Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730257/2/SR/Wu

Linz, 21.10.2011

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, Staatsangehörige von Usbekistan, vertreten durch X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. Jänner 2010, Zl. Sich40-2093-2008, betreffend Erlassung eines auf 3 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich, zu Recht erkannt:

 

I.             Der Berufung gegen den ersten Spruchpunkt wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben.

II.         Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung (zweiter Spruchpunkt) wird aus Anlass der Berufung für rechtswidrig erklärt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 53 und 54 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

 

I.        Ҳукмнинг биринчи пункти бўйича апеляция (Норозилик шикоятига кўра ишни қайта кўриб чиқиш) даъвоси қабул қилинди ва ушбу қисм бўйича норозилик билдирилган қарор бекор қилинди.

II.         Ҳукмнинг иккинчи пунктида белгиланган апеляция (Норозилик шикоятига кўра ишни қайта кўриб чиқиш) даъвосининг қарор муҳлатини орқага суриш моҳиятини инобатга олмаслик қонунга зид деб ҳисобланади.

 

Ҳуқуқий актлар:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 53 und 54 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. Jänner 2010, Zl. Sich40-2093-2008, zugestellt am 26. Jänner 2010 an den Vertreter der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wurde gegen die Bw auf der Grundlage des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 iVm §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 3 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen das Aufenthaltsverbot ausgeschlossen.

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, dass die Bw am 11. Mai 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) in der EAST West gestellt und auf Grund ihrer Mittellosigkeit Unterstützung im Rahmen der Bundesbetreuung begehrt habe. Mit Bescheid des Bundesasylamtes sei der Asylantrag gemäß den §§ 5 und 10 AsylG zurückgewiesen und die Bw nach Polen ausgewiesen worden. Anlässlich der Abschiebung sei der Bw mitgeteilt worden, dass die belangte Behörde die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von 4 Jahren beabsichtigte, die Bw dazu Stellung beziehen könne und einen Zustellungsbevollmächtigten zu nennen habe. In der Stellungnahme habe der Vertreter der Bw ausgeführt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jeder rechtlichen Grundlage entbehre. Die Bw sei nämlich von Polen nach Österreich weitergeflüchtet, weil die schwer kranke Tochter der Bw in Österreich als Asylberechtigte leben würde. Österreich hätte vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen können. Während des Asylverfahrens sei der Aufenthalt der Bw rechtmäßig gewesen und bedingt durch den Anspruch auf Grundversorgung sei die Bw auch nicht mittellos gewesen. Mittlerweile sei die Bw nach Polen überstellt worden. Auch dort habe die Bw Anspruch auf Grundversorgung und sei somit nicht mittellos. Über die Zuständigkeitsfrage hätten der Asylgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof und der "EuGH für Menschenrechte" zu entscheiden. Sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch der Fremdenrechtsgesetzgeber hätten zum Ausdruck gebracht, dass gegen Asylwerber ausschließlich wegen deren Mittellosigkeit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gesetzt werden dürfen. Weitere in § 60 FPG genannte Gründe seien nicht geltend gemacht worden. Die Bw sei 73 Jahre alt und ein konkretes Gefährdungspotential sei nicht dargetan worden. Das beabsichtigte Aufenthaltsverbot würde die Bw angesichts ihres hohen Alters auf Dauer hindern, ihre Tochter wiederzusehen.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 4. Dezember 2009, rechtskräftig seit 15. Dezember 2009, sei der Asylantrag gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen worden. Aus der Sicht ex nunc gelte die Bw als Fremde, welche für Österreich keinen Aufenthaltstitel vorweisen könne. Mangels Asylantenstatus habe die Bw keinen weiteren Anspruch auf Grundversorgung. Die Bw sei mittellos und könne ihren Unterhalt nicht bestreiten. Mit der Asylantragstellung in Österreich habe die Bw deutlich gemacht, dass sie an der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung kein Interesse zeige. Ihr Aufenthalt stelle eine gegenwärtige und nachhaltige erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Nach Ausführungen zu § 66 FPG kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles und auf Grund der Gefahr einer neuerlichen Asylantragsstellung geboten sei. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltesverbotes sei auf folgende Umstände Bedacht genommen worden:

"Erschwerend:      Generalpräventive Gründe um dem Sozialmissbrauch Einhalt                     zu gebieten,

Mildernd:              Unbescholtenheit im Sinne des StGB"

 

2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde hat die Bw durch ihren Vertreter rechtzeitig Berufung erhoben.

 

Nach Ausführungen zum Dublinverfahren und den familiären Umständen verwies der Vertreter auf seine Stellungnahme vom 17. August 2009. Erschließbar wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

3. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt.

 

3.1. Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 übermittelte die Sicherheitsdirektion Oberösterreich den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich40-2093-2008.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG und AsylG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 lauten:

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG, ist ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Nach § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. § 13 AsylG 2005 gilt.

 

Nach Abs. 2 sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.

 

Gemäß Abs. 4 gilt das Rückkehrverbot als Aufenthaltsverbot, wenn eine Ausweisung durchsetzbar wird. § 12 AsylG 2005 gilt.

 

Nach § 60 Abs. 2 Z 7 FPG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG können Fremde, gegen die eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§67 FPG, § 10 AsylG) nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

 

Nach § 67 Abs. 3 FPG hat die Behörde Fremde, gegen die eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG erlassen wurde, über ihre Pflicht zur unverzüglichen Ausreise zu informieren. Dabei ist insbesondere auf die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr und der Rückkehrhilfe (§ 67 AsylG) und auf fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung hinzuweisen.

 

Kommt einer Beschwerde gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist die Ausweisung durchsetzbar. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage zuzuwarten (§ 36 Abs. 4 AsylG).

 

Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab Ausreise des Fremden aufrecht.

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG und AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 lauten:

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG, ist ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Die Durchsetzung einer "Ausweisung" oder eines "Aufenthaltsverbotes" gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Asylwerber ist ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Nach § 54 Abs. 1 FPG ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. §§ 12 und 13 AsylG 2005 gelten.

Nach Abs. 2 sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 gelten.

Gemäß § 54 Abs. 3 FPG gilt ein Rückkehrverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des  § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre.

Wird eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG durchsetzbar, gilt das Rückkehrverbot als Einreiseverbot (§ 53 Abs. 9 FPG).

 

Nach § 53 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot unter einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß Abs. 2 Z. 6 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und der Fremde hat binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 7 AsylG).

 

4.2. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Aufenthaltsverbotes war die Bw Fremde und nicht mehr Asylwerberin. Grundsätzlich kann gegen Fremde nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot erlassen werden.

 

Im vorliegenden Fall war die Erlassung des angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheides unvertretbar.

 

4.2.1. Gemäß § 2 Abs. 1 und § 62 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 konnte gegen einen Asylwerber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rückkehrverbot erlassen werden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes während der Asylwerbereigenschaft war gesetzlich unterbunden. Ein zuvor eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren war als ein Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen.

 

Ein Rückkehrverbot unterschied sich von einem Aufenthaltverbot nicht nur dadurch, dass Letzteres auch zur Außerlandesbringung berechtigte, quasi eine "Ausweisungsentscheidung" mitumfasste, sondern auch Tatbestände vorgesehen waren, die ausschließlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigten.

 

Während eines laufenden Asylverfahrens ist der Fremdenpolizeibehörde daher das Führen eines Aufenthaltsverbotsverfahren untersagt. Die Fremdenpolizeibehörde könnte allenfalls ein Rückkehrverbotsverfahren führen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht vor, hat die Fremdenpolizeibehörde von einem Rückkehrverbotsverfahren Abstand zu nehmen.

 

Dem Fremdenpolizeigesetz ist nicht zu entnehmen, dass bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden (mangels Tatbestandsvoraussetzungen war die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht zulässig) ein Aufenthaltsverbotsverfahren während eines laufenden Asylverfahrens "auf Vorrat geführt" werden kann, um unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltsverbot erlassen zu können.

 

4.2.2. Unmittelbar nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes, somit nach der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens, hat die belangte Behörde der – bereits seit dem 5. August 2009 in Polen aufhältigen - Bw den angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheid zugestellt.

 

Der belangten Behörde wird zu folgen sein, dass nach Abschluss des Asylverfahrens ein Rückkehrverbot nicht mehr zu erlassen ist.

 

Im Hinblick auf die geltende Rechtslage wäre ausschließlich ein Einreiseverbot zu verhängen. Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG sind durchsetzbare Ausweisungen nach dem AsylG als Rückkehrentscheidungen zu betrachten und gemäß § 54 Abs. 9 FPG gelten Rückkehrverbote im Falle des Vorliegens einer durchsetzbaren Ausweisung nach § 10 AsylG als Einreiseverbote.

 

Es stellt sich daher die Frage, ob unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zu Recht ein Aufenthaltsverbot gestützt auf § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen werden konnte.

 

Stellt man auf die Intention des Gesetzgebers ab, ist ein Rückkehrverbot gegen Asylwerber nur bei einem "a-typischen" Verlauf eines Asylverfahrens zu erlassen. D.h., wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Asylwerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder dieser Aufenthalt anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

In der Regel, also bei typischen Fallkonstellation, sind die allgemeinen Bestimmungen (§ 10 Abs. 6 AsylG) ausreichend und ist gegen Asylwerber kein Rückkehrverbot zu erlassen. Da grundsätzlich von der Mittellosigkeit der Asylwerber auszugehen sein wird, hat der Gesetzgeber gerade für solche Fälle die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht vorgesehen. Dies bedeutet dennoch nicht, dass der Fremde nach erfolgter Außerlandesbringung wieder unverzüglich in das Bundesgebiet der Republik Österreich einreisen darf. Ohne ein abgesondertes Verfahren führen zu müssen (Einreiseverbot/Rückkehrverbot) legt § 10 Abs. 6 AsylG fest, dass Ausweisungen nach § 10 Abs. 1 AsylG 18 Monate nach Ausreise des Fremden aufrecht bleiben.

 

Solange also der Fremde Asylwerber ist, stellt die Mittellosigkeit keine Tatsache dar, die eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedingen würde. Dass mit Wegfall der privilegierten Stellung unmittelbar nach Zustellung des Bescheides des Asylgerichtshofes bzw. nach Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung der wiederum als Fremder anzusehende Bw, bedingt durch seine Mittellosigkeit, schlagartig eine potentielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen soll, lässt sich schon im Hinblick auf das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 nicht einmal ansatzweise argumentieren. Gemäß § 2 Abs. 1 GVG-B 2005 leistet der Bund Fremden, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren abgewiesen und wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, solange diese nicht wieder zuerkannt wird, Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes, bis diese das Bundesgebiet verlassen haben.

 

4.3. Mangels anderslautender Übergangsbestimmungen sind die einschlägigen Bestimmungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden.

 

Am 5. August 2008 wurde die Bw über Tschechien nach Polen abgeschoben.

 

Mit Schreiben vom 25. Jänner 2010 teilte der Asylgerichtshof der belangten Behörde mit, dass das Asylbeschwerdeverfahren der Bw mit der am 15. Dezember 2009 erfolgten Zustellung des Asylgerichtshofes mit einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung betreffend den Staat Polen abgeschlossen worden ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG gelten durchsetzbare Ausweisungen als durchsetzbare Rückkehrentscheidungen nach dem FPG.

 

Bei Vorliegen der Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG kann ein Einreiseverbot höchstens für 5 Jahre erteilt werden.

 

Die Bw hatte bis zur Abschiebung am 5. August 2008 Anspruch auf Versorgung in einer Bundeseinrichtung. Bis zu diesem Zeitpunkt barg die an sich bestehende Mittellosigkeit kein Gefährdungspotential in sich. Diese Form der Mittellosigkeit der Bw stellte somit keine Tatsache dar, die die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen würde. Unbestritten war die Bw zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr Asylwerberin sondern (nur) mehr Fremde im Sinne des FPG und hielt sich in Polen auf. Alleine auf Grund des Aufenthaltes in Polen treffen die rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde, denen ein Sachverhalt - kein Anspruch auf Bundesbetreuung in Österreich, Mittellosigkeit in Österreich, kein Wohnsitz in Österreich, keine Selbsterhaltungsfähigkeit in Österreich – zugrunde liegt, nicht einmal ansatzweise zu.

 

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

4.4. Gemäß § 64 FPG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, durfte bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot ausgeschlossen werden, wenn die "sofortige Ausreise" des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich war.

 

Die Vorläuferbestimmungen des § 45 Abs 4 Fremdengesetz 1997 und des § 27 Abs 4 Fremdengesetz 1993 enthielten bis auf die Ergänzung der Wendung "oder die sofortige Durchsetzbarkeit" eine gleichlautende Ermächtigung der Behörde.

 

In der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP) wird zu § 64 auf Seite 101 erläuternd ausgeführt:

 

"§ 64 gibt Art I Z 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK für den Bereich des Aufenthaltsverbotes wieder. In den Fällen, in denen sich der Fremde jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat er keinen Anspruch darauf, während des Berufungsverfahrens im Inland zu verbleiben, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung genommen wird. In diesen Fällen kann die aufschiebende Wirkung einer Berufung unter den Voraussetzungen des § 64 AVG ausgeschlossen werden."

 

Im Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0092, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zum vergleichbaren Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 99/18/0179, ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers daran bejaht, dass sich der unabhängige Verwaltungssenat mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung auseinandersetzt. Einer Berufung gegen einen Ausspruch nach § 64 Abs 2 AVG kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Dies verbietet der Sinn des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Ein Rechtsmittel gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung soll lediglich die Überprüfung der dafür bestehenden Voraussetzungen durch die Berufungsbehörde ermöglichen. Bei der Berufungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen und sind die Voraussetzungen für diesen Zeitpunkt zu beurteilen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 13a, 13b und 13c zum insoweit vergleichbaren § 64 Abs 2 AVG).

 

Im Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 97/18/0564, das zur vergleichbaren Vorläuferbestimmung des § 27 Abs 4 Fremdengesetz 1993 ergangenen und deshalb auch heute noch einschlägig ist, hat sich der Verwaltungsgerichthofs mit der Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auseinandergesetzt und ausgeführt, dass bereits aus dem Wortlaut deutlich werde, dass ein strenger Maßstab anzulegen sei. Der Ausschluss sei nur gerechtfertigt, wenn die "sofortige Ausreise" im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit, nicht aber zur Erreichung anderer im Art 8 Abs 2 EMRK genannter Gründe, erforderlich ist. Daraus sei ersichtlich, dass als Grundlage für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung – anders als für die Beurteilung des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbotes – nur eine vom Fremden ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt, der ein annähernd gleichwertiges Gewicht wie der Gefährdung der nationalen Sicherheit zukommt.

 

Die belangte Behörde hat zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach dem § 64 Abs. 2 AVG im Wesentlichen auf die (zukünftige ?) Mittellosigkeit und der Gefahr einer allfälligen neuerlichen Asylantragsstellung abgestellt. Inwieweit mit dieser Vorgangsweise eine zukünftige Antragsstellung hintan gehalten werden könne, kann nicht erkannt werden.

 

Diese pauschale Behauptung der belangten Behörde ist abzulehnen.

 

Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der "sofortigen Ausreise" ist nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als positive Voraussetzung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein strenger Maßstab zu Grunde zu legen. Von einem dringend geboten sein kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht die Rede sein, da sich die Bw zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat und im Falle einer neuerlichen Einreise und Asylantragstellung der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung keinerlei Wirkung entfalten könnte.

 

Aus diesem Grund war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Bescheid als rechtswidrig festzustellen. Eine Aufhebung des Ausspruches kommt nicht in Betracht, weil er sachlogisch mit der Berufungsentscheidung ohnehin wegfallen ist (vgl. VwSen-720284/5/WEI/Sic/Ba).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Ҳуқуқий воситалар билдируви

Ушбу қарорга қарши бирор бир тартибга оид ҳуқуқий восита қабул қилинмайди.

 

Изоҳ:

Ушбу қарорга қарши мазкур қарорни қўлингизга олган кундан бошлаб 6 ҳафта ичида шикоят даъвосини очиш учун Конституциявий Суд еки Маъмурий Судга ариза билан мурожаат этишингиз мумкин. Шикоят аризасини тўла ҳуқуққа эга бўлган адвокат топшириши лозим. Ҳар бир даъво аризаси учун 220 евро миқдорида бошланғич взноси тўланади.

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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