Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730204/4/Wg/Wu

Linz, 08.09.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, derzeit JA X, gegen die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 24. Mai 2011, GZ: Sich40-10683, verhängte Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

The appeal is dismissed as being unfounded and the decision opposed is upheld.

 

legal basis:

§ 66 par. 4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Bescheid vom 24. Mai 2011, GZ: Sich40-10683, den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 sowie § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2011 (im Folgenden: FPG) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Die Behörde argumentierte, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sei mit rechtskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens am 27. Dezember 2010 widerrufen worden. Weiters wies sie auf die strafrechtlichen Verurteilungen durch das Bezirksgericht Reutte vom 29. November 2002, des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Jänner 2009 und vom 1. Dezember 2009 sowie das unbefristete Aufenthaltsverbot (gilt als Rückkehrverbot) der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. November 2005, hin. Er sei mit Frau X seit X verheiratet und habe mit ihr zwei Kinder. Weiters habe er mit Frau X noch eine außereheliche Tochter. Das Familienleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines ungewissen Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei. In Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der mit dem rechtswidrigen Aufenthalt verbundenen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens sei die Ausweisung zur Erreichung von in Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten. Die privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet würden demgegenüber in den Hintergrund treten.

 

Dagegen richtet sich die am 9. Juni 2011 bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingelangte Berufung. Der Bw bringt darin vor, es stimme, dass seine Eheschließung erst nach dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot stattgefunden habe, er sei aber doch immerhin seit über 9 Jahren in Österreich. Seine Kinder seien geboren worden, während das Asylverfahren noch am Laufen war, ohne die Gewissheit auf den Ausgang des Verfahrens. Aber trotzdem sei es keine Absicht oder ein Trick gewesen, die Behörde hinters Licht zu führen oder sei es alles Ausrede für einen weiteren Verbleib in Österreich geplant gewesen. Er und seine Frau hätten einen gemeinsamen Sohn und sie wären auch ineinander verliebt. Sie würden keinen Grund sehen, wieso sie keine Familie gründen sollten. Er würde seine Familie lieben, sie seien das Wichtigste in seinem Leben und er könne sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Seine Familie habe schon viel mitgemacht, obwohl es größtenteils seine Schuld gewesen sei. Er sei immer noch der Meinung, dass seine Familie nicht für seine Fehler bestraft werden sollte. Ihn und seine Familie voneinander zu trennen, würde ihr Leben komplett zerstören. Deswegen bitte er um eine letzte Chance oder zumindest ihm und seiner Familie die Chance und die Zeit zu geben, mit der derzeitigen Situation irgendwie fertig zu werden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat der Sicherheitsdirektion den Verfahrensakt zur Entscheidung vorgelegt. Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion Oberösterreich dem Unabhängigen Verwaltungssenat den Verfahrensakt zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits feststeht, ist eine mündliche Verhandlung gemäß § 67d Abs.1 AVG nicht erforderlich.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw ist Staatsangehöriger von Nigeria und reiste am 28. Februar 2002 illegal über X mit dem Flugzeug in das Bundesgebiet ein. Am 1. März 2002 stellte er beim Bundesasylamt Außenstelle Innsbruck einen Asylantrag. Das Bundesasylamt hat diesen Antrag mit Bescheid vom 12. August 2002 abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Urteil des Asylgerichtshofes am 27. Dezember 2010 rechtskräftig abgewiesen. Es wurde aber keine Ausweisung ausgesprochen.

 

Der Bw ist seit X mit der nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin X verheiratet. Die gemeinsamen Kinder X, geb. X und X, geb. X, sind ebenfalls österreichische Staatsbürger. Der Bw war von 27. Juni 2008 bis 19. April 2011 an der Adresse X mit Hauptwohnsitz gemeldet. In der Zeit von 27. Dezember 2007 bis 20. Dezember 2010 waren dort auch seine Gattin und die beiden Kinder mit Hauptwohnsitz gemeldet.

 

Der Bw hat weiters eine außereheliche Tochter mit X, geb. X. X ist österreichische Staatsbürgerin. Die gemeinsame Tochter X wurde am X geboren und ist ebenfalls österreichische Staatsbürgerin.

 

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck erließ mit Bescheid vom 27. November 2005, Zahl 1021079, gegen den Bw gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 und 2, Abs. 2 Z 1 iVm §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen. Die BPD argumentierte, der Bw würde drei rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen aufweisen. Dabei verwies die BPD auf das Urteil des Bezirksgerichtes Reutte vom 29. November 2002, Zahl 1 U 66/02 g, das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. März 2004, Zahl 31 U 271/03 h und das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. Mai 2005, Zahl 35 Hv 95/05 y. Die Sicherheitsdirektion Tirol hat die dagegen erhoben Berufung mit Bescheid vom 22. Dezember 2005, Zahl III 4033-112/05, abgewiesen. Das Aufenthaltsverbot ist damit in Rechtskraft erwachsen.

 

Das Bezirksgericht Reutte hat mit Urteil vom 29. November 2002, Zahl 1 U 66/02 g, zu Recht erkannt:

 

"Der Beschuldigte X, geb. am X in X, Nigeria, nigerianischer Staatsbürger, Asylwerber, wohnhaft in X,

ist schuldig.

X hat fremde bewegliche Sachen, und zwar

1.     ein paar Socken im Gesamtwert von € 14,99 am 30.4.2002 in Innsbruck einem Verfügungsberechtigten des Geschäftes X,

2.     ein T-Shirt und eine Jeansjacke im Gesamtwert von € 64,70 am 17.8.2002 in Innsbruck einem Verfügungsberechtigten des Geschäftes X sowie

3.     einen Wildlederspray im Wert von € 4,95 am 19.11.2002 in Axams einem Verfügungsberechtigten des Geschäftes X

mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

 

X hat dadurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB begangen und wird hiefür gem. § 127 StGB und gem.  § 90 h Abs. 5 StPO unter Berücksichtigung des bezahlten Geldbetrages von € 20,-- zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Die Höhe des Tagessatzes wird mit € 2,-- festgesetzt, sodass die Geldstrafe insgesamt € 100,-- beträgt. Gem. § 43 Abs. 1 StGB wird der Vollzug der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen."

Straferschwerend war das Zusammentreffen von drei Delikten, mildernd das Geständnis des Beschuldigten.

 

Das BG Fünfhaus hat mit Urteil vom 10. März 2004, 31 U 271/03 k, wegen des Vergehens gegen das Suchtmittelgesetz gemäß § 27 Abs. 1 SMG und das Vergehen des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Monaten verurteilt. Die Strafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Im Urteilstenor werden dem Bw folgende Taten angelastet:

"er habe

1)    am 9.4.2003 Suchtgift besessen und zwar 30 Kugeln mit 12,0 g Kokain brutto und 29 Kugeln mit 14,5g Heroin brutto und

vom 2.3.2003 bis zum 9.4.2003 zum Eigengebrauch Cannabiskraut erworben und besessen und hiedurch das Vergehen gemäß § 27 Abs. 1 SMG begangen und

2)    am 25.9.2003 in X versucht, Gegenstände im Gesamtwert von 94,40 Euro bei Verfügungsberechtigten Fa. X – X wegzunehmen, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahl gemäß §§ 15, 127 StGB begangen."

 

Mildernd war das Geständnis, das jugendliche Alter und das es teilweise lediglich beim Versuch geblieben ist. Erschwerend war der rasche Rückfall und das Zusammentreffen von zwei Vergehen.

 

Das Landesgericht Innsbruck hat mit Urteil vom 25. Mai 2005, Zahl 35 Hv 95/05 y, zu Recht erkannt:

"Der Angeklagte X, geboren am X in X/Nigeria, nigeriansicher Staatsangehöriger, zuletzt ohne Beschäftigung, derzeit Untersuchungshäftling, zuletzt wohnhaft in X, derzeit Justizanstalt X,

 

ist schuldig,

 

A)

 

er hat zu datumsmäßig jeweils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten von etwa November 2003 bis einschließlich 9.11.2004 im Großraum Innsbruck ab etwa Anfang des Jahres 2004 als Alleintäter und ab etwa Anfang Juni 2004 teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten X als Mittäter (§ 12 StGB) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6), nämlich mindestens 100 Gramm Kokain von zumindest durchschnittlicher Qualität sowie geringe Mengen an Cannabisprodukten, größtenteils durch gewerbsmäßigen Verkauf, in verschwindend geringem Umfang aber auch durch unentgeltliche Weitergabe an die abgesondert Verfolgten X, X, X, X, X, X, X, X, X, X, X und zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Drogenkonsumenten in Verkehr gesetzt und zum Inverkehrsetzen von weiteren mehreren 100 Gramm Kokain durch den abgesondert Verfolgten X an weitere namentlich nicht bekannte Personen dadurch gewerbsmäßig beigetragen, dass er den Kontakt mit den Abnehmern herstellte und die Übergaben an die Abnehmer organisierte;

 

B)

 

den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben und besessen und zwar:

1.     durch den Erwerb insgesamt nicht mehr feststellbarer Mengen an Kokain und Cannabisprodukten bei den abgesondert Verfolgten X, X X und weiteren, namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf sowie deren Besitz,

     und

2.     indem er gemeinsam mit dem abgesondert Verfolgten X, X, X und weiteren, namentlich nicht bekannten Personen wiederholt über Einladung Cannabisprodukte und auch Kokain konsumierte.

 

X hat hiedurch

zu A): das Verbrechen nach § 28 Abs 2 und 3 erster Fall SMG

und

zu B) 1. und 2.: das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG

begangen und er wird hiefür nach § 28 Abs 3 SMG unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 22 (zweiundzwanzig) Monaten sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 1 StGB wird der Angeklagte darüber hinaus auch zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 1.220,-- (dieser Betrag entspricht der Bereicherung des Angeklagten aus dem Inverkehrsetzen von großen Suchtgiftmengen) verurteilt."

 

Aus den Festestellungen des Landesgerichtes ergibt sich, dass die Strafregisterauskunft des damals 21-jährigen Asylwerbers X zwei Eintragungen aufwies, denen in einem Fall auch strafbare Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz zugrunde liegen. Dafür wurde er vom BG Fünfhaus am 10. März 2004 gemeinsam wegen eines versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Monaten verurteilt. Mit Urteil des BG Reutte vom 29. November 2002 wurde er wegen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Geldstrafe in Höhe von 100 Euro verurteilt. Bei der Strafbemessung wirkten sich das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die jeweils wiederholte Begehung sowohl des Verbrechens, als auch des Vergehenstatbestandes, die einschlägige Vorstrafenbelastung und auch die Tatsache als erschwerend aus, dass er den Vergehenstatbestand nach § 27 Abs. 1 SMG durch verschiedene Begehungsformen begangen hat. Mildernd waren ein teilweises Geständnis und der Umstand zu werten, dass er die Taten vorwiegend als unter 21-Jähriger begangen hat.

 

Das Landesgericht Innsbruck hat mit Urteil vom 29. Juli 2008, Zahl 25 Hv 98/08 w, zu Recht erkannt:

"Der Angeklagte X, geboren am X in X, Nigeria, nigerianischer Staatsangehöriger, derzeit ohne Beschäftigung, wohnhaft in X,

ist schuldig,

er hat zu datumsmäßig größtenteils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum von etwa Spätsommer 2006 bis zu seiner Festnahme am 07.07.2007 in Innsbruck jeweils vorschriftswidrig

 

A)

anderen gewerbsmäßig und obwohl er schon einmal, und zwar vom Landesgericht Innsbruck am 25.05.2005 im Verfahren 35 Hv 95/05y, wegen einer Straftat nach Abs. 1 verurteilt worden war, Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28 b) übersteigenden Menge überlassen, indem er den abgesondert verfolgten X, X, X, X, X, X und X sowie weiteren, namentlich nicht bekannten Personen im Verlauf unzähliger Teilgeschäfte insgesamt mindestens 1/2 kg Kokain von vorwiegend guter Qualität gewinnbringend verkaufte bzw. – in geringem Umfang – auch anlässlich gemeinsamer Suchtgiftkonsumationen unentgeltlich zur Verfügung stellte;

 

B)

wiederholt Suchtgift, nämlich im Zweifel jeweils geringe Mengen von Kokain beim abgesondert verfolgten X sowie weiteren, namentlich nicht bekannten dritten Personen zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

 

Der Angeklagte X hat hiedurch begangen

zu A): das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 a Abs. 1 5. Deliktsfall und Abs. 2 Z. 1 SMG und

zu B): das (wiederholte) Vergehen des unerlaubten Umgang mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Deliktsfall und Abs. 2 SMG

und er wird hiefür in Anwendung des § 28 StGB nach § 28 a Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

4 (vier) Jahren

sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens

verurteilt."

 

Bei der Strafbemessung wirkten mildernd die teilweise Geständigkeit des Angeklagten, erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, die zahlreiche Tatwiederholung, der rasche Rückfall zu seiner bedingten Entlassung, der lange Tatzeitraum sowie die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge.

 

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit Urteil von 15. Jänner 2009, Zahl 7 Ds 731/08 w, der dagegen erhobenen Berufung teilweise dahingehend Folge, dass die Freiheitsstrafe auf 3 Jahre herabgesetzt wurde. Im übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben. Das OLG führte aus: Die Vorstrafenbelastung ist dahin zu konkretisieren, dass auch die erste der drei Vorverurteilungen, nämlich jene vom 29. November 2002 wegen der Vergehen des versuchten Diebstahles nach §§ 15, 127 STGB (zu einer vorerst bedingt und in der Folge endgültig nachgesehenen Geldstrafe von 50 Tagessätzen) in Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehung zu A) einschlägig ist, wenngleich dem kein großes Gewicht zukommt. Der Verurteilung vom 10. März 2004 durch das Bezirksgericht Fünfhaus wegen § 27 Abs. 1 SMG lag lediglich der Erwerb und der Besitz und nicht die Weitergabe von Suchtgift zugrunde. Die Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 25. Mai 2005 im Sinne einer Straftat nach § 28a Abs. 1 SMG hat nicht das Gewicht eines besonderen Erschwerungsgrundes, weil sie ohnedies Voraussetzung für die Anwendbarkeit des höheren Strafrahmens nach § 28a Abs. 2 SMG ist. In Hinblick auf die gewerbsmäßige Tatbegehung begründen auch die zahlreichen Tathandlungen über einen langen Tatzeitraum zu A) des Schuldspruches lediglich einen besondern Erschwerungsgrund im Sinn des § 33 StGB. Ausgehend von den so konkretisierten Erschwerungsgründen sowie dem vom Angeklagten verwirklichten Schuld- und Unrechtsgehalt erwies sich bei Berücksichtigung auch der übrigen schuld – und unrechtsrelevanten Umstände eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren nach Ansicht des OLG als eine tat- und täteradäquate Sanktion. Hiebei überging der Berufungssenat nicht die vom Angeklagten – bestätigt durch den Bericht seines Bewährungshelfers – ins Treffen geführten und in spezial präventiver Hinsicht auch beachtlichen Aspekte, nämlich seinen gemeinsamen Wohnort mit seiner Frau und mit seinen zwei unmündigen Kindern, seine nunmehrige Beschäftigung als Küchengehilfe und die regelmäßige ambulante Betreuung durch die forensische Ambulanz der Universitätsklinik X. Trotz dieser zugunsten des Bw ins Gewicht fallenden Umstände ließ der hohe Unrechtsgehalt des mehrfach begangenen Verbrechens eine weitere Strafmilderung nicht zu.

 

Das BG Telfs hat den Bw mit Urteil vom 2. April 2009, Zl 12 U 6/2009m, wegen § 125 StGB (Sachbeschädigung) zu einer Geldstrafe von 100 TS zu je 2 Euro, im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

 

Das Landesgericht Innsbruck hat mit Urteil vom 1. Oktober 2009, 28 Hv 94/09 f, zu Recht erkannt:

 

"Der Angeklagte X, geboren am X in X, nigerianischer Staatsangehöriger, zuletzt Aushilfskoch, zuletzt wohnhaft in X, derzeit in Zwischenvollzug in der JA X

ist schuldig,

er hat zu datumsmäßig größtenteils nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten in der Zeit zwischen März 2008 und 4. Februar 2009 im Großraum Innsbruck und an anderen Orten

I.       durch den Erwerb unbekannter Mengen Kokain von Unbekannten sowie unbekannter Mengen an Cannabisharz von den abgesondert verfolgten Personen X, X und X sowie weiteren Unbekannten und durch Besitz desselben Suchtgift vorschriftswidrig erworben und besessen;

II.    durch in geringem Umfang unentgeltliches Weitergeben, größtenteils aber durch entgeltlichen Verkauf von Kokain und Cannabisharz, vorschriftswidrig Suchtgift in einer unbekannten, die Grenzmenge des § 28b SMG aber jedenfalls übersteigenden Menge anderen überlassen, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 SMG idF vor dem 1.1.2008 verurteilt worden ist (Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.5.2005 zu 35 Hv 95/05y) und an Suchtmittel gewöhnt war und dieses Straftaten im Zweifel vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel  zum Erwerb derselben zu verschaffen, und zwar:

1.     in der Zeit zwischen April und dem 10. September 2008 dem abgesondert verfolgten X in mehreren Teilgeschäften insgesamt zumindest 130 Gramm Kokain;

2.     in der Zeit zwischen März und Anfang September 2008 dem abgesondert verfolgten X in mehreren Teilgeschäften zumindest 80 Gramm Cannabisharz;

3.     in der Zeit zwischen Juli und August 2008 dem abgesondert verfolgten X in mehreren Teilgeschäften insgesamt zumindest 10 Gramm Kokain;

4.     am 30.7.2008 dem abgesondert verfolgten X insgesamt 0,5 Gramm Kokain;

5.     in der Zeit zwischen März und September 2008 der abgesondert verfolgten X in mehreren Fällen insgesamt zumindest 15 Gramm Kokain;

6.     im September 2008 dem abgesondert verfolgten X im Zuge zweier Teilgeschäfte insgesamt etwa 7 Gramm Kokain;

7.     in der Zeit zwischen August 2008 und Ende Jänner 2009 dem abgesondert verfolgten X im Zuge mehrerer Teilgeschäfte zumindest 10 Gramm Kokain;

8.     zu unbekannten Zeitpunkten dem abgesondert verfolgten X im Zuge gemeinsamer Rauchrunden unbekannte, im Zweifel geringe Mengen Cannabisharz.

 

X hat hiedurch begangen

zu I:  die Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG

zu II: das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 3 zweiter Fall SMG

und wird hierfür nach dem zweiten Strafsatz des § 28a Abs 3 SMG in Anwendung des § 28 StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 2.4.2009 zu 12 U 6/09m zu einer Zusatzstrafe in Form einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt."

 

Bei der Strafzumessung wertete das Gericht das umfassende und reumütige Geständnis des Angeklagten mildernd, erschwerend hingegen die drei einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall des Angeklagten nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft zu 25 Hv 98/08 w (letzte Tathandlung am 7. Juli 2007) im März 2008 sowie die Begehung während eines anhängigen Strafverfahrens. Zudem lagen die Voraussetzungen des § 39 StGB vor, da der Angeklagte bereits zweimal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung – Vergehen und Verbrechen nach dem SMG – beruhen, zu einer Freiheitsstrafe verurteil wurde und diese Strafen wenigsten zum Teil auch verbüßte. Bei einem somit erhöhten Strafrahmen von bis zu 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe erachtete das Schöffengericht eine Zusatzstrafe im Ausmaß von 4 1/2 Jahren als dem Unrechtsgehalt der Taten entsprechend und dem Verschulden des Angeklagten angemessen.

 

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat der dagegen erhobenen Berufung teilweise dahingehend Folge gegeben, dass die Zusatzstrafe auf 3 Jahre, 4 Monate und 10 Tage herabgesetzt wurde.

 

Laut Versicherungsdatenauszug hat der Bw von 19. Dezember 2008 bis 3. Februar 2009 bei der Firma X, X gearbeitet.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

 

Der Verwaltungssenat hat dazu erwogen:

 

Die örtliche Zuständigkeit im Inland richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 FPG nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Die Begründung des Wohnsitzes setzt den Aufenthalt an einem bestimmten Ort und den Willen, dort zu bleiben, voraus. Ein – wie im Falle eines Strafhäftlings – zwangsweise begründeter Aufenthaltsort ist kein Wohnsitz (vgl. VwGH vom 24. November 2009, GZ: 2009/21/0267). Infolge der Strafhaft verfügt der Bw zurzeit über keinen Wohnsitz im Sinn des § 6 Abs. 1 FPG. In einem solchen Fall richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 2 FPG nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz. § 6 Abs. 2 FPG stellt damit ausdrücklich auf Verfahrenshandlungen "nach diesem Bundesgesetz", also nach dem FPG, ab (vgl. VwGH vom 26. September 2007, GZ: 2007/21/0238). Die BPD Innsbruck ist bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes vom 27. November 2005 noch nach dem Fremdengesetz 1997, nicht aber nach dem erst mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetz 2005 eingeschritten. Die BH Schärding ist als erste Fremdenpolizeibehörde erkennbar nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 eingeschritten und war daher gemäß § 6 Abs. 2 FPG für die Erlassung der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG zuständig.

 

Das mit Bescheid vom 27. November 2005 verhängte Aufenthaltsverbot gilt als Rückkehrverbot. Dies ergibt sich aus § 125 Abs. 3 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, da der Bw am 1. Jänner 2006 Asylwerber war. Im Asylverfahren wurde keine Ausweisung erlassen, weshalb die BH Schärding zurecht die Voraussetzungen für eine fremdenpolizeiliche Ausweisung gemäß § 53 FPG idF. vor dem 1. Juli 2011 geprüft hat.

 

Aus dem Erkenntnis des VwGH vom 31. Mai 2011, GZ: 2011/22/0097, ergibt sich, dass es sich bei der Erlassung einer Ausweisung (unabhängig von der Benennung des innerstaatlichen Rechtsinstituts) jedenfalls um eine Rückkehrentscheidung im Sinn des Artikel 3 Z 4 der Rückführungsrichtlinie handelt. Mit 1. Juli 2011 ist das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in wesentlichen Bestandteilen in Kraft getreten.  Gemäß § 125 Abs.14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

§ 9 Abs. 1 Z 1 FPG und § 9 Abs. 1a FPG sehen die Zuständigkeit des Verwaltungssenates als Berufungsbehörde grundsätzlich nur im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen sowie bei Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen vor. Aus dem erwähnten Erkenntnis des VwGH vom 31. Mai 2011, GZ: 2011/22/0097, folgt aber letztlich, dass im Belangen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – wie z. B. Ausweisung – aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit von Artikel 13 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/eg des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 generell der Unabhängige Verwaltungssenat zuständige Berufungsbehörde ist.

 

Der Bw ist als Ehegatte der nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin X Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG. Für ihn gelten daher gemäß § 65b FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3. Im folgenden Fall sind daher die für eine Ausweisung im Sinn des § 66 FPG geltenden Bestimmungen anzuwenden.

EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können gemäß § 66 Abs 1 FPG ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

 

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat die Behörde gemäß § 66 Abs 2 FPG insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

 

Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 2 FPG dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 52 Abs 1 FPG, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

Dem Bw kommt kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu, da seine Ehegattin nicht freizügigkeitsberechtigt ist. Er hält sich seit dem rechtskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm 65b und § 52 Abs 1 FPG liegen daher vor.

 

Der Bw hält sich noch nicht 10 Jahre im Bundesgebiet auf. Er hat sogar während eines anhängigen Strafverfahrens Verbrechen nach dem SMG begangen. Schon im Urteil des LG Innsbruck vom 29. Juli 2008 wurden die zahlreiche Tatwiederholung, der rasche Rückfall zu seiner bedingten Entlassung, der lange Tatzeitraum und die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge als erschwerend gewertet. Er hat sich trotz einschlägiger strafrechtlicher Verurteilungen nicht gebessert. Es ist daher zu befürchten, dass der Bw nach seiner Enthaftung weiterhin schwere Verbrechen nach dem SMG begehen wird. Durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nach der Strafhaft würde die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich daher nachhaltig und maßgeblich gefährdet iSd § 66 Abs 2 FPG.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Fest steht, dass der Bw mit seiner Gattin und den beiden ehelichen Kindern zusammengelebt hat. Die Aufenthaltsbeendigung stellt daher einen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Der Bw hält sich mittlerweile seit dem 28. Februar 2002 im Bundesgebiet auf. Auch wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Asylverfahren ermöglicht wurde, ergibt sich daraus doch ein gewisses Ausmaß an Integration. Es entspricht aber der Judikatur des Verwaltungsgerichtshof, dass bei den vom Bw begangen Verbrechen gegen das SMG weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine soziale Integration im Inland einer Ausweisung entgegensteht (vgl. VwGH vom 19. Mai 2011, GZ: 2008/21/0486).

 

Die Ausweisung hat auch massive Auswirkungen auf die beiden minderjährigen Kinder des Bw und seine Ehegattin, da das Familienzusammenleben auf Dauer beendet würde. Nun war und ist ein "normales" Familienleben während der Strafhaft des Bw ohnedies nicht möglich. Für die Sozialisation eines Kindes ist der Kontakt zum leiblichen Vater zweifelsohne dem Grunde nach vorteilhaft. Die zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Bw, der laut dem Urteil des LG Innsbruck vom 1.10.2009 im Zeitraum der vorgeworfenen Taten überdies an Suchtmittel gewöhnt war, lässt nicht den Schluss zu, sein Beitrag zu einem gemeinsamen Familienleben würde derart positive Auswirkungen auf seine beiden Kinder haben, dass eine Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens in Hinblick auf seine Gattin und die beiden Kinder unzulässig ist. Die Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung ist zur Verhinderung von Straftaten, somit zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten. Angesichts dessen hat der Bw sowohl die Trennung von seiner Gattin, den beiden ehelichen Kindern, als auch seinem unehelichen Kind sowie Schwierigkeiten bei der Eingliederung in seinen Heimatstaat im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Die Rückkehrentscheidung bzw. die Ausweisung ist gemäß § 61 Abs. 1 iVm § 66 Abs 2 FPG zulässig.

 

Die BH Schärding hat der Berufung zutreffend die aufschiebende Wirkung aberkannt, da die sofortige Ausreise des Fremden gemäß § 58 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund war daher auch ein Durchsetzungsaufschub im Sinn des § 70 Abs. 3 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 nicht zulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.

 

Instruction on the right to appeal

No legal remedies are permitted against this decision.

 

Information

Within 6 weeks after delivery a complaint can be lodged against this decision with the Constitutional Court and/or with the Administrative Court; except from legal exceptions, it must be lodged by an authorized attorney. Paying 220 Euros as an appeal fee is required for each complaint to be lodged.

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

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