Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522953/4/Bi/Kr

Linz, 04.10.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des X, vom 9. September 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 5. September 2011, VerkR-0301-44.615, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1 Z1, 32 Abs.1 Z1, 8 Abs.1 und 2, 25 Abs.1 und 2 FSG und § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV die von der BH Braunau/Inn am 24.4.1978, VerkR-0301-44.615, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung, gerechnet ab 20. Mai 2011, entzogen und ihm für die Dauer der Entziehung das Recht aberkannt, von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen sowie ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahr­zeuge und Invalidenkraftfahrzeuge ausgesprochen. Angeordnet wurde die unver­zügliche Ablieferung des über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellten Führerscheins bei der Behörde bzw der zuständigen Polizeiinspektion. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allenfalls gegen den Bescheid einzubringenden Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 7. September 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, ohne fachärztliche Untersuchungen bzw Befunde könne die Erstinstanz nicht behaupten, dass er aus gesundheit­lichen Gründen nicht fähig sei, ein Kraftfahrzeug zu lenken oder eine Gefahr im Straßenverkehr darstelle. Eine Augenuntersuchung durch die Assistentin der Amtsärztin der Erstinstanz erkenne er nicht an; es sei zur Diskussion über einen Buchstaben gekommen und sie habe die Tafel abgeschaltet. Die Erstinstanz wisse bereits seit Jahren von seiner Krankheit, nicht erst durch die PI Mattighofen. Angeführte Straftaten entsprächen nicht der Wahrheit, vielmehr habe die Erstinstanz Gesetzesverstöße begangen, um ihm die Lenk­berechtigung zu entziehen. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der 1960 geborene Bw bei einer Beschuldigten­vernehmung am 1. Dezember 2010 bei der PI Mattighofen selbst angegeben hat, er sei Invaliditäts­pen­sionist – er besitzt auch einen Behindertenpass – und sei seit Ende Februar – 2009? – in Frühpension wegen Depressionen und Lähmungs­erscheinungen in der linken Körperhälfte. Bei einer Untersuchung im Jänner 1999 sei schon festgestellt worden, dass er vermutlich einen Schlaganfall gehabt habe.

 

Mit Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 22. Dezember 2010 wurde der Bw gemäß §§ 24 Abs.4 und 8 Abs.1 FSG aufgefordert, sich zu einem bestimmten Termin bei der Erstinstanz ärztlich untersuchen zu lassen und wurde ihm aufgetragen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde innerhalb der vom Amtsarzt/der Amtsärztin festgelegten Frist beizubringen. Für den Fall des Nichtentsprechens innerhalb einer zweiwöchigen Frist wurde ihm die Entziehung der Lenkberechtigung und gegebenenfalls ein Fahrverbot für Kraft­fahrzeuge in Aussicht gestellt.

Dagegen erhob der Bw fristgerecht Vorstellung und erging daraufhin der Bescheid der Erstinstanz vom 13. Jänner 2011 mit gleichlautendem Inhalt, aber (naturgemäß) einem geänderten Termin und wiederum einer zweiwöchigen Frist. Das E-Mail des Bw vom 20. Jänner 2011 beinhaltet persönliche Anschuldigungen gegen den Sachbearbeiter der Erstinstanz, ist aber nicht als Rechtsmittel bezeichnet.

Der Bw hat sich auch am 9. Februar 2011 amtsärztlich untersuchen lassen, wobei die Amtsärztin der Erstinstanz von ihm die Beibringung von Facharzt-Stellungnahmen (Augenheilkunde und Optometrie sowie Psychiatrie) verlangte, wobei ihm auch eine Frist von annähernd drei Monaten eingeräumt wurde – die ungenutzt verstrich.

Daraufhin entzog ihm die Erstinstanz zunächst mit Mandatsbescheid vom 19. Mai 2011 die Lenkberechtigung bis zur Beibringung des amtsärztliche Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B und sprach ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs.1 FSG aus. Weiters wurde gemäß § 29 Abs.3 FSG die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins angeordnet. Eine FS-Abnahme im Zuge der Bescheidzustellung durch die PI Mattighofen konnte nicht durchgeführt werden, weil der Bw diesen angeblich verloren hat.

Über das fristgerecht dagegen eingebrachte Rechtsmittel entschied die Erst­instanz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. September 2011.   

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die ... 3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen. Gemäß Abs.4 dieser Bestimmung ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. (...) Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist ein Aufforderungsbescheid ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenk­berechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (Hinweis E 13.8.2003, 2002/11/0103).

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist die Behörde bei Bedenken, ob die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung noch gegeben ist, nur ermächtigt, eine bescheid­mäßige Aufforderung zu erlassen, der Betreffende möge sich ärztlich unter­suchen lassen oder die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (diese wären im Aufforder­ungs­bescheid im Einzelnen anzuführen) zu erbringen. Nur ein derartiger Bescheid wäre eine taugliche Grundlage für eine sogenannte "Formalentziehung" nach § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG (vgl E 22.6.2010, 2010/11/0067; 13.8.2004, 2004/11/0063; ua).

 

Der Bw hat sich amtsärztlich untersuchen lassen, auch wenn bislang noch kein abschließendes Gutachten gemäß § 8 FSG erstattet werden konnte, weil die Amtsärztin von ihm die Beibringung zweier Facharzt-Stellungnahmen verlangt hat. Voraussetzung für eine Entziehung der Lenkberechtigung wäre aber gewesen, dem Bw mit Bescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG konkret die Beibringung der von der Amtärztin verlangten Facharzt-Stellungnahmen, nämlich eine solche eines Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie und eine solche eines Facharztes für Psychiatrie – jeweils nach seiner Wahl und auf seine Kosten –aufzuerlegen und ihm dafür eine angemessene Frist einzuräumen.

Da die Erstinstanz bislang einen derartigen Bescheid nicht erlassen hat – auch wenn nach Ansicht des UVS eine halbseitige Lähmung nach einem vermutlichen, wenn auch schon länger zurückliegenden Schlaganfall und Depressionen, die  ausschlaggebend für die Zuerkennung einer Invaliditätspension waren, durchaus berechtigte Bedenken an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraft­fahr­­zeugen der Klassen A und B zu begründen geeignet sind – war spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

FA-Stellungnahme – Vorschreibung für Entziehung

 

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