Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730070/3/Sr/MB/Jo

Linz, 10.10.2011

 

B e s c h l u s s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, zuletzt wohnhaft in X, StA VRC, gegen die mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 1. Juni 2010, zu GZ: Sich40-6562, angeordnete Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat mit Bescheid vom 1. Juni 2010 – zugestellt am 2. Juni 2010 – den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Schreiben vom 8. Juni 2010 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. Der Bw beantragt darin die Aufhebung der Ausweisung.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt legte den Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

3.1. Mit 1. Juli 2011 sind wesentliche Bestandteile des Fremdenrechts-änderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist. Gemäß § 9 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz entscheiden über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

 

3.2. Aus diesem Grund hat die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die verfahrensgegenständliche Berufung zuständigkeitshalber gemäß § 6 AVG zur Entscheidung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt.

 

3.3. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststeht, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erforderlich. Dieser hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

3.4. Unstrittig steht fest, dass der Bw am 9. April 2002 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt hat, welcher mit Entscheidung vom 2. Februar 2009 rechtskräftig negativ in zweiter Instanz abgelehnt wurde. Ein Aufenthaltstitel ist ebenso nicht vorhanden. Familiärer Bezug zu Österreich bzw. über die berufliche Integration hinausgehende soziale Kontakte und Verbindungen werden vom Bw nicht geltend gemacht. Der Bw reiste am 24. November 2010 freiwillig unter Gewährung einer Rückkehrhilfe durch die IOM aus dem Bundesgebiet aus.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Die stRsp des VwGH ergibt, dass durch die Ausreise eines Fremden aus dem Bundesgebiet das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Entscheidung gegen eine gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 erlassene Ausweisung nachträglich weggefallen ist (vgl. VwGH vom 22. Jänner 2009, Zl. 2008/21/0294 und VwGH vom 29.9.2009, Zl. 2009/21/0151). Durch die Ausreise ist der mit der Ausweisung verfolgte Zweck erfüllt; der Ausweisungsbescheid wird gegenstands- und wirkungslos. In diesem Sinn wurde im ersten Satz des § 59 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 ausdrücklich angeordnet, dass eine Ausweisung - vorbehaltlich der Wirkungen nach § 73 FPG - gegenstandslos wird, wenn der Betroffene seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen ist. Auch nach neuerlicher Einreise könnte der Fremde somit auf der Grundlage dieser Ausweisung nicht mehr abgeschoben werden. Wird demnach der Aufenthalt eines Fremden in Österreich nach Erlassung einer Ausweisung und nach Einbringung der Berufung - sei es durch Zurückschiebung, Abschiebung oder durch freiwillige Ausreise - beendet, so käme einer Entscheidung über die gegen den Ausweisungsbescheid erhobenen Berufung nur mehr abstrakttheoretische Bedeutung zu.

 

4.2. Da der Bw bereits vor dem 1. Juli 2011 freiwillig ausgereist ist, wurde seine (damals noch) Ausweisung bereits zu diesem Zeitpunkt gegenstandslos.

 

4.3. § 73 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 findet aufgrund der Neustrukturierung des 8. Hauptstückes des FPG keine Anwendung mehr. Auch können § 11 Abs. 1 Z 3 und Z 1 NAG nicht zur Verwehrung eines Aufenthaltstitels herangezogen werden, da er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig vor einer Antragsstellung gemäß § 21 Abs. 1 nachgekommen ist und keine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 "erlassen" wurde; Ausweisungen gemäß § 53 FPG vor Inkrafttreten des BGBl I Nr 38/2011 haben bloß als Rückkehrentscheidungen "zu gelten". Auch aus dem NAG kann somit im Hinblick auf die übergeleitete Ausweisung des Bw kein Reflex erkannt werden.

 

4.4. Da gemäß § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erlassene Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG idgF ohne dass hiermit jedoch ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG idgF verbunden ist, zu gelten haben, kann insofern auch keine negative Reflex- oder Fortwirkung im Sinne der Rsp des VwGH erblickt werden.

 

4.5. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nicht angenommen werden kann, dass durch den Entfall der Bestimmung des § 59 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 vom Gesetzgeber bewusst für "Übergangsfälle" eine Ablehnung der, bereits mit Beschluss des VwGH vom 19. Oktober 1999, Zl. 94/18/0819 begonnenen, stRsp des Verwaltungsgerichtshofes intendiert ist. Der Entfall der unmittelbaren Reflexwirkung nach Muster des § 73 FPG, verbunden mit dem Fehlen eines Einreiseverbotes im Sinne des § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 und der Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Z 3 und Z 1 NAG stützen vielmehr Gegenteiliges.

 

4.6. Zusammenfassend kann somit an dieser Stelle festgehalten werden, dass durch die freiwillige Ausreise des Bw am 24. November 2010 die "Ausweisung" zu diesem Zeitpunkt gegenstands- und wirkungslos wurde, das Ziel der Rückkehrentscheidung in der Form der Übergangsbestimmung gänzlich erfüllt wurde und keinerlei Reflexwirkung im Sinne der Möglichkeit der Verletzung in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht besteht (siehe beispielsweise VwGH vom 23. April 2009, Zl. 2006/07/0078 mwN).

 

4.7. Die Berufungsbehörden hatte gemäß § 57 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 im Falle einer freiwilligen Ausreise daher nur festzustellen, ob die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. Das FPG idF BGBl I Nr 38/2011 enthält in § 68 Abs. 1 eine vergleichbare Bestimmung. Diese gilt aber nicht für Rückkehrentscheidungen und ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

 

4.8. Auch die Erwähnung des § 66 Abs. 4 AVG in § 52 Abs. 1 letzter Satz FPG idF BGBl I Nr 38/2011 führt zu keinem gegenteiligen Ergebnis, da keine Rechtsverletzungsmöglichkeit gegeben (siehe statt vieler Aichlreiter, JBl 1996, 299 ff.), Gegenstandslosigkeit bereits mit 20. April 2011 eingetreten und überdies auch teleologisch die Notwendigkeit einer Sachentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels verknüpftem Einreiseverbot bei diesem Übergangsfall im Hinblick auf § 52 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 nicht gegeben ist.

 

4.9. Dem Berufungsantrag konnte im Ergebnis daher keine Folge gegeben werden, da die bekämpfte Ausweisung bereits gegenstands- und wirkungslos ist. Die Berufung war daher als unzulässig zurückzuweisen. Eine Erörterung der in der Berufung vorgebrachten Interessen der Bw am Verbleib im Bundesgebiet war bei diesem Verfahrensergebnis verwehrt. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.10. Wie die – unvertreten eingebrachte – Berufung belegt, konnte eine Übersetzung gem. § 57 FPG idgF unterbleiben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Christian Stierschneider

 

 

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