Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-440143/11/Gf/Mu

Linz, 24.10.2011

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die von x, vertreten durch RAin x, erhobene Beschwerde gegen die durch den Bezirkshauptmann von Wels-Land am 4. September 2011 verfügte Aufhebung eines nach dem Sicherheitspolizeigesetz erlassenen Betretungsverbotes nach der am 20. Oktober 2011 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Kosten in einer Höhe von 887,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. In ihrem mit 12. September 2011 datierten, ho. am 26. September 2011 eingegangenen Schriftsatz bringt die Rechtsmittelwerberin vor, dass ihr Lebensgefährte ihr am 2. September 2011 gegen 22:50 Uhr in deren gemeinsamer Wohnung in betrunkenem Zustand und ohne vorangehenden Streit eine Ohrfeige versetzt habe. Dies sei jedoch nur eines von vielen gleichartigen früheren Vorkommnissen gewesen, weswegen etwa bereits am 9. Juli 2011 gegen ihren
Lebensgefährten eine Wegweisung ausgesprochen und ein Betretungsverbot verhängt worden sei, wobei jener diese Maßnahmen damals schon nach wenigen Tagen wieder missachtet hätte.

 

Am 2. September 2011 sei die Polizei nach ihrem Anruf ebenfalls unverzüglich eingeschritten und habe ihren Lebensgefährten aus der Wohnung gewiesen und über ihn ein Betretungsverbot verhängt. Beide Maßnahmen seien jedoch innerhalb von 48 Stunden von der belangten Behörde wieder aufgehoben worden, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für deren Aufrechterhaltung weiterhin vorgelegen wären.

 

Da sie bei dem tätlichen Angriff leicht verletzt worden sei und diesen in der Folge auch angezeigt, sie sich dadurch aber jedenfalls massiv bedroht gefühlt habe, sei sie durch die behördliche Vorgangsweise in ihrem speziell aus § 38a des Sicherheitspolizeigesetzes resultierenden, aber auch in ihren allgemeinen subjektiven Rechten auf körperliche und persönliche Sicherheit und Freiheit verletzt worden, zumal die Behörde keine zureichenden Ermittlungen durchgeführt und nicht einmal telefonisch bei den einschreitenden Sicherheitsorganen rückgefragt habe.

 

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung der Wegweisung und des Betretungsverbotes beantragt.

 

1.2. Die belangte Behörde hat ihren Bezug habenden Akt zu Zl. Sich20-7-19-2011 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige
Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

 

Begründend wird dazu ausgeführt, dass einer gefährdeten Person kein subjek­tives Recht auf Aufrechterhaltung sicherheitspolizeilicher Maßnahmen zukomme, sodass die gegenständliche Beschwerde schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen sei.

 

Davon abgesehen werde jede nach § 38a des Sicherheitspolizeigesetzes ergangene Anordnung von der belangten Behörde grundsätzlich stets sehr sorgfältig und insbesondere auch unter dem Aspekt überprüft, dass es sich dabei auch um einen massiven Eingriff in die Rechtssphäre des Gefährdenden handle. Dies zeige sich schon daran, dass eigenständige Formulare erstellt und die Exekutivorgane präventiv dazu angewiesen worden seien, stets alle Beteiligten zu vernehmen und dies auch entsprechend zu dokumentieren.

 

Im gegenständlichen Fall sei zu bedenken, dass der belangten Behörde die Vorgeschichte der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten nur bedingt zugänglich gewesen sei und sie es insbesondere unterlassen habe, im Anschluss an den Vorfall vom 9. Juli 2011 eine Einstweilige Verfügung zu erwirken; vielmehr habe sie ihrem Lebensgefährten im Gegenteil "wieder eine Chance" geben
wollen. Auf Grund der in der Folge wieder fortgeführten Beziehung, des Nichtvorliegens von Indizien für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff und des Umstandes, dass die Rechtsmittelwerberin von den einschreitenden Sicherheits­organen die Verhängung des Betretungsverbotes – wie sich aus deren niederschriftlichen Einvernahme ergeben habe – lediglich deshalb begehrt hätte, "um wieder zur Ruhe kommen zu können", sei dieses sohin zum Zeitpunkt der Überprüfung durch die Behörde am 3. September 2011 um 11:00 Uhr wieder aufzuheben gewesen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmannes von Wels-Land zu Zl. Sich20-7-19-2011 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 20. Oktober 2011, zu der als Parteien die Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertreterin sowie x als Vertreter der belangten Behörde und die Zeugen x und x erschienen sind.

 

Das Protokoll über die Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat (ONr. 9 des h. Aktes) wird zum integrierenden Bestandteil der Begründung dieser Entscheidung erklärt.

 

2.2. Gemäß § 67a AVG hatte der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende
Beschwerde durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 38a Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 133/2009 (im Folgenden: SPG), sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen – insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffes – anzunehmen ist, dass ein gefährlicher Angriff auf das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit bevorsteht, dazu ermächtigt, einen Menschen, von dem diese Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und aus
deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen.

 

Unter den gleichen Voraussetzungen sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 38a Abs. 2 SPG dazu ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines bestimmt festgelegten Bereiches zu untersagen, wobei jedoch die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung eines derartigen Betretungsverbotes unzulässig ist; außerdem ist in diesem Zusammenhang bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, besonders darauf zu achten, dass insoweit das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.

 

Bei der Dokumentation der Anordnung eines Betretungsverbotes ist nach § 38a Abs. 5 SPG nicht bloß auf die für das Einschreiten der Sicherheitsorgane maßgeblichen Umstände, sondern auch auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren zur Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 382b und 382e der Exekutionsordnung von Bedeutung sein können. Die Anordnung eines Betretungsverbotes ist nach § 38a Abs. 6 SPG unverzüglich der Sicherheitsbehörde bekannt zu geben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Stellt diese dabei fest, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbotes nicht (mehr) bestehen, so ist dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben und der Gefährdete hierüber unverzüglich zu informieren.

 

3.2. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. 1479 BlgNR, 20. GP, S. 19) sollte durch § 38a Abs. 6 SPG einerseits klargestellt werden, dass "die Aufhebung des Betretungsverbotes durch contrarius actus – also durch einen neuerlichen Akt der unmittelbaren sicherheitsbehördlichen Befehlsgewalt – gegenüber dem Betroffenen erfolgen muss"; andererseits kann aus der Verwendung des Begriffes "ermächtigt" in § 38a Abs. 1 und 2 SPG, der sich hinsichtlich der polizeilichen Befugnisse nach dem 2. Hauptstück des SPG nahezu durchgängig Verwendung findet, nicht der Schluss gezogen werden, dass den Sicherheitsorganen insoweit ein entsprechendes Handlungsermessen zukäme – vielmehr sind diese jeweils zum Einschreiten verpflichtet, wenn die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl. näher A. HauerR. Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl., Wien 2005, 297 f).

 

3.3. Stellt demnach die Aufhebung des Betretungsverbotes eine Maßnahme i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG dar, so ist eine dagegen erhobene Beschwerde aus rechtssystematischer Sicht grundsätzlich als auf diese Verfassungsbestimmung (i.V.m. § 88 Abs. 1 SPG), nicht aber als (allenfalls auch) auf § 88 Abs. 2 SPG gestützt zu qualifizieren.

 

3.4. Die den Sicherheitsorganen nach § 38a SPG zukommenden Befugnisse wurden durch die Novelle BGBl.Nr. 759/1996 – das sog. (erste) "Gewaltschutzgesetz" – in das SPG eingefügt.

 

Aus den darauf bezüglichen Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass diese Eingriffsrechte dazu dienen, "deutlich zu machen, dass Angriffe auf die körperliche Integrität anderer vom Staat auch dann nicht hingenommen werden, wenn sie sich in der häuslichen Sphäre ereignen. Das kriminelle Unrecht und die sicherheits­polizeiliche Gefährlichkeit einer solchen Tat sind nicht schon deswegen geringer, weil diese sich gegen einen angehörigen Mitbewohner richtet." (vgl. 252 BlgNR, 20. GP, S. 11). Dass demnach die Anordnung einer Wegweisung und eines Rückkehrverbotes (nunmehr: Betretungsverbotes) in erster Linie öffentlichen
Zwecken dient und solcherart Rechtssphäre der gefährdeten Personen bloß im Wege einer Reflexwirkung schützt, geht auch daraus hervor, dass eine Missachtung des Rückkehrverbotes (lediglich) mit einer Verwaltungsstrafe nach § 84 Abs. 1 Z. 2 SPG sanktioniert und nur die Anordnung des Rückkehrverbotes mit einer Beschwerde nach § 88 Abs. 1 SPG anfechtbar ist; dass der Ausspruch eines Rückkehrverbotes "zweifellos einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff ..... [in] die Privatsphäre ..... [und] das Eigentumsrecht", also bloße in den Bereich der subjektiven Rechtssphäre des Gefährders darstellt; und dass die Überprüfung des Rückkehrverbotes "eine rasche und effektive innerorganisatorische Kontrolle der Ausübung dieser Befugnis gewährleisten" soll, was als "Ausformung der allgemeinen Regelung des § 29 Abs. 2 Z. 5 SPG, der zufolge die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt 'zu beenden' ist, ohne dass hierfür eine besondere Form – insbesondere eine bescheidmäßige Absprache – vorgesehen wäre." (vgl. dazu jeweils 252 BlgNR, 20. GP, S. 11 f).

 

Daraus geht insgesamt hervor, dass § 38a SPG keine unmittelbaren subjektiven Rechte für gefährdete Personen konstituiert; deren Rechtssphäre wird vielmehr dadurch geschützt, dass diese im Wege der mit dem Gewaltschutzgesetz gleichzeitig geschaffenen Möglichkeit der Beantragung einer Einstweiligen Verfügung gemäß § 382b der Exekutionsordnung den Gefährder bis zu drei Monate aus der gemeinsamen Wohnung fernhalten können (vgl. dazu 252 BlgNR, 20. GP, 7: "Diese Bestimmung regelt den geschützten Personenkreis und die Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung." sowie daran anschließend 252 BlgNR, 20. GP, 13: "Um einen lückenlosen Schutz des Gefährdeten zu gewährleisten, endet das Rückkehrverbot im Falle eines ohne unnötigen Aufschub gestellten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit der Entscheidung des Gerichtes, spätestens jedoch nach 14 Tagen. ..... Andernfalls endet das Rückkehrverbot – so es nach der Überprüfung durch die Sicherheitsbehörde noch aufrecht ist – spätestens am siebenten Tage nach seiner Anordnung. Die Sicherheitsbehörde wird vom Antrag und der Entscheidung des Gerichtes verständigt.").

 

3.4. An dieser Grundkonzeption, dass das SPG die subjektive Rechtssphäre des Gefährders (im Verhältnis zu den Sicherheitsorganen und Behörden mit Blick auf dessen Grundrecht auf Privatsphäre und Eigentum) ordnet, während dem gegenüber die Exekutionsordnung die subjektive Rechtssphäre der gefährdeten Personen (im Verhältnis zum Gericht mit Blick auf deren Grundrecht auf körperliche Sicherheit und Unversehrtheit) regelt, hat auch das sog. "Zweite Gewaltschutzgesetz" (BGBl.Nr. I 40/2009), das im Bereich des SPG nur marginale Modifika­tionen nach sich zog, nichts geändert.

 

3.5. Davon ausgehend, dass § 38a SPG sohin keine unmittelbaren subjektiv-öffentlichen Rechte für die vom Gewalttäter gefährdeten Personen konstituiert, erweist sich die vorliegende, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Betretungsverbotes durch die belangte Behörde als unzulässig.

 

Sie war daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG mangels Parteistellung der Rechtsmittelwerberin i.S.d. § 8 AVG zurückzuweisen.

 

Eine weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes hätte von ihr vielmehr im Wege der Beantragung einer Einstweiligen Verfügung gemäß § 382b und/oder § 382e der Exekutionsordnung betrieben werden müssen; soweit es ihr (daneben) auch um die Frage der Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise der belangten Behörde als solcher ging, hätte sie diese allenfalls (zumindest mittelbar) im Wege einer an die Dienstaufsichtsbehörde gerichteten Beschwerde gemäß § 89 Abs. 2 SPG klären lassen können.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bund gemäß § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 bis 5 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 887,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 461,00 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 33,80 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

 


VwSen-440143/11/Gf/Mu vom 24. Oktober 2011

 

Beschluss

 

Rechtssatz 1

 

B-VG Art129a Abs1 Z2;

SPG §38a;

AVG §8;

AVG §67c Abs3

 

Aus den Gesetzesmaterialien (RV 252 BlgNR 20. GP) zum (ersten) Gewaltschutzgesetz, BGBl Nr 759/1996, ergibt sich insgesamt, dass das SPG die subjektive Rechtssphäre des Gefährders (im Verhältnis zu den Sicherheitsorganen und Behörden mit Blick auf dessen Grundrecht auf Privatsphäre und Eigentum) ordnet, während demgegenüber die Exekutionsordnung die subjektive Rechtssphäre der gefährdeten Personen (im Verhältnis zum Gericht mit Blick auf deren Grundrecht auf körperliche Sicherheit und Unversehrtheit) regelt.

 

 

Rechtssatz 2

 

B-VG Art129a Abs1 Z2;

SPG §38a;

AVG §8;

AVG §67c Abs3

 

Da § 38a SPG sohin keine unmittelbaren subjektiv-öffentlichen Rechte für die vom Gewalttäter gefährdete Person konstituiert, erweist sich deren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Betretungsverbotes durch die belangte Behörde gerichtete Beschwerde als unzulässig; sie war daher mangels Parteistellung der Rechtsmittelwerberin zurückzuweisen.

 

 

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