Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166233/7/Bi/Kr

Linz, 26.09.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 19. Mai 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Wels-Land vom 13. Mai 2011, VerkR96-3123-2011 Ga/Sch, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 15. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­ent­scheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.600 Euro (14 Tagen EFS) verhängt, weil er am
15. April 2011 zwischen 15.30 und 16.00 Uhr den Pkw, Kz. X, im Gemeinde­gebiet von Sattledt auf der B138 bei Strkm 10.37 gelenkt habe, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Atemluft­alkohol­gehalt von 1,05 mg/l befunden habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 160 Euro auferlegt.

 



2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) nach Zustellung des Straferkennt­nisses laut Rückschein am 19. Mai 2011 durch Hinterlegung den Schriftsatz vom 19. Mai 2011 eingebracht, in dem er ausführt, dass er Wert auf die Feststellung lege, dass er zwar die Summe überwiesen habe, aber die Bezahlung der Strafe nicht als Schuldeingeständnis betrachte, seine Rechtfertigung offenbar nicht von seiner Unschuld zu überzeugen vermocht habe, er habe bezahlt, um sich lieber den Aufwand und die Umstände einer Berufung ersparen und betrachte die Angelegenheit als erledigt; aus dem Akt ergibt sich auch der Hinweis auf ein offenbar zuvor mit der Bearbeiterin der Erstinstanz geführtes Telefonat. Mit Schriftsatz des nunmehrigen Rechtsvertreters des Bw vom 5. August 2011 wurde geltend gemacht, dass der Bw nie Zweifel daran gelassen habe, dass er die vorgeworfene Straftat nicht begangen habe, und bei Verfassen dieses Schriftsatzes nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, weshalb er entsprechend aufzuklären, jedenfalls aber der Schriftsatz dem zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat vorzulegen gewesen wäre. Daraufhin wurde der Verfahrens­akt mit dem angeführten Schriftsatz seitens der Erstinstanz ohne Berufungs­vorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Ober­österreich vorgelegt. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 15. September 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und der Zeugen X (P) und Anzeiger X durch­geführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

Vor Aussendung der Ladungen wurde terminhalber geklärt, dass X, BH Wels-Land, mit der der Bw laut ihrem Aktenvermerk am 19. Mai 2011 ein Telefonat geführt hat, zum Gesprächsinhalt zeugenschaftlich befragt werden sollte, jedoch hat X am 23. August 2011 telefonisch mitgeteilt, dass eine derartige Befragung gemäß § 289 StGB von ihrem Vorgesetzten für "nicht erforderlich" gehalten werde und sie daher nicht als Zeugin aussagen dürfe. Daraufhin wurde von einer formellen Ladung abgesehen und die Erstinstanz war auch bei der Berufungsverhandlung nicht vertreten.

 

Der Bw hat in der Berufungsverhandlung keinen Zweifel gelassen, dass er seine schon im erstinstanzlichen Verfahren ständig vertretene Rechtsansicht, er habe die ihm vorgeworfene Übertretung nicht zu verantworten, aufrecht hält; die Bezahlung des Strafbetrages habe damit nichts zu tun, er habe nur seine Ruhe haben wollen. Er sei nie aufgeklärt worden, dass der Ausgang des Verwaltungs­straf­verfahrens Auswirkungen auf das in Tirol anhängige Verfahren betreffend Entziehung seiner Lenkberechtigung habe und auch sein persönliches Erscheinen sowie die angebotene Einvernahme seiner Sekretärin, der Zeugin P, sei von der Erstinstanz dezidiert abgelehnt worden. Sein Vorbringen wurde seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates als Berufung gewertet.

 

3. Der Bw macht zur Sache selbst im Wesentlichen geltend, er habe am Vorfallstag, dem 15. April 2011, in X, NÖ, privat einen Pkw gekauft und mit diesem die Heimfahrt über die Westautobahn angetreten. Zuvor sei er in einem Supermarkt einkaufen gewesen und habe dort ua eine 0,7l-Flasche Fernet Branca gekauft, die er nach Tirol mitnehmen wollte. Nach dem Mittag­essen an der Autobahn habe er aber einige Schlucke aus der Flasche genommen, weil ihm nicht gut gewesen sei. Als schließlich der Motor des neu gekauften Pkw kurz vor der Ausfahrt Sattledt zu stottern begonnen habe, habe er vorsichts­halber dort die Autobahn verlassen und es gerade noch bis in die Bushaltestelle geschafft, dann sei beim Pkw nichts mehr gegangen. Der Verkäufer, den er telefonisch kontaktiert habe, habe gemeint, es liege an der Benzinzuleitung, aber dann sei auch die Batterie leer gewesen. Der Zündschlüssel habe sich nicht mehr abziehen lassen und schließlich habe er mit der Zeugin P und seinem Bruder, der an diesem Nachmittag in Seefeld zu Besuch gewesen sei, telefonisch geklärt, dass sie ihn in Sattledt abholen würden. Erst dann habe er aus der Flasche weiter und diese ganz ausgetrunken. Ihm sei aber klar gewesen, dass er dort im Auto sitzenbleiben werde, weil er ja auch nicht ortskundig gewesen sei, und dass er auf die Abholung warten werde. Er sei dann eingeschlafen und von der Polizei geweckt worden. Der Polizist habe selbst gesehen, dass der Pkw nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei, und habe ihn zum Alkoholvortest aufgefordert, der seine Alkoholisierung ergeben habe. Er habe ihn dann zu einer Polizeiinspektion in der Nähe mitgenommen, wo er einen Alkotest gemacht habe. Was er zu seinem Alkoholkonsum und den Trink- und Lenkzeiten gesagt habe, wisse er nicht mehr, aber die Angaben seien sicher mit Vorsicht zu behandeln, zumal er gegen 20.00 Uhr über 2 Promille gehabt habe. Die Zeugin P und sein Bruder hätten ihn schließlich gefunden und am nächsten Tag sei die Batterie aufgeladen worden, Die Zeugin P habe die leere Flasche Fernet Branca im Pkw liegen gesehen und am nächsten Tag im Abfallkübel der Bushaltestelle entsorgt, wie sie ihm gesagt habe.    

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berück­sichtigt und der Anzeiger sowie die vom Bw mitgebrachte Zeugin P unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden.

 


Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw kaufte am Vormittag des 15. April 2011 in Niederösterreich den in der Folge von ihm unter Verwendung eines Probefahrtkennzeichens gelenkten Pkw, der gegen 19.30 Uhr in der Bushaltestelle in Sattledt offensichtlich mit einer Panne vom Anzeiger vorgefunden wurde. Der Bw saß zu diesem Zeitpunkt angegurtet auf dem Fahrersitz des abgestellten Pkw, bei dem nichts in Betrieb war und der Zündschlüssel sich nicht mehr abziehen ließ. Der Anzeiger bestätigte in der Berufungsverhandlung, die Panne und die Fahruntüchtigkeit des Pkw hätten sich für ihn zweifelsfrei ergeben; auch er habe den Zündschlüssel nicht herausziehen können und das Fahrzeug schließlich mit dem Ersatzschlüssel versperrt. Der Bw habe geschlafen und sei nur mit Mühe zu wecken gewesen. Er habe sofort Alkoholgeruch aus dem Fahrzeug wahrge­nommen und den Bw gefragt, wie und wann er da hergekommen sei, was dieser schroff abgewiesen habe, das tue nichts zur Sache. Der Anzeiger betonte, er habe keinerlei objektiven Anhaltspunkt für eine Lenkzeit gehabt, weil er weder eine Restwärme der Motorhaube nachgeprüft habe noch die Strecke vorher befahren hatte. Der an Ort und Stelle durchgeführte Alkoholvortest habe 0,95 mg/l AAG ergeben. Er habe den Bw so verstanden, dass dieser Alkohol schluckweise über den Tag verteilt zu sich genommen habe, der letzte Alkoholkonsum sei um 13.00 Uhr gewesen. Eine Flasche habe er nicht gesehen, habe aber den Bw auch nicht danach gefragt. Er habe nur ins Fahrzeug hineingesehen und, als er den Pkw schließlich mit dem Ersatzschlüssel versperrt habe, auch im Kofferraum nachge­sehen, ob Wertsachen darin seien; da sei auch keine Flasche gewesen. Er sei mit dem Bw zur nächstgelegenen Polizeiinspektion nach Steinerkirchen gefahren, wo der Alkotest um 19.58 Uhr einen günstigsten Wert von 1,05 mg/l AAG ergeben habe.  Da der Bw etwas von Fernet Branca gesagt habe, habe er das Bild einer solchen Falsche im Internet gesucht und dem Bw gezeigt, der daraufhin bestätigt habe, so etwas getrunken zu haben. Eine Befragung des Bw sei an sich möglich, jedoch mühsam gewesen, weil ihm dieser weder zur Flaschengröße noch zu den genauen Trinkzeiten Angaben gemacht habe. Nachdem klar gewesen sei, dass der Bw von Angehörigen aus Seefeld abgeholt würde, hätten ihn Kollegen zum Fahrzeug zurückgebracht. 

 

Die Zeugin P bestätigte in der Berufungsverhandlung den ständigen Telefon­kontakt sowohl mit dem Bw und auch später ein Telefongespräch mit dem Anzeiger. Sie gab an, sie habe, als sie nach 23.15 Uhr in Sattledt den Bw gefunden hätten, im Pkw die leere Flasche hinter dem Fahrersitz liegen gesehen und sie über Nacht so belassen, am nächsten Tag aber entsorgt, was auch der Bruder des Bw gesehen habe. Niemand habe nach der Flasche gefragt. 

 


Der Bw legte in der Verhandlung dar, dass er erst in der Bushaltestelle, als er wegen der Panne schon "leicht verzweifelt" und ihm die Abholung zugesichert worden war, die Flasche auszutrinken begonnen habe. Vorher habe er nur zwei bis drei Schluck nach dem Essen zu sich genommen gehabt, beim Essen habe er 2 oder 3 kleine Bier getrunken – diesbezüglich ist eine Trinkzeit nicht objektivier­bar, anzunehmen ist eine Zeitspanne zwischen 13.00 und 15.00 Uhr.

Nicht widerlegbar ist auch die mit der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus in Einklang zu bringende Aussage des Bw, er habe erst in der Bushaltestelle weiter­getrunken, als er mitbekommen hatte, dass beim Pkw "gar nichts mehr ging". Hätte er, so wie vom Anzeiger angeführt, tatsächlich um 13.00 Uhr die 0,7 l-Flasche immerhin 39%igen Fernet Branca bereits getrunken gehabt, hätte er ausgehend von  umgerechnet 2,1 %o  BAG um ca 20.00 Uhr um 13.00 Uhr einen BAG von 2,8 %o aufweisen müssen – damit wäre er vermutlich nicht gänzlich reibungslos auf der Westauto­bahn bis Sattledt  und weiter bis zur Bushaltestelle gekommen.     

Eine Lenkzeit zwischen 15.30 Uhr und 16.00 Uhr hat der Anzeiger in seiner Aussage nicht bestätigt, im Gegenteil sogar betont, für die Annahme einer konkreten Lenkzeit habe er überhaupt keinen Anhaltspunkt gehabt.

  

In rechtlicher Hinsicht war auf der Grundlage des Beweisverfahrens der im Straferkenntnis formulierte Tatvorwurf – dem Bw wurde ein Lenken des Pkw in der Bushaltestelle in Sattledt zwischen 15.30 bis 16.00 Uhr mit einem AAG von 1,05 mg/l zur Last gelegt – schon im Hinblick auf den vorgeworfenen Atem­alkohol­­gehalt, der um 19.58 Uhr festgestellt wurde und nicht ohne weiteres auf 15.30 oder 16.00 Uhr zu beziehen war, nicht nachvollziehbar. Gleichzeitig ist aber der tatsächliche Trink-Zeitraum nicht objektivierbar, zumal den Aus­sagen des Bw, wonach er erst nach der auch vom Anzeiger festgestellten Panne in der Bushaltestelle auf seine Abholung wartend die Flasche schließlich leer getrunken habe, die Glaub­würdig­keit nicht gänzlich abzusprechen ist, auch wenn er bei der Befragung durch den Anzeiger jedenfalls umgerechnet über 2 %o BAG aufwies und offenbar nicht mehr in der Lage war, sich verständlich auszudrücken. Letztlich war die ihm zur Last gelegten Tat nicht mit der für ein Verwaltungsstraf­verfahren erforderlichen Sicherheit nachzuweisen und daher im Zweifel zugunsten des Bw spruchgemäß zu entscheiden; Verfahrens­kostenbeiträge fallen naturgemäß  nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 


Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Alkotest 1,05 mg/l, Uhrzeit + Zustand hinsichtlich Alkohol bzw. Lenken nicht erweisbar -> Einstellung

 

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