Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252687/35/Lg/Ba

Linz, 14.09.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 29. Juni und 11. August 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung der X X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Braunau am Inn vom 29. Dezember 2010, Zl. SV96-273-2010-Sc, wegen einer Übertretungen des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Strafer­kenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) sechs Geldstrafe in Höhe von je 2.000 Euro bzw. sechs Ersatzfrei­heitsstrafen in Höhe von je 34 Stunden verhängt, weil sie die ungarische Staatsangehörige C G seit 18.10.2010, die ungarische Staatsangehörige F A seit 25.3.2010, die ungarische Staatsangehörige H Z seit 12.10.2010, die ungarische Staatsangehörige J Z seit 27.1.2010, die rumänische  Staatsangehörige M X seit 18.10.2010 und die ungarische Staatsangehörige S M seit 14.10.2010 im Bordell "X" in X, X, als Prostituierte beschäftigt habe, ohne dass die für eine legale Ausländerbe­schäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

"Gegen die Erkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, GZ: SV96-252-2010-Sc, SV96-273-2010-SC, SV96-278-2010-Sc jeweils vom 29.12.2010, zugestellt durch Hinterlegung am 31.01.2010, erhebe ich nachstehende

 

BERUFUNG:

 

wegen Rechtswidrigkeit in Folge von Verfahrensfehlern und inhaltlicher Rechtswidrigkeit, womit die Straferkenntnisse zur Gänze angefochten werden.

 

Trotz der Umstände, dass es sich bei gegenständlichen drei Strafverfügungen bzw. Straferkenntnissen um jeweils verschiedene Rechtsakte handelt, beschränkt sich die erkennende Behörde auf quasi gleichlautende Sachverhaltsdarstellungen, Ermittlungsergebnisse und Begründungsargumentationen.

 

Im Wesentlichen begründet überhaupt die erkennende Behörde, quasi in Heranziehung der verba legalia, seine Entscheidung damit wonach es aber völlig unbegründet ist, dass das von mir betriebene Lokal ein Bordell sei.

 

Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Bordelles stelle die Anwesenheit von Prostituierten dar.

 

Ohne die Anwesenheit von Prostituierten würde der Geschäftszweck des Bordells nicht verwirklicht. Aus diesem Grunde gehe die erkennende Behörde von einem zumindestens im weitesten Sinn bestehenden arbeitnehmerähnlichen Beschäfti­gungsverhältnis aus.

 

Aufgrund welcher Erkenntnisse nunmehr die erkennende Behörde zum Schluss bzw. zur Feststellung gelangt, dass es sich bei dem von mir betriebenen Lokal X in X, X, um ein Bordell handelt ist aus den jeweiligen Straferkenntnissen nicht nachvollziehbar ableitbar.

Aus diesem Grunde ist bereits ein näheres Eingehen auf das dergestaltete Argument seitens der erkennenden Behörde gar nicht möglich.

 

Als gravierender Verfahrensmangel ist zu normieren, dass es seitens der erkennenden Behörde im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung nicht zu einer einzigen Einvernahme der betroffenen Frauen in der Sache selbst gekommen ist.

 

Nach Kenntnis der Berufungswerberin wurden überhaupt nur zwei Damen (M und V) im Rahmen von fremdenrichtlichen Verfahren (Anmeldebescheinigungen) einvernommen.

 

In der Sache selbst, wegen allfälliger unerlaubter Ausländerbeschäftigungen wurden die Damen zu keinem Zeitpunkt, wie auch immer, einer Befragung, somit einer verwertbaren und nachvollziehbaren Sachverhaltsdarlegung unterzogen.

 

Bereits aus diesem Grunde ist das erstinstanzliche Verfahren äußerst mangel- und lückenhaft und ist der Sachverhalt keineswegs dergestalt detailliert und objektiv erhoben.

 

Bei dem von mir betriebenen Lokal 'X' handelt es sich um ein konzessioniertes Gastgewerbeobjekt, das in vormaliger Zeit im Wesentlichen von Motorradfahrern, Bikern und sonstiger Laufkundschaft aufgesucht wurde.

 

Aufgrund der exponierten Lage waren jedoch Maßnahmen notwendig um die Attraktivität des Lokales zu steigern.

 

Bereits aufgrund dieses Umstandes und Sachverhaltes geht die Begründung der erkennenden Behörde ins Leere, wonach es Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Bordelles sei, dass Prostituierte anwesend wären.

 

Ebenso unrichtig ist daher, dass im weitesten Sinne im Hinblick auf den geschilderten Zweck, nämlich Betrieb eines Bordelles, von einer planmäßigen Eingliederung von Prostituierten in die Betriebsorganisation des Bordelles auszugehen ist.

Im Übrigen ist es auch unrichtig, dass in Zeitungen mit Inseraten für den Bordellbetrieb geworben werde.

 

Diesbezüglich gibt es auch kein darüber hinaus gehendes Vorbringen, geschweige denn Feststellungen, noch Begründungsansätze, seitens der erkennenden Behörde.

 

Bei vorschriftsmäßiger, gesetzmäßiger Sachverhaltsfeststellung hätte die erkennende Behörde nach Aufnahme von Beweisen, insbesondere der Einvernahme der in Rede stehenden, angeblich gesetzwidriger beschäftigten Damen zu der Auffassung kommen müssen, dies unterstrichen durch die jeweiligen Beweisergebnisse, dass selbstverständlich derartige atypische Umstände vorliegen, die zuletzt rechtfertigen hätten können, dass die angetroffenen Ausländerinnen entgegen dem sich nach den von der Judikatur entwickelten Kriterien ergebenden Anschein nicht als arbeitähnlich zu bewerten gewesen wären.

 

Dabei ist voranzustellen, dass maßgebliches Indiz für die selbständige Tätigkeit der Ausländerinnen die Bestätigung über die Pflichtversicherung in der gewerblichen Sozialversicherung ist, worüber durch die erkennende Behörde bereits im erstinstanzlichen Verfahren Erhebungen durchgeführt hätten werden müssen.

 

Der Beruf der Prostituierten ist in der Zwischenzeit in die Liste der 'Neuen Selbständigen', der Wirtschaftskammer Niederösterreich aufgenommen worden.

 

Darüber hinausgehende Indizien für die dementsprechende Selbständigkeit sind steuerliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit, welche von den Damen auch monatlich entrichtet werden.

 

Darüber hinaus muss es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine solche bzw. Geschäftsbereiche handeln für die man keine Gewerbeberechtigung benötigt.

 

Merkmale der Selbständigkeit sind die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit, die Weisungsfreiheit, sowie die unternehmerische Struktur über die die Selbständige verfügen muss.

Zur Infrastruktur und Struktur der Tätigkeit der Damen ist auszuführen, dass diese zum Zwecke ihrer Tätigkeit im Haus X, X befindliche Zimmer anmieten, worüber mit den Damen jeweils entsprechende Mietverträge abgeschlossen wurden.

 

Besagte Damen tragen keinerlei unternehmerisches Risiko meines Unternehmens ebenso wenig wie ich am unternehmerischen Risiko der Damen selbst partizipiere.

 

Zwischen den jeweiligen Damen und mir als Lokalbetreiberin einerseits und Vermieterin andererseits ist es zu einer GesbR-Kooperationsvereinbarung gekommen, zufolge es zwischen uns zum Austausch von Leistungen kommt, die jedoch keineswegs in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gründen bzw. auch arbeitnehmerähnliche Verhältnisse zulassen würden.

 

Dazu sei nur angeführt, dass maßgeblich für das Unterliegen eines Beschäftigungsverhältnisses unter § 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform zählt.

 

Es ist im vorliegenden Fall so, dass besagte Damen im Bezug auf mein, an der Adresse X, betriebenes Lokal keinerlei Anspruch auf Urlaubsgeld, Krankenstand, allfällige Karenzzeiten, Kündigungsfristen oder dgl. bestehen.          

 

Darüber hinaus haben die Damen auch keinerlei Anspruch auf Abfertigung bzw. besteht keinerlei Anspruch auf Arbeitslosenversicherung oder Krankenver­sicherung.

 

Dies alles liegt in der Sphäre der Damen selbst.

 

Entgegen der in den jeweiligen Straferkenntnissen geäußerten Rechtsansicht, die auch zugleich als Begründung herangezogen wird, ist es im vorliegenden Fall so, dass sämtliche atypische Beschäftigungskomponenten vorliegen.

 

Es sind dies im Wesentlichen die Aspekte der Teilzeitbeschäftigung, allenfalls die geringfügige Beschäftigung, der auf das Mietverhältnis beschränkte befristete Aufenthalt sowie absolute freie Dienstvertragskomponenten und ähnliche Verhältnisse.

Das Kooperationsverhältnis zwischen dem Gastgewerbebetrieb und den sich aufgrund des Mietverhältnisses angetroffenen Prostituierten läßt wechselseitig keinerlei forderbaren Anspruch auf Leistungen entstehen.

 

Jeder für sich selbst ist in der Ausübung seiner Tätigkeit dergestalt selbständig und unabhängig, dass es keinerlei forderbarer Arbeitsleistungen wechselseitiger Natur gibt.

 

Im Übrigen sei auch darauf verwiesen, dass die Prostitution nicht in den Räumlichkeiten des von mir betriebenen Gastgewerbebetriebes ausgeübt werden sondern dass dafür eigens von den Prostituierten angemietete Zimmer herangezogen werden.

 

In wie weit geschaltete Inserate in der tatsächlich vorliegenden Form auf ein Arbeitsverhältnis bzw. arbeitnehmerähnliches Verhältnis schließen lassen sollen ist nicht nachvollziehbar.

 

Im Besonderen wird darauf verwiesen, dass mit gegenständlichen Inseraten keineswegs die Prostitution als solche beworben ist, lediglich die Anwesenheit von Damen wird dort beworben.

 

Schlussendlich ist es so, dass aufgrund des sich darstellenden Sachverhalts und Tatbildselemente keine Umstände vorliegen, die verdeutlichen würden, dass die Prostituierten einer planmäßigen Eingliederung in die Betriebsorganisation meines Gastgewerbebetriebes unterliegen. Insbesondere ist deren Tätigkeit nicht meinem Unternehmen zuzurechnen.

 

Nicht die Tätigkeit der Ausländerinnen als Prostituierte habe dazu geführt die Attraktivität des von mir betriebenen Lokals zu steigern sondern lediglich deren Anwesenheit, wobei bereits im idiomatischen Sinn es nicht so sein kann, dass aus der tatsächlichen Anwesenheit irgendeine beschäftigungsmäßige Tätigkeit abzuleiten wäre.

 

Ebenso wenig wie die Damen irgendetwas mit meinem Betrieb in Form eines Gastgewerbetriebes an der Adresse X, X zu tun haben, ebenso wenig habe ich etwas mit den geschäftlichen Tätigkeiten der Damen in den dafür eigens angemieteten Räumlichkeiten in X etwas zu tun.

Jeder ist für sich entsprechend selbst berechtigt.

 

Insbesondere ist es auch nicht so, wie von Seiten der erkennenden Behörde versucht wird darzustellen, dass die jeweiligen Prostituierten auf den Betrieb meines Lokales angewiesen wären, ebenso wenig wie ich auf die tatsächliche Anwesenheit der Damen, geschweige denn deren Tätigkeit als Prostituierte angewiesen wäre.

 

Jede der Damen verfügt über die entsprechenden Schlüssel und könnte nach jeweiliger eigener Intention die Prostitution auch ohne mein Gastlokal ausüben. Ebenso wie es mir möglich ist, meinen Gastgewerbebetrieb ohne die jeweiligen Damen zu führen.

 

Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iSd § 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz ist insbesondere aufgrund des Vorliegens der Umstände, dass die Damen in ihrer Gebarung völlig selbständig und weisungsfrei und ungebunden sind, nicht gegeben. Maßgebliche Damen üben deren Tätigkeit in den dafür gemieteten Räumlichkeiten auf eigene Rechnung und auf eigenen Namen aus. Es besteht keinerlei Anwesenheitspflicht und sind die Damen in ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Gebarung völlig selbständig und unabhängig von meinem geführten Gastgewerbebetrieb.

 

Mangels Einvernahme der jeweiligen Damen in nachvollziehbarer und objektiver Form und Weise ist gegenständlich erhobener Sachverhalt, lediglich auf der Basis von Spekulationen und Schlüssen seitens der erkennenden Behörde festgestellt worden.

 

Beantragt wird daher iSd Berufungsvorbringens die ausdrückliche Einvernahme der

B M, geb. X

K V, geb. X

G C, geb. X

A F, geb. X

Z H, geb. X

Z J, geb. X

X M, geb. X

M S, geb. X

sowie ausdrücklich meine dementsprechende Einvernahme.

 

Zumal besagte Damen aus den ausgeführten Darstellungen nicht an eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung, mangels unselbständiger Erwerbstätigkeit gebunden wären, habe ich die dementsprechende Gesetzesstelle nicht verletzt und ist insbesondere eine unerlaubte Beschäftigung iSd Gesetzes nicht vorgelegen.

 

Aus all diesen Gründen stelle ich daher durch meinen ausgewiesenen Vertreter die nachstehenden

 

ANTRÄGE:

 

Eine Berufungsverhandlung durchzuführen.

Die angebotenen Beweise aufzunehmen, folglich der Berufung Folge geben und die Straferkenntnisse zur Zahl SV96-252-2010-Sc, SV96-273-2010-Sc und SV96-278-2010-Sc jeweils vom 29.12.2010 aufzuheben und die gegen mich eingeleiteten und geführten Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Der Strafantrag des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 28.10.2010 enthält folgende Sachverhaltsdarstellung:

 

"Am 19.10.2010 um ca. 20:00 Uhr wurde durch die Ermittlungs- und Erhebungsbeamten des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding Abteilung KIAB (FOI X, FOI X) eine Kontrolle nach dem Ausländerbeschäfti­gungsgesetz durchgeführt.

Geschäftsanschrift: 'X' mit Sitz in X, X, handelsrechtl. Geschäftsführerin : X X, geb. X, wh. in X, X.

 

In den Clubräumen wurden sieben Damen angetroffen, die in prostituiertentypischer Kleidung offensichtlich auf Kundschaft warteten. Die einzelnen Namen und Daten sind den beiliegenden Personenblätter zu entnehmen.

Es handelt sich dabei um fünf ungarische StA und zwei rumän.StA.

Sie konnten den Kontrollbeamten keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen vorweisen.

 

Zur Feststellung der Identität wurden mit den 7 Prostituierten in ihrer jeweiligen

Landessprache Personenblätter aufgenommen.

Genaue Angaben sind den beiliegenden Personenblätter zu entnehmen.

 

Aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann bei Prostituierten, die in einem Bordell ihre Dienste anbieten, ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis wegen wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit angenommen werden und es ist einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen. (vgl.VwGH 2007/09/0231 v. 029.11.2007)."

 

In den Personenblättern gaben die Ausländerinnen an:

 

F: Arbeit für: X X; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: € 400; tägliche Arbeitszeit: 14.00 – 03.00; Chef heißt: X X.

H: Arbeit für: X X; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: € 400; tägliche Arbeitszeit: 14.00 – 03.00; Chef heißt: X X.

J: Arbeit für: X X; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: ca. € 1.000 pro Monat; tägliche Arbeitszeit: 14.00 – 03.00; Chef heißt: X X.

M: Arbeit für: Salon Bar; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: freigelassen; tägliche Arbeitszeit: 14 bis 3 Uhr; Chef heißt: X X.

S: Arbeit für: X X; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: € 400 pro Woche; tägliche Arbeitszeit: 14.00 – 03.00; Chef heißt: X X.

V: Arbeit für: X X X 1; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: € 400 pro Woche; tägliche Arbeitszeit: 14.00 – 03.00; Chef heißt: X X.

C: Arbeit für: Salon Bar; beschäftigt als: Prostituierte; Pauschallohn: freigelassen; tägliche Arbeitszeit: 14.00 – 03.00; Chef heißt: X X.

 

Im Strafantrag ist nach der Sachverhaltsdarstellung in einem Überblick festgehalten, im Feld Entlohnung bei C und M: Picolo: € 7,-, 1 Flasche: € 20,-, 20 Minuten: € 60, 30 Minuten: € 70, 1 Stunde: € 140,-.

Bei den übrigen Ausländerinnen sind die Pauschallohnangaben der Personen­blätter eingetragen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in die Akten der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu den drei mit der Berufung bekämpften Straferkenntnisse (SV96-252-2010-Sc, SV96-273-2010-Sc, SV96-278-2010-Sc). Zum Inhalt dieser Akten darf (sofern er nicht hier wiedergegeben wird) auf die Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates VwSen-252686 und VwSen-252688 vom selben Tag verwiesen werden. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der die Ausländerinnen (mittels vom Vertreter der Bw angegebenen Auslandsadressen) als Zeuginnen geladen wurden. Diese leisteten den Ladungen jedoch nicht Folge. Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Braunau und des Finanzamtes Braunau Ried Schärding nahmen an der Verhandlung nicht teil.

 

5. Die öffentliche mündliche Verhandlung wurde für die drei oben erwähnten Straferkenntnisse gemeinsam durchgeführt.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung führte die Bw aus, die Vertragsinhalte seien bei allen Damen gleich. Inhalt des Vertrages sei eine Zimmermiete zum Preis von 300 Euro pro Monat. Im Haus gebe es 10 Zimmer, die jedoch nicht stets alle vermietet seien. Dieses Zimmer sei gleichzeitig als Wohngelegenheit (mit Dusche und Toilette) und Raum zur Ausübung von Prostitution benutzbar. Das Zimmer sei einer Dame persönlich zugeordnet; es stehe der Dame während des gemieteten Zeitraums exklusiv zur Verfügung. Die Bettwäsche werde zur Verfügung gestellt, nicht jedoch die Hygieneartikel. Für die Sauberkeit des Zimmers und der Bettwäsche hätten die Damen selbst zu sorgen. Dafür stehe auch ein Waschraum zur Verfügung, in dem die Damen selbst waschen würden. Außerdem gebe es eine Gemeinschaftsküche.

 

In welchem Ausmaß eine Dame das Zimmer nutze, sei ihr überlassen. Ob sie tatsächlich den ganzen Monat präsent ist, für das sie das Zimmer gemietet hat, sei ihre Sache. Abwesenheiten seien nicht meldepflichtig. Die Damen kassierten den Liebeslohn selbstständig. Dies werde überhaupt nicht registriert. Keineswegs sei ein Anteil des Liebeslohns abzuliefern.

 

Es gebe keine Vorschrift hinsichtlich der Kondombenutzung. Die Kondome würden die Damen selbst besorgen. Auch die ärztlichen Kontrollen würden die Damen selbstverantwortlich durchführen lassen.

 

Die Preise würden von den Damen selbstständig festgelegt. Es gebe zwar eine Rahmenempfehlung, die aber nicht verbindlich sei. Es sei auf das Beispiel jener Dame zu verweisen, welche angab, für das Küssen 40 Euro zu verlangen.

 

Nur der Betrieb als solcher werde von der Bw beworben, nicht jedoch die einzelnen Damen, denen die diesbezügliche Werbung selbst überlassen sei.

 

Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheit würden die Damen (eventuell nach Beratung) selbst besorgen. Darum kümmere sich die Bw nicht.

 

Es gebe im Haus auch einen Barbetrieb. Barbetrieb und Prostitution seien organi­satorisch völlig getrennt. Jede Dame habe einen Schlüssel für das Zimmer und für das Haus. Öffnungszeiten gebe es nur für den Barbetrieb. Die Damen können das Zimmer auch dann für die Prostitution benutzen, wenn die Bar nicht geöffnet ist, wie auch umgekehrt während der Öffnungszeit der Bar keine Pflicht zur Anwesenheit im Lokal bestehe. Natürlich können die Damen mit den Bargästen trinken und dies zur Kontaktaufnahme mit den Kunden nutzen. Auch dürfe eine vorhandene Stange für Tanzdarbietungen genutzt werden.

 

Der Barbetrieb werde als eine Art Club geführt. Die Gäste würden 20 Euro Unkostenbeitrag bezahlen und können dann konsumieren was sie wollen. Der Barbetrieb werde vollkommen getrennt von der Aktivität der Damen abgerechnet. Es gebe keine Getränkeumsatzbeteiligung. Allfällige wider­sprechende Auskünfte seien unrichtig.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Hinsichtlich des Sachverhalts ist im Zweifel der Darstellung der Bw zu folgen. Dies zunächst dahingehend, dass die Vertragsbedingungen für alle Auslände­rinnen gleich waren. Daher sind widersprüchliche Auskünfte der Ausländerin­nen dahingehend zu werten, dass jene Auskunft den Vorrang genießt, die der Darstellung der Bw entspricht. Dies betrifft insbesondere die selbstständige Festlegung der Tarife für die sexuellen Dienstleistungen und das Fehlen der Getränkeumsatzbeteiligung (vgl. jeweils die niederschriftlichen Angaben Ms im Akt SV96-252-2010 gegenüber jenen Vs im Akt SV96-278-2010 jeweils vor der Fremdenbehörde und ohne Dolmetscher; im Akt SV96-273-2010 sind in der Überblicksdar­stellung des Strafantrages als Entlohnung teils Pauschallöhne, teils Mischungen aus Getränkeumsatzbeteiligungen und Prostitutionspreisen angegeben, wobei sich die – unterschiedlichen – Pauschallöhne auf formularbedingte Angaben in den Personenblättern stützen und sich für die – nur bei zwei von sieben Ausländerin­nen aufscheinende – Getränkeumsatzbeteiligung überhaupt kein Anhaltspunkt im Akt findet). Gegenüber der selbst in zentralen Punkten unverlässlichen Aktenlage ist der konsistenten, schlüssigen und lebensnahen ("Laufhausmodell") Dar­stellung der Bw auch aus Gründen der Unmittelbarkeit bzw. des persönlichen Eindrucks in der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Grundsatz in dubio pro reo der Vorzug zu geben.

 

Daher ist davon auszugehen, dass eine strikte wirtschaftliche Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber denjenigen der Bw vorlag. Die Prostituierten bestimmten die Höhe des Liebenslohns selbst und behielten die dafür kassierten Beiträge vollständig. Die Prostitutionstätigkeit erfolgte frei von jeglichen Weisungen und ohne zeitliche Bindung irgendwelcher Art. Dass die Prostitution in angemieteten Zimmern ausgeübt wurde, stellt keine örtliche Bindung in arbeitsrechtlich relevantem Sinn dar. Das Vertragsverhältnis bestand lediglich aus der Zimmermiete – daraus erwuchsen den Damen weder über die Bezahlung des Mietpreises hinausgehende Verpflichtungen gegenüber der Bw noch irgendwelche Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung der Prostitutions­tätigkeit. Demgemäß übten die Ausländerinnen ihre Tätigkeit selbstständig aus. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich im Haus ein Barbetrieb befand und es den Prostituierten freistand, diesen zur Kontaktaufnahme zu nutzen, zumal die Präsenz freiwillig war und die Damen an den Einnahmen aus dem Barbetrieb nicht beteiligt waren. Es liegen daher jene atypischen Umstände vor, die gegen eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung der Tätigkeit der Prostituierten mit dem Betrieb der Bw sprechen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0069, 0070).

 

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

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