Überblicksdar­stellung des Strafantrages als Entlohnung teils Pauschallöhne, teils Mischungen aus Getränkeumsatzbeteiligungen und Prostitutionspreisen angegeben, wobei sich die – unterschiedlichen – Pauschallöhne auf formularbedingte Angaben in den Personenblättern stützen und sich für die – nur bei zwei von sieben Ausländerin­nen aufscheinende – Getränkeumsatzbeteiligung überhaupt kein Anhaltspunkt im Akt findet). Gegenüber der selbst in zentralen Punkten unverlässlichen Aktenlage ist der konsistenten, schlüssigen und lebensnahen ("Xmodell") Dar­stellung der Bw auch aus Gründen der Unmittelbarkeit bzw. des persönlichen Eindrucks in der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Grundsatz in dubio pro reo der Vorzug zu geben.

 

Daher ist davon auszugehen, dass eine strikte wirtschaftliche Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber denjenigen der Bw vorlag. Die Prostituierten bestimmten die Höhe des Liebenslohns selbst und behielten die dafür kassierten Beiträge vollständig. Die Prostitutionstätigkeit erfolgte frei von jeglichen Weisungen und ohne zeitliche Bindung irgendwelcher Art. Dass die Prostitution in angemieteten Zimmern ausgeübt wurde, stellt keine örtliche Bindung in arbeitsrechtlich relevantem Sinn dar. Das Vertragsverhältnis bestand lediglich aus der Zimmermiete – daraus erwuchsen den Damen weder über die Bezahlung des Mietpreises hinausgehende Verpflichtungen gegenüber der Bw noch irgendwelche Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung der Prostitutions­tätigkeit. Demgemäß übten die Ausländerinnen ihre Tätigkeit selbstständig aus. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich im Haus ein Barbetrieb befand und es den Prostituierten freistand, diesen zur Kontaktaufnahme zu nutzen, zumal die Präsenz freiwillig war und die Damen an den Einnahmen aus dem Barbetrieb nicht beteiligt waren. Es liegen daher jene atypischen Umstände vor, die gegen eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung der Tätigkeit der Prostituierten mit dem Betrieb der Bw sprechen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0069, 0070).

 

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

 

 

 

 

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