Linz, 08.08.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Beschwerde des I A, geb., ägyptischer Staatsangehöriger, vertreten durch den M, P, W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch der Bundespolizeidirektion Linz zurechenbare Organe aus Anlass der Festnahme und Anhaltung vom 24./25. März 2011 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Festnahme und Anhaltung zum Zwecke der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24. März 2011 im Zeitraum ab ca. 15:52 Uhr bis zur Vorführung vor die Bundespolizeidirektion Linz als Fremdenpolizeibehörde kurz vor 16:00 Uhr als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Anhaltung am 24. und 25. März 2011 durch der Bundespolizeidirektion Linz (Fremdenpolizeiliches Referat) zurechenbare Organe im Zeitraum ab der Vorführung vor die Bundespolizeidirektion Linz als Fremdenpolizeibehörde am 24. März 2011 kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am 25. März 2011 um ca. 11:30 Uhr stattgegeben und der diesbezügliche Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt.
III. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz) den Verfahrensaufwand in Höhe von 397,50 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 750,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Rechtsgrundlagen:
§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2011 (FPG) iVm Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 (AVG); § 67c und § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 39 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde festzunehmen, wenn ua. gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde. Nach Abs. 5 leg.cit. ist die zuständige Fremdenpolizeibehörde ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen ua. des Abs. 2 leg.cit. bis zu 48 Stunden zulässig, wobei dem festgenommenen Fremden die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen ist.
Gemäß § 40 FPG ist jeder gemäß § 39 Abs. 1 bis 3 FPG Festgenommene in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten.
Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde ua. das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach dem FPG festgenommen worden ist, unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde.
Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl. VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl. VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im Allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl. VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz. 610).
Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl. Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z. 4 PersFrSchG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen.
Nach Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Die Gesetzesvorbehalte des Rechts auf persönliche Freiheit (Art. 5 EMRK, Art. 2 PersFrSchG) bieten für sich genommen noch keine ausreichende Grundlage für Eingriffe in die persönliche Freiheit. Diese bedürfen der näheren Konkretisierung durch das Gesetz. Fehlt eine gesetzliche Grundlage, ist der Freiheitsentzug verfassungswidrig. Einschränkungen des Grundrechtes der persönlichen Freiheit anzuordnen ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers und nicht der Behörden. Der Freiheitsentzug muss gesetzlich vorgesehen (Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG) bzw. rechtmäßig (Art. 5 Abs. 1 EMRK) sein, und er darf nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgen (Art. 1 Abs. 2; Art. 2 Abs. 1 PersFrSchG; Art. 5 Abs. 1 EMRK). Darin liegt nicht nur ein Gebot an die Vollziehung, sich gesetzeskonform zu verhalten, sondern auch eine Verpflichtung des Gesetzgebers, entsprechende Gesetze zu erlassen und diese inhaltlich ausreichend bestimmt zu formulieren (siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz. 51 zu Art. 1 PersFrSchG).
Nach Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG darf ein Freiheitsentzug vorgesehen werden, wenn dieser notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung zu sichern. Die Formulierung weicht von jener des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK ab. Danach ist die Festnahme oder Haft eines Menschen zulässig, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist. Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK bilden die Grundlage für freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Fremdenpolizei. Der Begriff der Ausweisung in Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG ist weit zu verstehen und umfasst nach VfSlg. 13.039/1992 und 13.300/1992 alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, dass der Fremde das Land verlasse. Zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung gehört daher "insbesondere" die Schubhaft zur Sicherung einer Abschiebung (siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz. 75 und 77 zu Art. 2 PersFrSchG).
Für die Zulässigkeit des Freiheitsentzuges genügt nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG bereits die Ausweisungsabsicht. Auch wenn das PersFrSchG weniger streng formuliert ist als Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK, ist ein – letztlich auf die Außerlandesschaffung abzielender – behördlicher Akt (z.B. Festnahmeersuchen) auch diesbezüglich jedenfalls erfasst. Wesentlich ist, dass mit einem auf Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG (Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK) gestützten Freiheitsentzug kein anderes Ziel als die Sicherung der Ausweisung verfolgt werden darf (vgl. VfSlg. 13.300/1992).
Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich [1988] Rz. 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt – hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur vorliegen, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg. 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991). Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, B 1341/97, wurde in diesem Zusammenhang aber auch zum Ausdruck gebracht, dass eine nach Art und Umfang überschießende Amtshandlung eine einer Festnahme gleichkommende Beschränkung der persönlichen Freiheit darstellen kann.
Gemäß § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde festzunehmen, wenn gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde.
Nach § 39 Abs. 5 leg.cit. ist die zuständige Fremdenpolizeibehörde ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen des Abs. 1 bis zu 24 Stunden und in den Fällen des Abs. 2 und 3 bis zu 48 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß Abs. 6, § 77 Abs. 5 oder in Schubhaft möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.
3.7.1. Zum Einen ist daher zu prüfen, ob die durch der belangten Behörde zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vollzogene Festnahme des Bf am 24. März 2011 um ca. 15:52 Uhr zu Recht erfolgte.
Wie dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen ist und auch durch den Bf in der Beschwerdeschrift (S. 4) bestätigt wird, lag gegen den Bf im maßgeblichen Zeitpunkt eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung iSd § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG vor. Die handelnden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes waren daher gemäß § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG sehr wohl ermächtigt, den Bf – der laut Aktenlage stark fluchtgefährdet war – zum Zwecke der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde festzunehmen. Auch wurde der Bf – wie bereits unter 2.5. erörtert – ordnungsgemäß iSd § 40 FPG über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet. Entgegen den Ausführungen des Bf vermag das entscheidende Mitglied des Oö. UVS daher in diesem Zusammenhang weder rechtsstaatliche Bedenken noch eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art. 4 PersFrSchG und Art. 5 Z. 2 EMRK zu erkennen. Hinsichtlich der vom Bf verwiesenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 14.939/1997 – zur Befangenheit von Verwaltungsorganen), wurde höchstgerichtlich festgestellt, dass Rechtsunterworfenen ein wirksames und tatsächlich zugängliches Recht auf Überprüfung in Fällen von Freiheitsentzug zukommen muss; eben dieses ist aber gerade durch die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gewährleistet, weshalb die diesbezüglichen Bedenken in der Beschwerde ebenfalls ins Leere gehen.
Die (nach dem Amtsvermerk vom 24. März 2011, Z E1/15679/2011-kast.) zwischen der Beendigung der Anhaltung nach § 26 AsylG und der Festnahme nach § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG liegenden ca. zwei Minuten sind dabei als dem Ablauf eines solchen Verfahrens immanentes, faktisch notwendiges, Abwicklungsmoment der vorausgehenden Anhaltung nach § 26 AsylG für das BAA zuzurechen, musste doch die amtshandelnde Beamtin des BAA sowohl den Bf als auch die anwesenden Polizeibeamten über das Ergebnis bzw. das Ende ihrer Amtshandlung informieren; dass diese Informationsaktivität naturgemäß rein faktisch eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, versteht sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung von selbst. Die Dauer von ca. zwei Minuten ist überdies jedenfalls auch nicht unverhältnismäßig.
Im Übrigen war auch die Dauer der Anhaltung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, wurde der Bf doch – wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt – unmittelbar nach der Festnahme gem. § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG am 24. März 2011 (ca. 15:52 Uhr) kurz vor 16 Uhr bereits dem zuständigen Journalbeamten bei der Fremdenpolizeibehörde (BPD Linz) entsprechend § 39 Abs. 5 leg.cit. vorgeführt. Die Festnahme und – nur wenige Minuten dauernde – Anhaltung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gem. § 39 Abs. 3 Z. 1 FPG zum Zwecke der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde war daher mit diesem Zeitpunkt (dh. am 24. März 2011 kurz vor 16 Uhr) beendet.
Die handelnden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das den Freiheitsentzug rechtfertigende Ziel (Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde) daher mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Raschheit verfolgt. Sowohl die Festnahme als auch die Anhaltung waren gesetzlich vorgesehen, zum Zweck der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde geeignet, unumgänglich und im zeitlichen Ausmaß verhältnismäßig.
3.7.2. Zum Anderen stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des weiters bekämpften Verwaltungsaktes durch der Fremdenpolizeibehörde zurechenbare Organe: Wie erörtert, war die Festnahme und Anhaltung nach § 39 Abs. 3 FPG mit der Vorführung vor den der Fremdenpolizeibehörde zuzurechnenden Journalbeamten der BPD Linz am 24. März 2011 kurz vor 16 Uhr beendet. Da der Bf in weiterer Folge in das PAZ verbracht und dort bis zum nächsten Tag angehalten wurde, ohne dass über ihn die Schubhaft verhängt war (dies geschah erst am nächsten Tag um ca. 11:30 Uhr durch Zustellung des Schubhaftbescheides), scheint die Rechtmäßigkeit der Anhaltung für diesen Zeitraum fraglich.
Sowohl nach Art. 5 Abs. 1 EMRK als auch nach Art. 1 Abs. 2 PersFrSchG bedarf eine Festnahme bzw. Anhaltung – wie bereits unter Punkt 3.5. dargelegt – stets einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Fehlt eine solche, ist der Freiheitsentzug verfassungswidrig.
Hinsichtlich der – mehr als 19-stündigen – Anhaltung des Bf durch die Fremdenpolizeibehörde beginnend am 24. Mai 2011 um kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am nächsten Tag um ca. 11:30 Uhr vermag das entscheidende Mitglied des Verwaltungssenates eine gesetzliche Deckung im FPG nicht zu erkennen. Weiters fand eine – wohl jedenfalls auch der Fremdenpolizeibehörde bei der Erlassung eines Schubhaftbescheides zukommende – faktisch notwendige gewisse Vorbereitungsphase im Vorfeld der Bescheiderstellung (etwa Tätigkeiten wie Aktenstudium oder Einvernahme des Betroffenen) schon der Aktenlage zufolge nicht statt und wurde im Übrigen auch von der belangten Behörde nicht vorgebracht; eine Subsumtion der gegenständlichen Anhaltung durch die Fremdenpolizeibehörde unter die gesetzliche Regelung der Schubhaft nach § 76 FPG scheidet daher ebenfalls aus (dh. die gegenständliche Anhaltung durch die Fremdenpolizeibehörde ist nicht der Schubhafterlassung nach § 76 FPG zuzurechnen).
Mangels gesetzlicher Deckung der Anhaltung durch die Fremdenpolizeibehörde am 24. März 2011 ab kurz vor 16:00 Uhr bis zur Zustellung des Schubhaftbescheides am nächsten Tag (ca. 11:30 Uhr) war der vorliegenden Beschwerde in diesem Beschwerdepunkt stattzugeben und die zitierte Maßnahme für rechtswidrig zu erklären.
4. Bei diesem Verfahrensergebnis war hinsichtlich Spruchpunkt I dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 397,50 Euro (Vorlageaufwand: 28,70 Euro [vgl. nur VwGH 22.10.1999, 98/02/0142], Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.
Hinsichtlich Spruchpunkt II war dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und Z. 3 AVG iVm § 1 Z 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 737,60 Euro (Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220,- Euro zu entrichten.
Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 93,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.
Astrid Berger
VwSen-401111/7/AB/Sta vom 8. August 2011
Erkenntnis
FPG §39 Abs3;
EMRK Art5;
PersFrSchG Art1
Die Festnahme und Anhaltung nach § 39 Abs3 FPG 2005 ist mit der Vorführung vor den der Fremdenpolizeibehörde zuzurechnenden Journalbeamten der BPD beendet. Wird ein Bf sodann in das PAZ verbracht und dort bis zum nächsten Tag angehalten, ohne dass über ihn die Schubhaft verhängt wird – dies erfolgte erst am nächsten Tag um ca 11:30 Uhr durch Zustellung des Schubhaftbescheides - , so erweist sich diese Anhaltung als rechtswidrig, zumal der UVS für diesen Zeitraum des Freiheitsentzugs im FPG 2005 keine gesetzliche Deckung zu erkennen vermag: Die Anhaltung während dieses Zeitraums kann aufgrund der bereits erfolgten Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde weder (noch) unter § 39 Abs3 FPG 2005 subsumiert werden, noch ist sie als im Rahmen einer faktisch notwendige Vorbereitungsphase im Vorfeld der Erstellung des Schubhaftbescheides (etwa Tätigkeiten wie Aktenstudium oder Einvernahme des Betroffenen) erfolgt zu qualifizieren; so fanden schon der Aktenlage zufolge während dieses Zeitraums überhaupt keine Tätigkeiten der Fremdenpolizeibehörde im Zusammenhang mit dem Schubhaftverfahren betreffend den Bf statt. Eine Subsumtion der nach der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgten Anhaltung unter die gesetzliche Regelung der Schubhaft nach § 76 FPG 2005 scheidet daher ebenfalls aus. Mangels gesetzlicher Deckung der Anhaltung war diese als rechtswidrig zu erklären.
Beachte:
vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;
VwGH vom 2. Oktober 2012, Zl.: 2011/21/0214-5