Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420680/12/Fi/MB/Ga

Linz, 06.09.2011

 

 

 

B e s c h l u s s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johannes Fischer über die Beschwerde des X, vertreten durch Rechtsanwalt X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch – dem Bezirkshauptmann des Bezirks Urfahr-Umgebung zurechenbare – Polizeiorgane am 25. April 2011 folgenden Beschluss gefasst:

I.                  Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung) Kosten in Höhe von 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Z 2; § 67c, 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) erhob mit Schreiben vom 1. Juni 2011 - eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 3. Juni 2011 - Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Er bringt darin vor, dass er am 25. April 2011 in X durch unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt der Sondereinheit Cobra in seinen Rechten verletzt worden sei.

Begründend führt der Bf aus, dass er an diesem Tag um kurz vor 17.00 Uhr die Einsatzkräfte der Cobra entdeckte. Ohne Gegenwehr habe er die Eingangstüre geöffnet und sei in der Folge mit zwei Pistolen bedroht, zu Boden geworfen, am Oberschenkel mehrfach verletzt und mit Handfesseln, welche laut polizeiamtsärztlichen Gutachten Hämatomspuren verursachten, da diese unsachgemäß zu fest angelegt wurden, fixiert worden. Der Bf habe während der gesamten Festnahmehandlung keinerlei Widerstand geleistet, die gesamte Festnahmehandlung wäre daher nicht gerechtfertigt.

Konkret führt der Bf aus: "Der Polizeiinspektion X wurde durch den Journalrichter X des Landesgerichtes Linz die mündliche Anordnung zur Festnahme des Einschreiters befristet bis 20.5.2011 erteilt. Gemäß der Anordnung wurde die Polizeiinspektion X ermächtigt den Einschreiter festzunehmen. Nicht jedoch ist in der Anordnung enthalten, dass die Festnahme unmittelbar sofort zu vollziehen sei, noch dass mit erhöhter Gefahr zu rechnen sei. Aus all diesen Gründen ist festzustellen, dass die Polizeiinspektion X eigenmächtig nach den Sicherheitspolizeigesetz vorgegangen ist und die Anwendung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt im Rahmen der Festnahme nicht rechtfertigbar ist. Das Hinzuziehen der Einsatzkräfte der Cobra ist zudem unverhältnismäßig. Durch das Überschreiten der Befugnisse sind dem Einschreiter physische und psychische Schäden entstanden. Dies wurde auch bei der polizeiamtsärztlichen Untersuchung festgestellt und die Überweisung in die Landesnervenklinik Wagner Jauregg vorgenommen. Die physischen Schäden mussten ebenfalls behandelt werden. Es wäre jedenfalls der PI X möglich und zumutbar gewesen, den Sachverhalt genauer zu prüfen und zumindest eine der StPO entsprechenden Festnahme durchzuführen ohne Anwendung unverhältnismäßiger Befehls- und Zwangsgewalt, da der Einschreiter sichtbar unbewaffnet (lediglich mit Unterhose bekleidet) die Türe öffnete."

Aus diesen Gründen erachte sich der Bf in seinen Rechten verletzt und beantragt, der Maßnahmenbeschwerde stattzugeben und den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären.

1.2. Mit Schreiben vom 7. Juli 2011 wurde dem Beschwerdeführer zur vorläufigen Ansicht des UVS das Parteiengehör eingeräumt.

1.3. Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 wurde der Bezirkshauptmann des Bezirkes Urfahr-Umgebung als belangte Behörde zur Erstattung einer Gegenschrift und zur Vorlage allenfalls vorhandener Verwaltungsakten aufgefordert.

1.4. Mit Schreiben vom 9. August 2011 erstattete der Bezirkshauptmann des Bezirkes Urfahr-Umgebung eine Gegenschrift samt Aktenvorlage und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und einen gebührenden Aufwandsersatz gem. § 79a AVG zuzusprechen.

Begründend führt der Bezirkshauptmann im Wesentlichen aus, dass am 25. April 2011 um 14.00 Uhr GrInsp. X, PI X von GrInsp. X, PI X, telefonisch darüber verständigt wurde, dass die Frau des Bf in Begleitung der Tochter des Bf und einer Vertrauensperson Anzeige gegen den Bf wegen einer gefährlichen Drohung erstattet hätte. Aufgrund der massiven Drohung und des Verdachtes, dass der Bf in Besitz von Schwertern und Dolchen sei, wurde von GrInsp. X der diensthabende StA Mag. X verständigt. Dieser ordnete die Festnahme letztlich gegenüber der PI X an. Aufgrund des Verdachtes betreffend den Besitz von Schwertern bzw. Dolchen oder gar einer Gaspistole sei sodann von GrInsp. X das Einsatzkommando Cobra verständigt und um Vollziehung der Festnahme ersucht worden. Der Bf sei – entgegen den Angaben des Bf – lt. Einsatzprotokoll der Cobra vom 25. April 2011 im Türbereich seines Wohnhauses festgenommen worden, wobei weder die Türe aufgebrochen, noch der Bf verletztet worden sei. Insoferne seien die Vorhalte des Bf völlig aus der Luft gegriffen und waren die vorgenommenen Maßnahmen als rechtmäßig anzusehen.

1.5. Mit Schreiben vom 11. August 2011 wurde dem Bf die Gegenschrift des Bezirkshauptmannes des Bezirks Urfahr-Umgebung unter gleichzeitiger Einladung zur Stellungnahme übermittelt. Mit Schriftsatz vom 29.August 2011 führte der Bf daraufhin im Wesentlichen wie folgt aus:

Entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde habe der Bf zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Polizei oder das EKO-Cobra eine Tür in seinem Haus aufgebrochen hätten.

Auch lag – wie schon in der Maßnahmenbeschwerde angeführt – keine "Gefahr-in-Verzug-Situation" vor, da keine Gaspistole, welche sich in den Berichten der Cobra und der PI X wiederfindet, in der Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft enthalten sei und auch keine aktuelle Gefährdung des "Opfers" bzw. des Bf selbst vorhanden gewesen seien, da das "Opfer" sich zum Zeitpunkt der Festnahme nicht im Gefahrenbereich befand und keine akute Suizidgefahr bestand.

Auch sei die Annahme des Alkoholmissbrauches und des Besitzes der Gaspistole und sonstigen Waffen ohne fundierte – vom Gesetz geforderte – objektive Aufklärung von der PI X (GI X) erfolgt.

Darüber hinaus sei das Einschreiten des EKO-Cobra eigenmächtig gewesen, da einerseits das "Schließen" des Bf mit der Fluchtgefahr begründet werde und die Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft diese nicht erwähne und andererseits im Festnahmezeitpunkt aufgrund der Festnahmesituation kein Widerstand zu erwarten gewesen wäre.

Letztlich führt der Bf aus, dass entgegen der Stellungnahme der belangten Behörde und des Einsatzberichtes des EKO-Cobra, dem Bf ein Personenschaden in der Form von Druckstellen an den Handgelenken, vier Hämatome auf der Oberschenkelinnenseite, Hämatome an den Kniescheiben und eine Reizung der Schleimbeutel in den Kniegelenken entstanden seien. Insgesamt ergebe sich hieraus eine überschießende Handlung der Einsatzkräfte.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtsnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, durch Einräumung des Parteiengehörs und durch Beischaffung des gerichtlichen Auftrags. Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 2 Z 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil sich der Sachverhalt aus der Aktenlage klären ließ und die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.

2.2. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bf stand dringend im Verdacht, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 1. Fall StGB begangen zu haben. Daher erging am 25.04.2011 von der Staatsanwaltschaft Linz, bewilligt durch das Landesgericht Linz am selben Tag die Anordnung der Festnahme des Bf an die Polizeiinspektion X – mit Befristung bis 20.05.2011:

"Auf Grund gerichtlicher Bewilligung ordnet die Staatsanwaltschaft LINZ die Festnahme [des Bf] gemäß §§ 170 Abs. 1 Z 4, 171 Abs. 1 StPO an. Die genannte Person ist sogleich festzunehmen und der Justizanstalt des Landesgerichtes Linz ohne unnötigen Aufschub, längstens binnen 48 Stunden ab Festnahme zu übergeben. Die Staatsanwaltschaft ist vom Vollzug der Festnahme unverzüglich zu verständigen.

Begründung

Aufgrund der – im Journaldienst per Email übermittelten – Zeugenaussage der Ehegattin ist [der Bf] dringend verdächtig, die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 1. Fall StGB begangen zu haben. Nach diesem Tatverdacht habe der Bf in X seine Ehegattin sowie die gemeinsame Tochter und deren Kind durch nachangeführte Äußerungen gefährlich mit dem Tod bedroht, um die Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1.          am 24.04.2011 durch die – mit hasserfülltem Blick getätigte – Äußerung: "Ich bringe euch alle um!";

2.      am 25.04.2011 durch die Äußerungen: "Ich habe nichts mehr zu verlieren, euch nehme ich mit. Ihr kommt hier nicht mehr lebend heraus. Ich bringe euch alle um!"

Der Tatverdacht gründet sich auf die Aussage der Ehegattin, welche angab, dass der Bf schwere Alkoholprobleme habe, die das Ausmaß einer tödlichen Krankheit erreicht hätten, wobei der Bf um seinen baldigen Tod wisse, und seitdem gegenüber seiner Familie immer aggressiver geworden sei. Durch die geschilderten Drohungen seien die Opfer dermaßen in Furcht und Unruhe versetzt worden, dass sie sich die Nacht vom 24.04. auf den 25.04.2011 hindurch – mit einem Kübel für die Notdurft – in einem Zimmer eingeschlossen hätten. Nach den fortgesetzten Drohungen am Morgen des 25.04.2011 würden sie sich nicht mehr nach Hause trauen, wobei sie schon seit längerer Zeit große Angst vor dem Bf hätten.

Tatbegehungsgefahr/Tatausführungsgefahr (§ 170 Abs. 1 Z 4 StPO) liegt vor, weil aufgrund der Schilderungen der Zeugin anzunehmen ist, dass der Beschuldigte weitere gefährliche Drohungen gegen seine Familie tätigen bzw. (im schlimmsten Fall) die angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen werde. Die Ehegattin schilderte insbesondere, dass der Beschuldigte weiterhin Alkohol trinke, seine Medikamente nicht nehmen würde, und ihm alles egal sei. Überdies würde der Beschuldigte zuhause über Dolche und Samurai-Schwerter verfügen, welche er in einem silbernen Koffer aufbewahre.

Festnahme und Anhaltung stehen zur Bedeutung der Sache, insbesondere auch zu der zu erwartenden Strafe bei einer Strafdrohung von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe, nicht außer Verhältnis.

Gemäß § 171 Abs. 3 StPO ist der Beschuldigte sogleich oder unmittelbar nach seiner Festnahme darüber zu informieren, dass er das Recht habe,

1. einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger von seiner Festnahme zu verständigen oder verständigen zu lassen (Art. 4 Abs. 7 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit),

2. gegebenenfalls die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen,

3. Beschwerde gegen seine Festnahme zu erheben und im Übrigen jederzeit seine Freilassung zu beantragen.

 

Rechtsmittelbelehrung

Gegen den Beschluss, mit dem die oben ersichtliche Anordnung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bewilligt wurde, können Sie das Rechtsmittel der Beschwerde erheben. Diese muss gemäß § 88 Abs. 1 und 2 StPO binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Beschlusses bei der Staatsanwaltschaft schriftlich eingebracht werden.

Der Beschwerde kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, das heißt dass der angefochtene Beschluss trotz Erhebung einer Beschwerde sofort in Wirksamkeit tritt."

Die Polizeiinspektion X forderte im weiteren Verlauf, ebenfalls am
25. April 2011, um 16.00 Uhr das Einsatzkommando Cobra Mitte zur Vollziehung der Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Linz gegen X wegen Verdacht auf § 107 StGB an, welche die Festnahme auf Basis und innerhalb der denkmöglichen Grenzen der staatsanwaltschaftlichen Anordnung durchführte.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Gemäß § 67a AVG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Z 2 AVG kann derjenige, der durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, eine Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat erheben.

Der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zufolge ist das Rechtsschutzinstrumentarium der Maßnahmenbeschwerde jedoch bloß als ein subsidiärer Rechtsbehelf anzusehen, der stets nur zum Tragen kommt, wenn keine der sonst vorgesehenen ordentlichen Rechtsmittel zur Verfügung stehen (vgl. zB VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; 28.1.1994, 93/11/0035).

Sowohl gegen die Anordnung der Festnahme durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung als auch gegen die Durchführung dieser Festnahme durch die Kriminalpolizei (§ 171 Abs 1 StPO) steht dem Beschuldigten Einspruch wegen Rechtsverletzung zu (§§ 106 Abs 1 Z 2,  171 Abs 3 Z 3 StPO). Soweit gegen die Bewilligung Beschwerde erhoben wird, ist ein Einspruch gegen Anordnung oder Durchführung der Festnahme mit der Beschwerde zu verbinden. In einem solchen Fall entscheidet das Beschwerdegericht auch über den Einspruch (§ 106 Abs 2 StPO). Gegen die Bewilligung der Festnahme durch das Gericht alleine steht dem Beschuldigten das Rechtsmittel der Beschwerde zu (§ 87 Abs 1 StPO und § 171 Abs 3 Z 3 StPO; siehe dazu Kirchbacher/Rami in WK-StPO § 171 Rz 3f mwN).

Werden nun Exekutivorgane in Vollziehung eines Auftrags eines Gerichts tätig, wird deren Einschreiten der Gerichtsbarkeit zugerechnet und ist daher das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu verneinen (VwGH vom 15. November 2000, Zl. 98/01/0452; 22. Februar 2007, Zl. 2006/11/0154).

Nur wenn der, der Gerichtsbarkeit konkret zurechenbare, staatsanwaltschaftliche Auftrag eindeutig überschritten wird, liegt ein nicht mehr der Gerichtsbarkeit, sondern der Verwaltung zurechenbares Handeln vor (siehe VfGH 16. Dezember 2010, G 259/09 ua; Reindl-Krauskopf, UVS oder Strafjustiz: Wer kontrolliert die Kriminalpolizei?, JBl 2011, 345 ff). Bei der Frage, wem das polizeiliche Handeln zuzurechnen ist, kommt es daher nicht darauf an, ob dieses auch in jeder Hinsicht rechtmäßig war. D.h., dass auch eine allfällige rechtswidrige Ausführung eines richterlichen Auftrages nichts daran ändert, dass dieses Verhalten der Justiz zuzurechnen ist und folglich auch von dieser zu kontrollieren ist, solange jedenfalls nicht ein offenkundiges Überschreiten der gesetzten Anordnung vorliegt (VwGH vom 16. Februar 2002, Zl. 96/01/0233; vom 23. September 1998, Zlen. 97/01/1084, 1085 und 1087).

3.3. Aus dem vorliegenden Akt geht hervor und wird vom Bf auch bestätigt, dass die Exekutivorgane in Vollziehung einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung tätig wurden und deren Einschreiten daher grundsätzlich der Gerichtsbarkeit zuzurechnen ist.

Zur Vollziehung der Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft wurde das Einsatzkommando Cobra angefordert. Dadurch wurde im konkreten Fall der gerichtliche Auftrag gerade nicht offenkundig überschritten (vgl. VwGH vom 16.2.2002, 96/01/0233), da dieser einerseits auf sofortige (arg. sogleich) Festnahme des Bf lautete und andererseits von der Tatbegehungsgefahr bezüglich der gefährlichen Drohung ausging und mit seiner Begründung auf den Verdacht des Besitzes von Dolchen und eines Samurai-Schwertes durch den Bf sowie dessen "labilen" (arg. [...] ihm alles egal sei [...], S 2 der Anordnung) psychischen Zustand abstellte.

Dass "anstatt" der Organe der PI X – an welche die staatsanwaltliche Anordnung der Festnahme gerichtet war –, auf Ersuchen der PI X, Organe der speziellen Organisationseinheit "Einsatzkommando-Cobra" (siehe zur strukturellen Eingliederung Stolzlechner, Die neue Sicherheitsarchitektur in Österreich (Teil I), JSt 2003, 113 ff) die Festnahme (zum Teil) durchführten, vermag daran nichts zu ändern, da § 18 Abs. 2 StPO keine funktionelle Zuständigkeitsverteilung installiert (vgl. Vogl in WK-StPO § 18 Rz 105).

Darüber hinaus waren vor dem Hintergrund der – weit gefassten – Anordnung der Staatsanwaltschaft die aus den Akten ersichtlichen und mehrfach dokumentierten sonstigen Modalitäten der Festnahme ebenfalls nicht als (offenkundige) Überschreitung der staatsanwaltlichen Anordnung zu erkennen. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft beinhaltet die sofortige (arg. sogleich) Festnahme des Bf aufgrund Tatbegehungsgefahr. Hieraus ergibt sich wiederum, dass der Anordnung der Verdacht zu Grunde liegt, dass der Bf seine gefährliche Drohung umsetzen bzw. zu Ende führen werde. Dies steht in Zusammenhalt mit den Ausführungen, dass beim Bf Alkoholmissbrauch vorläge, er seine Medikamente nicht zu sich nehme, über Dolche und Samurai-Schwerter verfüge und einen "labilen" psychischen Zustand aufweise. Die staatsanwaltliche Anordnung inkludiert somit für den Festnahmezeitpunkt (ex-ante) die Möglichkeit der Fesselung und Durchführung der Festnahme in der gegenständlichen Form, um der Gefahr der Verletzung des Bf bzw. der einschreitenden Beamten im Rahmen der Schutzpflicht entgegenzuwirken (siehe grundlegend zur gebotenen objektiven Bewertung von kriminalpolizeilichem Handeln durch die Rechtsschutzbehörde im Ermittlungsverfahren Ratz, Überprüfung von Entscheidungen durch den OGH in Strafsachen, ÖJZ 2011/104, 984, ders in WK-StPO Vor §§ 280-296a Rz 5). Die einschreitenden Beamten hatten daher bereits vor dem Zugriff – obwohl ihnen der Bf in "Unterhosen" entgegen trat – ausreichende, von der Staatsanwaltschaft mitgeteilte, Informationen, um ein gesteigertes Gefahrenpotential des Bf annehmen zu dürfen. Darauf konnten sich die einschreitenden Beamten auch verlassen (siehe zu diesem Themenkomplex VwGH vom 21. Dezember 2000, Zl. 99/01/0174; sowie Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Maßnahmenbeschwerde, 158 FN 106 mN). Die inhaltliche Richtigkeit der staatsanwaltlichen Anordnung bzw. des richterlichen Beschlusses sind nicht tauglicher Gegenstand einer Beschwerde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat (siehe dazu grundlegend VfSlg 12.658/1991).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein – allenfalls rechtswidriges –Verhalten der Sicherheitsorgane auf Basis der Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgte und diese Anordnung nicht offenkundig überschritten wurde.

Im Ergebnis lagen somit ausschließlich der Gerichtsbarkeit, nicht jedoch der Hoheitsverwaltung zurechenbare Eingriffsakte vor, gegen die im Falle einer behaupteten Rechtswidrigkeit mit einer Beschwerde gemäß § 106 StPO bzw. § 87 Abs. 1 StPO vorzugehen gewesen wäre. Eine Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates ist somit nicht gegeben. Die gegenständliche, auf Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte, Maßnahmenbeschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. dazu auch UVS Oberösterreich vom 9. Juli 2010, VwSen-420638/11/Gf/Mu).

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung) als obsiegender Partei nach § 79a Abs. 1, 3, 4 und 6 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

5. In diesem Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 28,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

VwSen-420680/12/Fi/MB/Ga vom 6. September 2011, Beschluss

 

Rechtssatz 1

B-VG Art129a Abs1 Z2;

StPO §87 Abs1;

StPO §106

 

Ein – allenfalls rechtswidriges – Verhalten der Sicherheitsorgane, welches auf Basis der Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgte und diese Anordnung nicht offenkundig überschritten hat, ist der Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Die Reichweite dieser Anordnung ist im Zeitpunkt der Festnahme (ex-ante) auf Basis der in der Festnahmeanordnung getroffenen Ausführungen zu bestimmen. Eine Festnahmeanordnung inkludiert in der gegebenen Situation auch die Möglichkeit der Fesselung, um der Gefahr der Verletzung des Festzunehmenden bzw. der einschreitenden Beamten im Rahmen der Schutzpflicht entgegen zu wirken.

 

Rechtssatz 2

StPO §18 Abs2

 

§ 18 Abs2 StPO installiert keine funktionelle Zuständigkeitsverteilung im Rahmen der Kriminalpolizei.

 

 

 

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