Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730036/2/SR/Wu

Linz, 29.09.2011

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. April 2010, AZ 1066718/FRB, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

İtiraz asılsız olduğundan reddedilmesine ve itiraz edilen kararın onaylanmasına.

 

Hukuki dayanak:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. April 2010, AZ 1066718/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger der Türkei, nach illegaler Einreise in Österreich am 17. Juli 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei am 29. Jänner 2010 gemäß den §§ 7 und 8 AsylG negativ entschieden worden.

 

Im Verfahren habe der Bw keine Stellungnahme abgegeben.

 

Die Ausweisung des seit ca. 7 3/4 Jahren in Österreich aufhältigen Bw greife nicht unerheblich in das Privatleben des Bw ein. Der Eingriff sei dadurch zu relativieren, dass der Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages beruht habe. Bereits ein Jahr nach Antragstellung habe das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 10. Juni 2003 abgewiesen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt habe dem Bw bewusst sein müssen, dass die Aufenthaltsberechtigung nur unsicherer Natur sei und ausschließlich bis zur Verfahrensbeendigung vorliege. Die Unbescholtenheit und die wahrscheinliche Beherrschung der deutschen Sprache verstärke die persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich. Bis zum 4. Februar 2010 sei der Bw keiner Beschäftigung nachgegangen und als Asylweber sozialversichert gewesen. Mangels einer beruflichen und sozialen Verfestigung könne nicht von einer gelungenen Integration gesprochen werden. In den Zeiträumen 1. Mai 2004 bis 12. September 2008 und 1. Dezember 2008 bis 4. Februar 2010 sei der Bw durch die Grundversorgung des Landes Oberösterreich betreut worden. Mit seinem Onkel wohne der Bw nicht in gemeinsamen Haushalt; die Eltern und zahlreiche Geschwister würden in der Türkei leben. Dort habe der Bw auch den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht und die Schulausbildung genossen. Weiters sei er in der elterlichen Landwirtschaft als Landwirt beschäftigt und vor seiner Ausreise einfacher Soldat in Istanbul gewesen. Eine Reintegration in der Heimat des Bw erscheine daher möglich.

 

Seit dem 29. Jänner 2010 halte sich der Bw rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Bereits ein mehrmonatiger rechtswidriger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße und stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar.

 

Die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen erscheine unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK zulässig und unbedingt erforderlich.

 

Der geschilderte Sachverhalt stelle eine so schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, dass die Ausweisung geboten sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertreterin mit Schriftsatz vom 21. April 2010 rechtzeitig Berufung.

 

Den Ausführungen der belangten Behörde hielt die Rechtsvertreterin entgegen, dass der Bw keinen Einfluss auf die Länge des Verfahrens gehabt habe und ihm die Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht vorgehalten werden könne. Die während der langen Wartezeit erlangte Integration sei voll zu werten. Auf Grund der ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bestimmungen sei es dem Bw verwehrt gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Als junger und gesunder Mensch könne er bei Erhalt eines geeigneten Niederlassungstitels sofort zu arbeiten beginnen. Während des Aufenthaltes in Österreich habe er sich entsprechende Deutschkenntnisse angeeignet. Diese würden ihm die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Sein Wohlverhalten in Österreich müsse positiv gewertet werden. Auch wenn er nicht im selben Haushalt lebe wie sein Onkel, sei er dennoch an derselben Adresse aufhältig und habe mit ihm eine enge Beziehung. Soweit es möglich sei, unterstütze ihn sein Onkel. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung dürfe er nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werden.

 

3.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt wurde.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

 

4.1.2. Die bekämpfte Ausweisung wurde auf Basis des § 53 FPG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, erlassen wurde, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, anzusehen und zu beurteilen ist.

 

4.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit unrechtmäßig aufhältig ist. Bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung ist auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.2. Der belangten Behörde folgend ist, mangels Vorliegens eines Familienlebens (im engeren Sinn) im Bundesgebiet, im Wesentlichen eine Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privatlebens des Bw vorzunehmen, wobei insbesondere auch auf die "familiären" Beziehungen zu seinem Onkel, das Leben im "Familienverband", seine berufliche und soziale Integration, das Asylverfahren und die lange Aufenthaltsdauer, Bedacht zu nehmen sein wird.

 

Im Hinblick auf den knapp über 9 Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, die in einem Zeitraum entstand ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, nur im Zuge der Gesamtbetrachtung ein geringes Gewicht beigemessen.

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, indem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich in privater Hinsicht sehr gut integriert habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung – auch bei einem Eingriff nur in sein Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4.3. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw schon etwas mehr als 9 Jahre im Bundesgebiet und verfügte für den überwiegenden Teil über eine Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber. In strafrechtlicher Hinsicht ist er unbescholten.

 

Bedingt durch den langjährigen Aufenthalt kann dem Bw ein entsprechendes Maß an Integration zugemessen werden. Trotz dieses lang andauernden Aufenthaltes weist der Bw nicht jenes hohe Maß an Integration auf, das den Verwaltungsgerichtshof in den angesprochenen und auszugsweise wiedergegebenen Erkenntnissen veranlasst hat, von einer dauerhaften Unzulässigkeit der Ausweisung zu sprechen.

 

Abgesehen davon, dass sich der Bw während des lang währenden Asylverfahrens "wohlverhalten" hat, sind keine Anzeichen erkennbar, die auf einen besonderen Integrationswillen hinweisen würden. Die Unbescholtenheit ist schon deshalb nicht besonders zu gewichten, da ein rechtskonformes Verhalten von jedem Normunterworfenen erwartet wird. Der Erwerb "entsprechender Deutschkenntnisse" ist im Hinblick auf die langjährige Anwesenheit in Österreich glaubhaft. Ob die Sprachkenntnisse des Bw auch ein bestimmtes Niveau erreicht haben, kann nicht festgestellt werden, da der Bw auf die Vorlage entsprechender Nachweise verzichtet und auf den Erwerb solcher auch nicht Bezug genommen hat. Wie die Einsichtnahme in die Berufungsschrift zeigt, hat er sich mit dem Hinweis auf "entsprechende Deutschkenntnisse" begnügt. Insgesamt ist eine passive und abwartende Grundhaltung des Bw erkennbar. Weder aus der Aktenlage noch dem Vorbringen des Bw geht hervor, dass er von sich aus tätig geworden wäre, um eine berufliche und soziale Integration zu erlangen. Entgegen der Ansicht des Bw ist unter bestimmten Voraussetzungen sehr wohl die Aufnahme einer Beschäftigung möglich. Nachweislich hat der Bw eine solche nicht betrieben und in der Bundesbetreuung das Ende das Asylverfahrens abgewartet. Wie erstmals im Berufungsverfahren aufgezeigt, "könnte" der Bw im Falle der Erteilung eines "geeigneten Niederlassungstitels sofort mit der Arbeit beginnen". Das allgemein mangelnde Interesse des Bw zur Klärung seiner aufenthaltsrechtlichen Situation zeigt sich auch daran, dass er sich an den Ermittlungen im Ausweisungsverfahren nicht beteiligt und auf die Abgabe einer Stellungnahme (u.a. Darlegung der bisherigen Integration) verzichtet hat.

 

Zu Recht hat die belangte Behörde dem "Privat- und Familienleben" des Bw nur eine geringe Bedeutung zugemessen. Dem "Aufenthalt an derselben Adresse" und eine "Unterstützung durch den Onkel soweit ihm möglich" kommt nicht die vom Bw gewünschte Bedeutung zu und kann keinesfalls einer derart engen Beziehung gleichgesetzt werden, die sich bei einem Zusammenleben im selben Haushalt entwickelt.

 

Neben der gänzlich fehlenden beruflichen Integration kann auch keine ins Gewicht fallende soziale Integration erkannt werden. Soweit überhaupt von einer Integration gesprochen werden kann, ist diese ausschließlich auf die lange Anwesenheitsdauer zurückzuführen.

 

Das dadurch erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, weil der Bw keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Das "Privatleben" ist zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Bw bewusst sein musste, dass sein Aufenthalt von vornherein unsicher ist. Im vorliegenden Fall würde die Ausweisung des Bw nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen.

 

Solche Umstände sind nicht einmal ansatzweise hervorgekommen.

 

Der Bw kann zwar ins Treffen führen, dass die Länge des Asylverfahrens wohl nicht durch sein Verhalten alleine hervorgerufen wurde, sondern den staatlichen Einrichtungen zuzumessen sein wird.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände ist festzustellen, dass die für die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden Elemente des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK die persönlichen Interessen des Bw an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Hier ist besonders nochmals auf die gänzlich fehlende berufliche Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit sowie auf die eindeutige Zumutbarkeit der Reintegration im Herkunftsstaat hinzuweisen.

 

4.5. Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.


 

Mag. Stierschneider

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 19.03.2013, Zl.: 2011/21/0262-8

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