Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310438/9/Kü/Ba

Linz, 16.09.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn X X, X, X, vom 1. März 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 21. Februar 2011, UR96-15/6-2010, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1. September 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Strafer­kenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 21. Februar 2011, UR96-15/6-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs.1 Z 1 iVm § 15 Abs.1 Z 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) eine Geldstrafe von 1.500 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben am 04. Oktober 2010 am Standort X, X, auf dem Grundstück Nr. X, KG. X von anderen erworbene PKWs abgestellt. Von diesen PKWs wurde durch einen abfalltechnischen Amtssachverständigen ein Befund und Gutachten erstellt, wobei festgestellt wurde, dass der PKW Skoda Felicia Kombi, grün, Prüfplakette Nr. TMG X, Lochung 10/09, Kennzeichen X aufgrund der schweren Rostschäden und fehlenden Teile nicht mehr mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand instand gesetzt werden kann und das Fahrzeug daher als Abfall einzustufen ist. (Siehe Befund und Gutachten des abfalltechnischen Amtssachverständigen vom 22.10.2010, Ge01 -236-2006, UR01-236-2006). Sie haben dadurch gefährlichen Abfall gelagert, obwohl Abfälle nicht außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hierfür genehmigten Deponien erfolgen."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der ausgeführt wird, dass das Straferkenntnis nicht der Wahrheit entspreche und dieses gegen die Gesetze der Freiheit und Gleichheit verstoße. Falls ein Verschulden vorliegen würde, was aber nicht zutreffe, sei die Strafhöhe eine bodenlose Sauerei und entspreche maximal einer Abzockerei. Er beziehe ein Einkommen von 600 bis 800 Euro pro Monat, welches unpfändbar sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 8. April 2011             vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht­nahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1. Sep­tember 2011, an welcher der Bw und ein Vertreter der belangten Behörde teil­genommen haben.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Am 5. Oktober 2010 wurde vom Sachverständigen für Abfallwirtschaft auf dem Grundstück Nr. X, KG X, Marktgemeinde X, welches im Eigentum des Bw steht, ein Lokalaugenschein vorgenommen. Grund für den behördlicherseits beauftragten Lokalaugenschein war, dass auf dem genannten Grundstück, einer leicht abfallenden Wiesenfläche, die nicht eingezäunt und frei zugänglich ist, vom Bw diverse Kraftfahrzeuge abgestellt wurden.

 

Bei diesem Lokalaugenschein wurden vom Sachverständigen insgesamt 12 abgestellte Fahrzeuge aufgelistet.

 

Zum Pkw Skoda Felicia Kombi, grün, hielt der Sachverständige fest, dass die vorderen Scheinwerfer ausgebaut und im Wageninneren abgelegt waren. Beim Fahrzeug fehlte auch der vordere linke Kotflügel. Der Sachverständige stellte weiters fest, dass das Fahrzeug schwere Rostschäden aufweist und Motor und Getriebe sowie Betriebsmittel enthält.

 

In seinem Gutachten kam der Sachverständige zum Schluss, dass der Pkw Skoda Felicia Kombi wegen der schweren Rostschäden und der fehlenden Teile nicht mehr mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand instand gesetzt werden kann und daher als Abfall einzustufen ist.

 

Vom Bw wurde in der mündlichen Verhandlung wie bereits bei seiner Einver­nahme vor der Erstinstanz festgehalten, dass er beabsichtigt habe, den Pkw Skoda Felicia zu reparieren und wieder zu verkaufen. Der Bw hat dieses Fahrzeug, welches eine Kilometerleistung von 80.000 km aufweist, von einer Firma in X um 250 Euro gekauft. Absicht des Bw war es, dieses Fahrzeug zu reparieren und sodann wieder zu verkaufen. Um diesen Skoda Felicia Kombi entsprechend instand zu setzen, hat sich der Bw ein Fahrzeug gleicher Type gekauft, welches das Ersatzteillager darstellen sollte. Bislang wurde vom Bw keine Reparatur des Fahrzeuges vorgenommen. Allerdings wurde das Fahrzeug von der Wiesenfläche entfernt und ist nunmehr auf einer Beton­fläche in Steyr abgestellt.

 

Der Bw beabsichtigte zu keiner Zeit, den Pkw Skoda Felicia zu entsorgen, da dieses Fahrzeug für ihn einen Wert darstellt. Motor und Getriebe sowie die Betriebsmittel waren beim Fahrzeug zum Zeitpunkt des Abstellens auf der Wiesenfläche noch vorhanden. Der Motor hat kein Öl verloren. Der Bw entgegnet den Feststellung des Sachverständigen, dass das Fahrzeug jedenfalls nicht verrostet ist. Der fehlende Kotflügel ist nur verschraubt und kann deshalb wieder instand gesetzt werden. Ebenso sind die Scheinwerfer, welche ausgebaut waren, im Fahrzeug vorhanden und können jederzeit wieder eingebaut werden.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich einerseits aus dem Befund und Gutachten des Sachverständigen für Abfallwirtschaft vom 6. Oktober 2010 sowie den beim Lokalaugenschein aufgenommenen Lichtbildern, welche das Fahrzeug zeigen. Weiters gründen sich die Sachverhalts­feststellungen auf den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen des Bw im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 115/2009, sind Abfälle im Sinne dieses Bundes­gesetzes bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1.     deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.     deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) nicht zu beeinträchtigen.

 

§ 1 Abs.3 AWG 2002 lautet:

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.      die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.      Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3.      die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.      die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.      Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.      Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.      das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.      Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

 

§ 4 AWG 2002 ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit Verordnung

-         die Abfallarten in Form eines Abfallverzeichnisses,

-         die Abfallarten die gefährlich sind und

-         die Voraussetzungen, unter denen eine Ausstufung eines bestimmten Abfalls im Einzelfall möglich ist

 festzulegen.

 

Gemäß § 1 Abs.1 Abfallverzeichnisverordnung, BGBl.II Nr. 570/2003 idF BGBl.II Nr. 498/2008 umfasst das Abfallverzeichnis die Abfallarten, die in Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 „Abfallverzeichnis“, ausgegeben am 1. Oktober 2005, aufgelistet sind, mit den in Abschnitt III. der Anlage 5 angeführten Änderungen. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat das Abfallverzeichnis am EDM-Portal, edm.gv.at, zu veröffentlichen.

 

Gemäß § 4 Abs.1 Abfallverzeichnisverordnung gelten als gefährliche Abfälle jene Abfallarten, die im Abfallverzeichnis gemäß § 1 Abs. 1 mit einem „g“ versehen sind.

 

Die Ö-Norm S 2100 „Abfallverzeichnis“ listet in Punkt 5 Tabelle 1 unter der Schlüsselnummer 35203 „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen (z.B. Starterbatterie, Bremsflüssigkeit, Motoröl)“, welche mit „gn“ gekennzeichnet sind.

 

Nach § 15 Abs.3 AWG 2002 dürfen Abfälle außerhalb von

1.     hiefür genehmigten Anlagen oder

2.     für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden.

 

§ 79 Abs.1 Z1 AWG 2002 lautet: Wer gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs.1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs.1 sammelt, befördert, lagert behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs.1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs.2 vermischt oder vermengt, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungs­straf­bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 Euro bis 36.340 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630 Euro bedroht.

 

5.2. Einer Sache kommt die Abfalleigenschaft dann zu, wenn entweder der subjektive oder der objektive Abfallbegriff im Sinne des § 2 Abs.1 AWG 2002 verwirklicht ist.

 

Der subjektive Abfallbegriff ist dann erfüllt, wenn eine Person in Entledigungsabsicht die Gewahrsame an der beweglichen Sache aufgibt und somit die tatsächliche Sachherrschaft aufgibt, wobei der Besitzer für sich beschließt, die Sache wegzuwerfen. Diese Entledigungsabsicht ist gegenständlich beim Bw nicht anzunehmen.

 

Eine Sache ist im objektiven Sinne Abfall, wenn die Sammlung, Lagerung, Beförderung oder Behandlung als Abfall erforderlich ist, um das öffentliche Interesse nicht zu beeinträchtigen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sache im objektiven Sinn dem Abfallregime zu unterstellen ist, ist zu klären, ob eine Sache eine mögliche Beeinträchtigung der Schutzkriterien des Abfallrechtes herbeiführen kann. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Verwirk­lichung des objektiven Abfallbegriffs die Möglichkeit einer Gefährdung von Schutz­gütern aus (VwGH vom 22.12.2005, Zl. 2005/07/0088 u.a.).

 

Gemäß § 2 Abs.3 AWG 2002 ist eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförde­rung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) erforderlich, solange

1.      eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.      sie in einer nach allgemeiner Verkaufsauffassung für sie bestimmungs­gemäßen Verwendung steht.

 

Der Sachverständige stuft den gegenständlichen Pkw Skoda Felicia wegen schwerer Rostschäden und fehlender Teile als Abfall ein. Dem stehen die Ausführungen des Bw entgegen, wonach dieser einen weiteren Pkw derselben Marke als Ersatzteillager angeschafft hat, um den Pkw Skoda Felicia, der nach Ausführungen des Bw eine geringe Kilometerleistung aufweist, reparieren zu können und diesen dann zu verkaufen. Er selbst hat den Pkw um 250 Euro ange­kauft.

 

Zu diesen gegenläufigen Ausführungen des Bw ist festzuhalten, dass die vom Sachver­ständigen im Zuge seines Lokalaugenscheins vom Fahrzeug angefertigten Lichtbilder zeigen, dass dem gegenständlichen Pkw zwar der linke Kotflügel fehlt sowie beide vorderen Scheinwerfer ausgebaut sind, ansonsten allerdings die schweren Rostschäden bei diesem Fahrzeug durch die Lichtbilder nicht dokumentiert werden. Insofern ist davon auszugehen, dass durch die Lichtbilder die Ausführun­gen des Bw bestätigt werden und es durchaus wirtschaftlich vertretbar erscheint, dieses Fahrzeug mit einem neuen Kotflügel zu versehen, sodass es vom Bw verkauft werden kann und somit wieder einer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden kann.

 

Aufgrund der vorliegenden Sachlage ist daher kein für ein Verwaltungsstraf­verfahren stichhaltiger Beweis für die Qualifizierung des Pkw Skoda Felicia als Abfall gegeben, weshalb im Zweifel den Angaben des Bw Glauben zu schenken ist. Mithin kann die Abfalleigenschaft des gegenständlichen Fahrzeuges nicht mit Sicherheit festgestellt werden und ist daher die angelastete Verwaltungs­übertretung in objektiver Hinsicht nicht erwiesen. Aus diesen Gründen war der Berufung des Bw Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstraf­verfahren einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

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