Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252563/17/BMa/Th

Linz, 25.09.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in X vom 23. August 2010, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 11. August 2010, Zl. SV96-8-2010, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. August 2011 zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

        II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, idF BGBl. Nr. 111/2010 iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, idF BGBl. Nr. 111/2010

zu II.: § 66 Abs.1 VStG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als Dienstgeber, in deren Eigenschaft Sie nach § 9 VStG für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt haben, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Sie im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG zumindest

 

am 4.7.2009 um 10:00 Uhr

X, geb. X, unbekannter Aufenthalt,

 

auf der Baustelle in X (Eigentümer: X), als pflichtversicherten Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Entgelt beschäftigt haben. Der in Rede stehende Beschäftigte war Ihnen organisatorisch, sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Es hat eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit bestanden.

Obwohl der oben bezeichnete Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung verpflichtend vollversichert zu versichern und nicht gemäß § 5 ASVG von einer Versicherungspflicht ausgenommen war, wurde hierüber keine Meldung/Anzeige, entweder in einem (vollständige Anmeldung) oder in zwei Schritten (Mindestangabenmeldung), bei der Oö. Gebietskrankenkasse als zuständigem Sozialversicherungsträger erstattet.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 33 Abs.1 und 1a iVm. §111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (im Folgenden: ASVG) idgF. iVm § 9 Verwaltungsstrafgesetz (iF: VStG) idgF.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von             falls diese uneinbringlich ist                    Gemäß

                                   Ersatzfreiheitsstrafe von

730,00 Euro               112 Stunden                                       §111 Abs. 2ASVG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

73,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 803,00 Euro."

 

1.2. Begründend verweist die belangte Behörde zum Sachverhalt auf die Kontrolle am 4. Juli 2009 um 09.10 Uhr auf der Baustelle des Objekts in X, Eigentümer X, und die entsprechende Anzeige. Der Aussage eines ebenfalls auf der Baustelle angetroffenen Arbeiters, Herr X, sei zu entnehmen, dass der Bw im Rahmen der Kontrolle zu den ebenfalls angetroffenen Arbeitern X und X in serbischer Sprache gesagt habe, sie sollen angeben, dass sie für die Firma X auf der Baustelle arbeiten würden. Er sei sich sicher, dass die beiden Dienstnehmer die Firma X nicht kennen würden. Der Eigentümer der Baustelle habe angegeben, dass er die Vollwärmeschutzarbeiten an den Bw vergeben habe. Der gesamte Auftrag sei an den Beschuldigten erteilt worden. Die Angaben des Bw in seiner Rechtfertigung würden als Schutzbehauptungen gewertet.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis vom 11. August 2010 richtet sich die rechtzeitig per Fax eingebrachte Berufung vom 23. August 2010, mit der die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und die Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde beantragt wurde.

 

1.4. Begründend bringt die Berufung im Wesentlichen vor, der Bw sei nicht Auftragnehmer des X gewesen. Die belangte Behörde habe dazu keinerlei Erhebungen durchgeführt, sodass das erstinstanzliche Verfahren mangelhaft geblieben sei. Ausschließlich die Firma X habe den Auftrag für die Aufbringung des Vollwärmeschutzes erhalten. Der Bw sei nicht Dienstgeber von X, X und X gewesen.

 

2.1. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 31. August 2010 die Berufung gemeinsam mit dem Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

2.2. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und am 8. August 2011 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der zwei Vertreter des Finanzamts gekommen sind. Als Zeugen wurden X, der die Kontrolle durchgeführt hat, X, X und X einvernommen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Aufgrund der Aktenlage und der durchgeführten Verhandlung geht der Oö. Verwaltungssenat von folgendem rechtlich relevanten Sachverhalt aus:

 

X ist Nachbar des X und hat mit ihm vereinbart, zu einem Fixbetrag von ca. 15.000 Euro die Fassade zu gestalten. Aus einem Firmenbuchauszug mit Stichtag 8. August 2011 ergibt sich, dass mit Beschluss des Gerichts vom 22. Juni 2009, 20 Se 132/09a-13, das Landesgericht Wels den Konkurs über die Firma X mangels Vermögens abgewiesen hat. Zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnungsnummer X mit Datum 15.06.2009 war die Firma X nicht mehr solvent.

 

X ist weder handelsrechtlicher Geschäftsführer noch Gesellschafter dieser Firma. Von X wurde angegeben, dass er seit 04.06.2009 für die Firma "X Wien" arbeiten würde. Zusätzlich wurde auf dem Personenblatt nach dem Datum der Beschäftigung die Firma "X" angeführt. Über den Lohn sei nicht gesprochen worden. Als Chef wurde "X" angeführt. Der gemeinsam mit X betretene X hat am Personenblatt am 04.07.2009 angegeben, für die Firma "X" seit 03.07.2009 zu arbeiten und als Name des Chefs "X".

 

Nachdem X am 07.07.2009 nochmals bei Arbeiten auf der Baustelle betreten wurde, gab er zu Protokoll, dass ihm von X der Auftrag erteilt worden sei, Arbeiten bei der Baustelle des X durchzuführen, und er zum Zeitpunkt der Kontrolle gerade damit beschäftigt gewesen sei, Kantenschutzleisten anzubringen. Er habe mit X einen Stundenlohn von 10 Euro ausgehandelt und habe von diesem bereits einen Lohn von 1.100 Euro in bar ausbezahlt bekommen. Er würde bereits seit ca. einem Monat für X arbeiten. Der niederschriftlich am 04.07.2009 ebenfalls einvernommene X, der auch als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2011 vernommen wurde, gab bereits am 04.04.2009, Seite 3 der Niederschrift an, dass X im Zuge der Kontrolle zu X und X in serbischer Sprache gesagt habe, dass diese die Firma X als Dienstgeber angeben sollen. Er sei sich sicher, dass die beiden die Firma X nicht kennen würden. In der mündlichen Verhandlung führt der Zeuge X, der auch am 04.07.2009 gemeinsam mit X auf der Baustelle des X beschäftigt war, aus, dass er mit den Arbeiten am Haus des X von X und X beauftragt worden sei und die Arbeiten auch von X gemeinsam mit X kontrolliert worden seien.

Er habe seinen Lohn von irgendeiner Firma aus Wien überwiesen bekommen, wobei sich der Firmenname alle drei Monate geändert habe. Zur Bezahlung des X, seines Cousins, gab er an, dass diesem das Geld "auf die Hand" gezahlt worden sei. Weiters gab X an, er sei zwar bei einer Firma in Wien gemeldet gewesen, dazu könne er aber keine Angaben machen, weil der Firmenname alle drei Monate geändert worden sei.

Die Arbeit sei ihm aber bei der Baustelle des X durch X und X zugeteilt worden.

 

Aufgrund dieser Aussagen ist davon auszugehen, dass die Arbeiter auf der Baustelle des X zwar auf Weisung des Bw gehandelt haben. Es kann aber, weil X anlässlich der Kontrolle nicht vernommen wurde und die vernommenen Zeugen aufgrund unterschiedlicher Vertragsverhältnisse für den Bw gearbeitet haben, X am Personenblatt angegeben hatte, für eine Wiener Firma und die Firma X zu arbeiten, und eine Rechnung der Firma X vorgelegt wurde, insbesondere aber weil X vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht vernommen werden konnte, weil sein Aufenthalt unbekannt ist, nicht festgestellt werden, dass der Bw der Dienstgeber des X war.    

 

Beweiswürdigend hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen, dass die Aussage des X, X habe im Zuge der Kontrolle zu X und X in serbischer Sprache gesagt, dass diese die Firma X als Dienstgeber angeben sollen, aufgrund der Art des Ausfüllens des Personenblattes nachvollziehbar ist, hat doch X zunächst einen anderen Firmennamen eingetragen und erst nach dem Datum des Beginns seiner Beschäftigung "X" angeführt. Der Name des Chefs wurde richtig mit "X" angegeben, denn dies ist der Vorname des Liquidators der Gesellschaft, der seit 15. Juli 2009 die Firma selbstständig vertreten hat. Alle vernommenen Zeugen haben einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Ihre Aussagen waren widerspruchsfrei.

 

3.2. Gemäß § 111 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.   Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.   Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.   Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.   gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Nach § 359a ASVG ist bei einem Beschäftigungsverhältnis ebenso wie nach den §§ 2 Abs.4 AuslBG der wahre wirtschaftliche Gehalt maßgeblich.

 

Zwar wurde der Auftrag, den Vollwärmeschutz beim Haus des X anzubringen, über X abgewickelt, die Zahlung erfolgte aber an die Firma X in Wien. Mangels Einvernahme des X anlässlich der Ausfüllung des Personenblatts konnten seine dort gemachten Angaben nicht widerlegt werden, er konnte auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht in der mündlichen Verhandlung befragt werden, weil seine Adresse nicht bekannt ist (Seite 1 des Tonbandprotokolls vom 8. August 2011).

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Aus dem gesamten Akt ergeben sich keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass X von X beschäftigt worden ist, außer der Angabe des X, X sei in serbischer Sprache angewiesen worden, die Firma X als Dienstgeber anzugeben. Auch unter Zugrundelegung der Richtigkeit dieser Aussage kann aufgrund der Aktenlage nicht nachgewiesen werden, dass X tatsächlich von X beschäftigt worden war.

Das Ermittlungsverfahren hat zwar ergeben, dass X bei der Baustelle des X beschäftigt war, es konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass dieser durch X dort beschäftigt war bzw. dieser sein Dienstgeber war. Dementsprechend war das gegen X verhängte Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 11. August 2010, SV96-8-2010, aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Der vorgeworfene Verstoß nach dem ASVG konnte nicht mit der für ein Strafverfahren nötigen Sicherheit nachgewiesen werden.

 

4. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

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