Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 01.09.2011

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufungen 1. des X, 2. der, X sowie 3. der X, sämtlich StA der Türkei sowie vertreten durch X, Rechtsanwältin in X, gegen die Bescheide des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 8. November 2010, GZ: Sich40-17494, Sich40-28556 sowie Sich40-26776, betreffend Ausweisungen der Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

            I.      İtirazın kabul edilmesine ve itiraz edilen kararın tazminsiz ortadan kaldırılmasına.

 

        II.      Geri dönüş kararı uzun sürede geçersizdir.

 

 

 

Hukuki dayanak:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe:

 

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 8. November 2010, GZ.: Sich40-17494, Sich40-28556  sowie Sich40-26776 , wurde gegen die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Erst-Bw, ein Staatsangehöriger der Türkei, am 24. Juli 2001 illegal nach Österreich eingereist sei und am 30. Juli 2001 einen Asylantrag gestellt habe, der vom BAA Außenstelle Salzburg mit Bescheid vom 13. August 2002, AZ.: 01 17.409, abgewiesen worden sei. Eine dagegen erhobene Berufung sei vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. August 2010, GZ.: E2 230.686-0/2008-7E, abgewiesen worden (Rechtskraft 23. August 2010).

 

Für den Erst-Bw schienen folgende Zeiten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung auf:

05.03.2003  25.08.2003  Arbeiter bei X

26.08.2003  23.09.2003  UA/UE, pflichtversichert bei X

01.09.2003  07.09.2003  arbeitsuchend

08.09.2003  22.08.2009  Arbeiter bei X

01.08.2009  30.09.2009  gewerblich selbständig bei GSK versichert

05.05.2010  laufend         Arbeiter bei X

 

Eine Anfrage beim AMS Braunau am Inn vom 9. September 2010 habe ergeben, dass die Beschäftigungsbewilligung des Erst-Bw mit 14. Mai 2010 abgelaufen sei. Am 14. September 2010 sei beim in Rede stehenden X eine Kontrolle durchgeführt worden, wobei der Erst-Bw arbeitend angetroffen worden sei, was ein diesbezügliches Strafverfahren nach sich gezogen habe.

 

Der Erst-Bw habe am X beim Standesamt X die Zweit-Bw – eine türkische Staatsangehörige – geheiratet. 

 

Die Zweit-Bw sei am 19. Juni 2004 nach Österreich ebenfalls illegal eingereist und habe am 22. Juni 2004 einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich mit Bescheid vom 30. März 2005 und in der Folge wie auch der ihres Gatten letztendlich am 24. August 2010 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Das gleiche Schicksal erfuhr der Asylantrag der am 19. März 2009 ehelich geborenen Tochter X (Dritt-Bw).

 

Die Zweit-Bw verfüge über keine Beschäftigungsbewilligung und habe auch nie am Arbeitsleben teilgenommen.

 

 1.1.2. in rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass die Bw nach negativem Abschluss der Asylverfahren unrechtmäßig in Österreich aufhältig seien.

 

Die Eheschließung sei während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erfolgt. Dies gelte auch für die soziale und berufliche Integration. Erst- und Zweit-Bw seien in einem Alter, in dem die Auseinandersetzung mit dem Herkunftsstaat zumutbar scheine. Für eine gesellschaftliche Integration im Bundesgebiet hätten die Bw keine Beweise vorgebracht.

 

Der Eingriff in das Privat- und Familienleben sei bloß von geringer Intensität, da den Bw eine Integration in vollem Umfang nicht gelungen sei. Nachdem die gesamte Kernfamilie aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde, relativiere sich der Eingriff in das Familienleben.

 

Die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen erscheine unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK zulässig und unbedingt erforderlich.

 

Der geschilderte Sachverhalt stelle eine so schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, dass die Ausweisung geboten sei. Das in § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen sei daher im Sinne des Bescheidspruches zu handhaben gewesen. 

 

1.2. Gegen diese Bescheide erhoben die Bw durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin rechtzeitig Berufung mit Schriftsätzen vom 1. Dezember 2010.

 

Zum Sachverhalt wird zunächst ausgeführt, dass gegen die negativen Asylbescheide Beschwerde an den VfGH erhoben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt worden sei.

 

Der Erst-Bw sei seit 9 Jahren in Österreich aufhältig, wo auch zwei seiner Brüder – mittlerweile österreichische Staatsangehörige – leben würden. Er habe beinahe durchgehend während seines Aufenthalts an verschiedenen Kebap-Ständen gearbeitet und sei im Raum X als "X" bekannt und beliebt. Sein Arbeitgeber sei jederzeit bereit ihn bei Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung wieder einzustellen.

 

Die Zweit-Bw habe für 1,5 Jahre selbständig einen Kebap-Stand in X betrieben.

 

Die Zweit-Bw halte sich seit dem Jahr 2004 in Österreich auf, wo sich auch ihr Bruder (ein österreichischer Staatsangehöriger) befinde. Sie besuche ua. mit der Tochter die Spielegruppe X und sei ebenfalls gut integriert. Es sei den Bw ein Anliegen sich – auch in der Wahl der Spielgefährten der Tochter - in Österreich bestmöglich zu integrieren.

 

Für die Familie sei eine Unterschriftenliste gesammelt worden, worin der Verbleib in Österreich gefordert werde. Erst- und Zweit-Bw sprächen gut deutsch.

 

Sämtliche Bw seien strafgerichtlich ubescholten. Die von der belangten Behörde angesprochene Übertretung nach dem AuslBG sei noch nicht rechtskräftig entschieden.

 

Der Erst-Bw verfüge über keine Verwandten in der Türkei. Die Zweit-Bw habe den Kontakt zu ihrer in der Türkei lebenden Familie völlig abgebrochen, da diese sie habe zwangsverheiraten wollen.

 

Aufgrund der sozialen und beruflichen Integration seien jedenfalls die ausgesprochenen Ausweisungen unzulässig.

 

Abschließend wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

1.3. Mit Telefax vom 29. Dezember 2010 übermittelten die Bw Deutschsprachzertifikate ausgestellt auf den Erst- und die Zweit-Bw.

 

Weiters übermittelten die Bw einen Antrag auf freiwillige Selbstversicherung in der Krankenversicherung des Erst-Bw vom 3. Dezember 2010.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. 1.2. und 1.3. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus. Durch die nachträglichen Darstellungen des Bw lösen sich die von der belangten Behörde eruierten Widersprüche – sofern überhaupt verfahrensrelevant – weitgehend auf.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehenden Ausweisungen auf Basis des § 53 FPG ("alte Fassung") erlassen wurden, weshalb diese Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen im Sinne des nunmehrigen § 52 FPG anzusehen und zu beurteilen sind.

 

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch von den Bw selbst unbestritten, dass sie über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügen und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings sind bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG,  gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Ausweisung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.2. Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde festgestellt, dass das Familienleben der Bw von einer Ausweisung lediglich in geringem Umfang betroffen wäre.

 

Nachdem gegen sämtliche Mitglieder der Kernfamilie die Ausweisung ausgesprochen wurde, wird in das Familienleben an sich nicht eingegriffen. Anders verhält es sich mit dem Privatleben. Dabei ist festzustellen, dass die jeweiligen Eingriffe in das Privatleben des / der einzelnen Bw auch unmittelbar die anderen Familienmitglieder zu beeinträchtigen geeignet sind und somit bei Ausspruch der Ausweisung nur gegen einzelne Mitglieder auch das Familienleben stark tangiert ist.

 

Die vorgebrachten familiären Beziehungen außerhalb der Kernfamilie sind in diesem Sinn im Rahmen des Privatlebens zu erörtern.

 

3.4.3. Hinsichtlich der Dauer und der Natur des Aufenthalts können der Erst-Bw (10 Jahre) sowie die Zweit-Bw (7 Jahre) auf eine relativ lange Dauer verweisen, wobei der größte Teil davon – wegen des aufrechten Asylverfahrens – grundsätzlich legal war. Die Dritt-Bw lebt seit ihrer Geburt im Bundesgebiet, wobei auch gegen sie die Ausweisung nach negativer Asylentscheidung ausgesprochen wurde.

 

Es ist anzumerken, dass der Aufenthaltsstatus spätestens nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren doch als unsicher angesehen werden musste.

 

3.4.4. Bei der Abwägung hinsichtlich des Privatlebens ist insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

 

Demnach hat der dem § 61 Abs. 2 FPG vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG 2005 schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw. familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. auch VwGH vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348).

 

Der rund 10 Jahre und 9 Monate dauernde Aufenthalt sowie die mehr als 9 Jahre lang kontinuierlich ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit (in Verbindung mit weiteren Aspekten der erreichten Integration) verleihen den persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht, dass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FrPolG 2005 - auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben - unverhältnismäßig erscheint (vgl. VwGH vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158).

 

3.4.5. Wie oben angeführt erreicht der Erst-Bw die im zitierten VwGH-Erkenntnis exemplarisch dargestellte Aufenthaltsdauer. Auch war er über beinahe den gesamten Zeitraum erwerbstätig und sozialversichert. Die Selbsterhaltungs-fähigkeit wie auch die Fähigkeit für seine Familie zu sorgen wird ihm nicht abzusprechen sein. Er ist offensichtlich arbeitsmäßig im Raum X beruflich integriert und bekannt.

 

Die Zweit-Bw übte lediglich für 1,5 Jahre eine Erwerbstätigkeit aus und kümmert sich nun um das gemeinsame Kind – die Dritt-Bw.

 

Aus dem Akt geht hervor, dass die Familie auch sozial integriert ist, was allein schon aufgrund der unterstützenden Unterschriftenliste dokumentiert wird. Erst- und Zweit-Bw absolvierten erfolgreich die Deutschsprachprüfung Niveau A2. Auch die Dritt-Bw, die eine Spielgruppe des Eltern-Kind-Zentrums besucht, soll offensichtlich nicht nur sprachlich sozialisiert werden. Unter dem Aspekt, dass Geschwister sowohl des Erst- als auch der Zweit-Bw im Bundesgebiet aufhältig und auch österreichische Staatsbürger sind, wie auch in Anbetracht des langen Aufenthalts ist fraglos von einem durchaus hohen Maß an sozialer Integration der gesamten Familie auszugehen. Dass diese Integration während eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstand, spielt gemäß der oa. Judikatur nur eine untergeordnete Rolle.

 

Der strafgerichtlichen Unbescholtenheit stehen allenfalls verwaltungsrechtliche Übertretungen nach dem AuslBG wie auch nach dem FPG gegenüber. Wenn solche Übertretungen auch ernst zu nehmen sind, vermögen sie dennoch nicht die Waagschale zu Ungunsten der Bw zu senken; auch falls den Anzeigen Verurteilungen gefolgt wären.

 

Glaubhaft vermittelten die Bw, dass die Bindungen zum Herkunftsland teils aufgrund der langen Dauer, teils aufgrund familiärer Divergenzen nicht mehr intensiv gepflegt werden.

 

Dennoch ist hier festzuhalten, dass angesichts der Tatsache, dass Erst- und Zweit-Bw den Großteil ihres Lebens in der Türkei verbrachten, eine Reintegration nicht undenkbar wäre.  

 

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände ist festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen. Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss.

 

Das Schicksal der Ausweisung der Dritt-Bw folgt im Wesentlichen den Erwägungen, die bei den Eltern angestellt werden. 

 

3.4.6. Im Ergebnis ist also eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privatleben der Bw auf Dauer als nicht zulässig zu betrachten.

 

3.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 28,60 Euro (Eingabegebühr), 11,70 Euro (Beilagen), insgesamt also 40,30 Euro angefallen.

 

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

(Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.)  

 

Bernhard Pree

 

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