Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590290/21/Gf/Mu

Linz, 13.10.2011

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch die RAe x, gegen den die Zurücknahme einer Bewilligung nach dem Apothekengesetz verfügenden
Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB01-2-2011 (mitbeteiligte Partei: y, vertreten durch RA y), zu Recht:

 

 

I. Das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. August 2011, Zl. VwSen-590290/12/Gf/Mu, wird von Amts wegen ersatzlos aufgehoben.

 

II. Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass in dessen Spruch anstelle von "mit Wirkung vom 20.06.2011" nunmehr "mit Wirkung vom Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. Oktober 2011, Zl. VwSen-590290/21/Gf/Mu, an den Berufungswerber" zu heißen hat.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 68 Abs. 3 AVG; § 66 Abs. 4 AVG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB01-2-2011, wurde über Antrag der mitbeteiligten Partei die dem Rechtsmittelwerber zuvor mit Bescheid dieser Behörde vom 11. Februar 2005, Zl. SanRB01-2-1-2005, erteilte Hausapothekenbewilligung mit Wirkung vom 20. Juni 2011 wieder zurückgenommen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass nach § 29 Abs. 3 des Apothekengesetzes in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 1/2006 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei der Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke schon dann zurückzunehmen sei, wenn die Weg­strecke zwischen dem Berufssitz eines Arztes und der Betriebsstätte der Neu­apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet. Da diese Voraussetzung hier gegeben sei, sei die dem Beschwerdeführer erteilte Hausapothekenbewilligung sohin zu widerrufen gewesen.

 

1.2. Gegen diesen ihm am 17. Juni 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 30. Juni 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Begründend wird darin im Wesentlichen vorgebracht, dass die Standortgemeinde der Apotheke der mitbeteiligten Partei kein Versorgungspotential von 5.500 Personen aufweise; ein entsprechender Bedarf habe sich vielmehr erst auf Grund der Übergangsbestimmung des § 62a Abs. 4 des Apothekengesetzes ergeben, weil damals im Umkreis von vier Kilometern noch zwei praktische Ärzte ordiniert hätten. Da der Rechtsmittelwerber gegenwärtig aber der einzige Arzt in dieser Gemeinde sei, müsse die Bestimmung des § 62a Abs. 2 des Apothekengesetzes aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen heraus so ausgelegt werden, dass im
Falle einer Einarztgemeinde diesem die Hausapothekenbewilligung auch dann nicht entzogen werden darf, wenn die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke gemäß § 62a Abs. 4 des Apothekengesetzes bewilligt wurde.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Abweisung des Antrages der mitbeteiligten Partei beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmannes von Braunau zu Zl. SanRB01-2-2011; da sich
bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien darauf verzichtet haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 53 i.V.m. § 51 Abs. 3 des Apothekengesetzes, RGBl.Nr. 5/1907, in der hier nach der Übergangsvorschrift des § 62a Abs. 2 des Apothekengesetzes maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 41/2006 (im Folgenden: ApG), entscheiden u.a. über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde, mit denen die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke zurückgenommen wurde, die Unabhängigen Verwaltungssenate, und zwar – wie sich aus § 67a AVG ergibt – durch ein Einzelmitglied.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 62a Abs. 2 ApG gilt hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke u.a. dann, wenn eine Konzes­sion für eine öffentliche Apotheke – wie im gegenständlichen Fall – gemäß § 62a Abs. 4 ApG rechtskräftig erteilt wurde, "die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 41/2006 weiter".

 

3.1.1. Da die – n.b.: auf einem Initiativantrag beruhende (!) – ApG-Novelle BGBl.Nr. I 41/2006 nach Art. 49 Abs. 1 B-VG mangels einer dementsprechenden Sonder­regelung grundsätzlich (d.h.: von konkreten Übergangsvorschriften wie § 62a Abs. 2 bzw. Abs. 4 ApG abgesehen) am Tag nach ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt, also am 29. März 2006, in Kraft getreten ist, bezieht sich die vorzitierte, in der Übergangsbestimmung des § 62a Abs. 2 ApG enthaltene Wendung ihrem Wortlaut nach sohin auf die am 28. März 2006 geltende Rechtslage, d.i., soweit es die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen der §§ 10 und 29 ApG betrifft, das ApG i.d.F. BGBl.Nr. I 16/2001, da die Aufhebung einer (auf ein Versorgungspotential von 5.500 Personen abstellenden) Wortfolge in § 29 Abs. 4 ApG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2005, G 13/05 u.a., nach dessen Spruchpunkt II. erst am 1. November 2006 in Kraft getreten ist und somit der am 28. März 2006 maßgeblichen Rechtslage i.S.d. § 62a Abs. 2 ApG (noch) nicht angehörte. Nach § 29 Abs. 4 ApG in der bis einschließlich 28. März 2006 maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 16/2001 war die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke dann zurückzunehmen, wenn die materiellen Voraussetzungen dieser Bestimmung kumulativ vorlagen, d.h., dass einerseits die Wegstrecke zwischen dem Berufssitz des Arztes und der Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschritten hat und andererseits im rechtskräftigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotential im Sinne des § 10 ApG von zumindest 5.500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt worden war.

 

3.1.2. Dem gegenüber hat jedoch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 2010, B 411/10, ausgesprochen, dass in diesem Zusammenhang nicht einer grammatikalischen, sondern einer systematischen Auslegung der Vorzug zu geben ist, sodass sich der Inhalt der in § 62a Abs. 2 ApG enthaltenen Verweisung auf § 29 ApG darauf beschränkt, eine nach Fallgruppen differenzierende Regelung für die Rücknahme ärztlicher Hausapotheken zu treffen, wobei es für die Anwendung dieser Regelung unbeachtlich ist, ob ein bestimmtes Versorgungspotential festgestellt wurde oder nicht.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall ist allseits unbestritten, dass sich in der Standortgemeinde der Betriebsstätte der Neuapotheke zum Zeitpunkt der Antragstellung der mitbeteiligten Partei – nämlich am 1. März 2005 – bereits zwei ärztliche Hausapotheken befanden, aber auch, dass dort zwei Allgemeinmediziner mit Kassenarztverträgen niedergelassen waren. Weil daher die kumulativen Negativvoraussetzungen des § 62a Abs. 4 ApG nicht erfüllt waren, war sohin vom Vorliegen eines entsprechenden Bedarfes i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG auszugehen und der mitbeteiligten Partei – gestützt auf die erstgenannte Bestimmung – die beantragte Konzession zu erteilen, wobei dieses Konzessionsverfahren erst nach dem 31. Oktober 2006 rechtskräftig abgeschlossen wurde (vgl. VwSen-590140/5/SR/Ri u.a. vom 7. Dezember 2006), sodass hier nach § 62a Abs. 4 ApG die Bestimmung des § 62a Abs. 2 i.V.m. § 29 ApG in der vom Verfassungsgerichtshof in seinem vorangeführten Erkenntnis vom 14. Juni 2010, B 411/10, zum Ausdruck gebrachten Bedeutung anzuwenden ist. 

 

Weiters wird i.S.d. § 29 Abs. 4 ApG weder vom Rechtsmittelwerber selbst in Abrede gestellt noch sind im Verfahren sonst gegenteilige Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass sein Berufssitz weniger als vier Straßenkilometer vom Betriebssitz der Neuapotheke der mitbeteiligten Partei entfernt ist.

 

Damit ist aber die – einzige – Voraussetzung für die Rücknahme der Hausapothekenbewilligung des Beschwerdeführers gegenständlich erfüllt.

  

3.3. Mit h. Erkenntnis vom 23. August 2011, Zl. VwSen-590290/12/Gf/Mu, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Berufung des Rechtsmittelwerbers mit näherer Begründung (Heranziehung einer grammatikalischen Interpretation des § 62a ApG) stattgegeben.

 

Dagegen hat die mitbeteiligte Partei gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und in dieser auf dessen Erkenntnis vom 14. Juni 2010, B 411/10, und die darin vertretene systematische Auslegung hingewiesen.

 

3.4. Da der Oö. Verwaltungssenat die Frage, ob dieser Norminhalt im Gesetzestext auch für die Rechtsunterworfenen ausreichend erkennbar zum Ausdruck kommt, ebenso wenig zu beurteilen hat wie jene, welche dieser beiden Interpretationsmethoden hinsichtlich der Problematik, ob ein Betreiber, der seine Neukonzession zwar ohne Bedarfsprüfung erhalten hat, dafür aber einen Konkurrenzschutz gegenüber bereits bestehenden Hausapotheken beanspruchen können soll, in rechtspolitischer Hinsicht zu einem überzeugenderen Ergebnis führt, scheint es unter diesen Umständen – wenngleich aus dem zuvor angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im gegenständlichen Fall keine formelle Bindungswirkung resultiert – jedenfalls aus Gründen der Verfahrensökonomie geboten, das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. August 2011, Zl. VwSen-590290/12/Gf/Mu, nach § 68 Abs. 3 AVG von Amts wegen ersatzlos aufzuheben, die vorliegende Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen und den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

VwSen-590290/21/Gf/Mu vom 13. Oktober 2011

 

Erkenntnis

 

B-VG Art 144 Abs1;

AVG §68 Abs3

 

Amtswegige Aufhebung der eigenen UVS-Entscheidung aus Gründen der Verfahrensökonomie (Klaglosstellung, Vermeidung von Rückabwicklungsproblemen), wenn sich ergibt, dass der VfGH eine gegenteilige Interpretationsmethode vertritt und der Bescheidadressat gestützt auf diese eine Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG erhoben hat.

 

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde eingestellt;

VfGH vom 14.12.2011, Zl. B 1147/11-8

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 27.05.2014, Zl.: 2011/10/0197-8

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