Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522946/2/Fra/Gr

Linz, 05.10.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. August 2011, VerkR21-7-2011-Wi, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Allgemeinesverwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z.2, 7 Abs. 3 Z.9, 7 Abs.4, 24 Abs.1 Z.1, 25 Abs.3 und 29 Abs.3 Führerscheingesetz 1997 - FSG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid dem Berufungswerber (Bw) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit seine Lenkberechtigung für die Klassen A und B auf die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, entzogen. Darüber hinaus wurde er verpflichtet, den Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder bei der Polizeiinspektion Schwanenstadt abzuliefern.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck legte die Berufung samt Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vor. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 35 Abs.1 FSG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 7 Abs.1 Z.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und Ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z.9 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 zu gelten, wer eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z.2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

 

3.2. Die belange Behörde ging in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, dass der Bw wegen eines Vorfalles am 23. Oktober 2010 rechtskräftig wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Nachdem Urteil des LG Wels vom 12. April 2011, 15185/10i-15, wurde gemäß § 43 Abs.1 StGB die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Nach diesem Urteil ist der Bw schuldig, am 23. Oktober 2010 in Schwanenstadt Herrn X durch das Versetzen eines Kopfstoßes gegen die Nase, welcher einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchenden sowie eine Unterkieferprellung und eine Gehirnerschütterung, sohin eine schwere Körperverletzung zu Folge hatte, vorsätzlich schwer am Körper verletzt zu haben.

Die belangte Behörde hat die aufschiebende Wirkung einer allfällig eingebrachten Berufung nicht aberkannt.

 

In seinem Rechtsmittel bringt der Bw u.a. vor, das bei richtiger Tatsachenfeststellung und richtiger rechtlicher Beurteilung die Behörde von einer Entziehung der Lenkberechtigung Abstand nehmen hätte müssen.

 

Richtig und nicht beschönigt werden soll, dass er mit Urteil des LG Wels vom 12. April 2011 zu 15185/10i wegen § 84 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt wurde. Es wurde ihm zur Last gelegt, er hätte am 23. Oktober 2010 in Schwanenstadt Herrn X durch das Versetzen eines Kopfstoßes gegen die Nase einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchenden sowie eine Unterkieferprellung eine Gehirnerschütterung, sohin eine schwere Körperverletzung zugefügt zu haben.

 

Seiner Ansicht nach hätten nachfolgende Umstände als Tatsachenfeststellungen der Entscheidung zugrunde gelegt werden müssen:

 

Am 23. Oktober 2010 um etwa 03:40 befand er sich vor dem Lokal "X" in X, X. Zu dieser Zeit sei er betrunken und müde gewesen. Er sei vor sich hindösend bzw. zum Teil schlafend am Boden unmittelbar in der Nähe des Ausgangs des Lokals gesessen, als zwei Lokalbesucher dieses verlassen wollten. Es habe sich um X und X gehandelt, welche über ihn drübersteigen wollten, wobei sie ihn offenbar berührten und verletzten. Diese Verletzung sei einerseits durch die Lichtbilder in der Polizeianzeige, andererseits aber auch aus der in den Anlagen in Kopie beigeschlossenen Krankengeschichte dokumentiert. Offenbar aus dem Schlaf aufgeschreckt habe er diese Aktion verspürt und sich zur Wehr gesetzt, in dem er reflexartig zuschlug, wobei er X im Bereich der Nase traf, wodurch dieser offenbar verletzt wurde. Hinsichtlich X scheint im Arztbrief des LKH Vöcklabruck auf, dass dieser eine Nasenbeinfraktur mit Abschürfungen und eine Gehirnerschütterung erlitten hätte, wobei von einer Verschiebung nicht die Rede sei, andererseits aber auch bei den Maßnahmen eine Reposition erwähnt wurde. Üblicherweise wird bei derartigen Verletzungen schon zu Unterscheidungszwecken angeführt, ob es sich um eine Nasenbeinfraktur mit oder ohne Verschiebung handelt. Im gegenständlichen Fall sei jedoch im Zusammenhang mit der Nasenbeinfraktur "Epistaxis" angeführt, was lediglich auf ein habituelles Nasenbluten bzw. auf eine Schädigung der Nasenschleimhaut hinweise.

 

Richtig ist, dass bestimmte strafbare Handlungen, beispielsweise nach dem StGB die Verkehrszuverlässigkeit des Täters in Frage stellen könne, selbst wenn die Tat keinen Bezug zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufweist. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die von der Behörde vorzunehmende Wertung der vorliegenden Strafhandlung. Für eine solche Wertung sei die Verwerflichkeit der Tat, aber die auch seit der Begehung der strafbaren Handlung verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit heranzuziehen. Die gegenständliche Tat wurde aus strafrechtlicher Sicht vom Gericht nicht so gravierend erachtet, dass über ihn eine unbedingte Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen wäre. Wenn nun aber das Gericht bei ihm eine unbedingte Freiheitsstrafe nicht angebracht erachtet habe, also das Gericht mit begründeter Wahrscheinlichkeit davon ausging, dass sich in Zukunft derartige Handlungsweisen nicht mehr ereignen würden, wäre es nur konsequent, wenn eine derartige positive Zukunftsprognose auch seitens der Behörde in verwaltungsrechtlicher Sicht Platz greife. Ihm müsse zur Gute gehalten werden, dass er in geordneten Verhältnissen lebe, einer Arbeit nachgehe und ihm nicht mit einem Entzug der Lenkberechtigung die Ausübung seiner Arbeit unmöglich gemacht und ihm die Existenzgrundlage entzogen werden sollte. Demgemäß wäre es nur konsequent, "ihm noch eine Chance" zu geben, seinen Arbeitsplatz zu behalten. Er müsse täglich als Arbeitnehmer der Firma X von Desselbrunn nach Laakirchen fahren. Eine Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei ihm aufgrund der Arbeitszeiten nicht möglich. Es sei richtig, dass bei Gefährlichkeit im Zusammenhang mit Lenken von Kraftfahrzeugen kein Raum für Arbeitsplatzüberlegungen und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gegeben ist. Gerade aber im gegenständlichen Fall hänge ja die ihm zur Last gelegte Straftat in keiner Weise mit dem Straßenverkehr zusammen. Die Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 FSG umfasse als charakterliche Eigenschaft die Sinnesart einer Person, als Lenker von Kraftfahrzeugen. Die Behörde müsse daher zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung immer aufgrund von in der Vergangenheit gelegenen Vorfällen auf ein Verhalten des Lenkers und dessen Wohlverhalten in der Zukunft schließen. Eine Beantwortung dieser Frage könne über Vermutungen meist kaum hinausgehen, jedoch kann und müsse aus dem bisherigen Verhalten und dessen Wertung auf ein zukünftiges Verhalten, nämlich auf die positive Änderung der Sinnesart und damit auf die Wiedererlangung der charakterlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aller oder bestimmter Klassen geschlossen werden. Die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit stelle sich daher als Rechtsfrage dar, die von der Behörde zu lösen ist.

 

Er stelle daher den Antrag, seiner Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern/aufzuheben, dass von einer Entziehung der Lenkberechtigung der Klassen A und B Abstand genommen werde.

 

3.3. Zu den o.a. Argumenten des Bw ist vorerst festzustellen, dass der UVS als Zweite Instanz in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung an ein rechtskräftiges Gerichtsurteil gebunden ist. Bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit bilden (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer) der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema. Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor unzuverlässigen KFZ-Lenkern. Zutreffend hat der Bw ausgeführt, dass die Charaktereigenschaft der Verkehrs(un)zuverlässigkeit einer Person von der Behörde anhand der Aktenlage im Wege der Lösung einer Rechtsfrage zu beurteilen ist. Von Kraftfahrzeuglenkern muss wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konflikte eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden. Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab der Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen. Die die Verkehrszuverlässigkeit indizierende Tatsache wurde vom Bw am 23. Oktober 2010 gesetzt.

 

Ist seit der Begehung der eine bestimmte Tatsache darstellenden strafbaren Handlung soviel Zeit verstrichen, dass die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nicht mehr gerechtfertig ist, darf die Lenkberechtigung nicht mehr entzogen werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Erlassung des Entziehungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt mangels Abschlusses eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens nicht möglich gewesen ist (VwGH, 23. April 2002, ZVR 2004/97).

 

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Lenkberechtigung nur dann entzogen werden darf, wenn aufgrund der Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt anzunehmen ist, dass eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Bw noch vorliegt und die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten (gerechnet ab dem Wirksamwerden der Entziehung) eintreten wird. (vgl. dazu die Rechtssprechung des VwGH – zum Beispiel vom 14. September 2004, 2004/11/00119).

 

Ausgehend vom Tatzeitpunkt 23. Oktober 2010 würde sich im konkreten Fall bei Bestätigung der von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck verfügten Entziehungsdauer eine angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit des Bw von beinahe 20 Monaten ergeben. Selbst wenn die Entziehungsdauer auf drei Monate herabgesetzt werden würde, würde sich noch eine angenommen Verkehrsunzuverlässigkeit des Bw von rund 15 Monaten ergeben. Eine derartig lange Verkehrsunzuverlässigkeit erscheint jedoch im konkreten Fall nicht prognostizierbar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Bw im Zeitpunkt dieser Berufungsentscheidung seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt hat. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung nicht aberkannt hat. Zudem ist abschließend festzustellen, dass entgegen der Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid laut Judikat des VwGH vom 14. September 2004, 2004/11/0119 bei einer Verurteilung wegen einer schweren Körperverletzung zu einer Geldstrafe bei Vorliegen sonstiger Unbescholtenheit 16 Monate Entzugsdauer nicht gerechtfertigt sind.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 14,30 Euro angefallen.

 

 

Dr. Johann Fragner

 

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