Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-252848/2/Wim/Pe/Bu

Linz, 30.09.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 4.2.2011, SV96-160-2010/La, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 1.3.2011, wegen Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.   Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 2, 27, 45 Abs.1 Z1 und Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Gesamtgeldstrafe in der Höhe von 150 Euro wegen Übertretungen des § 7b Abs.9 iVm § 7b Abs.5 AVRAG verhängt, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von elf Stunden im Fall der Uneinbringlichkeit und ein 10 %iger Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.

 

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

„Sie haben als Arbeitgeber und somit als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten, dass entgegen den Bestimmungen des § 7b Abs.3 AVRAG die Beschäftigung der zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung zumindest am 21.5.2010 gegen 13.50 Uhr in Steinhaus nach Österreich entsandten Arbeitnehmerin X, geb. X, nicht spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz dem Bundes­ministerium für Finanzen, A-1030 Wien, Erdbergstraße 192-196, gemeldet wurden und entgegen den Bestimmungen des § 7b Abs.9 AVRAG (Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz) zum Zeitpunkt der Kontrolle (am 21.5.2010 gegen 13.50 Uhr) am Arbeits(Einsatz)ort in Österreich keine Unterlagen über die Anmeldung der o.a. entsandten – in Österreich nicht sozialversicherungs­pflichtigen – Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung im Sitzstaat ihres Dienstgebers (SV Dokument E101 nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 bereitgehalten wurden.

Der angeführte Sachverhalt wurde bei der Kontrolle gemäß § 7b Abs.6 AVRAG durch Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels, Team KIAB am 21.5.2010 gegen 13.50 Uhr in X auf der Baustelle X’ festgestellt.“

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig eine inhaltlich begründete Berufung erhoben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Da bereits aufgrund der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist, entfällt gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 2 Abs.1 und 2 VStG sind nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffs des „Ortes der Begehung“ die Bestimmung des § 2 Abs.2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht, zur Lebensmittelkennzeichnung sowie auch zum Öffnungszeitengesetz ist Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat. Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien (z.B. ASchG, AuslBG, AZG, LMKV 1993, ÖffnungszeitenG) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein.

 

4.2. Im Verwaltungsstrafakt liegt auf, dass die Firma X GmbH, für die der Bw verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, ihren Sitz in Deutschland hat. Es hätte der Bw somit vom Unternehmenssitz aus die entsprechenden Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verwaltungsübertretung setzen müssen und ist er daher durch Unterlassen der gesetzlich geforderten Vorsorgehandlung am Unternehmenssitz in Deutschland strafbar geworden. Es ist daher der Unternehmenssitz als Tatort gemäß § 2 VStG anzusehen, wobei dieser Tatort im Ausland gelegen ist.

 

Da im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) zum Tatzeitpunkt eine spezielle Bestimmung dahingehend fehlte, dass auch Verwaltungsübertretungen, welche im Ausland begangen wurden, als im Inland begangen anzusehen und strafbar sind, liegt gemäß der allgemein geltenden Bestimmungen nach § 2 VStG keine Strafbarkeit vor, weil die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zum Tatzeitpunkt nicht im Inland begangen wurde und der Ort des Arbeitseinsatzes nicht der Tatort ist, sondern es sich dabei nur um eine nähere Sach­verhaltsumschreibung handelt.

 

4.3. Im Übrigen zeigt sich, dass die Erstinstanz auch die Übertretung des nicht rechtzeitigen Anmeldens bestraft hat, obwohl die diesbezügliche Anzeige gar nicht an die Erstbehörde sondern an den Magistrat Wien erstattet wurden und von diesem auch ein entsprechendes Straferkenntnis erlassen wurde. Weiters wurde auch unzulässigerweise eine Gesamtstrafe für die beiden Delikte verhängt. Auch aus diesen Gründen wäre die Entscheidung zu beheben gewesen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum