Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281333/14/Kl/Pe

Linz, 20.10.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28.4.2011, Ge96-57-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 31.8.2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruchpunkt 1 die Wortfolgen „Teig in den Einfülltrichter zu geben“, „die Anfuhrleiste und “ und „um die Beschickung des Arbeitsmittels vom Boden aus durchzuführen“ zu entfallen haben und die Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG jeweils „§ 130 Abs.1 Einleitung ASchG“ zu lauten hat.

 

 

II. Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 480,00 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28.4.2011, Ge96-57-2010, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) Geldstrafen in Höhe von 1. 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) und 2. 400 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 1. § 35 Abs.1 Z4 iVm § 130 Abs.1 Z16 ASchG und 2. § 98 Abs.1 iVm § 130 Abs.1 Z31 ASchG verhängt, weil er als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Gewerbeinhaber (Bäckerhandwerk im Standort x, x) zu verantworten hat, wie anlässlich einer Unfallerhebung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates x am 6.7.2010 festgestellt wurde und wie aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates x, Zl. 041-101/1-9/10, vom 27.7.2010 hervorgeht, dass

1.  am 3.4.2010 im Bäckereibetrieb in x, x, der jugendliche Lehrling x an der Teigteilmaschine Multimatic „Werner und Pfleiderer“, Typ MUC, Fabr.Nr. 285260, Baujahr 2000, um ca. 03.00 Uhr beschäftigt war, Teig in den Einfülltrichter zu geben, indem sie die Anfuhrleiste und die Verbindungsstange am Arbeitsmittel als Aufstiegshilfe und Standplatz benutzte, da ihre Körpergröße (157 cm lt. eigenen Angaben) nicht ausreichte, um die Beschickung des Arbeitsmittels vom Boden aus durchzuführen, wodurch die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen (Vom Maschinenhersteller wurden als Schutz- und Sicherheitseinrichtungen die Bauarthöhe der Maschine in Verbindung mit der Lage des Einfülltrichters und der Abstand zu den Gefahrenstellen innerhalb des Trichters gewählt.) durch das Aufsteigen über die Maschinenteile und durch den damit erreichten erhöhten Standplatz nicht bestimmungsgemäß verwendet wurden, obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen bestimmungsgemäß zu verwenden sind und

2.  der sich im Bäckereibetrieb am 3.4.2010 ereignete schwere Arbeitsunfall, bei welchem der Jugendlichen x, geb. am x, an der rechten Hand der Ring- und der Mittelfinger jeweils beim ersten Glied abgetrennt wurden, nicht unverzüglich dem Arbeitsinspektorat oder der Sicherheitsbehörde gemeldet wurde, obwohl Arbeitgeber verpflichtet sind, dem Arbeitsinspektorat tödliche und schwere Arbeitsunfälle unverzüglich zu melden, sofern nicht eine Meldung an die Sicherheitsbehörde erfolgt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der beschäftigte Lehrling x zur Zerkleinerung des Teiges ein kleines oranges Messer verwendete, welches in die Teigteilmaschine fiel. Der Lehrling wollte das Messer aus der laufenden Teigteilmaschine herausholen, nutzte die Anfuhrleiste als Aufstiegshilfe und griff mit der rechten Hand in den Trichter, um das kleine Messer herauszuholen. Dies ging alles sehr schnell und handelte der Lehrling unüberlegt. An der Teigteilmaschine ist ein Notausschalter vorhanden und hätte betätigt werden können. auch bestand die Unterweisung, keinesfalls in die laufende Maschine zu greifen. Die Teigteilmaschine befand sich im Originalzustand wie bei der Lieferung im Jahr 2000 und wurde vom Maschinenhersteller durch einen Facharbeiter fachmännisch montiert. Vom Hersteller gab es keine Anweisungen, sonstige Sicherungsmaßnahmen zusätzlich anzubringen. Alle Mitarbeiter, die auf dieser Maschine arbeiteten, bekamen eine praktische und schriftliche Unterweisung, so auch der Lehrling am 1.9.2009. Dabei wurde auf alle relevanten Gefahrenbereiche und alle Sicherungseinrichtungen hingewiesen. Die Teigteilmaschine wurde immer vom Boden aus bestückt. Auch wurde immer bei Mitarbeitergesprächen darauf hingewiesen, nicht in laufende Maschinen zu greifen. Nach dem Unfall wurde die Maschine mit zusätzlichen Sicherungen ausgestattet, um zu gewährleisten, dass es zukünftig auch bei Kurzschlusshandlungen zu keinem Unfall mehr kommen kann. Der Lehrling hat keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht. Laut Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft x zu 446 58 BAZ 195/10 W-3 vom 9.12.2010  wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt und besteht gemäß § 190 Z2 StPO kein Grund zur weiteren Verfolgung.

Zur fehlenden Unfallmeldung wurde ausgeführt, dass der Bw meinte, dass es bei einem Rettungseinsatz mit Notarzt automatisch zur Verständigung der Polizei kommt. Auch meinte er, dass bei der Meldung an die AUVA, die am 8.4.2010 erfolgte, auch das Arbeitsinspektorat verständigt werde. Es werde daher ersucht, Nachsicht walten zu lassen und es bei einer Verwarnung zu belassen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die im erstbehördlichen Akt vorliegenden Fotos, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.8.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates x haben an der Verhandlung teilgenommen, die belangte Behörde ist nicht erschienen. Weiters wurden die Zeugen Arbeitsinspektor x und x geladen und einvernommen.

 

4.1 Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist Gewerbeinhaber der Bäckerei am Standort x, x. Es sind in der Bäckerei sechs Mitarbeiter beschäftigt, die auch mit der Teigteilmaschine arbeiten. Der Lehrling x ist seit 1.9.2009 im Betrieb beschäftigt und wurde ihr am ersten Tag bei der Einstellung auch die Teigteilmaschine erklärt, nämlich wie man damit arbeitet und auch hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen, worauf zu achten ist. Der Teig ist in den oben befindlichen Trichter einzufüllen, wenn man vor der Maschine steht. Der Teig wird dann portioniert und die Semmerl geformt. Ohne Aufstiegshilfe ist es nicht möglich, in den Trichter hineinzugreifen. Sie wurde weiters unterwiesen, dass für die Reinigung des Trichters die Maschine ausgeschaltet werden muss. Um in die Maschine hineingreifen und den Trichter reinigen zu können, muss man die auf der Vorderseite der Maschine befindliche Tür seitlich öffnen, wobei die Maschine dann automatisch stillsteht. Nach dem Unfall wurde noch eine Leiter als Aufstiegshilfe zum Reinigen der Maschine angeschafft, wobei diese Leiter nur eingeschoben werden kann, wenn die Sicherheitstür geöffnet ist und die Maschine stillsteht. Der Trichter selbst kann nicht entfernt werden. Der Lehrling wurde am 1.9.2009 unterwiesen, dass während des laufenden Betriebs der Maschine nicht hinaufgegriffen bzw. hineingegriffen werden darf, und dass zum Reinigen der Maschine, diese abgeschaltet werden muss.

Am 3.4.2010 um ca. 03.00 Uhr (Karsamstag) war der Lehrling x angewiesen, Arbeiten an der Teigteilmaschine durchzuführen, also sie mit dem Teig zu befüllen. Der Lehrling ist ca. 1,57 m groß. Wenn sie die Arme ausstreckt, kann sie den Teig in den Trichter der Maschine einwerfen. Sie hat von der vorbereiteten Teigschüssel, Teigstücke heruntergeschnitten und diese in die Maschine geworfen. Dabei hat sie bemerkt, dass ein kleines oranges Messer dabei war. Um es aus dem Trichter der Maschine herauszuholen, ist sie seitlich neben der Maschine auf die Verbindungsstange zum nächsten Gerät gestiegen und hat dann in den Trichter hineingegriffen, um das Messer zu holen. Dabei wurde sei an der rechten Hand an zwei Fingern verletzt.

Reinigungsarbeiten hat der Lehrling bei der Maschine nie durchgeführt. Zum Teigeinwerfen ist auch für den Lehrling keine Aufstiegshilfe erforderlich. Auch sonst hatte der Lehrling keine Arbeiten durchzuführen, zu welchen ein Hinaufsteigen erforderlich gewesen wäre.

Der Bw war zum Unfallszeitpunkt nicht im Betrieb. Er hat Teige vorbereitet und hat dann den Betrieb verlassen. In seiner Abwesenheit war die Backstubenleiterin Frau x für den Betrieb verantwortlich. Sie war Bäckergesellin.

Der Bw schaut in seiner Anwesenheit auch, dass alle Anweisungen eingehalten werden und es gibt auch bei Nichteinhaltung Ermahnungen. In seiner Abwesenheit machte dies die Backstubenleiterin Frau x und anschließend der Bäckergeselle.

Der Bw wurde vom Arbeitsunfall sofort telefonisch verständigt und er ist sofort von seiner über der Bäckerei liegenden Wohnung in die Bäckerei hinuntergegangen und hat die Rettung alarmiert sowie die Erstversorgung durchgeführt. Einige Tage danach, nämlich am 8.4.2010 hat er auch eine Meldung an die AUVA schriftlich durchgeführt. Eine Meldung an die Polizei bzw. an das Arbeitsinspektorat ist nicht erfolgt.

Das Ermittlungsverfahren gemäß § 88 StGB gegen den Bw wurde von der Staatsanwaltschaft x zu 58 BAZ 195/10w-3 mit 9.12.2010 gemäß § 190 Z2 StPO eingestellt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich eindeutig und klar aus den im Akt vorliegenden Fotos sowie auch aus den Aussagen der Zeugen. An der Glaubwürdigkeit der Zeugen besteht kein Zweifel. Hingegen ist es unerheblich, ob der verunfallte Lehrling zum Einwerfen der Teigstücke die Aufstiegshilfe, nämlich die Verbindungsstange zum Arbeitsmittel, oder zum Herausholen des Messers verwendet hat. Erwiesen ist, dass am 3.4.2010 der Lehrling die Aufstiegshilfe (Verbindungsstange) verwendet hat, um in den Trichter hineinzugreifen und damit die Sicherheits- bzw. Schutzeinrichtung der Maschine umgangen hat, also die Maschine nicht bestimmungsgemäß verwendet hat. Auch ist erwiesen, dass der Lehrling ausreichend über die Funktion der Maschine und die Sicherheitseinrichtungen unterwiesen war und auch eindeutige Anweisungen hatte, nicht in die laufende Maschine zu greifen.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 35 Abs.1 Z4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen bestimmungsgemäß zu verwenden sind.

 

Gemäß § 98 Abs.1 ASchG sind Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitsinspektorat tödliche und schwere Arbeitsunfälle unverzüglich zu melden, sofern nicht eine Meldung an die Sicherheitsbehörden erfolgt.

 

Gemäß § 130 Abs.1 Z16 und Z31 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen

Z16     die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt

Z31     Meldepflichten verletzt.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahren steht eindeutig fest, dass eine Meldung des Arbeitsunfalls trotz der gesetzlichen Verpflichtung durch den Bw weder an das Arbeitsinspektorat noch an eine Sicherheitsbehörde erfolgt ist. Dies ist auch nicht von ihm bestritten. Es ist daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

Er hat daher die Übertretung nach Spruchpunkt 2 in objektiver Hinsicht begangen.

Weiters ist aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes davon auszugehen, dass der Lehrling entgegen der Schutz- und Sicherheitseinrichtung der Teigteilmaschine, die so gestaltet ist, dass vom Stand aus die Maschine so hoch ist, dass aufgrund der Bauarthöhe ein Hineingreifen in den Trichter nicht möglich ist, diese dadurch umgangen hat, dass eine Verbindungsstange zum Arbeitsmittel als Aufstiegshilfe verwendet wurde, um in den Trichter hineinzugreifen, um ein hineingefallenes Messer herauszuholen. Dabei wird auch die Schutzeinrichtung, nämlich das Öffnen der Tür auf der Front der Maschine, welches automatisch den Stillstand der Maschine bewirkt, umgangen. Es war daher auch diesbezüglich der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß Spruchpunkt 1 erfüllt.

Der Bw als Inhaber und Arbeitgeber hat die Tat verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.2. Wenn der Bw in subjektiver Hinsicht mangelndes Verschulden geltend macht, weil er einerseits den Lehrling ausreichend unterwiesen und belehrt hat, dass nicht in die laufende Maschine hineingegriffen werden darf, und im Übrigen auch die Funktionsweise der Maschine und der Sicherheitseinrichtungen erklärt hat, und andererseits der Meinung war, dass mit Verständigung der Rettung automatisch die Sicherheitsbehörde bzw. das Arbeitsinspektorat verständigt wird, so kann dieses Vorbringen den Bw nicht entlasten und auch nicht entschuldigen.

 

Gemäß § 5 Abs.2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

 

Mit seinem Vorbringen zur Missachtung der Meldepflicht macht der Bw Rechtsunkenntnis geltend. Allerdings ist dem Bw entgegenzuhalten, dass ihm als Gewerbetreibender und Arbeitgeber zugemutet werden kann, dass er die sein Gewerbe betreffenden Vorschriften kennt und sich auch dieser Kenntnis entsprechend verhält. Zumindest kann ihn zugemutet werden, dass er sich als Arbeitgeber in Ermangelung der Kenntnis bzw. bei Unsicherheit entsprechend bei der zuständigen Behörde erkundigt und so Kenntnis der entsprechenden Verwaltungsvorschriften verschafft. Ein diesbezügliches Vorbringen macht jedoch der Bw nicht. Er ist daher nicht entschuldigt, zumal die Rechtsunkenntnis nicht unverschuldet ist. Es war daher hinsichtlich Spruchpunkt 2 auch vom Verschulden des Bw auszugehen.

Hinsichtlich Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses ist dem Bw entgegenzuhalten, dass sein Vorbringen nicht geeignet ist, ihn von seinem Verschulden zu entlasten.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Das Vorbringen des Bw, dass der Lehrling ausreichend geschult ist, entlastet daher den Bw nicht. Es ist nicht ausreichend, dass der Bw für den Fall seiner Abwesenheit eine Backstubenleiterin mit der Überwachung und Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften an Ort und Stelle verantwortlich macht. Vielmehr ist ein wirksames Kontrollsystem zur Gewährleistung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften einzurichten und nachzuweisen. Zur Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems ist u.a. erforderlich, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Weisungen zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (VwGH vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5).

Es ist daher dem Bw ein solches gefordertes Kontrollsystem zu beweisen nicht gelungen. Es war daher auch vom Verschulden des Bw, nämlich zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.3. Da im Beweisverfahren allerdings aufgrund unterschiedlicher Zeugenaussagen nicht erwiesen ist, dass der Teig selbst vom Lehrling dermaßen in die Maschine eingeworfen wurde, dass sie zu diesem Zweck die Verbindungsstange zum Arbeitsmittel als Aufstiegshilfe benutzte, um so den Teig in den Trichter einwerfen zu können, war entsprechend der Spruch zu berichtigen. Allerdings ist aufgrund der einvernommenen Zeugen eindeutig und klar erwiesen, dass der Lehrling bei der Tätigkeit an der Teigteilmaschine aus Versehen ein Messer mit dem Teig in den Trichter einwarf und zum Herausholen des Messers die Aufstiegshilfe wie beschrieben benutzte. Es wurde daher die Maschine nicht bestimmungsgemäß verwendet, zumal weder der Notausschalter benutzt wurde, um dann gefahrlos in den Trichter hineingreifen zu können, noch die Sicherheitstür vor der Maschine benutzt wurde, um sodann bei Stillstehen der Maschine zum Trichter gelangen zu können. Es war daher der Spruch entsprechend zu korrigieren, wobei die Tat als solche erwiesen ist und daher nicht geändert wurde.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung erschwerend eine gleichartige rechtskräftige Verwaltungsvorstrafe gewertet, Milderungsgründe wurden nicht gefunden. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro geschätzt. Es wurden Sorgepflichten für drei Kinder berücksichtigt. Im Übrigen hat die belangte Behörde auf den besonderen Schutzzweck der Norm hingewiesen, welcher in besonderem Maße verletzt wurde. Auch wurden die nachteiligen Folgen, nämlich der Arbeitsunfall beim Unrechtsgehalt der Tat gewertet.

Auch im Berufungsverfahren kamen keine anderen Strafbemessungsumstände hervor. Der Bw brachte auch keine Nachweise hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse. Es konnten daher die Ausführungen der belangten Behörde bestätigt werden. Im Grunde dieser Umstände konnte daher auch der Oö. Verwaltungssenat nicht finden, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafzumessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise vorgegangen wäre.

Milderungsgründe waren nicht festzustellen, sodass eine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht in Betracht kommt. Entgegen den Ausführungen des Bw liegt auch nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das jeweilige tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war auch nicht vom Absehen der Strafe gemäß § 21 VStG Gebrauch zu machen. Im Übrigen traten auch nachteilige Folgen für den Lehrling ein, sodass auch die Voraussetzung des Fehlens von nachteiligen Folgen, die kumulativ gemäß § 21 VStG vorliegen muss, nicht gegeben war.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 480,00 Euro, festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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