Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281318/17/Kl/Pe

Linz, 23.08.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, p.A. x GmbH, x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 7.3.2011, GZ. 52379/2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25.5.2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 7.3.2011, GZ. 52379/2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 23 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.1 BauV verhängt, weil er als verantwortlicher Beauftragter der x GmbH (Sitz x, x) für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen für den räumlichen Zuständigkeitsbereich „Neubau von Wohnungen in x, x, Baumeisterarbeiten“ (Dienstort x, x) zu vertreten hat, dass am 7.10.2010 ein Arbeitnehmer der x GmbH, Herr x, geb. am x, auf der Baustelle „x, x“ auf dem Dach eines ca. 2,5 m hohen Containers mit dem Lösen der Hebegurte vom Kranhaken eines Lkw-Ladekranes beschäftigt war, ohne dass er durch Anseilen gesichert war, obwohl die Arbeiten am Dachsaum durchgeführt wurden. Es waren auch keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegen das Parteiengehör verstoßen worden sei, zumal dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren nie vorgeworfen worden sei, dass Arbeiten am Dachsaum durchgeführt worden seien. Es sei im Straferkenntnis ein gänzlich anderer Sachverhalt als jener Sachverhalt, zu welchem der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren Stellung genommen habe, zur Last gelegt. Der Tatbestand der Gegenausnahme gemäß § 87 Abs.1 zweiter Satz BauV sei nicht erfüllt, zumal nicht am Dachsaum gearbeitet worden sei, sondern Herr x auf die Mitte des Daches des Containers gestiegen sei, um von dort aus die Stiege vom Kranhaken abzuhängen. Die Eisenstiege sollte auch in der Mitte des Daches des Containers abgelegt werden. Es sei eine übliche Vorgangsweise, dass Arbeitsmittel bzw. Baustoffe bei beengten Platzverhältnissen auf der Baustelle auf den Dächern von Arbeitscontainern gelagert werden. Bevor Herr x die Stiege von den Hebegurten des Kranwagens lösen habe können, sei er versehentlich auf ein Installationsrohr gestiegen, welches ebenfalls auf dem Dach des Containers abgelegt gewesen sei, sodass dieses ein Stück weiter gerollt sei, wodurch Herr x das Gleichgewicht verloren habe und vom Dach des Containers gestürzt sei. Es habe sich nicht um Arbeiten am Dachsaum gehandelt, nämlich bei einem Flachdach an der Kante des Daches zur senkrechten Mauer, wie beispielsweise die Reparatur oder Säuberung einer Dachrinne. Vielmehr wollte der Arbeitnehmer diese Ablagearbeiten in der Mitte des Daches des Containers durchführen. Die Behörde habe es unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln, wozu die Zeugen x und x beitragen hätten können. Richtigerweise hätte die Behörde feststellen müssen, dass zwar der Tatbestand des § 87 Abs.1 BauV erfüllt sei, nämlich insofern als Arbeiten auf dem Dach durchgeführt worden sind, nicht jedoch Arbeiten am Dachsaum. Ergänzend wurde darauf  hingewiesen, dass ein zu 43 BAZ 164/11b anhängiges Strafverfahren gegen den Beschuldigten am 22.2.2011 gemäß § 190 Z1 StPO von der Staatsanwaltschaft Linz eingestellt wurde. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Behörde keinen Umstand strafmildernd gewertet habe, jedoch Unbescholtenheit des Beschuldigten zu berücksichtigen gewesen wäre. Auch sei wenn überhaupt nur geringfügiges Verschulden gegeben.

 

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.5.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw und eine Vertreterin der belangten Behörde haben an der Verhandlung teilgenommen. Das weiters nachweislich geladene Arbeitsinspektorat x ist zur Verhandlung nicht erschienen. Weiters wurden die Zeugen x, x, x, x und x geladen und einvernommen. Der weiters geladene Zeuge x ist nicht erschienen und wurde von einer weiteren Einvernahme Abstand genommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw wurde mit Bestellungsurkunde vom 7.4.2009 zum verantwortlichen Beauftragten der x GmbH, x, mit Dienstort der x GmbH, Zweigniederlassung Oberösterreich in x, x, für den räumlichen Zuständigkeitsbereich „Neubau von Wohnungen in x, x, Baumeisterarbeiten“ und den sachlichen Zuständigkeitsbereich „Einhaltung sämtlicher Gesetze und Verwaltungsvorschriften, insbesondere des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sowie Arbeitnehmerschutzbestimmungen, Arbeitszeit- und Arbeitsruhebestimmungen usw. für die Baustellendauer“ bestellt. Sein Aufgabenbereich ist der Hochbau und Industriebau in x. Der Bw hatte mehrere Baustellen in x parallel laufen. Die gegenständliche Baustelle hat er ca. zehn Mal besichtigt. Die nähere Ausführung und auch Ausführung der Sicherheitsbestimmungen obliegt dem Bauleiter x und dem Polier x. Am 7.10.2010 war weder der Bw noch der Bauleiter noch der Polier auf der Baustelle. Die Baustelle war zu diesem Zeitpunkt im Großen und Ganzen fertig und handelte es sich im Wesentlichen um Aufräumungsarbeiten und die Ausführung von Restarbeiten. Es waren daher auch nur mehr wenige Arbeitnehmer der Firma auf der Baustelle. Der Baustellenleiter kommt fast täglich auf die Baustelle und es obliegt ihm auch die Kontrolle der Arbeitssicherheit auf der Baustelle sowie Mängel und Vorkommnisse zu rügen. Die Bestimmungen über Arbeitssicherheit kennt er aus seinem Studium. Weiters gibt es im Büro die Mappe „Sicherheit am Bau“. Vor Beginn der Baustelle werden der Ablauf der Baustelle und die einzelnen Schritte und die Sicherheit mit dem Polier in der Firma besprochen. Gemeinsam werden dabei die Sicherheitseinrichtungen und Maßnahmen festgelegt. Für die Ausführung ist der Polier verantwortlich, nämlich für die konkrete Materialbeschaffung und auch die Aufstellung und Verwendung der Sicherheitseinrichtungen. Auch die Unterweisungen macht dann der Polier. Der Polier x hat nachweislich am 18. und 19.1.2010 Unterweisungen der Arbeitnehmer hinsichtlich Arbeitssicherheit durchgeführt. Auch wurde konkret vor Beginn der Baustelle eine Unterweisung vorgenommen. Die Unterweisung beinhaltet Arbeitssicherheit und Absturzsicherungen je nach Baufortschritt. Seine Kenntnisse hat der Polier aus der Schulzeit und aus einzelnen Kursen. Unterweisungen in der Firma fanden im Jahr 2011 statt, im Jahr 2010 fand keine jährliche Unterweisung statt. Eine konkrete Anweisung für Arbeiten auf dem Container wie auch für Arbeiten zur Lagerung von Gegenständen auf dem Container gab es nicht. Es gab nur eine allgemeine Anweisung, dass man sich ab einer gewissen Höhe nur 2 m von der Absturzkante weg aufhalten darf. Der Polier war am 7.10.2010 auf Urlaub. Seine rechte Hand und Stellvertreter war daher der Vorarbeiter x. Dieser war daher zum Tatzeitpunkt auch auf der Baustelle verantwortlich. Er gab dem Arbeitnehmer x die Anweisung, wenn Zeit ist, die Baustelle etwas aufzuräumen. Zu diesem Zweck war auch die vorhandene Eisenstiege auf einen Materialcontainer zu transportieren und abzulagern, damit sei nicht weiter im Weg liegt. Weitere Anweisungen und Hinweise auf besondere Gefahren hat der Vorarbeiter dem Arbeitnehmer nicht gegeben, da es sich um einen langjährigen und sehr erfahrenen Bauarbeiter handelte. Auf Baustellen ist es üblich, dass Gegenstände und Material auf einen Container als Zwischenlager abgelegt werden. Dies war auch hier der Fall, weil auf dem Boden isoliert wurde.

Am 7.10.2010 hat daher der Arbeitnehmer x gemäß dem Auftrag, die Baustelle aufzuräumen, Kabel aufgerollt, sortiert, in das Lager gegeben und inventarisiert. Die schlechten Kabel wurden aussortiert und weggeworfen. Der Arbeitnehmer x ist für das Magazin und die Geräte zuständig und ein langjähriger und erfahrener Bauarbeiter der Firma. Weiters hat er anweisungsgemäß für das Entfernen der Eisenstiege gesorgt. Er bat den Lkw-Lenker x der Firma x, ihm die Eisenstiege mit dem Kran auf den Container zu transportieren. Er befestigte die Eisenstiege mit zwei Gurten am Kran und Herr x hat sie mit dem Kran hochgehoben. Mit der Leiter ist dann der Arbeitnehmer x auf den Container gestiegen. Es handelte sich um einen Materialcontainer mit einer genormten Größe von 6 m x 2,5 m Fläche. Die Höhe war ca. 2,5 m. Die Stiege war ca. 5 bis 6 m lang und sollte am Rand des Containers an der Längsseite abgelegt werden. Die Stiege war 1,5 m breit. Auf der gegenüberliegenden Längsseite des Containers wollte der Arbeitnehmer x helfen, die etwas schwankende Stiege langsam herunter zu lassen. Der Arbeitnehmer befand sich auf der anderen Längsseite des Containers an dessen Rand. Dort befanden sich auch 5 m lange Isolationsrohre und ist der Arbeitnehmer ausgerutscht und gestolpert und über die Kante des Containers rücklings hinuntergestürzt. Er hat sich eine schwere Kopfverletzung zugezogen. Es waren keine Absturzsicherungen vorhanden und war der Arbeitnehmer auch nicht angeseilt.

Der Arbeitnehmer x hat ebenfalls vom Polier eine Unterweisung über Arbeitssicherheit für die Baustelle am 18. und 19.1.2010 erhalten. Eine konkrete Anweisung hinsichtlich Sicherheit bei Arbeiten auf dem Container hat er nicht erhalten.

Zur Zl. x wurde ein gegen den Bw eingeleitetes Strafverfahren am 22.2.2011 gemäß § 190 Z1 StPO von der Staatsanwaltschaft Linz eingestellt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Aussagen der bei der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Insbesondere gaben sowohl der verunfallte Arbeitnehmer als auch der Kranwagenfahrer einvernehmlich an, dass sich der verunfallte Arbeitnehmer am Rand des Containers an der Längsseite aufhielt und dann durch die dort gelagerten Rohre ausgerutscht ist und über die Kante rücklings hinuntergefallen ist. Es war daher davon auszugehen, dass er an der Absturzkante des Containers gearbeitet hat. Dies ergibt sich aber auch daraus, dass die Gesamtbreite des Containers lediglich 2,5 m betrug, die Breite der Stiege 1,5 m, sodass naturgemäß zum Herunterlotsen der Eisenstiege der Arbeitnehmer nicht in der Mitte des Containers stehen konnte, sondern eher auf dem noch freibleibenden Rand des Containers. Insbesondere sollte ja die Stiege der Länge nach an der Längsseite des Containers abgelagert werden.

Im Übrigen erschienen die Zeugen glaubwürdig und bestand kein Zweifel an der Richtigkeit und der Wahrheitsgemäßheit der Aussagen der Zeugen. Es wird auch die Betriebsorganisation und der Vorgang auf der Baustelle vom Bw nicht bestritten. Es konnten daher die Tatsachenfeststellungen der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), dürfen bei Arbeiten auf Dächern bis zur einer Absturzhöhe von 3,00 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen abweichend von § 7 entfallen, wenn die Arbeiten bei günstigen Witterungsverhältnissen sowie von unterwiesenen, erfahrenen und körperlich geeigneten Arbeitnehmern durchgeführt werden. In diesem Fall kann auch die Sicherung der Arbeitnehmer durch Anseilen entfallen, ausgenommen bei Arbeiten am Dachsaum und bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 45°. § 7 Abs.2 Z1 bleibt unberührt.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 221/2010, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Aufgrund der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 7.10.2010 gegen 8.45 Uhr der Arbeitnehmer x der x GmbH Arbeiten auf dem Dach des Containers, nämlich das Ausrichten einer auf den Container transportierten Eisenstiege und das anschließende Abhängen durchgeführt hatte, wobei er sich am Rand der Längsseite des Containers befand. Der Container war ca. 2,5 m hoch und wies eine Fläche von 6 m x 2,5 m auf. Da an der Längsseite auch Isolationsrohre gelagert waren und die transportierte Stiege noch schwankte, rutschte er auf den Rohren aus und er fiel über die Kante des Containers zu Boden. Schutzeinrichtungen waren nicht vorhanden. Auch war der Arbeitnehmer nicht angeseilt. Der Arbeitnehmer befand sich am Dachrand an der Absturzkante. Dies ist bei Flachdächern als Oberkante der Außenwände auch als Dachsaum zu bezeichnen. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Als verantwortlicher Beauftragter der x GmbH hat der Bw die Verwaltungsübertretung auch verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG zu verantworten.

 

Wenn hingegen der Bw vorbringt, dass er nicht rechtswidrig gehandelt hätte und kein Anseilschutz erforderlich gewesen wäre, so ist ihm einerseits das Beweisverfahren entgegenzuhalten, wonach nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen sich der Arbeitnehmer am Rand des Containers befand, also an der Absturzkante arbeitete. Dies ist dem Begriff des „Dachsaumes“ gleichzuhalten. Wenn der Bw dazu ausführt, dass es sich um Reparaturarbeiten oder um die Säuberung von Dachrinnen handeln müsste, so übersieht er, dass der gesamte 11. Abschnitt der Bauarbeiterschutzverordnung lautet: „Arbeiten auf Dächern“, wobei es sich nicht um typischerweise Arbeiten von Dachdeckern und Spenglern handeln muss, sondern jede Art von Arbeiten auf Dächern umfasst.

Zu Recht führt der Bw aus, dass § 87 BauV, insbesondere auch § 87 Abs.1 BauV, eine lex spezialis zur allgemeinen Bestimmung des § 7 BauV ist. Dies entspricht auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 15.7.2004, 2001/02/0042, und vom 31.7.2007, 2006/02/0237). Lediglich § 7 Abs.2 Z1 BauV ist davon ausdrücklich ausgenommen. Es ist daher bis zu einer Absturzhöhe von 3 m eine Absturzsicherung nicht notwendig und müssen die Arbeitnehmer auch nicht angeseilt sein. Die Ausnahme vom Anseilschutz ist jedoch bei Arbeiten am Dachsaum und bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 45° gegeben. Aufgrund dieser Ausnahmeregelung hat daher auch bei einer Absturzhöhe von unter 3 m der Arbeitnehmer bei Arbeiten am Dachsaum einen Anseilschutz zu tragen.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reicht es nicht aus, dass der verunfallte Arbeitnehmer zwar allgemeine Unterweisungen zu Beginn der Baustelle sowie auch im Jahr 2010 erhielt, hinsichtlich der konkreten Tätigkeit, insbesondere auch Arbeiten zur Lagerung von Gegenständen auf Materialcontainern, hinsichtlich Absturzsicherung keine Unterweisungen und auch keine Anordnungen erhielt. So bekam er auch konkret weder vom Polier noch vom die Arbeit anweisenden Vorarbeiter eine Unterweisung oder Anweisung hinsichtlich Absturzsicherung bei Arbeiten auf dem Container. Auch war zum Unfallszeitpunkt bzw. Zeitpunkt der Arbeiten weder der Baustellenleiter noch der Polier an der Baustelle anwesend. Auch der stellvertretende Vorarbeiter hat den Arbeitnehmer nicht unterwiesen und er war auch nicht bei den Arbeiten anwesend. Gerade auch für nichtvorhersehbare Tätigkeiten und auch für nur kurze Tätigkeiten muss eine Sicherung entsprechend den Arbeitnehmerschutzbestimmungen vorgesehen werden und auch deren Einhaltung kontrolliert werden. Für die konkrete Kontrolle hat der Bw ein lückenloses Kontrollsystem einzurichten und auch dessen Funktionsfähigkeit zu überprüfen und nachzuweisen. Da aber entsprechende Unterweisungen und Anweisungen für das Besteigen des Containers und Arbeiten auf dem Container nicht nachgewiesen wurden, konnte daher auch der Bw nicht jene Maßnahmen darlegen und unter Beweis stellen, die das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleisten sollen.

Im Übrigen hat das Beweisverfahren gezeigt, dass es durchaus Usus ist, dass Gegenstände zwischenzeitig auf Baucontainern gelagert werden. Es war daher im Sinn eines sorgfaltsgemäßen Verhaltens erforderlich gewesen, auch hinsichtlich solcher Arbeitsvorgänge und -maßnahmen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Es war daher dem Bw auch schuldhaftes Verhalten, nämlich zumindest sorgfaltswidriges Verhalten anzulasten.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat strafmildernd und straferschwerend keinen Umstand gewertet und mangels Angaben des Bw die persönlichen Verhältnisse mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro und keinen Sorgepflichten geschätzt. Der Bw hingegen macht Unbescholtenheit geltend. Dem ist entgegenzutreten, zumal rechtskräftige Vorstrafen nach der Bauordnung vorliegen. Es liegt daher keine Unbescholtenheit vor. Dass hingegen keine Vorstrafe nach ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vorliegt, ist kein Milderungsgrund der Unbescholtenheit, sondern vielmehr dahingehend zu berücksichtigen, dass kein Erschwerungsgrund wegen einer rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafe vorliegt. Weitere Milderungsgründe brachte der Bw nicht vor und kamen auch im Verfahren nicht hervor. Hingegen musste auch auf den besonderen Unrechtsgehalt der Tat hingewiesen werden, zumal genau dem Schutzzweck der Norm, nämlich Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer, entgegengewirkt wurde. Der Schutzzweck der Norm wurde in erheblichem Maß verletzt und sind auch nachteilige Folgen wegen des Unfalles des Arbeitnehmers tatsächlich eingetreten. Dies hat im Rahmen der objektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.1 VStG einen Niederschlag zu finden. Im Übrigen wurden die geschätzten persönlichen Verhältnisse des Bw von ihm nicht bestritten und konnten daher auch der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt werden. In Anbetracht des gesetzlichen Strafrahmens bis zu 7.260 Euro liegt die tatsächlich verhängte Geldstrafe von 1.000 Euro im untersten Bereich des Strafrahmens und ist tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Bw angepasst. Es kann nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Es konnte daher auch die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe, insbesondere unter Berücksichtung des Unrechtsgehaltes der Tat und der nachteiligen Folgen, bestätigt werden. Milderungsgründe lagen nicht vor, sodass von der außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen war. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weiter hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat  zurückbleibt und im Übrigen auch Folgen der Tat vorliegen. Mangels der Voraussetzungen nach § 21 VStG war daher nicht von der Strafe abzusehen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 200 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem, Arbeiten auf Dach, Dachsaum, auch an Absturzkante

 

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