Linz, 02.11.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Beschwerde des S M, geb. (StA: Gambia), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L B, R, W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch der Bundespolizeidirektion Linz zurechenbare Organe aus Anlass der Abschiebung des Beschwerdeführers am 5.4.2011 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers am 5.4.2011 wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Rechtsgrundlagen:
Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 (AVG); § 67c und § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.
Entscheidungsgründe:
2.2. In seiner Äußerung vom 16.8.2011 weist der Bf in der Sache im Wesentlichen darauf hin, dass eine Information des Vertreters des Bf von der bevorstehenden Abschiebung am Vortag der Abschiebung als zu knapp erscheine. Im Übrigen werde das bisherige Vorbringen aufrechterhalten.
Wie sich aus dem Akt ergibt (ON 243), erfolgte diese Information am 4.4.2011. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass diese Informationspflicht nicht nur gegenüber dem Bf bestanden hätte, sondern auch der anwaltliche Vertreter so zeitgerecht informiert werden hätte müssen, dass er die "entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten hätte wahrnehmen können", ist für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates schon nicht ersichtlich, welche konkreten "rechtlichen Möglichkeiten" des rechtsfreundlichen Vertreters im vorliegenden Fall überhaupt denkbar gewesen wären.
"Warum ein Fremder in Fällen, die offenbar nicht auf eine Vorgangsweise gem § 12a Abs 3 AsylG hinauslaufen, vom Abschiebetermin informiert werden soll, ist nicht erkennbar, zumal die Versuchung für einen nicht angehaltenen Menschen groß sein wird, zum angekündigten Zeitpunkt nicht antreffbar zu sein. Freilich hat das Unterlassen einer solchen Information ... auch nur dann rechtliche Konsequenzen, wenn andernfalls eine Vorgangsweise gem § 12a Abs 3 oder 4 AsylG erfolgen würde."
Wenn daher die belangte Behörde – mag ihr auch der konkrete Abschiebetermin bereits einige Tage zuvor bekannt gewesen sein – den Bf erst kurz vor dem tatsächlichen Abschiebetermin iSd § 67 Abs. 4 FPG informiert hat, ist dies im vorliegenden Fall auch nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates mit keinen rechtlichen Konsequenzen verbunden.
Ferner hat der Bf, gegen den bereits seit 29.2.2008 eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung vorlag und der (spätestens) seit der erwähnten behördlichen Mitteilung am 4.3.2011 über seine unverzügliche Ausreiseverpflichtung bei sonst drohender Abschiebung informiert war – nicht zuletzt auch aufgrund der ebenfalls am selben Tag erfolgten bescheidförmigen Anordnung des gelinderen Mittels zur Sicherung der Abschiebung (unter Androhung der Schubhaft) – auch ohne entsprechende Information über den konkreten Abschiebetermin iSd § 67 Abs. 4 FPG spätestens seit 4.3.2011 dringend mit seiner unmittelbar drohenden, alsbaldigen Abschiebung rechnen müssen.
Der weitere Vorwurf, dass der rechtsfreundliche Vertreter auch bei den der Abschiebung vorausgegangenen Niederschriften beigezogen werden hätte müssen, geht schon insofern ins Leere, als – wie dem Akt zu entnehmen ist – keine diesbezüglichen Niederschriften durch die Behörde aufgenommen wurden.
3.2.4. Schließlich wird in der Beschwerde vorgebracht, dass ein faktischer Abschiebeschutz "auf Grund des anhängigen Asylverfahrens" in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH bestanden hätte. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass schon ein anhängiges Asylverfahren nicht vorlag. Vielmehr war dieses rechtskräftig mit Wirkung vom 29.2.2008 abgeschlossen; hinsichtlich des Asylfolgeantrages vom 4.5.2010 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben (bestätigt durch den Asylgerichtshof mit Entscheidung vom 16.6.2010; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den VfGH).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 33,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.
Astrid Berger
VwSen-420668/8/AB/Sta vom 2. November 2011
Erkenntnis
Rechtssatz 1
FPG §46 Abs1
Wenn der Bf in seiner Beschwerde die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Abschiebung behauptet, weil auch ein allfälliges Maßnahmenbeschwerdeverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, bei dem seine Anwesenheit bei einer mündlichen Verhandlung notwendig gewesen sei, abzuwarten gewesen wäre, so ist er diesbezüglich nicht im Recht. In dem bezogenen Beschwerdeverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wurden sämtliche Beschwerdepunkte als unbegründet abgewiesen.
Sollte sich der Bf durch Nichtbeiziehung zu einer allfälligen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien in seinen Parteirechten verletzt erachten, so könnte er dies nur in einem diesbezüglichen Rechtsmittel als wesentlichen Verfahrensmangel geltend machen; das gegenständliche Maßnahmenbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungssenat Oberösterreich bietet dafür aber keinen Raum.
Rechtssatz 2
FPG §67 Abs4
Riel/Schrefler-König/Szymanski/Schmalzl, FPG-Kommentar, § 67, Anm 9 (Stand: 1.4.2011), führen Folgendes aus: "Warum ein Fremder in Fällen, die offenbar nicht auf eine Vorgangsweise gem § 12a Abs3 AsylG hinauslaufen, vom Abschiebetermin informiert werden soll, ist nicht erkennbar, zumal die Versuchung für einen nicht angehaltenen Menschen groß sein wird, zum angekündigten Zeitpunkt nicht antreffbar zu sein. Freilich hat das Unterlassen einer solchen Information ... auch nur dann rechtliche Konsequenzen, wenn andernfalls eine Vorgangsweise gem § 12a Abs3 oder 4 AsylG erfolgen würde."
Wenn daher die belangte Behörde – mag ihr auch der konkrete Abschiebetermin bereits einige Tage zuvor bekannt gewesen sein – den Bf erst kurz vor dem tatsächlichen Abschiebetermin iSd § 67 Abs4 FPG über den konkreten Termin der Abschiebung informiert hat, ist dies im vorliegenden Fall auch nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich mit keinen rechtlichen Konsequenzen verbunden.
Rechtssatz 3
FPG §46 Abs1
Im Urteil des EuGH C-34/09 wird – wie vom EuGH mehrfach betont – eine sehr spezielle Sachverhaltskonstellation behandelt, für die entscheidend ist, dass minderjährige Kinder (Unionsbürger) nicht gezwungen werden sollen, Einbußen hinsichtlich ihres Status als Unionsbürger zu erleiden, indem sie ihren drittstaatsangehörigen Eltern (Verwandten in aufsteigender Linie) folgend das Gebiet der Union verlassen müssten, um von diesen weiterhin Unterhalt zu erhalten. Dabei wäre zwar fraglos der Kernbereich der Unionsbürgerschaft beeinträchtigt. Die Stoßrichtung des in Rede stehenden Urteils zielt dabei darauf ab, dass Kinder, die ja die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht in Anspruch nehmen können, nicht in ihrem Unionsbürgerstatus beschnitten werden sollen (vgl dazu schon UVS Oö 11.5.2011, VwSen-231251).
Auf den vorliegenden Fall ist das Urteil allerdings schon insofern nicht anwendbar, als gegenständlich davon auszugehen ist, dass der Unterhalt des Kindes in Österreich auch nach Abschiebung des Bf weiterhin gesichert ist; so hat diesfalls allein die Kindesmutter, die österreichische Staatsbürgerin ist, entsprechend Unterhalt zu leisten.