Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281337/15/Kl/Pe

Linz, 14.09.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwälte x, x, x, , x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9.6.2011, BZ-Pol-09080-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutz­gesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6.9.2011 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als eine (Gesamt-) Geldstrafe von 1.200 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden verhängt wird. Im Übrigen wird das Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 120 Euro, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe; zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19, 22 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 und 65 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9.6.2011, BZ-Pol-09080-2010, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) Geldstrafen in drei Fällen in der Höhe von je 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden, wegen je einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinne des § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma x Gesellschaft m.b.H., x, x (Arbeitgeberin), zu vertreten hat, dass am 23.11.2010 auf der Baustelle x, x, in x vom Arbeitsinspektor x, Arbeitsinspektorat x, folgende Verwaltungsübertretungen festgestellt wurden:

Drei Arbeitnehmer der o.a. Firma waren an der Absturzkante am Fachdach bei einer Absturzhöhe von ca. 4,30 m ohne geeignete Absturzsicherungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV beschäftigt, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV vorhanden sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass sich aus den Lichtbildern keine Arbeitnehmer ergeben und auch nicht ersichtlich ist, ob es sich dabei um Dienstnehmer der x GesmbH handelt. Im Übrigen seien die Arbeitnehmer weder in der Anzeige noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung namentlich genannt. Auch die Absturzhöhe von 4,30 m ist nicht erwiesen und ergäbe sich nicht aus den Lichtbildern. Schließlich habe die x GesmbH zwei selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer bestellt und sei daher von der belangten Behörde zu erheben gewesen, ob eine Regelung über die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften im Sinn des § 9 Abs.2 VStG bestehe. Schließlich wurde eingewendet, dass Arbeiten auf dem Dach nicht erwiesen seien, zumal nicht erkennbar sei, ob im oberen Bereich eine Geschoßdecke oder eine Dachkonstruktion vorhanden gewesen sei.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die Anzeige und die beigeschlossenen Fotos, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6.9.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw und sein Rechtsvertreter haben an der Verhandlung teilgenommen. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates x nahm an der Verhandlung teil. Weiters wurde der Zeuge Arbeitsinspektor x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x GesmbH mit Sitz in x und ist für die kaufmännischen Angelegenheiten zuständig. Für die Sicherheitseinrichtungen und Sicherheit im Unternehmen ist der weitere Geschäftsführer x zuständig. Dieser macht auch Bauleitungen. Bauleiter der gegenständlichen Baustelle war nicht Herr x, sondern Herr x. Der Bw macht keine Bauleitung und kommt nie auf die Baustellen. Allein zuständig für die Baustelle und auch die Sicherheit der Baustelle war der Baustellenleiter x. Der Baustellenleiter ist selbständig tätig. Er wird vom Bw nicht kontrolliert. Vor Ort verantwortlich und auch verantwortlich für die Umsetzung der Anweisungen ist der zuständige Vorarbeiter, für die gegenständliche Baustelle Herr x. Herr x ist schon über 20 Jahre in der Firma tätig und ein erfahrener Mitarbeiter. Er ist für die sicherheitstechnische Abwicklung zuständig. Er bekommt auch das gesamte erforderliche Material auf die Baustelle geliefert. Fehlen Teile, so hat er dies in der Firma zu melden und die fehlenden Teile nachzufordern. Auch kann er für die Firma kleinere Anschaffungen durchführen. Für größere Anschaffungen ist die Zustimmung der Geschäftsführung erforderlich. Der Vorarbeiter kann keine Leute einstellen. Er entscheidet auf der Baustelle, ob Regiearbeiten durchgeführt werden und Aufträge des Bauherrn betreffend die Baustelle ausgeführt werden. Er kann aber nicht neue Aufträge für die Firma akquirieren oder Aufträge ablehnen. Der Vorarbeiter ist der Chef auf der Baustelle und für alle Belange der Baustelle zuständig. Er verdient mehr als im Kollektivvertrag vorgesehen ist.

 

Es liegt eine Meldung der Bestellung des Vorarbeiters x zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG an das Arbeitsinspektorat x vor. Die Bestellung erfolgte für den räumlichen Zuständigkeitsbereich x in x und für den sachlichen Zuständigkeitsbereich „Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes, aller Arbeitnehmerschutzvorschriften und der BauV, AM-VO und KJBG“. Die Zustimmungserklärung erfolgte am 8.11.2010 sowie auch die Unterschrift durch den Bw. Die Bestellung wurde am 8.11.2010 dem Arbeitsinspektorat x mit Fax übermittelt und ist dort eingelangt.

 

Einmal im Jahr findet in der Firma eine Betriebsversammlung mit allen Mitarbeitern statt und werden dort alle sicherheitsrelevanten Themen besprochen und wird dies von den Arbeitnehmern mit Unterschrift bestätigt. Auch bei der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten wird mit dem Bestellten ebenfalls über alle sicherheitsrelevanten Themen gesprochen.

 

Am 23.11.2010 wurde vom Kontrollorgan auf der Baustelle x Pförtnergebäude in x, x, festgestellt, dass drei Arbeitnehmer der Firma x GesmbH Arbeiten auf dem Dach durchführten, wobei keine Absturzsicherungen angebracht waren und die Arbeitnehmer auch nicht angeseilt waren. Die Arbeitnehmer waren mit dem Verlegen der Dachfolie beschäftigt. Die Arbeitnehmer wurden dann vom Kontrollorgan vom Dach heruntergerufen. Über Ersuchen hat der Vorarbeiter die Höhe des Gebäudes mit ca. 4,30 m gemessen. Es wurde vom Vorarbeiter bestätigt, dass sämtliche Arbeitnehmer für die Firma x GesmbH arbeiten. Bei der Baustelle handelte es sich um einen Neubau. Es waren neben den Dacharbeiten auch noch Fassadenarbeiten ausständig.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist im Grunde der im Akt vorliegenden Fotos sowie auch der Aussagen des einvernommenen Zeugen erwiesen. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel. Die Bestellungsurkunde zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten ist erwiesenermaßen beim Arbeitsinspektorat eingelangt.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Bw:

 

Gemäß § 9 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt, und soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auch auf andere Weise sichergestellt sind.

 

Gemäß § 23 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 – ArbIG, BGBl. Nr. 27/1993 idF BGBl. I Nr. 51/2011, wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung, für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutz­vorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst wirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Arbeitnehmer/innen können für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

 

Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestellungsurkunde vom 8.11.2010 wurde am selben Tag dem Arbeitsinspektorat x mitgeteilt und ist nach Angaben des Arbeitsinspektorates auch dort eingelangt. Sie wurde daher mit diesem Tage wirksam. Allerdings ist zur Urkunde selbst auszuführen, dass die Urkunde lediglich vom Bw unterzeichnet wurde und daher eine Delegation der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 9 VStG nur von diesem nach außen vertretungsbefugten Organ stattfinden kann. Da es sich um eine persönliche Verantwortlichkeit handelt, kann nur diese Person eine Delegation durchführen.

Darüber hinaus verlangt aber neben den allgemeinen Voraussetzungen des § 9 VStG der § 23 Abs.2 ArbIG, dass zum verantwortlichen Beauftragten rechtswirksam nur bestellt werden kann, wer leitender Angestellter ist, dem maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner leitenden Entscheidung vom 7.4.1995, Zl. 94/02/0470, ausgeführt, dass es im ArbIG darum geht, dass Arbeitnehmer, die zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden und damit dem Arbeitgeber die diesbezügliche Verantwortlichkeit abnehmen, im Sinn der grundsätzlichen Regelung des § 9 Abs.4 VStG auch eine entsprechende Anordnungsbefugnis haben sollen, die es ihnen ermöglicht, Verstöße zu verhindern, für die sie verantwortlich gemacht werden können. Dies wird im Hinblick auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens ein Arbeitnehmer sein, der für diesen Bereich eine spezifische Leitungsfunktion ausübt. Ein Bevollmächtigter muss nicht nur mit seinem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der jeweiligen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen betraut sein, sondern von diesem auch mit entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet worden sein (VwGH 9.6.1988, Zl. 88/08/0104, 13.6.1989, Zl. 89/08/0081-94, 19.1.1995, Zl. 93/18/0230).

Im Sinn dieser Judikatur ist es daher erforderlich, dass der gegenständlich bestellte Vorarbeiter auch eine entsprechende Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis hat. Dazu wurde in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der verantwortliche Vorarbeiter x zwar sämtliches Material von der Firma auf die Baustelle geliefert bekommt, allerdings bei fehlen von Teilen, diese bei der Firma zu melden und die fehlenden Teile nachzufordern hat. Er kann auch kleinere Anschaffungen durchführen. Größere Anschaffungen bedürfen der Zustimmung der Geschäftsführung. Personal aufnehmen oder entlassen kann er nicht. Er entscheidet z.B. über Regiearbeiten auf der Baustelle und Änderungsaufträge des Bauherrn bezüglich der Baustelle. Sonstige Aufträge für die Firma kann er nicht übernehmen und nicht darüber entscheiden. Im Grunde dieses Sachverhaltes ist aber der Oö. Verwaltungssenat der Überzeugung, dass eine der Judikatur entsprechende Anordnungs- und Entscheidungsbefugnis nicht vorliegt. Insbesondere müsste nach der Judiaktur des Verwaltungsgerichtshofes die Befugnis derart ausgeprägt sein, dass der Bestellte auch tatsächlich die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen gewährleisten kann, nötigenfalls auch durch entsprechende Dispositionen, wie z.B. Anmieten bzw. Ankauf von Schutzeinrichtungen, Einteilung der Arbeitszeit, Einteilung der Arbeitskräfte auf der Baustelle sowie Anstellung und Entlassung von Arbeitskräften. Eine diesbezügliche Zuständigkeit kommt ihm jedoch nicht zu. Er hat daher nicht die erforderliche Entscheidungsbefugnis, um auch die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften tatsächlich zu gewährleisten. Es ist daher entsprechend den Ausführungen des Arbeitsinspektorates von einer nicht der Bestimmung des § 9 Abs.2 und 4 VStG iVm § 23 Abs.2 ArbIG entsprechenden Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten auszugehen. Die Bestellung wurde daher nicht gültig. Es fand daher kein Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf den Vorarbeiter x statt, sodass der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer weiterhin verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.

 

5.2. Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes steht fest, dass am 23.11.2010 bei der näher angeführten Baustelle drei Arbeitnehmer der x GesmbH Dacharbeiten, nämlich das Verlegen der Dachfolie, durchgeführt haben, wobei die Absturzhöhe ca. 4,30 m betrug, obwohl weder Absturzsicherungen vorhanden waren noch die Arbeitnehmer sicher angeseilt waren. Es war daher der Tatbestand der Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt. Der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer hat die Übertretung auch strafrechtlich zu verantworten.

 

5.3. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Der Bw bringt vor, dass er einen verantwortlichen Beauftragten bestellt hätte und im Übrigen der Vorarbeiter bzw. der für die Baustelle zuständige Baustellenleiter für die Baustelle verantwortlich sei und im Rahmen der selbständigen Tätigkeit auf die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu achten hätte. Weiters finden Schulungen bzw. Besprechungen in der Firma statt und wird auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften hingewiesen. Auch die zum verantwortlich Beauftragten Bestellten werden auf die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften hingewiesen.

Diese Ausführungen reichen für eine Entlastung nicht aus. Insbesondere reicht nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, dass allgemeine Unterweisungen jährlich in der Firma stattfinden und auch die Verantwortlichen auf der Baustelle angewiesen werden, die Verwaltungs­vorschriften hinsichtlich Arbeitnehmerschutz einzuhalten. Vielmehr ist die Einhaltung der Anweisung zu kontrollieren und ein diesbezügliches Kontrollsystem aufzubauen und auch dem Oö. Verwaltungssenat nachzuweisen. Ein solcher Nachweis ist jedoch nicht gelungen. Vielmehr wird in der Verhandlung ausgeführt, dass der Bw selbst nie auf der Baustelle war und die Baustelle, weil er ja nicht der zuständige Baustellenleiter ist, nicht kontrolliert. Auch war der Baustellenleiter nicht auf der Baustelle, sondern ist vielmehr der Vorarbeiter für die Baustelle verantwortlich. Eine Kontrolle des Vorarbeiters wurde nicht behauptet und auch nicht nachgewiesen. Es hat daher der Verwaltungsgerichts­hof in seiner Judikatur mehrmals darauf hingewiesen, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreicht, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter für die Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind (VwGH vom 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317). Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier der Vorarbeiter – aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutz­vorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreten und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutz­vorschriften außer Acht lassen. Das konkret keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, ist unerheblich, weil die Nichteinhaltung von Arbeitnehmer­schutzvorschriften als bloßes Ungehorsamsdelikt verwaltungsstrafrechtlich strafbar ist und schon deshalb kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (VwGH vom 5.8.2008, Zl. 2008/02/0127). Vielmehr ist es dem Bw nicht gelungen, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Es war daher auch von einem Verschulden des Bw, nämlich zumindest von fahrlässigem Verhalten des Bw auszugehen. Dass neben dem Bw auch ein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer besteht und auch von der Behörde strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, ist keine Entlastung für den Bw. Vielmehr ist jedes nach außen vertretungsbefugte Organ im Rahmen seines Verschuldens für die Tat verantwortlich. Es war daher der Schuldspruch zu bestätigen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat ihrer Strafbemessung keine Strafmilderungsgründe zugrunde gelegt und im Rahmen des Unrechtsgehaltes der Tat das hohe Gefährdungspotenzial für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer berücksichtigt. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit einem monatlichem Nettoeinkommen von 3.500 Euro, keinem Vermögen und einen Sorgepflichten geschätzt. Im Grunde des Vorliegens einer einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafe ist sie vom erhöhten Strafrahmen bis zu 14.530 Euro ausgegangen. Es liegen auch weitere Strafvormerkungen vor.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurden dahingehend berichtigt, dass eine  Sorgepflicht für die Ex-Gattin und eine Tochter besteht, im Übrigen aber nicht bestritten. Sie konnten daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Auch ist den Ausführungen der Behörde betreffend der Gefährdung des Schutzzweckes der Norm, nämlich Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zuzustimmen. Milderungsgründe wurden vom Bw nicht geltend gemacht und traten auch im Berufungsverfahren nicht hervor. Weil bereits eine rechtskräftige einschlägige Vorstrafe vorliegt, war dies entsprechend in der Strafbemessung zu berücksichtigen, wobei bei dem erhöhten Strafrahmen bis zu 14.530 Euro die nunmehr verhängte Geldstrafe nicht einmal ein Zehntel ausmacht und daher nicht als überhöht zu werten ist. Die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe ist hingegen erforderlich, um den Bw zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen, insbesondere seine Organisation des Betriebes entsprechend den Verwaltungsvorschriften auszurichten und ein entsprechendes Kontrollsystem zu schaffen. Im Übrigen ist die Strafe auch erforderlich, um andere Arbeitnehmer von einer rechtswidrigen Vorgehensweise abzuschrecken.

 

Die Verhängung einer Gesamtstrafe anstelle von drei Strafen je Arbeitnehmer ist aber im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich. So hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreicher Judikatur zu § 87 BauV ausgesprochen, dass mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten. Es wird von der belangten Behörde gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsgebot verstoßen, wenn die Behörde trotz der namentlichen Nennung der beschäftigten Arbeitnehmer den Beschuldigten lediglich einer Verwaltungsübertretung für schuldig erkennt (VwGH vom 26.7.2002, Zl. 2002/02/0037, sowie vom 31.3.2000, Zl. 96/02/0052). Eine namentliche Nennung der Arbeitnehmer durch die Behörde ist nicht erfolgt, sodass nicht von gesonderten Delikten auszugehen war. Es war daher ein Delikt vorliegend und eine Strafe auszusprechen.

Durch die Verhängung einer Gesamtstrafe, die das Strafmaß der drei Einzelstrafen nicht übersteigt, wurde der Bw im Übrigen in seinem Recht, dass durch eine durch ihn eingebrachte Berufung keine höhere Strafe verhängt werden darf (§ 51 Abs.6 VStG) nicht verletzt. Es musste daher die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend im Spruch korrigiert werden.

 

Ein Überwiegen von Milderungsgründen war nicht festzustellen, weil Milderungsgründe nicht vorliegen. Es war daher die außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht heranzuziehen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher auch nicht von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG Gebrauch zu machen.

 

6. Weil die Berufung hinsichtlich des Strafausmaßes Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag zum  Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 65 VStG. Die Herabsetzung der Geldstrafe bewirkt, dass der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz auf 10 % der verhängten Strafe, das sind 120 Euro, gemäß § 64 VStG herabzusetzen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem; mehrere Arbeitnehmer; mehrere Delikte; Kumulation

 

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